Kommandowechsel in Litauen: Neue eFP-Rotation, neuer Kommandeur des deutschen Kontingents
Die Bundeswehr hat – inzwischen planmäßig – mit der inzwischen 14. Rotation einen neuen deutschen Kommandeur an die Spitze der NATO-Battlegroup in Litauen gestellt: Oberstleutnant Andreas Kirchner, Kommandeur des Panzerbataillons 363 in Hardheim, übernahm die Führung der enhanced Forward Presence-Mission von Oberstleutnant Lars Neitzel. Das deutsche Kontingent in dieser Battlegroup, vor allem aber das Forward Command Element einer deutschen Brigade in Litauen, wechselte von Oberst Wolfgang Schmidt von der Panzergrenadierbrigade 41 auf Oberst Klaus-Peter Berger von der Panzerbrigade 12.
Als Reaktion auf das russische Vorgehen in der Ost-Ukraine und die Annexion der Krim 2014 hatte die NATO 2016 die Einrichtung von vier verstärkten Bataillonen an der Nordostflanke der Allianz, eben die enhanced Forward Presence (eFP) beschlossen. In den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie in Polen sollen die rotierend von anderen Staaten der Allianz beschickten Battlegroups den östlichen Bündnismitgliedern den Rückhalt der anderen NATO-Staaten signalisieren – und faktisch als Stolperdraht ein vor allem von den Balten befürchtetes russisches Übergreifen auf diese Länder verhindern. Die Battlegroup in Litauen wird seit ihrer Einrichtung im Februar 2017 von der Bundeswehr geführt.
Ergänzend dazu hatte Bundeskanzler Olaf Scholz im vergangenen Jahr die Bereitstellung einer deutschen Brigade in dem baltischen Land angeboten. Zunächst sollte diese Brigade nur mit einem Kommandoelement in Litauen präsent sein und bei Übungen oder im Ernstfall mit Kampftruppen verstärkt werden. Im Juni sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius allerdings überraschend zu, künftig die gesamte Brigade dauerhaft in dem baltischen Land zu stationieren.
Die Planungen für diese Stationierung von rund 4.000 deutschen Soldatinnen und Soldaten sind angelaufen. Am Rande des NATO-Gipfels in Litauen sagte Pistorius, dass es noch in diesem Jahr mehr Klarheit über die technischen Einzelheiten geben werde – allerdings bleibe diese Bundeswehrbrigade vorerst eine deutsch-litauische Vereinbarung und keine NATO-Einrichtung. Der Minister zum Nachhören:
Formal hat deshalb auch die eFP-Battlegroup nichts mit der deutschen Brigade zu tun, auch wenn beides bis auf Weiteres am gleichen Ort, nämlich Rukla bei Kaunas in Litauen, stattfindet und der Kommandeur des Forward Command Elements (FCE) zugleich deutscher Kontingentführer ist. Deshalb gab es auch zwei getrennte Kommandoübergaben: während der Kommandeur der litauischen Iron Wolf-Brigade, Oberst Aurelijus Motiejūnas, die Führung der ihm unterstellten Battlegroup vom deutschen Oberstleutnant Neitzel an den deutschen Oberstleutnant Kirchner übergab, war der Kommandowechsel des FCE eine deutsche Angelegenheit. Der stellvertretende Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, Konteradmiral Jörg Klein, übergab Berger das neue Kommando.
Der neue FCE-Chef und deutsche Kontingentführer dürfte in seiner halbjährigen Zeit in Litauen auch vor allem mit den Details der geplanten dauerhaften Stationierung der Brigade beschäftigt sein.
Fürs Archiv die Übersicht über die bisherigen Rotationen der deutschen Beteiligung und Führung der eFP-Battlegroup, die von wechselnden Bataillonen gestellt werden, sowie ab der 12. Rotation die deutsche Kontingent/FCE-Führung:
Beginn und 1. Rotation: Panzergrenadierbataillon 122 aus Oberviechtach
2. Rotation: Panzergrenadierbataillon 371, die Marienberger Jäger
3. Rotation: Jägerbataillon 292 aus Donaueschingen
4. Rotation: Panzerbataillon 393 aus Bad Frankenhausen
5. Rotation: Panzerbataillon 104 aus Pfreimd
6. Rotation: Panzergrenadierbataillon 391 aus Bald Salzungen
7. Rotation: Panzergrenadierbataillon 371, die Marienberger Jäger
8. Rotation: Panzerbataillon 104 aus Pfreimd
9. Rotation: Panzerlehrbataillon 93 aus Munster
10. Rotation: Panzerbataillon 414 aus Bergen
11. Rotation: Panzergrenadierbataillon 411 aus Viereck
12. Rotation: Panzerbataillon 203 aus Augustdorf; FCE-Kommandeur Oberst André Hastenrath
13. Rotation: Panzergrenadierbataillon 401 aus Hagenow, FCE-Kommandeur Oberst Wolfgang Schmidt
(Foto oben: Übergabe der 14. Rotation der NATO eFP Battlegroup in Litauen von OTL Lars Neitzel, r., auf OTL Andreas Kirchner, l., mit dem Kommandeur der litauischen Iron Wolf Brigade, Aurelijus Motiejūnas ; Foto unten: Übergabe der Führung des deutschen Kontingents von Oberst Wolfgang Schmidt, r., an Oberst Klaus-Peter Berger, l., mit Konteradmiral Jörg Klein – Fotos NATO eFP Lithuania)
‚bin gespannt ob es bis Jahresende erste Erkenntnisse zur Stationierung des Brigadeäquivalentes geben wird.
Übergeben wurde nicht das FCE, sondern das Deutsche Kontingent.
Das FCE ist Teil des deutschen Kontingentes.
Die Oberste haben sich als Kontingentführer übergeben, nicht als Kdr FCE.
[Äh ja. Das deutsche Kontingent besteht allerdings im Wesentlichen aus den Teilen, die zur NATO eFP Battlegroup gehören. Die untersteht wiederum nicht dem deutschen Kontingentführer, sondern der litauischen Brigade. Wollen wir das weiter durchbuchstabieren…? T.W.]
Eine Brigade sollte (Wikipedia lässt grüßen) „aufgrund seiner Organisation, Personalstärke und Ausrüstung in der Lage sein, operative Aufgaben ohne substantielle Verstärkung selbständig zu lösen“
Ich schätze, dass aufgrund der diversen Teilstreitkräfte keine der existierenden Brigaden in Deutschland dafür aufgestellt ist. Insofern denke ich, dass man um die Maxime „Eigenständigkeit vor Ort für ein Gefecht der verbundenen Waffen“ zu erreichen, hier neue Wege gehen muss. Also Sanität, Flugabwehr, Logistik, etc. integriert denken und benennen.
@Nachhaltig
Bis auf die fehlende San-Komponente kann das die DEU/FRA Brigade. OK, der Bereich Aufkl müßte im Einsatzfall aufwachsen, das wäre aber auch vorgesehen. HFla fehlt natürlich auch.
@Nachhaltig
Einzig im Bereich Heeresflugabwehr haben Sie recht. Selbst diese Lücke wird absehbar jedoch über NNbs geschlossen, und, die PzGrenBtl sind gegen Luftbedrohung selbstverteidigungsfähig durch die BMK der SPz.
Der (Truppen)Sanitätsdienst ist integraler Bestandteil der Verbände; aktuell wird die medizinische Betreuung der deutschen Kräfte durch eine eigene multinationale truppenärztliche und notfallmedizinische Versorgung ( „Role 1“) sowie Abstützung auf HNS garantiert.
Zu „Eigenständigkeit vor Ort für ein Gefecht der verbundenen Waffen“ fehlen CAS-Fähigkeiten über JaBo bzw KHS, die in der Lw bzw HFlgTr organisiert sind und selbstverständlich nicht organisch in Brig der Kampftruppen gehören. Die Btl sind über JFS-Teams zur Führung von CAS oder auch als Aufgabe aller Truppen zu CCA befähigt.
Zum Begriff
1. „operative Aufgaben“: Die Brig als kleinste Großverbände des Heeres zählen zur taktischen Führungsebene und erfüllen somit taktische Aufgaben, keine operativen.
2. aufgrund der diversen „Teilstreitkräfte“: alle Brig des Heeres gehören zum HEER ausschließlich, als eine der Teilstreitkräfte der Bw , was sagen Sie also aus?
Korrektur Gliederung wie folgt:
13. Rot eFP BG LTU gestellt durch PzGrenBtl 401:
KtgtFhr: Oberst Schmidt
Kdr OTL Neitzel
FCE der PzGrenBrig 41
Kdr: General Nawrat, Führer FCE Oberstleutnant aus der Brigade
[Korrektur wie folgt: FCE der PzGren Brig 41 – Führer FCE Oberst Schmidt, oder? Und Nawrat ist Kommandeur der Brigade, nicht des FCE? Sie sehen, wenn Sie das so aufdröseln wollen ist es auch nicht so einfach… T.W.]
Ich würde es mal anders formulieren: structure follows processes follows strategy. Nach der Strategischen Entscheidung sollte man also die möglichen Szenarien beschreiben und das dafür benötigte Effektiv an Material und Personal bestimmen. Dies sollte man dann dort stationieren. Letztendlich geht es um die Stationierung eines Brigadeäquivalents der Bundeswehr und nicht um die Stationierung einer Heeresbrigade.
Konkret: Eine angemessene Anzahl an Tigern, H145m, CH47 und IRIS-T SLM scheint mir geboten. Vielleicht sogar ein paar F-35 im Baltikum. Also das komplette Besteck aber jeweils so, dass in der Summe nur ein Beigadeäquivalent herauskommt.
@KPK
„Früher“ waren alle auf der Brigadeebene benötigten Fähigkeiten in den Brigaden organisatorisch dauerhaft unterstellt. Heute sind sie über vier TSK/ORG-Bereiche verteilt.
@MFG
„Früher“, welches denn?
Weder Fla noch San (ausgenommen L9 in Heeresstruktur 3) war organisch abgebildet, Pi und Log nur Einheitsebene.
Die Sanlage ist beklagenswert, ja.
Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) sagt:
10.08.2023 um 0:13 Uhr:
„… Der (Truppen)Sanitätsdienst ist integraler Bestandteil der Verbände; …“
So? Seit wann das denn wieder? Die SanZüge mit denSanTrps und der Verbandplatzgruppe wurden doch aus den Bataillonen herausgelöst, genauso wie die Truppenärzte.
Interessant ist die Übernahme der Aufgabe durch das Panzerbataillon 363, als letzter neu aufgestelltes Kampfbataillon. Das nur 14 von geplanten 44 Kampfpanzern tatsächlich verfügbar sind, zeigt, dass die B w Planungen weiterhin nicht funktionieren. Die BW braucht dringend mehr Panzer.
@KlausP
Verstanden, wann?
„MechDiv… im Einsatz durch den Zentralen Sanitätsdienst mit den erforderlichen sanitätsdienstlichen Fähigkeiten unterstützt“.
Couleursverhältnisse?
@MFG
„Früher“ waren die wesentlichen Fähigkeiten zum Gefecht der verbundenen Waffen im Heer verortet, heute sind diese über 4 OrgBereiche verteilt, soweit richtig. Aber nicht alle waren auf Brigadeebene. Flugabwehr, ABCAbw, EloKa, etc waren nie organisch in den Brigaden, sondern wurden bei Bedarf durch Division/ Korps zugeteilt.
@Nachhaltig
Nunja, due Forderung der Litauer ist wohl eine Heeresbrigade. Wurde sprechen also im Kern um 3-4 Kampftruppenbataillone, 1 Brigadeartilleriebaraillon, Versorgungsbatillon, Pionier und Aufklärungskräfte ( wahrscheinlich werden je 1 Kompanie reichen ). Dann muss sehen, in welchem Rahmen diese Brigade „aufgehangen“ wird ( LTU Division?). Daraus ergibt sich der Bedarf an weiteren KU/EU (Kampf-/Einsatzunterstützung) Kräften.
Heeresflieger sind in Litauen von geringem Wert.
Man hört im BMVg zu Erkenntnisse zur Stationierung einer Brigade/eines Brigadeäquivalentes folgendes:
Die Entscheidung zur Stationierung einer ‚kompletten‘ Brigade in Litauen fiel nach Überlegungen eines kleinen Zirkels der politischen Leitung und der militärischen Führung. Es war politisch getrieben und hat manchen Experten überrascht.. Eine eingehende Analyse ist im Vorfeld nicht erfolgt. Standhaft hält sich im BMVg das Gerücht, dass das Heer nur ganz partiell beteiligt war.
Nun jedoch liegt der Ball im Bereich des Heeres. Planungen haben begonnen. Die Systematik ähnelt bisherigen Strukturüberlegungen. Diese waren gekennzeichnet durch fehlende Fähigkeitsableitungen und Bedrohungsanalysen. Dazu der immerwährende Zeitdruck und der damit verbundene, fehlende Tiefgang und ausbleibende Beteiligung. Die Ergebnisse sprachen dann für sich. Manche sagen suboptimal.
Diesmal müsste es anders sein. Sorgfältig abgestimmt mit NATO Planungen, Planungen der LV von Litauen aber auch einem aus Bedrohungen abgeleiteten Fähigkeitsprofil sind nun Möglichkeiten zu entwickeln. Diese sind zu hinterlegen und gegenzurechnen mit Personal und Material/Bewaffnung/Ausrüstung. Das führt zu der Frage, was ist eigentlich der Auftrag des Brigadeäquivalentes? Ich vermute, der Minister hat ihn nicht formuliert, das war eher nur „Stationierung“. Im BMVg hört man dazu (noch) nichts.
Das alles macht es komplex. Denn neben der Frage „was braucht man dort und warum“, spielt die bedauerliche Gesamtausstattung des Heeres eine große Rolle. Es wird zu Verdrängungseffekten kommen. Offenbar macht es sich schon jetzt an der Frage fest, ob Mittlere Kräfte überhaupt und wenn ja in welcher Ausprägung diese gebraucht werden. Auch die wenigen, dem Heer bis dahin berechneten Kräfte der Kampfunterstützung und des Combat Service Support, gilt es nun zu priorisieren.
Nachdem die leichten Kräfte des Heeres für ihre Mobilität einen großen Schluck aus der Bulle bekamen, die mittleren Kräfte des Heeres und die Division 25 bisher im Fokus standen, kann nun eine Schieflage im Heer entstehen. Geld kann nur einmal ausgegeben werden. Personal und Bewaffnung/Ausrüstung kann man nicht auf mehrere Schwerpunkte verteilen. Schwerfläche geht halt nicht.
Aus dem Heer hört man, da ist ordentlich Dampf auf dem Kessel. Schon jetzt lähmt Zeitdruck – und wie immer bei Strukturplanungen, ist alles unter Verschluß. Kleinster Kreis, wo doch alle wissen, wozu dies in vorherigen Strukturüberlegungen führte.
Die Planungsabsicht des BMVg ist es, noch 2023 eine grundlegende Entscheidung zu fällen.
Die Stationierung dieser Brigade, eines Brigadeäquivalentes ist im Heer umstritten. Die eine Fraktion, betont nun auffallend, dass eine permanente Vorwärtsstationierung in Litauen sinnvoll und notwendig ist. Schon immer war und natürlich ist. Das sind meist höhere Führer, orientiert an der Argumentation des Ministeriums. Wie immer, denkt man sich. Zumal es schon manchen Offizier gibt, der nun betont, dass dies schon immer sein Wunsch, seine Anregung, gar Forderung war. So be it.
Die andere Fraktion stellt Fragen nach der Realisierbarkeit, sieht die eigene Bedeutung schwinden u.vm. Warum ein Rotationsprinzip im Verbund mit dem Ansatz Mittlere Kräfte und schwere Folgekräfte nun nicht mehr sinnvoll ist, bleibt unbeantwortet.
Viel macht sich am Personal (mit Familie) fest. Man vermutet, dass der gegenwärtige, typisch deutsche Ansatz greifen wird. Viel Geld – hilft viel. z.B. Aufwandsentschädigung/Zulage – Steuerfrei und sehr hoch, bitte sehr. Doch auch Fragen zur speziellen Taktik, zum Einatzwert werden gestellt.
Man kann es natürlich nicht messen, schon gar nicht bewerten. Doch es scheint, dass Zweifel überwiegen. Gemacht wird nun trotzdem, ist ja Auftrag.
Ich finde, dass in diesem Fall Qualität vor Quantität geht. Es ist so ein tiefgreifender Einschnitt in das bisherige Zielbild und die mittleren Kräfte und der Divisionsaufbau in diesem Jahrzehnt sind weitere Ziele, die jetzt miteinander verheiratet werden müssen. Vielleicht ist bei dieser Komplexität auch eine Vorgehensweise sinnvoll, die zunächst die ersten Schritte, die auf jeden Fall gegangen werden müssen, angeht.