Bundeswehr übernimmt 10. Rotation der NATO-Battlegroup in Litauen – Baltisches Land beklagt ‚hybride Aggression‘ aus Belarus
Der multinationale Kampfverband der NATO in Litauen, der seit der Einrichtung 2017 von der Bundeswehr geführt wird, hat einen neuen Kommandeur: Oberstleutnant Hagen Ruppelt vom Panzerbataillon 414 übernimmt die Führung des enhanced Forward Presence-Bataillons zu einer Zeit, in der das baltische Land eine hybride Aggression seines Nachbarn Belarus beklagt.
Die Kommandoübergabe für die neue, die 10. Rotation des multionationalen Bataillons, fand am (heutigen) Dienstag in Rukla in Litauen statt, dem Stationierungsort der Battlegroup. In den vergangenen sechs Monaten hatte Oberstleutnant Sebastian Hebisch (KORREKTUR, nicht Hemisch) vom Panzerlehrbataillon 93 die rund 1.200 Soldatinnen und Soldaten starke multinationale Truppe geführt, zu der neben rund 600 Bundeswehrangehörigen Soldaten aus Belgien, den Niederlanden, Norwegen, Tschechien und Luxemburg gehören.
Die NATO-Battlegroup in Litauen ist eines von vier solcher enhanced Forward Presence (eFP)-Bataillone, die das Bündnis 2016 als Reaktion auf das russische Vorgehen in der Ukraine und die Annexion der Krim beschlossen hatte: In Litauen wie in Estland, Lettland und Polen sollen die rotierend von anderen Staaten der Allianz beschickten Battlegroups den östlichen Bündnismitgliedern den Rückhalt der anderen NATO-Staaten signalisieren – und faktisch als Stolperdraht ein vor allem von den Balten befürchtetes russisches Übergreifen auf diese Länder verhindern. In Litauen hatte diese Mission im Februar 2017 begonnen und steht seitdem unter deutscher Führung.
Litauen sieht sich seit einigen Wochen einem Zustrom von Flüchtlingen und Migranten ausgesetzt, die von Belarus offensichtlich gezielt an die Grenze des EU- und NATO-Mitgliedslandes gebracht werden. Die litauischen Regierung spricht bereits von einer hybriden Aggression, mit der der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko das Land destabilisieren wolle. Untergebracht ist ein großer Teil der über die Grenze gebrachten Migranten in Notunterkünften auf dem Truppenübungsplatz Pabrade nahe der Grenze zu Belarus, der auch der wichtigste Übungsplatz für das NATO-Bataillon ist.
Update: Angesichts dieser Situation wurden die Rechte der Streitkräfte ausgeweitet, insbesondere zur Unterstützung von Polizei und Grenzüberwachung.
Bislang hat vor allem die EU ihrem Mitglied Litauen Unterstützung zugesagt; inzwischen ist es aber offensichtlich auch ein Thema für die NATO. Das machte ihr Generalsekretär Jens Stoltenberg am (gestrigen) Montag via Twitter deutlich:
Auf diese Situation, zusätzlich zur anhaltenden Coronavirus-Pandemie, wird sich auch der neue Kommandeur Ruppelt einstellen müssen. Zudem führt er ein erst vor fünf Jahren neu aufgestelltes Bataillon, in das als Besonderheit 18 Kampfpanzer der Niederlande integriert sind, die derzeit komplette niederländische Panzerflotte.
Der scheidende Kommandeur Hebisch musste in der 9. Rotation mit einem deutschen Zusatzproblem fertigwerden: Ein ganzer Panzergrenadierzug wurde im Juni aus der Battlegroup herausgelöst und nach Deutschland zurückbefohlen, nachdem es zu rechtsextremistischen Vorfällen und sexueller Nötigung gekommen sein soll. In einem Interview mit Bundeswehrmedien räumte der Oberstleutnant ein, dass dieser Vorfall der Bundeswehr geschadet habe:
Das Fehlverhalten dieser Soldaten hat das Ansehen unserer Battlegroup erheblich beschädigt und war mehr als ein Schlag ins Gesicht für alle anderen unserer Kontingentangehörigen, die Ihren Dienst mit höchstem Können, Leidenschaft und Herz tagtäglich versehen haben – das hat mich unglaublich enttäuscht und ehrlich gesagt auch wütend gemacht.
Fürs Archiv die bisherigen Rotationen:
Beginn und 1. Rotation: Panzergrenadierbataillon 122 aus Oberviechtach
2. Rotation: Panzergrenadierbataillon 371, die Marienberger Jäger
3. Rotation: Jägerbataillon 292 aus Donaueschingen
4. Rotation: Panzerbataillon 393 aus Bad Frankenhausen
5. Rotation: Panzerbataillon 104 aus Pfreimd
6. Rotation: Panzergrenadierbataillon 391 aus Bald Salzungen
7. Rotation: Panzergrenadierbataillon 371, die Marienberger Jäger
8. Rotation: Panzerbataillon 104 aus Pfreimd
9. Rotation: Panzerlehrbataillon 93 aus Munster
(Vorsorglich der Hinweis: Dieser Thread ist keine Einladung zu einer Grundsatzdebatte über die Flüchtlingspolitik der EU.)
(Foto: Kommandoübergabe in Rukla, v.l.: Der scheidende Kommandeur Sebastian Hebisch, der Kommandeur der litauischen Iron Wolf Brigade, Oberst Mindaugas Petkevičius, Kommandant der litauischen Mechanisierten Infanteriebrigade „Iron Wolf“ und der neue Kommandeur Hagen Ruppelt – Litauisches Verteidigungsministerium; Hinweis: Name des litauischen Kommandeurs korrigiert)
Der scheinende Kommandeur vom PzLehrBtl 93 heißt Sebastian Hebisch. Es hat sich ein Schreibfehler zu „Hemisch“eingeschlichen.
Als jemand, der die Verhältnisse in Rukla sehen konnte, ziehe ich meinen Hut vor den Männern und Frauen der 9. Rotation. Durch die Entbehrungen aufgrund der Pandemie mit dem Lockdown im Camp und der alles andere als hervorragenden Bedingungen in Rukla ist die überlange Stehzeit in Litauen ein Ausrufezeichen.
Die Entgleisungen von Munsteraner Soldaten sind leider extrem ärgerlich und vollkommen unnötig.
Well done, PzLehrBtl 93!
[Danke, ist korrigiert; bei der zweiten Nennung war es ja richtig. T.W.]
„… mit der der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko das Land stabilisieren wolle,“ BLR StabOps? 😎
DEU Kr dürften aus rechtlichen Gründen zur Grenzsicherung i.e.S. wohl nicht zur Verfügung stehen, in wie weit hier „mitgewirkt“ werden dürfte – gute Frage. Hoffentlich ist dies bereits in Klärung.
[Heute hab‘ ich’s aber mit den Schreibfehlern… sorry. Auch das jetzt korrigiert. T.W.]
Zur 10. Rotation gehören insgesamt 250 Niederländer.
O.g. Teile des DEU/NLD PzBtl 414 bildet deren 4./-, eine rein NLD Panzerkompanie auf Leopard 2A6.
Die weiteren Teile des NLD Rotation umfassen u.a. eine Kp „pantserinfanterie“ mit SPz CV 90/35 (NL) der 43. MechBrig, was deutschen Panzergrenadieren entspricht.
Beide Anteile führen BOXER (PiTr und SanTr), FENNEK (Aufkl) und den Bergepanzer BÜFFEL mit, die natürlich der Battlegroup in Gänze zur Verfügung stehen.
Die Verwendung von NLD KPz findet erstmals nach knapp 20 Jahren wieder außerhalb der Niederlande statt.
@TadeuszGiczan
Latvia declares state of emergency along the border with Belarus due to the influx of migrants smuggled by the Belarusian authorities. It will last from 11 August to 10 November. The army will be deployed at the Belarusian-Latvian border to help the Border guard.
Dass eine eFP Truppe in sowohl Lettland als auch Litauen davon nicht in irgendeiner Weise betroffen sein wird [gemeinsame Ausb, logistische Abhängigkeiten, Aufklärung (?), Übungen] darf kaum unterstellt werden.
Der neue Kdr wird seine Vorgaben erhalten haben. Welche?
Den Kameraden aus Munster aufrichtigen Dank, denen aus Bergen viel Soldatenglück und ein glückliches Händchen in angespannten Zeiten.
PS. O Steponavicius übergab vergangenes Jahr und ist jetzt Cdr TraDoc. Wikipedia ist hier nicht auf dem aktuellen Stand ;-)
[War mein Fehler, habe ich mit dem neuen Foto auch berichtigt – der Kommandeur ist jetzt Oberst Mindaugas Petkevičius, die beiden habe ich verwechselt. T.W.]
Hallo zusammen,
hat jemand eine detaillierte Gliederung der Battlegroup zur Hand?
VG
OTL Mindaugas Petkevicius war der erste DCOM der NFIU-LTU (2015 bis 2018) und vorher der Verantwortliche für die Vorbereitungsarbeit.
Glückwunsch zum „Oberst“ und alles Gute als COM der „Iron-Wolf Brigade“!
Die Litauer waren so schlau, einem Ausländer das Kommamdo über die NFIU zu übertragen, der kann – und besonders Col,Larsen (DK, 2015-2021) hat – seine „Unangreifbarkeit“ im „Einsatzland“ sehr gut zu gut zu nutzen gewußt!
Bereits die „FFT“ und dann die Erkundungs-/Vorkommamdos der ersten eFP-BG konnten durch die NFIU entsprechend „gebrieft“ werden.