Achte Rotation beim NATO-Bataillon in Litauen: Panzerbataillon 104 mit altem Bekannten
Der seit Februar 2017 laufende Einsatz einer NATO-Battlegroup in Litauen unter deutscher Führung geht in seine achte Rotation – und ein alter Bekannter übernahm erneut das Kommando des multinationalen Bataillons: Oberstleutnant Peer Papenbroock, der bereits seit Februar 2019 für sechs Monate die enhanced Forward Presence-Einheit geführt hatte, löste Oberstleutnant Axel Niemann ab, den Kommandeur des Panzergrenadierbataillons 371, der Marienberger Jäger. Niemann hatte die Battlegroup an der Nordostflanke der NATO seit Februar dieses Jahres geführt.
Schon die Marienberger Jäger stellten das zweite Mal nach August 2017 den überwiegenden Teil des Bataillons (wenn auch unter verschiedenen Kommandeuren) – ein Zeichen dafür, dass die vorgeschobene Präsenz der Allianz langsam zum Normalfall wird.
Allerdings hatte das Panzergrenadierbataillon 371, das jetzt abgelöst wurde, mit einer besonderen, nicht militärischen Situation zu kämpfen: Die siebte Rotation der Bataillon-Kampfgruppe der NATO-Frontkräfte in Litauen war aufgrund der Coronavirus-Pandemie, die die Welt traf, völlig anders. Wir standen einem unsichtbaren Feind gegenüber, aber mit harten Maßnahmen und militärischer Disziplin konnten wir diese Bedrohung überwinden. Wir haben die Mission erfolgreich abgeschlossen und ich bin stolz darauf , sagte der scheidende Kommandeur Niemann nach Angaben des litauischen Verteidigungsministeriums beim Übergabeappell.
Die Battlegroup war als erste Auslandsmission der Bundeswehr von der Pandemie betroffen. Mehrere deutsche Soldaten, aber auch Soldaten anderer Nationen wurden ausgeflogen; über Wochen ruhte der Ausbildungsbetrieb, weil Quarantäne im Feldlager in Rukla und auf dem Übungsplatz Pabrade und die Hygiemaßnahmen die Arbeit praktisch stoppten. Weiterhin müssen Bundeswehrsoldaten vor der Verlegung nach Litauen – wie in andere Auslandseinsätze – 14 Tage in Quarantäne und sich auf eine Infektion testen lassen.
Die NATO hatte als Reaktion auf die russische Annexion der Krim und die Lage in der Ostukraine die enhanced Forward Presence (eFP), eine verstärkte Präsenz an der Nordostgrenze des Bündnisses beschlossen: In Litauen wie in Estland, Lettland und Polen sollen die rotierend von anderen Staaten der Allianz beschickten Battlegroups den östlichen Bündnismitgliedern den Rückhalt der anderen NATO-Staaten signalisieren – und faktisch als Stolperdraht ein vor allem von den Balten befürchtetes russisches Übergreifen auf diese Ländern verhindern.
Das verstärkte multinationale Bataillon in Rukla in Litauen wird seit dem Beginn im Februar 2017 durch die Bundeswehr geführt. Zusammen mit deutschen Soldaten sind dort wechselnd Niederländer, Belgier, Tschechen, Kroaten und Norweger stationiert. Derzeit ist außerdem Frankreich, nicht ständig mit Soldaten in dieser Battlegroup in Litauen vertreten, an der Mission beteiligt.
Die verschiedenen Mitgliedsländer der Allianz tauschen im Halbjahresrhythmus nicht nur die in dem eFP-Bataillon eingesetzten Truppenteile aus. Auch das Großgerät der Einheiten rotiert mit; so soll zugleich die Logistik hinter einer Verlegung von Soldaten an die NATO-Nordostflanke geübt werden. Zugleich kommt das Bündnis damit den Bestimmungen der NATO-Russland-Grundakte nach, die eine dauerhafte Stationierung nennenswerter Kampftruppen in den ehemaligen Ländern des Warschauer Vertrags untersagt.
Derzeit stellt die Bundeswehr rund 530 deutsche Soldaten für die eFP-Battlegroup. Das verstärkte Bataillon untersteht der litauischen Iron Wolf-Brigade, deren Kommandeur Mindaugas Petkevičius das Kommando von Niemann an Papenbroock übergab.
Fürs Archiv die bisherigen Rotationen:
Beginn und 1. Rotation: Panzergrenadierbataillon 122 aus Oberviechtach
2. Rotation: Panzergrenadierbataillon 371, die Marienberger Jäger
3. Rotation: Jägerbataillon 292 aus Donaueschingen
4. Rotation: Panzerbataillon 393 aus Bad Frankenhausen
5. Rotation: Panzerbataillon 104 aus Pfreimd
6. Rotation: Panzergrenadierbataillon 391 aus Bald Salzungen
7. Rotation: Panzergrenadierbataillon 371, die Marienberger Jäger
(Foto: Papenbroock, l., und Niemann, r., bei der Kommandoübergabe mit dem Brigadekommandeur Oberst Mindaugas Steponavičius – Alfredas Pliadis/Litauisches Verteidigungsministerium)
„… dauerhafte Stationierung nennenswerter Kampftruppen …“
Ich gestehe, weiß es nicht sicher: nennenswert (!) betrachtet welche Größenordnung?
Nach Verständnis von US Publikationen aus dem Nachbarfaden „US Truppenabzug …“ und Verlegung von Stäben/Aufbau „prepositioned stocks“ in Polen, kann gefolgert werden, ein Brigadeäquivalent stellt die kritische Größe dar?
Ähm…
AHA
Abstand
Hygiene
Alltagsmaske
Ich hoffe inständig das dieses Bild „veraltet“ ist. Quarantäne vorab, hin oder her…
@ KPK: es geht um die dauerhafte Stationierung. Durch die Rotation ist diese eben nicht „dauerhaft“.
Eine nennenswerte Größenordnung hat die Truppe i. R. v. eFP durchaus.
Ich halte eFP aber für keine gute Sache. Wer hier eine Bedrohung für wen darstellt, sollte gründlich überdacht werden.
Ist den eine einzelne Battlegroup überhaupt nennenswert, oder muss man das gesamte Konstrukt von Estland bis Polen als ganzes betrachten?
24 h Funkstille, muß man sich Sorgen machen T.W.?
[Nein. ;-)
https://www.instagram.com/p/CDhDZy5HQqg/
Geht auch gleich weiter!
T.W.]
@451
Aus russischer Sicht bzw. juristisch könnte man die Rotation auch als Umgehungstatbestand oder als Gestaltungsmißrauch ansehen zumal es ja keine Pause zwischen den Rotationen gibt sondern die Kontingente quasi zeitlich ineinander greifen.
@Alfons Zitterbacke
NATO besteht als Bündnis, so auch eFP. Daher bedeuten die vier Battlegroups mit ca. 4.500 Soldaten eine organisatorische Einheit.
@451
Überdenken, durchaus, hinsichtlich einer Verstärkung an KpfTr und eigener Kampfhubschrauber-Fähigkeit.
@Thomas Melber: könnte möglich sein, wurde jedoch seit 2017 nicht gemacht und ist wahrscheinlich seitens RUS nicht gewollt. (wohin soll es führen…)
@KPK: warum? Fühlt sich jemand von RUS bedroht, oder worum geht es?
@451
Authentische Antworten dazu, gefühlsfrei, im Baltikum, in Polen, der Slowakei, Rumänien, Bulgarien und der NATO-BdL zur Krim und der Ostukraine.
Rückblickend werden Sie fündig auch in mehrfachen Vorgängerfäden zur eFP mit unterschiedlichen Auffassungen. Hinzuzufügen habe ich dem nichts.
@451 sagt: 06.08.2020 um 14:35 Uhr
„@KPK: warum? Fühlt sich jemand von RUS bedroht, oder worum geht es?“
Ja. Unsere Alliierten im Baltikum. Und deswegen im Rahmen unserer Verpflichtungen (NATO und EU) auch wir.
Ob eFP dagegen der richtige Ansatz ist, darüber kann man streiten (ich denke ja und noch VIEL zu klein, aber das ist diskutierbar).
Aber das es eine Bedrohung gibt sollte doch bitte nicht mehr bestritten werden.
@KPK
Allerdings fühlen sich die von Ihnen genannten Staaten – insb. die Balten und Polen – grundsätzlich und immer von Rußland hochgradig bedroht. Wir sollten uns nicht instrumentalisieren lassen und gelassen und nicht hysterisch an die Sache herangehen.
Was nicht heißt, daß wir uns vor unseren Bündnisverpflichtungen drücken sollen, aber ab und zu gehen Provokationen auch von unseren Partnern aus.
Weiß man denn, warum immer die Brigaden 12 und 37 (mit einer Ausnahme durch die DF-Brigade) die eFP stellen?
Ich kann nicht so ganz nachvollziehen, warum das gleiche Bataillon ein Jahr nach der Rückkehr wieder nach Litauen muss. Klar, dass ganze ist kein Einsatz, aber mit zwei Mal je sechs Monaten Abwesenheit innerhalb von zwei Jahren mutet man den Soldaten ganz schön was zu, während die Bw auch noch einige weitere mechanisierte Verbände besitzt: Warum werden diese nicht eingesetzt?
@Thomas Melber:
Manchmal helfen beruhigende Gesten eine Person herunterzufahren und damit aus einem Angstkreislauf herauszuholen. Analog sehe ich das für die baltischen Staaten.
Und wenn nebenbei noch Interoperabilität und Logistik beübt werden ist es auch nützlich.
@Perikles71:
Das dürfte daran liegen, das die 10. PzDiv für die „Division 2027“ vorgesehen ist, also bis 2027 in eine echte Division im Sinne eines operativen Großverbandes verwandelt werden soll.
Daher werden die 12 und die 37 so intensiv eingebunden und sollen auch vorrangig mit neuem Material ausgestattet werden.
So müssen sie wenigstens nicht in die Endlos-Sinnlos-Einsätze in AFG/MALI sondern befassen sich mit dem originären Auftrag der Streitkräfte – LV/BV.
@451
Sommer 1940 besetzt die Rote Armee in getreuer Erfüllung des geheimen Zusatzprotokolls zum DEUTSCH-SOWJETISCHEN Nichtangriffspakt das Baltikum, die Nordbukowina und Bessarabien. In Ostpolen und Galizien startet der bolschewistische Terror. Befreit fühlte sich niemand, insbesondere die seit 1918/19 eigenständigen Esten, Letten und Litauer nicht.
Als die Rote Armee 1944 in Verfolgung der Wehrmacht erneut in das Baltikum, nach Polen und Ostrumänien vorstößt, gab es kurzfristige Befreiungsgefühle, nach dem Abzug der Wehrmacht.
Die unmittelbar umgesetzte Sowjetisierung erstickte jeglichen Freudentaumel im Keim, außer bei jeweiligen Parteiapparatschicks.
Nach dem Ende der UdSSR zum 26.12.1991 herrsche allerdings erlösender Jubel, von Tallin bis Chisinau, die erneute Unabhängigkeit war erreicht.
Als Putin und KGB-Konsorten 2014 die Krim und die Ostukraine mit neu-russischer Anwesenheit erfreuten, erinnerten sich die Osteuropäer unmittelbar an 1940/44.
Dass die NATO darauf mit der eFP und die USA mit Atlantic Resolve reagierten, ist ausschließlich dem bittenden Drängen der sich nicht nur bedroht Fühlenden sondern gefährdet Wissenden ehemaligen WP-Staaten geschuldet, die zuverlässige NATO und EU-Verbündete wurden.
@KPK: Danke für den langen Text (ich freue mich über den respektvollen Umgang hier und die nicht einseitige Diskussion).
Nun, ich gebe Ihnen da in Teilen schon Recht. Aber in diesem Zusammenhang muss man auch die – sich immer weiter gen Osten ausbreitende NATO – die vielen amerikanischen Soldaten (rund um RUS) – die auf dem Maidan herbeigeführten Regime-Changes – sowie das Interesse von RUS an der Krim sehen.
Zwischen Ukraine und RUS gab es die feste Nutzungsvereinbarung des Flottenstützpunkes auf der Krim, welcher einzige Ausgangsbasis für die Schwarzmeerflotte und Zugang zum Mittelmeerraum für RUS darstellt. Aus der Sicht von RUS war dieser strategisch unglaublich wichtige Flottenstützpunkt massiv gefährdet und für mich nachvollziehbar durch die Sezession – ich nenne es mal „gerettet“.
Zu den oben genannten Punkten muss man ja auch mal ganz klar fragen, was in einer umgekehrten Situation geschehen wäre? Hätten die USA einen strategisch wichtigen Stützpunkt (und sie haben hunderte im Ausland / Russland nur 3) durch Abspaltung eines Landes und Zuwendung in Richtung – nehmen wir mal China – einfach aufgegeben, zusammen mit dem Einfluss und Aufgabe der Handlungsfähigkeit in dieser Region? If I’d guess……..
RUS hat kein Expansionsbestreben, dass wird permanent durch alle Kanäle wiederholt und ich glaube es.
Mir stellt sich schon die Frage, wer hier aggressiv vorgeht, auch ganz ohne die (Achtung) ver-rückten Sichtweisen von Friedenstauben. Jeder Truppenbewegung an der RUS Grenze, jeder mil. Flug der Russen im offenen Luftraum, dicht an der NATO, wird als aggressives verhalten gebrannt. Und wir? Sind wir da besser? I don’t think so.
@451
Ich lehne den Terminus „immer weiter gen Osten ausbreitende NATO“ grundsätzlich ab.
Zwar verleitet der Blick auf die Geografie Mittel-Osteuropas dazu, bestärkt wird der russlandfreundliche Betrachter auch infolge gewachsenen politisch-ökonomischen Einflusses sowie der Truppenpräsenz, eFP, Atlantic Resolve und ebenso Baltic Air Patrolling/Policing.
Nur unterstellt diese Lesart (von Ausbreitung) einen offensiven Ansatz der NATO-Osteuropapolitik unter Außerachtlassung baltischer und auch polnischer Beweggründe. Die Osteuropäer suchten und suchen nach wie vor den NATO-Schutz wie Küken die Glucke. Bestens Beispiel, weil aktuell, ist das Buhlen Warschaus um U.S. Stützpunkte, aufdrängen muss Washington sich nicht, im Gegenteil. Lediglich erleichtert Trump ihnen, was Obama verwehrte, mit Absichten, die im zugehörigen Nachbarfaden zur U.S. Reduzierung in Deutschland deutlich werden.
Die Nutzungsvereinbarung für Sewastopol rechtfertigt keine hybride Kriegführung auf der Krim und im Donbas und beider Besetzung.
„Hätten die USA“, oder hätte-wäre-wenn-Fragen stellen sich nicht wirklich; Sie/Ich, wissen es nicht. Das Üble an Prognosen ist die Ungewissheit über die Zukunft.
Von strategischer Brisanz ist die Schwarzmeerflotte und deren Zugang zum Mittelmeer über die TUR Meerengen, eine Moskauer Topic schon vor 1914.
Jedoch hat sich das dergestalt relativiert, als dass Moskau in TARTUS sein syrisches Sewastopol auf Dauer unterhält. Berichte der letzten Wochen legen zudem den Ansatz einer neuen RUS maritimen Präsenz in Alexandria im Stil der sowjetischen 5. Eskadra nahe.
Die Bedeutung der Meerengen bleibt, steht aber nicht mehr absolut, zumal im Frieden der Meerengenvertrag (auch Dardanellen-Vertrag) klare Nutzungsregularien festschreibt.
Tatsächlich ist sich Moskau bewusst, die Schwarzmeerflotte stellt eine Binnenflotte dar, die sicheren Zugang ins Mittelmeer ausschließlich bei Eroberung der Meerengen hätte, was nahezu illusorisch ist!
@451
Eine der Tatsachen, die einen souveränen Staat ausmachen, ist die Wahl der Bündnispartner. Ein souveräner Staat (und seine Bevölkerung) entscheidet selbst, ob es einem Bündnissystem zur kollektiven Verteidigung beitritt, oder sich für neutral erklärt. Wer Ihm dieses Recht abspricht, betreibt Aussenpolitik nach Gutsherrenart. Wollen Sie allen Staaten die nach Ende des Kalten Krieges der NATO beigetreten sind, oder auch der Ukraine die Souveränität absprechen?
Gerade die baltischen Staaten haben sehr unter Sowjetherrschaft gelitten! Zehntausende Litauer wurden nach Sibirien deportiert, das Land sollte komplett seine Sprache und Kultur verlieren. Noch bis 1953 haben die letzten Kräfte dem Sowjetregime bewaffneten Widerstand geleistet, bevor sie getötet oder hingerichtet wurden.
Die Ukraine hat 1994 nach ihrer Unabhängigkeit, im Rahmen des Budapester Memorandums, freiwillig auf seine Atomwaffen verzichtet, und diese an Russland abgegeben. Russland, sowie die Garantiemächte USA und UK, haben dafür (unter Anderem):
– die Souveränität und die bestehenden Grenzen der Länder
– die schon bestehende Verpflichtung zur Enthaltung von Gewalt und Verweis auf die Charta der Vereinten Nationen als Grundlage für die Gewaltanwendung
– Enthaltung von der Ausübung ökonomischen Zwangs (coercion), um die Souveränitätsrechte der Ukraine den eigenen Interessen zum eigenen Vorteil unterzuordnen
garantiert. Wie würden Sie das Verhalten RUS in Bezug auf diesen völkerrechtlichen Vertrag sehen? Was sollen die Garantiemächte aus ihrer Sicht tun? Hände in den Schoß? Russland hatte übrigens einen Pachtvertrag für die Basis Sewastopol. Dieser wurde fristgerecht gekündigt. Solche Dinge passieren, auch im zivilen Leben. Aus welchem Völkerrecht leiten Sie dann ein Recht für RUS ab, sich die Krim (und de Facto auch die Ostukraine) gewaltsam einzuverleiben? Oder tausenden Soldaten, in Form „kleiner grüner Männchen“ (mit allen ihren Waffen !) Urlaub in der Ukraine zu gewähren? Und dann auch noch die Propaganda vom Maidan-Regime-Change nachzusingen, also irgendwann ist es auch genug mit Appeasement und Rossiye-Folklore!