Neues Kommando bei der NATO-Battlegroup in Litauen: 9. Rotation unter deutscher Führung
Die NATO-Battlegroup in Litauen hat einen neuen Kommandeur: Als inzwischen neunter Chef der enhanced Forward Presence (eFP) der Allianz in dem baltischen Land übernahm Oberstleutnant Sebastian Hebisch, Kommandeur des Panzerlehrbataillons 93, den Befehl über den multinationalen Verband.
Hebisch und Teile des Panzerlehrbataillons 93 lösten mit der Kommandoübergabe am (heutigen) Mittwoch Oberstleutnant Peer Papenbrock vom Panzerbataillon 104 ab, der das verstärkte eFP-Bataillon in Rukla in Litauen seit August vergangenen Jahres geführt hatte. Der Battlegroup gehören rotierend rund 1.200 Soldaten und Soldatinnen aus Deutschland, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen und Tschechien an, außerdem immer wieder zivile Mitarbeiter aus Island, dem NATO-Mitglied ohne eigene Streitkräfte. Derzeit sind gut 650 Bundeswehrsoldaten Teil des Bataillons.
Die NATO-Battlegroup in Litauen ist eines von vier solcher eFP-Bataillone, die das Bündnis 2016 als Reaktion auf das russische Vorgehen in der Ukraine und die Annexion der Krim beschlossen hatte: In Litauen wie in Estland, Lettland und Polen sollen die rotierend von anderen Staaten der Allianz beschickten Battlegroups den östlichen Bündnismitgliedern den Rückhalt der anderen NATO-Staaten signalisieren – und faktisch als Stolperdraht ein vor allem von den Balten befürchtetes russisches Übergreifen auf diese Länder verhindern. In Litauen hatte diese Mission im Februar 2017 begonnen und steht seitdem unter deutscher Führung.
Zur geographischen Übersicht, der Standort Rukla norwestlich der Hauptstadt Vilnius und nördlich des Suwalki Gap ist auf der Karte markiert:
und ein näherer Blick: nordöstlich von Vilnius liegt Pabrade, der Haupt-Übungsplatz für das eFP-Bataillon, recht nahe an der Grenze zu Belarus:
Der litauische Verteidigungsminister und der Chef der Streitkräfte betonten die anhaltende Bedeutung dieser Unterstützung der Bündnispartner, wie das litauische Ministerium berichtete:
Minister of National Defence of Lithuania Arvydas Anušauskas thanked NATO allies for their contributions to the NATO eFP BG Lithuania and at the same time – to the security and efforts to strengthen not only Lithuania and the region but the whole Alliance. “Commanders of the NATO enhanced Forward Presence Battalion Battle Group have the honourable privilege and responsibility to lead the key unit of NATO’s continuous presence in Lithuania. Let me assure you that we will keep up the mutual work of ensuring stability and security in the Baltic region. I would like to assure as well that Lithuania will continue working on improving service conditions, infrastructure and Host Nation Support provided to the NATO eFP battalion and other allies here in Lithuania,” the Minister said.
“8 of 10 Lithuanian residents approve of allied troop presence on the territory of Lithuania and think that the multinational NATO battalion constitutes a deterrence to hostile states. We need to invest in our defence the same way we invest in fences around our houses, to protect us from threats or just for the sake of it – because we need it to feel safe and take care of our backyard calmly. NATO allied presence in our country and the region is a clear and unambiguous message to the threat keeping watch on the other side of the fence, it has tried to take advantage of our gullibility, or weakness, or sometimes blindness at various points of history already. We have to do everything possible to prevent it from happening again,” Chief of Defence of Lithuania Lieutenant General Valdemaras Rupšys said.
Die verschiedenen Mitgliedsländer der Allianz tauschen im Halbjahresrhythmus nicht nur die in dem eFP-Bataillon eingesetzten Truppenteile aus. Auch das Großgerät der Einheiten rotiert mit; so soll zugleich die Logistik hinter einer Verlegung von Soldaten an die NATO-Nordostflanke geübt werden. Zugleich kommt das Bündnis damit – weiterhin – den Bestimmungen der NATO-Russland-Grundakte nach, die eine dauerhafte Stationierung nennenswerter Kampftruppen in den ehemaligen Ländern des Warschauer Vertrags untersagt.
Fürs Archiv die bisherigen Rotationen:
Beginn und 1. Rotation: Panzergrenadierbataillon 122 aus Oberviechtach
2. Rotation: Panzergrenadierbataillon 371, die Marienberger Jäger
3. Rotation: Jägerbataillon 292 aus Donaueschingen
4. Rotation: Panzerbataillon 393 aus Bad Frankenhausen
5. Rotation: Panzerbataillon 104 aus Pfreimd
6. Rotation: Panzergrenadierbataillon 391 aus Bald Salzungen
7. Rotation: Panzergrenadierbataillon 371, die Marienberger Jäger
8. Rotation: Panzerbataillon 104 aus Pfreimd
(Foto: v.links: der neue Battlegroup-Kommandeur Sebastian Hebisch, Panzerlehrbataillon 93, der Kommandeur der litauischen Iron Wolf Brigade, Oberst Mindaugas Steponavičius, der scheidende Kommandeur eFP-Bataillon OTL Peer Papenbroock, Panzerbataillon 104 – Arnas Čemerka /Verteidigungsministerium Litauen)
Panzer Hurra und viel Soldatenglück für diesen Auftrag!
Wünsche den Truppen alles Soldaten Glück,Gott schütze euch
Wünsche allem im Einsatz dienenden Soldaten/ Soldatinnen und deren Führungskräfte Erfolg.
Ich unterstelle sicherlich zu Recht, dass jede Rotation seit nunmehr 9 Jahren ihre Einsatzauswertung a.d.D. dem Kommando Heer vorlegt.
Grundlagen sind key leaders interviews, AAR’s, incidents, training&exercises.
Unter den Bedingungen von relativer Nähe zu gegnerischen Streitkräften werden auch MilNW/G2 Gesichtspunkte in Abstimmung mit den anderen drei Haupt-Truppenstellern Berücksichtigung finden.
Im KdoH wiederum wird zu Händen InspH ein zusammenfassender Erfahrungsbericht erstellt, idealerweise fortgeschrieben auf Basis vorheriger Erkenntnisse und Ableitungen unter dem Gesichtspunkt Lessons Identified/~ Learned, ~ Released.
Ausbildungskommando, dann Truppe werten aus und setzten erforderlichenfalls in Lehre und Ausbildung um, u.U. bis hin zu Anpassungen in der Doktrin.
Hat einer der Foristen dazu Informationen, die an dieser Stelle besprochen werden könnten?
[Hm, zu Ihren Unterstellungen, wie Sie selbst sagen: Key leader engagement, incidents? Es geht nicht um den Afghanistan-Einsatz, sondern im Wesentlichen um Übungsbetrieb in einem NATO- und EU-Mitgliedsland… T.W.]
@KPK
Sagen wir es einmal so: es wechseln sich immer die gleichen Verbände ab und der Erfahrungsaustausch untereinander funktioniert.
Herr Wiegold,
key leaders interviews, was ich oben schrieb, und key leader engagement unterscheiden sich wesentlich.
Im „interview“ hinterfragt sich der verantwortliche Führer hinsichtlich seines Führungsverhaltens selbst und wird parallel in der AAR befragt, wie sich seine Entschlussfassung ergab.
Dies trifft auf Ausb, Übung und Einsatz zu.
„Incidents“ haben per se nichts mit Einsätzen wie AFG, MLI zu tun. Vielmehr kommen sie generell vor, wenn Truppe geführt wird. Bsp.: beim Marsch des Panzerzuges von A nach B wirft der letzte Wagen die Kette. Führungsverhalten des ZgFhr hinsichtlich „Befehle und Maßnahmen“ stellen einen incident vor und werden ausgewertet und beurteilt.
Key leader engagement setz ich als bekannt voraus.
Es interessieren mich auch weniger passende Begriffe, als vielmehr die Frage ob ein(e) hier Lesende(r) Informationen zum Thema hat.
Da bei eFP sowohl JgTr, als auch Pz/PzGren jeweils den verantwortlichen Führer stellen und ebenso „auf Zusammenarbeit angewiesene“ (aZa) Partner unterschiedlich ausgestattet dabei sind (1), sollten Führungserfahrungen, nicht allein auf Litauen beschränkt, unterschiedlich ausfallen. Dies gilt mit Sicherheit hinsichtlich der Multinationalität des Verbandes.
(1) NLD Heer wechselweise mit Fennek, CV90 oder Boxer
Hatten wir hier eigentlich schon den Aufsatz des GI Heer insb zur Vorbereitung vjtf und Div27?
https://www.bundeswehr.de/de/organisation/heer/aktuelles/meilensteine-des-heeres-im-jahr-2021-5018592
Puma und Leo IIA7V scheinen gut auszusehen, der Rest ….
[Ja, hatten wir schon, in etlichen Kommentaren erwähnt und verlinkt und noch mal erwähnt und drauf Bezug genommmen und so. Wie schon mit dem zivilen MedEvac im anderen Kommentar: Sie arbeiten das vergangene Jahr gerade auf? T.W.]
@ KPK: Seit ich im 38. (!) Kontingent KFOR nicht einmal Informationen zur Befahrbarbarkeit des Straßennetzes, ganz zu schweigen von tiefergehenden Informationen vorgefunden habe, ist meine Erwartungshaltung zur strukturellen Lernfähigkeit der Bundeswehr auf Null gesunken.
Ich gehe jede Wette ein, dass der einzige Wissenstransfer der Einheiten im Baltikum auf dem kleinen Dienstweg und zu einem kleinen Teil über die Einsatzvorausbildung stattfindet.
@KPK:
„Ich unterstelle sicherlich zu Recht…“
So sicher wäre ich mir da mit Blick auf die Fähigkeiten der Bundeswehr zur Einsatzauswertung nicht.
Auch in den letzten Kontingenten bei RS kämpft man weiterhin mit den gleichen Problemen wie zu Beginn von ISAF (kontingentübergreifender Wissenstransfer).
Sie beschreiben da (erneut) eher von einem idealtypischen Verlauf, der aber in der Bundeswehr von heute wenig mit der Realität zu tun hat.
Gründe dafür gibt es viele.
Wirkliche Änderungen jedoch umso weniger.
@Mackiavelli
KFOR … hört sich übel an.
Fragt sich aber wer für J3/ENG (Pionierwesen/Wallmeister etc) die operative Verantwortung trug/trägt? Waren sind es Deutsche?
KFOR war ich nie, aber 15 Monate SFOR
J3/ENG war in Hand deutscher Pioniertruppe. Es gab Karten im Standard wie zu Hause, mit Straßen, Schienen/Wasserwegen. Im Schwerpunkt Nutzung der zahllosen Straßentunnel.
Ihre Wette zum Wissenstransfer eFP halte ich und gehe vom Gegenteil aus.
Wenn L93 in der Ablösung von 104 dran ist, wird es verhältnismäßig einfach vonstatten gehen.
Betrifft es aber – als Beispiel – L93 zur Ablösung des JgBtl 292 vollzieht sich die „Ablösung in der Stellung“ wesentlich anspruchsvoller. Ein PzZg Leopard kann unter gar keinen Umständen in die Löcher eines InfBtl einfließen.
Es kommt mir aber nicht auf das Klein-Klein der unteren taktischen Ebene an, wie ich weiter oben versuchte darzustellen.
Vielmehr frage ich nach Erkenntnissen den Operationsraum Litauen/Baltikum betreffend, unter besonderer Berücksichtigung der betroffenen deutschen Truppengattungen mit ihren jeweiligen Hauptwaffensystemen und der Zusammenarbeit mit Alliierten aZa.
Und weiter, was läuft mit den NATO-Nachbarn in Lettland und Estland? Zu hören ist nichts.
@KPK
In Bezug auf eFP gebe ich Entwarnung, die Führung des abzulösenden Verbandes – bzw. die des Vorgängerkontingentes – ist bei der Einweisung / Übung des ablösenden Verbandes dabei, zudem erfolgen natürlich vorab Erkundungen, und der direkte Draht zwischen den BtlKdr und den S3 u.a. funktioniert auch.
@Memoria
Im Grunde hoffe ich immer noch auf Inhalte. Was alles nicht geht, wer weiß es nicht?
Zu „idealtypisch“, habe lange LL gemacht, es kann auch klappen.
@KPK:
Nun könnte man behaupten, es ist nichts zu hören, da alldas – hochprofessionell -verschwiegen hinter den Kulissen passiert.
Oder es passiert schlichtweg nicht, weil es schon am dafür notwendigen professionellen Anspruch in der Gesamtorganisation mangelt.
Die Einsätze der letzten 20 Jahre haben die strukturelle und kulturelle Unfähigkeit der Bundeswehr eine lernfähige Organisation zu sein, zumindest aus meinem Blickwinkel, mehr als notwendig unter Beweis gestellt.
Ihre Vorstellungen sind dabei (erneut) Wunschdenken. Anspruch und Wirklichkeit liegen da aber immer weiter auseinander.
Aber vielleicht hilft ja diese Wette als „eye-opener“.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Die Bundeswehr an der NATO-Ostflanke ist de facto nicht in der Lage die russischen Aggressoren zurückzudrängen, wenn es zum Ernstfall kommt. Die Inkompetenz der Bundeswehr, die auf die Sparpolitik und eine inkompetente Führung in Gänze zurückzuführen ist, ist meiner subjektiven Meinung nach himmelschreiend!
Denkt jemand ernsthaft, dass es zu einem symmetrischen Krieg an der Ostflanke kommt?
Nein, es wird bestenfalls zu hybriden Szenarien, wie in der Ostukraine, kommen, auf die die Bundeswehr nicht im geringsten vorbereitet ist. Diese hybride Kriegsführung ist seit dem Ende des Kalten Krieges zu erkennen. Man muss mal hinterfragen, warum die Bundeswehr und andere Staaten keine Strategien gegen diese Art der Bedrohung entwickeln. Diese strategische Inkompetenz wird zukünftig zu einem sehr großen Problem werden. Es wird sich früher oder später extrem rächen, dass im Planungsstab der Bundeswehr darauf nicht reagiert wird.
Rege Absprachen zwischen alter und neuer Truppe, dabei auch im Raum, finden statt – alles andere ist, wie in allen anderen Einsätzen, die ich erleben durfte, ziemliches Wunschdenken. Einsames „Lowlight“ und mein Spitzenreiter war dabei ISAF, wo Vorgänger-Einheiten aus insgesamt drei Einsatzkontingenten vor identischen Punkten warnten oder diese Ansprachen, bis es im Vierten dann absehbar schiefging – Reaktion: EinsFüKdo „wusste von nichts“…
Schon erschreckend was man hier teilweise erfährt (in diesem Beitrag aber auch ganz allgemein) und ich unterstelle jetzt mal Ehrlichkeit bei den Aussagen.
Also die ELSA, was die einzige Einsatzvorausbildung für eFP darstellt, hätte man sich auch einfach die Wikipedia Seite zu Litauen reinziehen können. Mag sein, dass es Informationstransfer im Stab stattfindet, in den Führungsebenen darunter aber bereits nicht mal ansatzweise. Dazu kommt, daß ein wesentlicher Teil der 9. Rotation nicht durch den Leitverband gestellt wird und kein schwarzes Brett hat. Mangelnde Kommunikation fängt bei der Unterbringung an (Container, Zelt, Gebäude?) und geht über die Info die deutsche SIM Karte zu entfernen nahtlos weiter. Überraschungstüte bei Ankunft eben und das auch bei den Übungen.
Weiter geht’s bei undifferenzierten und wenig zielführenden Corona Maßnahmen, Kohortenvermischung und so weiter.
Erschreckend ist leider, dass einige Kameradinnen und Kameraden bereits nach wenigen Tagen repatriiert worden sind, weil medizinische Voraussetzungen nicht gegeben waren.
Die Disziplinarvorgesetzten müssten durch eine Schadensbearbeitung zur Kasse gebeten und anschließend selbst disziplinar gewürdigt werden.
Die individuellen Voraussetzungen der Soldaten sind gründlich zu prüfen.
[Aus welchem Grund, also welche medizinischen Voraussetzungen nicht gegeben? T.W.]
@ T.W.
Nach isolierter Unterbringung und Verlegung nach Litauen wurde bei einigen Soldaten festgestellt, dass Tauglichkeitsuntersuchungen und Impfungen fehlen (Zahl wird nicht genannt).
Ergebnis und Siegerehrung: Heimflug für die betreffenden Soldaten.
Das kommt leider häufiger vor bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. So etwas muss Konsequenzen haben.