Exzesse bei der Bundeswehr in Litauen: Bundeswehr will Soldaten möglichst entlassen; paar hundert Schuss Munition fehlen

Nach den Vorwürfen gegen deutsche Soldaten im NATO-Bataillon in Litauen, die von Alkoholexzessen bis zu Straftaten wie sexuelle Nötigung und extremistischem Liedgut reichen, holt die Bundeswehr eine komplette Teileinheit aus dieser Mission zurück nach Deutschland. Das Ministerium strebt zudem an, die Hauptbeschuldigten fristlos zu entlassen. Unterdessen wurde auch bekannt, dass nach einer Übung in Litauen der Verbleib von mehreren hundert Schuss Munition nicht nachzuverfolgen ist.

Die Vorwürfe gegen Panzergrenadiere in der enhanced Forward Presence-Battlegroup (eFP) waren Anfang der Woche bekannt geworden; das Verteidigungsministerium hatte dem Verteidigungsausschuss des Parlaments am Montag recht knapp mitgeteilt, es gehe dabei um

Anfangsverdacht auf Verstöße gegen die Kameradschaftspflicht, Gehorsamspflicht und Pflicht zum treuen Dienen, aber auch auf Straftaten wie sexuelle Nötigung, Beleidigung, ggf. mit rassistischer Konnotation und Nötigung sowie auf extremistische Verhaltensweisen.

Mehr Details finden sich beim Kollegen Matthias Gebauer vom Spiegel, danach soll es mehrfach zu Exzessen gekommen sein, bis hin zu einem Geburtstagsständchen für Hitler.

Das Ministerium teilte am (heutigen) Mittwoch dem Ausschuss weitere Einzelheiten mit:

Die Ergebnisse der bisherigen Ermittlungen führten zu der Entscheidung, den betroffenen Panzergrenadierzug am 17. Juni 2021 zu repatriieren.
Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen wird bei den Hauptbeschuldigten eine fristlose Entlassung nach § 55 Abs. 5 Soldatengesetz geprüft.

Der genannte Paragraph im Soldatengesetz sieht vor, dass ein Soldat auf Zeit innerhalb der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden kann, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Am Montag hatte das Ministerium die Zahl von vier Hauptbeschuldigten genannt.

Neben diesen Exzessen versucht die Bundeswehr zudem zu klären, warum ihr in diesem Bataillon mehrere hundert Schuss Munition fehlen:

Im Zuge der Ermittlungen wurde weiterhin bekannt, dass am 3. April 2021 ein Fehl von 569 Schuss Handwaffenmunition festgestellt wurde. Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr hat hierzu ein Ermittlerteam entsandt, das insbesondere dem Verdacht auf mögliche Buchungsfehler nach einer Schießübung nachgehen soll. Die Befragungen und Ermittlungen dauern an.

Der stellvertretende Heeresinspekteur Generalleutnant Johann Langenegger reiste nach Ministeriumsangaben am Mittwoch selbst nach Rukla in Litauen – offiziell zur Dienstaufsicht, sicherlich aber auch, um einen möglichen politischen Schaden an der Nordostflanke des Bündnisses einzudämmen zu versuchen. Die Ermittlungen werden inzwischen nicht nur vom Wehrdisziplinaranwalt des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr geführt, sondern auch vom Militärischen Abschirmdienst.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer nahm dazu via Twitter (erneut) Stellung:

Das Fehlverhalten einiger Soldaten in Litauen ist ein Schlag ins Gesicht aller, die Tag für Tag in der Bundeswehr der Sicherheit in unserem Land dienen. Die Entgleisungen beschädigen das Ansehen der Bundeswehr und Deutschlands. Das wird mit aller Härte bestraft werden.
Der gesamte Zug wird mit sofortiger Wirkung aus dem eFP-Einsatz abgelöst. In Deutschland werden alle nötigen Ermittlungen und Verfahren weitergeführt und die Konsequenzen gezogen.

(Archivbild 30. Mai 2021: Deutsche Panzergrenadiere bei der Übung Iron Wolf in Litauen – Foto NATO eFP Battlegroup Lithuania)