Bundeswehr soll HK416 von Heckler&Koch als neues Sturmgewehr bekommen (Nachtrag: Haenel)
Das Sturmgewehr HK416 des Oberndorfer Herstellers Heckler&Koch soll die neue Standardwaffe der Bundeswehr werden. Nachdem zunächst der Zuschlag für eine Waffe der Thüringer Firma C.G.Haenel vorgesehen war, führten Patentrechtsprobleme zu einem Ausschluss aus dem Vergabeverfahren, wie das Verteidigungsministerium offiziell mitteilte. Heckler&Koch hatte sich unter anderem mit dem HK416 um die Nachfolge der bisherigen Standardwaffe G36 beworben.
Der Ausschluss Haenels war bereits am (gestrigen) Montagabend bekannt geworden; am (heutigen) Dienstag teilte das Ministerium die Entscheidung dem Verteidigungsausschuss des Bundestages offiziell mit und nahm auch zu den Gründen Stellung:
Nach der Feststellung, dass einer der Bieter möglicherweise Patente (u. a. eines anderen Bieters) verletzt hat, wurde das Verfahren wieder in den Stand der Angebotswertung zurückversetzt.
Daraufhin erfolgte eine patentrechtliche Bewertung durch eine externe Patentanwaltskanzlei. Diese patentanwaltlichen Gutachten zur Beurteilung möglicher Patentrechtsverletzungen stehen in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages seit dem 12. Januar 2021 zur Einsichtnahme zur Verfügung. Im Ergebnis liegen nach der Feststellung der Gutachter Patentverletzungen bezüglich der Over-the-beach-Fähigkeit des Waffenverschlusssystems und bezüglich des Magazins vor. Gegen eines der Patente hat der Bieter eine sog. Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht eingereicht. Diese Nichtigkeitsklage hat nach Einschätzung der beauftragten Patentanwaltskanzlei Aussicht auf Erfolg. Da es sich aber um ein europäisches Patent handelt und das Bundespatentgericht die Nichtigkeit des Patents nur für Deutschland feststellen könnte, würde das Patent in den anderen europäischen Ländern weiter gelten, bis es auch dort für nichtig erklärt wird.
Die vergaberechtliche Bewertung kam zum Ergebnis, dass das Angebot dieses Bieters wegen der Patentverletzungen auszuschließen ist.
Um dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu entsprechen, wurde der betroffene Bieter vor einer endgültigen Entscheidung gebeten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme des Bieters wurde eingehend geprüft. Im Ergebnis ändern sich die patentrechtliche und die vergaberechtliche Bewertung jedoch nicht. Das Angebot des Bieters ist daher vom weiteren Verfahren auszuschließen. Der Auftraggeber wird den Bieter über diese Entscheidung in Kürze informieren.
Die Wiederholung der Angebotswertung ist damit abgeschlossen. Es ist beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot des Unternehmens Heckler & Koch GmbH bezüglich des Gewehrs HK 416 zu erteilen.
Die Vergabe eines neuen Sturmgewehrs für die Bundeswehr war im April 2017 ausgeschrieben worden, nachdem die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nach Berichten zu Problemen mit dem G36 von Heckler&Koch auf die Beschaffung eines neuen Gewehrs gedrungen hatte. Im September 2020 hatte die Vergabestelle des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) den Maschinenkarabiner 556 (MK556) von Haenel als künftige Standardwaffe ausgewählt; ein entscheidendes Kriterium war dabei die höchste Wirtschaftlichkeit aller Angebote.
Allerdings wurde das Verfahren bereits im Oktober vergangenen Jahres wieder gestoppt: Der unterlegene Konkurrent Heckler&Koch hatte bemängelt, bei der Waffe von Haenel werde eines seiner Patente verletzt; dazu ist auch eine Klage von Heckler&Koch beim Landgericht Düsseldorf anhängig. Das Verteidigungsministerium beauftragte daraufhin einen Patentanwalt mit der Bewertung des Sachverhalts. Der kam zu dem Ergebnis, den das Ministerium in seinem Schreiben an den Bundestag darlegte.
Mit der Entscheidung für das HK416 folgt das Verteidigungsministerium den Beschaffungen anderer europäischer Länder wie Frankreich und Norwegen (Foto oben). Diese Waffe ist auch in der Bundeswehr bereits eingeführt; 2017 wurde Heckler&Koch beauftragt, 1.745 Sturmgewehre HK416A7 für das Kommando Spezialkräfte (KSK) und die Kampfschwimmer der Marine zu liefern.
Allerdings gilt ja weiterhin, dass offen bleibt, ob Haenel gegen diese Entscheidung gerichtlich vorgeht. Das Unternehmen aus Suhl hatte bereits im Februar einen drohenden Ausschluss vom Vergabeverfahren als unzulässig bewertet. Nach den bisherigen Planungen des Ministeriums sollen dem Haushaltsausschuss die Vorlagen zur Beschaffung des neuen Sturmgewehrs bis zur Sommerpause zur Entscheidung vorgelegt werden.
Nachtrag 3. März (nicht Februar!): Einen Tag nach Bekanntgabe der Entscheidung hat Haenel eine Pressemitteilung dazu veröffentlicht:
Wir sind sehr enttäuscht über die Entscheidung des BAAINBw, C.G. Haenel vom Vergabeverfahren auszuschließen und den Auftrag an H&K zu vergeben. Während des gesamten Vergabeverfahrens hat sich C.G. Haenel professionell verhalten und sich bemüht, alle Fragen in Bezug auf das Angebot auf der Grundlage von Fakten und abseits des medialen Rampenlichts transparent zu beantworten. Zuletzt haben wir umfassende Antworten auf die gegen unser Unternehmen erhobenen Vorwürfe vorgelegt, die durch ein von einer der führenden Kanzleien in Deutschland erstelltes Expertengutachten gestützt wurden. Unsere Antworten und das Gutachten lassen keinen Zweifel daran, dass alle gegen Haenel erhobenen Vorwürfe, einschließlich des Vorwurfs der Patentverletzung, unbegründet sind und dass der Ausschluss unseres Unternehmens vom Vergabeverfahren auf der Grundlage dieser Vorwürfe rechtswidrig ist. Wir überprüfen die Entscheidung des BAAINBw und werden alle notwendigen rechtlichen Schritte einleiten, um unsere Interessen zu wahren.
(Archivbild September 2020: Soldat der norwegischen Heimwehr mit dem HK416 bei einer Übung – Karoline Lillemo/Norwegische Streitkräfte)
Habe ich es nicht gesagt? Da ist sie wieder, die 6,8 mm. Solche Fantasien lassen völlig außer Acht, dass all die tatsächlichen und vermeintlichen Schwächen der 5,56 mm in Ländern wie Afghanistan beobachtet wurden, mit großen Kampfentfernungen und einer Infrastruktur aus dicken Lehmmauern.
In der Landes- und Bündnisverteidigung, die jetzt wieder in den Vordergrund rücken soll, stellen sich solche Probleme wohl weniger.
Große Kampfentfernungen wären die Ausnahme, und die Hauptlast des Gefechts trüge nicht der einzelne Infanterist, sondern das ganze Arsenal an Wirkmitteln käme zum Einsatz, die am Hindukusch nicht oder nur in homöopathischen Dosen zur Verfügung standen.
Ja immer wieder überraschend auf was für Kampfentfernungen manche hier das Gefecht beim Einbruch in die feindliche Stellung führen wollen und dafür eine andere Waffe wollen. Aber wenn ich dann mein overmatch US Kaliber habe und auf 1000m wirken kann haben die feindlichen KPz und SPz bestimmt viel Angst.
Können wir nicht einfach zurück zum Thema kommen.
Vielleicht ist es ja gar nicht mal so schlecht, dass der deutsche Michel sich wieder so viel Zeit bei so ner klitzekleinen Beschaffung wie nem Sturmgewehr lässt. Die USA werden (wahrscheinlich) dieses Jahr eine Entscheidung zu ihrem NGSW-Projekt und dem neuen Kaliber in 6,8 mm treffen – ob es wirklich dazu kommt kann natürlich keiner wissen, scheint mir aber zumindestens sehr wahrscheinlich, weil die Amis schon länger mit 5,56 unzufrieden sind. Sollte dies eintreffen, dann wird dies höchstwahrscheinlich das neue Standard-Natokaliber. Denn nicht nur die Amis sind unzufrieden mit der Leistung der 5,56, die Bundeswehr musste auch schlechte Erfahrungen in Afghanistan machen und der britische SAS z. B. hat auch schon 5,56 aus seinem Arsenal verbannt. Von daher erstmal abwarten, wir haben ein ganz passables Gewehr (auch wenn es politisch gekillt wurde) und können die Zeit mit einem Waffenmix bei Auslandseinsätzen überbrücken. Dann wäre es allemal besser gleich ein Gewehr im richtigen Kaliber zu bestellen als dann nach ein paar Jahren wieder umstellen zu müssen.
[Nur der freundliche Hinweis an dieser Stelle: Ja, vom neuen Kaliber 6,8 haben wir hier schon ziemlich viel gehört, gelesen, gesprochen. Ja, die Kaliberdiskussion wurde hier in den vergangenen fünf (?) Jahren ziemlich oft, ziemlich ausführlich, ziemlich lang geführt… Und nein, in diesem Thread geht es nicht darum. T.W.]
@T.Wiegold
Die offizielle Erwiderung von Haenel auf die erhobenen Vorwürfe – so darf man sie wohl nennen – ist bemerkenswert und könnte Sie interessieren. Die Argumentation der Firma legt die Befürchtung nahe, dass es vor Gericht gewaltig „scheppern“ könnte. Eine neue Ausschreibung wäre womöglich doch vorzugswürdig gewesen. Denn bekommt Haenel vor Gericht Recht, und das erscheint gar nicht mal abwegig, steht das BAAINBw – von der ausländischen Fachpresse in den letzten Tagen ohnehin regelrecht verspottet – bis auf die Knochen blamiert da.
[Mit „offizielle Erwiderung von Haenel“ meinen Sie vermutlich die Mitteilung auf deren Webseite vom 4. März?
https://www.cg-haenel.de/stellungnahme-432021/
Einen Tag zuvor hatte die Firma das in gekürzter Form als Pressemitteilung verschickt, das hatte ich ja veröffentlicht:
https://augengeradeaus.net/2021/03/bundeswehr-soll-hk416-von-hecklerkoch-als-neues-sturmgewehr-bekommen/
Warum Haenel die ausführlichere Fassung nur auf die Webseite gestellt hat, ohne es wie die vorangegangene Kurzfassung auch als Mitteilung zu versenden, entzieht sich meiner Kenntnis. T.W.]
Nichts ist so alt, wie die Zeitung von gestern, oder auch wie Wolfgang Neuss in „Wir Kellerkinder“- zumindest sinngemäß – sagte: „… und wieder waren Tausend Jahre vorbei!“
Das eigentliche Gewehr wollte ja niemand so richtig besprechen, aber in der Zwischenzeit fand ich den neuesten Guntalk von Kuma Tactical.
Falls es jemanden gibt, der es noch nicht gesehen hat, aber trotzdem Interesse, mit dem möchte ich ihn teilen:
https://www.youtube.com/watch?v=7D-Pz7soaSU
Und natürlich, wenn es ok ist?