Urteil gegen Franco A.: Fünfeinhalb Jahre Haft für Planung von Terroranschlag (Neufassung)

Der Bundeswehr-Oberleutnant Franco A., der sich Waffen beschafft hatte und als angeblicher Flüchtling aufgetreten war, ist unter anderem wegen Planung eines Terroranschlags zu einer Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt worden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verurteilte den 33-jährigen vor allem wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; Revision beim Bundesgerichtshof ist möglich.

Das Strafverfahren hatte im Mai vergangenen Jahres begonnen. Die Bundesanwaltschaft hatte dem Soldaten vor allem vorgeworfen, einen Anschlag – möglicherweise auf den vormaligen Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Claudia Roth oder eine Menschenrechtsaktivistin – vorbereitet zu haben.

Der Offizier, der vom Dienst suspendiert ist, war im April 2017 festgenommen worden: Er flog auf, nachdem er auf dem Wiener Flughafen beim Abholen einer versteckten Waffe gestellt wurde. Beim Abgleich seiner Fingerabdrücke mit deutschen Datenbanken wurde festgestellt, dass die selbe Person als angeblicher Flüchtling Asyl beantragt hatte.

Aus der Mitteilung des Gerichts* zum Urteil am (heutigen) Freitag:

Der 5. Strafsenat (Staatschutzsenat) des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) hat heute den 33-jährigen deutschen Staatsangehörigen Franco A. der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit vorsätzlicher unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen, vorsätzlichem unerlaubten Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe, vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe, vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Schusswaffen und Munition, vorsätzlichem unerlaubten Verbringen von Schusswaffen in den Geltungsbereich des Waffengesetzes, vorsätzlichem unerlaubten Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen und Unterschlagung in Tatmehrheit mit Betrug in zwei Fällen schuldig gesprochen. Der Senat hat ihn deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. (…)
Der Senat führte aus, dass der Angeklagte eine seit Jahren verfestigte rechtsextreme, völkisch-nationalistische und rassistische Gesinnung habe. Besondere Abneigung habe er gegenüber Menschen jüdischen Glaubens, denen er – verbunden mit verschwörungstheoretischen Gedanken – den Wunsch nach einer „Weltherrschaft des Zionismus“ unterstelle. Er meine, zur Erreichung dieses Ziels wirkten Medien und staatliche Institutionen zusammen. Dabei sei er der Überzeugung, der „Zionismus“ führe einen systematischen Rassenkrieg, in welchem Millionen von Migranten nach Deutschland verbracht würden, wodurch es zu einer „Vermischung der Rassen“ und letztlich zu einer „Auslöschung der deutschen Rasse“ käme. Verantwortlich für diese von ihm wahrgenommene vermeintliche „Zersetzung der deutschen Nation“ seien dafür insbesondere hochrangige Politiker und Personen des öffentlichen Lebens, die sich durch ihr flüchtlingsfreundliches Engagement besonders auszeichneten. Der Angeklagte lehne etablierte demokratische Wege zur Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse ab und sei der Auffassung, das politische System der Bundesrepublik Deutschland sei „verlogen“.
Der Angeklagte habe sich ab dem 5. April 2016 unerlaubt in den Besitz eines Gewehrs der Marke Heckler & Koch G 3, einer Pistole des Herstellers FN Browning 7,65 mm und eines halbautomatischen Selbstladegewehrs des Herstellers Landmann Preetz gebracht, ohne entsprechende waffenrechtliche Erlaubnisse zu haben. Überdies habe er spätestens am 22. Januar 2017 eine Pistole des Herstellers Manufacture d´Armes des Pyrénées Francaises (M.A.P.F.), Modell Rr, Kaliber 7,65 mm Browning, Selbstlader Halbautomat erlangt. (…)
Während der Angeklagte die Schusswaffen, Sprengkörper, Kartuschen und Munition verwahrt habe, habe er den festen Entschluss gefasst, mittels dieser und aus seiner völkisch-nationalistischen, insbesondere antisemitischen und von Fremdenhass geprägten Gesinnung heraus einen Angriff auf das Leben hochrangiger Politiker und Personen des öffentlichen Lebens zu verüben, die sich besonders durch ihr flüchtlingsfreundliches Engagement auszeichneten, um einen politischen oder gesellschaftlichen Richtungswechsel in seinem Sinne herbeizuführen und so nach seiner Vorstellung zum „Erhalt der deutschen Nation“ beizutragen. Als mögliche Anschlagsopfer habe er die damalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Claudia Roth, den damaligen Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas sowie die Journalistin und Gründerin der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane in Betracht gezogen. (…)
Nachdem er am 3. Februar 2017 am Wiener Flughafen festgenommen worden sei, habe der Angeklagte die weitere Anschlagsplanung wegen der dadurch erhöhten Entdeckungs- und Verfolgungsgefahr zunächst ruhen gelassen.
Der Senat habe nicht feststellen können, dass der Angeklagte den Anschlag unter sei- ner Scheinidentität als „Benjamin David/David Benjamin“ begehen wollte. (…)
Davon, dass der Angeklagte in dem Sinne zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat entschlossen gewesen sei, dass das „Ob“ der Tat festgestanden habe, sei der Senat aufgrund einer zusammenfassenden Würdigung der in der Beweisaufnahme hervorgetretenen objektiven Umstände überzeugt. Diese hätten zu dem Schluss geführt, dass der Angeklagte fest zur Begehung einer solchen Tat entschlossen gewesen sei. Insoweit seien insbesondere weitere Aufzeichnungen des Angeklagten und von ihm erstellte Audiodateien maßgeblich gewesen. Hinzu sei gekommen, dass der Angeklagte im Sommer 2016 das Gewehr der Marke Heckler & Koch G 3 mit einem Zielfernrohr versehen, die Tiefgarage des Gebäudes, in dem die Räumlichkeiten der Amadeu-Antonio-Stiftung liegen, ausgespäht, Fotos von den Autos in dieser Tiefgarage gemacht, mit dem Gewehr G 3 sowie mit der Pistole FN Browning Schießübungen auf einem Schießstand gemacht und ein Bild von Anetta Kahane an einen Zeugen übersandt habe. (…)
(Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 15.07.2022, Az. 5-2 StE 18/17 – 5a – 1/17)

Eine Aussage, ob Franco A. alleine handelte oder in ein Netzwerk von Gesinnungsgenossen eingebunden war, machte das Gericht in der Mitteilung nicht. Der Senat verwies lediglich darauf, dass er Mitglied einer Chat-Gruppe von so genannten Preppern auf dem Messenger-Dienst Telegram gewesen sei.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da sowohl der Angeklagte als auch die Bundesanwaltschaft Revision beim Bundesgerichtshof einlegen können.

Zur Erinnerung die Geschichte, wie sie sich seit 2017 entwickelt hatte, in wesentlichen Zügen:

Im April 2017 flog der Oberleutnant, damals im Jägerbataillon 291 der Deutsch-Französischen Brigade in Illkirch bei Straßburg , auf – beim Abgleich seiner Fingerabdrücke nach Festnahme in Wien wegen der versteckten Pistole auf dem Flughafen Schwechat mit deutschen Datenbanken wurde festgestellt, dass die selbe Person als angeblicher Flüchtling Asyl beantragt hatte

• Kurz danach wurde seine Masterarbeit bekannt, die er in Frankreich geschrieben hatte, Titel Politischer Wandel und Subversionsstrategie. Eine Begutachtung des Manuskripts durch das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) im Januar 2014 kam zu dem Ergebnis:

Bei dem Text handelt es sich nach Art und Inhalt nachweislich nicht um eine akademische Qualifikationsarbeit, sondern um einen radikalnationalistischen, rassistischen Appell, den der Verfasser mit einigem Aufwand auf eine pseudowissenschaftliche Art zu unterfüttern versucht. (…)
Was der Verfasser als Attacke der Anführer der (völkischen) Subversion bezeichnet, ist nicht andres als der Mythos vom Rassenkampf. (…) Der als Masterarbeit zu begutachtende Text ist deshalb keine geschichts- oder politikwissenschaftliche Abhandlung zum politischen Wandel, wie der Titel vermuten lässt, sondern ein Aufruf dazu, einen politischen Wandel herbeizuführen, der die gegebenen Verhältnisse an das vermeintliche Naturgesetz rassischer Reinheit anpasst.

Trotz Kenntnis der deutschen Vorgesetzen in Frankreich hatte diese Arbeit keine Folgen; eine disziplinarische Untersuchung endete offensichtlich folgenlos. Franco A. wurde 2015 zum Berufssoldaten ernannt.

• Weitreichende Folgen, unabhängig vom rechtlichen und disziplinarischen Verfahren, hatte der Fall dagegen für die Bundeswehr selbst. Verteidigungsministerin von der Leyen reiste persönlich nach Illkirch (wo den Medien dann ein Aufenthaltsraum der Unteroffiziere mit Wehrmachtsdevotionalien präsentiert wurde, der nach heutiger Kenntnis keinen Bezug zu Franco A. hatte) und ging danach rigoros gegen tatsächliche oder vermutete rechtsextremistische Umtriebe in der Truppe vor. Anfang Mai 2017 warf die Ministerin aufgrund dieses Vorgangs, aber auch anderer Vorkommnisse in der Truppe der Bundeswehr ein Haltungsproblem vor.

• Die Frage, ob Franco A. Teil eines rechtsextremistischen Netzwerks in der Bundeswehr und darüber hinaus war, ist auch Jahre nach Bekanntwerden des Falles umstritten. Hinweise – bzw. Berichte darüber – gab es mehrfach, Konkretes selten. Interessant ist die interaktive Übersicht der Kolleg:innen der taz zu diesem Umfeld.

So lange das Urteil nicht rechtskräftig ist, bleibt Franco A. formal Angehöriger der Bundeswehr, wenn auch mit Verbot der Dienstausübung und Uniformtrageverbot – und weiter in Untersuchungshaft. Erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr sieht das Soldatengesetz (Paragraph 54 Abs.2 Satz 2 in Verbindung mit Paragraph 48) die Beendigung des Dienstes vor.

*Fürs Archiv die komplette Pressemitteilung des Gerichts:
20220715_OLG_Frankfurt_Urteil_Franco_A