Urteil gegen Franco A.: Fünfeinhalb Jahre Haft für Planung von Terroranschlag (Neufassung)
Der Bundeswehr-Oberleutnant Franco A., der sich Waffen beschafft hatte und als angeblicher Flüchtling aufgetreten war, ist unter anderem wegen Planung eines Terroranschlags zu einer Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt worden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verurteilte den 33-jährigen vor allem wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; Revision beim Bundesgerichtshof ist möglich.
Das Strafverfahren hatte im Mai vergangenen Jahres begonnen. Die Bundesanwaltschaft hatte dem Soldaten vor allem vorgeworfen, einen Anschlag – möglicherweise auf den vormaligen Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Claudia Roth oder eine Menschenrechtsaktivistin – vorbereitet zu haben.
Der Offizier, der vom Dienst suspendiert ist, war im April 2017 festgenommen worden: Er flog auf, nachdem er auf dem Wiener Flughafen beim Abholen einer versteckten Waffe gestellt wurde. Beim Abgleich seiner Fingerabdrücke mit deutschen Datenbanken wurde festgestellt, dass die selbe Person als angeblicher Flüchtling Asyl beantragt hatte.
Aus der Mitteilung des Gerichts* zum Urteil am (heutigen) Freitag:
Der 5. Strafsenat (Staatschutzsenat) des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) hat heute den 33-jährigen deutschen Staatsangehörigen Franco A. der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit vorsätzlicher unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen, vorsätzlichem unerlaubten Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe, vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe, vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Schusswaffen und Munition, vorsätzlichem unerlaubten Verbringen von Schusswaffen in den Geltungsbereich des Waffengesetzes, vorsätzlichem unerlaubten Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen und Unterschlagung in Tatmehrheit mit Betrug in zwei Fällen schuldig gesprochen. Der Senat hat ihn deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. (…)
Der Senat führte aus, dass der Angeklagte eine seit Jahren verfestigte rechtsextreme, völkisch-nationalistische und rassistische Gesinnung habe. Besondere Abneigung habe er gegenüber Menschen jüdischen Glaubens, denen er – verbunden mit verschwörungstheoretischen Gedanken – den Wunsch nach einer „Weltherrschaft des Zionismus“ unterstelle. Er meine, zur Erreichung dieses Ziels wirkten Medien und staatliche Institutionen zusammen. Dabei sei er der Überzeugung, der „Zionismus“ führe einen systematischen Rassenkrieg, in welchem Millionen von Migranten nach Deutschland verbracht würden, wodurch es zu einer „Vermischung der Rassen“ und letztlich zu einer „Auslöschung der deutschen Rasse“ käme. Verantwortlich für diese von ihm wahrgenommene vermeintliche „Zersetzung der deutschen Nation“ seien dafür insbesondere hochrangige Politiker und Personen des öffentlichen Lebens, die sich durch ihr flüchtlingsfreundliches Engagement besonders auszeichneten. Der Angeklagte lehne etablierte demokratische Wege zur Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse ab und sei der Auffassung, das politische System der Bundesrepublik Deutschland sei „verlogen“.
Der Angeklagte habe sich ab dem 5. April 2016 unerlaubt in den Besitz eines Gewehrs der Marke Heckler & Koch G 3, einer Pistole des Herstellers FN Browning 7,65 mm und eines halbautomatischen Selbstladegewehrs des Herstellers Landmann Preetz gebracht, ohne entsprechende waffenrechtliche Erlaubnisse zu haben. Überdies habe er spätestens am 22. Januar 2017 eine Pistole des Herstellers Manufacture d´Armes des Pyrénées Francaises (M.A.P.F.), Modell Rr, Kaliber 7,65 mm Browning, Selbstlader Halbautomat erlangt. (…)
Während der Angeklagte die Schusswaffen, Sprengkörper, Kartuschen und Munition verwahrt habe, habe er den festen Entschluss gefasst, mittels dieser und aus seiner völkisch-nationalistischen, insbesondere antisemitischen und von Fremdenhass geprägten Gesinnung heraus einen Angriff auf das Leben hochrangiger Politiker und Personen des öffentlichen Lebens zu verüben, die sich besonders durch ihr flüchtlingsfreundliches Engagement auszeichneten, um einen politischen oder gesellschaftlichen Richtungswechsel in seinem Sinne herbeizuführen und so nach seiner Vorstellung zum „Erhalt der deutschen Nation“ beizutragen. Als mögliche Anschlagsopfer habe er die damalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Claudia Roth, den damaligen Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas sowie die Journalistin und Gründerin der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane in Betracht gezogen. (…)
Nachdem er am 3. Februar 2017 am Wiener Flughafen festgenommen worden sei, habe der Angeklagte die weitere Anschlagsplanung wegen der dadurch erhöhten Entdeckungs- und Verfolgungsgefahr zunächst ruhen gelassen.
Der Senat habe nicht feststellen können, dass der Angeklagte den Anschlag unter sei- ner Scheinidentität als „Benjamin David/David Benjamin“ begehen wollte. (…)
Davon, dass der Angeklagte in dem Sinne zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat entschlossen gewesen sei, dass das „Ob“ der Tat festgestanden habe, sei der Senat aufgrund einer zusammenfassenden Würdigung der in der Beweisaufnahme hervorgetretenen objektiven Umstände überzeugt. Diese hätten zu dem Schluss geführt, dass der Angeklagte fest zur Begehung einer solchen Tat entschlossen gewesen sei. Insoweit seien insbesondere weitere Aufzeichnungen des Angeklagten und von ihm erstellte Audiodateien maßgeblich gewesen. Hinzu sei gekommen, dass der Angeklagte im Sommer 2016 das Gewehr der Marke Heckler & Koch G 3 mit einem Zielfernrohr versehen, die Tiefgarage des Gebäudes, in dem die Räumlichkeiten der Amadeu-Antonio-Stiftung liegen, ausgespäht, Fotos von den Autos in dieser Tiefgarage gemacht, mit dem Gewehr G 3 sowie mit der Pistole FN Browning Schießübungen auf einem Schießstand gemacht und ein Bild von Anetta Kahane an einen Zeugen übersandt habe. (…)
(Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 15.07.2022, Az. 5-2 StE 18/17 – 5a – 1/17)
Eine Aussage, ob Franco A. alleine handelte oder in ein Netzwerk von Gesinnungsgenossen eingebunden war, machte das Gericht in der Mitteilung nicht. Der Senat verwies lediglich darauf, dass er Mitglied einer Chat-Gruppe von so genannten Preppern auf dem Messenger-Dienst Telegram gewesen sei.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da sowohl der Angeklagte als auch die Bundesanwaltschaft Revision beim Bundesgerichtshof einlegen können.
Zur Erinnerung die Geschichte, wie sie sich seit 2017 entwickelt hatte, in wesentlichen Zügen:
• Im April 2017 flog der Oberleutnant, damals im Jägerbataillon 291 der Deutsch-Französischen Brigade in Illkirch bei Straßburg , auf – beim Abgleich seiner Fingerabdrücke nach Festnahme in Wien wegen der versteckten Pistole auf dem Flughafen Schwechat mit deutschen Datenbanken wurde festgestellt, dass die selbe Person als angeblicher Flüchtling Asyl beantragt hatte
• Kurz danach wurde seine Masterarbeit bekannt, die er in Frankreich geschrieben hatte, Titel Politischer Wandel und Subversionsstrategie. Eine Begutachtung des Manuskripts durch das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) im Januar 2014 kam zu dem Ergebnis:
Bei dem Text handelt es sich nach Art und Inhalt nachweislich nicht um eine akademische Qualifikationsarbeit, sondern um einen radikalnationalistischen, rassistischen Appell, den der Verfasser mit einigem Aufwand auf eine pseudowissenschaftliche Art zu unterfüttern versucht. (…)
Was der Verfasser als Attacke der Anführer der (völkischen) Subversion bezeichnet, ist nicht andres als der Mythos vom Rassenkampf. (…) Der als Masterarbeit zu begutachtende Text ist deshalb keine geschichts- oder politikwissenschaftliche Abhandlung zum politischen Wandel, wie der Titel vermuten lässt, sondern ein Aufruf dazu, einen politischen Wandel herbeizuführen, der die gegebenen Verhältnisse an das vermeintliche Naturgesetz rassischer Reinheit anpasst.
Trotz Kenntnis der deutschen Vorgesetzen in Frankreich hatte diese Arbeit keine Folgen; eine disziplinarische Untersuchung endete offensichtlich folgenlos. Franco A. wurde 2015 zum Berufssoldaten ernannt.
• Weitreichende Folgen, unabhängig vom rechtlichen und disziplinarischen Verfahren, hatte der Fall dagegen für die Bundeswehr selbst. Verteidigungsministerin von der Leyen reiste persönlich nach Illkirch (wo den Medien dann ein Aufenthaltsraum der Unteroffiziere mit Wehrmachtsdevotionalien präsentiert wurde, der nach heutiger Kenntnis keinen Bezug zu Franco A. hatte) und ging danach rigoros gegen tatsächliche oder vermutete rechtsextremistische Umtriebe in der Truppe vor. Anfang Mai 2017 warf die Ministerin aufgrund dieses Vorgangs, aber auch anderer Vorkommnisse in der Truppe der Bundeswehr ein Haltungsproblem vor.
• Die Frage, ob Franco A. Teil eines rechtsextremistischen Netzwerks in der Bundeswehr und darüber hinaus war, ist auch Jahre nach Bekanntwerden des Falles umstritten. Hinweise – bzw. Berichte darüber – gab es mehrfach, Konkretes selten. Interessant ist die interaktive Übersicht der Kolleg:innen der taz zu diesem Umfeld.
So lange das Urteil nicht rechtskräftig ist, bleibt Franco A. formal Angehöriger der Bundeswehr, wenn auch mit Verbot der Dienstausübung und Uniformtrageverbot – und weiter in Untersuchungshaft. Erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr sieht das Soldatengesetz (Paragraph 54 Abs.2 Satz 2 in Verbindung mit Paragraph 48) die Beendigung des Dienstes vor.
*Fürs Archiv die komplette Pressemitteilung des Gerichts:
20220715_OLG_Frankfurt_Urteil_Franco_A
Die Straftaten des Individuums Franco A. sind das eine – das andere ist der Umgang der Organisation Bundeswehr mit dem gesamten Vorgang.
Bereits nachdem Franco A. mit seiner Abschlussarbeit in Frankreich auffällig geworden war und das ZMSBw 2014 diese unmissverständlich als rassistischen und radikalnationalistischen Inhalts bewertet hatte (siehe ganz oben), hätten die zuständigen Disziplinarvorgesetzten, bzw. die Einleitungsbehörde zu einem anderen Ergebnis kommen müssen, als einer bloßen Ermahnung. Dass einem Vertreter solcher Inhalte die charakterliche Eignung zum Berufssoldaten fehlt, liegt auf der Hand. Die drohende Konsequenz – keine Übernahme als Berufssoldat – zur Begründung dafür zu machen, gegen Franco A. nicht disziplinar mit der möglichen und gebotenen Härte einzuschreiten, ist BESTENFALLS Ausdruck völligen Fehlens von Problembewußstsein und freiheitlich-demokratischen Maßstäben. Eher kann man darin aber fehlgeleitete Solidarität – wenn sie unter Soldaten vorkommt auch Kameraderie genannt – erkennen.
Was geschah daraufhin? Mit lautem Getöse wurde der Öffentlichkeit vorgestellt, man ermittele nun gegen den als zuständige Einleitungsbehörde verantwortlichen damaligen Amtschef im Streitkräfteamt und seinen Leitenden Rechtsberater und Wehrdisziplinaranwalt. Ergebnis: ein (für die Ära von der Leyen typisches) Hornberger Schießen. Beide wurden im Ergebnis nicht belangt. Der Amtschef trat planmäßig mit allen Ehren in Ruhestand und der Rechtsberater (ein Beamter, die es angeblich braucht um die Soldaten zu rechtstreuem Verhalten anzuhalten und zu beaufsichtigen) stieg wie geplant auf und wurde gar befördert.
Fazit:
1. Systemversagen der Bundeswehr im Umgang mit Franco A. auf allen Ebenen.
2. Disziplinar Verantworltiche wurden nicht zur Verantwortung gezogen.
3. Die zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grund- und Rechtsordnung nach innen erforderlichen Selbstreinigungskräfte sind in der Bundeswehr nicht ausreichend ausgeprägt. Die Kameraderie feiert fröhliche Urstände.
@Luftikus: Und PolBil findet kaum statt, da man am Nadelöhr Material und Personalmangel steht. So übernimmt die Demographie mit ihrer inneren Prototypikalität die Sprach und Denkwelt.
@Zynissimus sagt: 20.07.2022 um 11:54 Uhr
Wenn Sie beginnen Soldaten und Beamte für ihr fehlerhaftes, aber rechtskonformes Verhalten zu belangen, dann endet unser Rechtsstaat (und übrigens auch die Auftragstaktik und die Innere Führung in dieser Sekunde).
Darüber hinaus ist es im Nachhinein einfach zu sagen „das damals war eine falsche Bewertung“.
Es gibt durchaus auch in der Bundeswehr noch Unterschiede, hinsichtlich der Bedeutung der Tatsache, dass ein Soldat die FDGO nicht anerkennt und nicht durch sein gesamtes Verhalten für ihren Erhalt eintritt. Dies stellt aber schon die in §8 Soldatengesetz niedergelegte „Mindesthöhe“ dar, die für „den Soldaten“ schlechthin, also auch für den Rekruten Müller/Meier/Schmidt gilt. Für andere Arten von Soldaten, insbesondere für Vorgesetzte gelten nur noch strengere Anforderungen. z.B. §10 Abs. 6 SG. Jetzt kann man natürlich mit der Meinungsfreiheit kommen, aber §15 Abs. 1 s. 2 SG deckt folglich schon systematisch nur solche Meinungen ab, die nicht im Widerspruch zu den nach anderen Vorschriften besonders normierten Verpflichtungen zum Eintreten für die FDGO stehen.
Will sagen: Wenn ich schon den Kanonier A. wegen FDGO-Ablehnung nicht gebrauchen kann, dann erst recht nicht den Offizieranwärter Franco A. der mit seiner Arbeit einen „völkisch-nationalistischen, rassistischen Appell“ vorlegt. Denn
Was mich als Angehörigen der Bundeswehr so maßlos ärgert ist die Tatsache, dass 99,99 Prozent des gesamten Personals der Bundeswehr unter dem desolaten Verhalten von Einzelpersonen wie Franco A. „leiden“.
Wenn dann noch Vorgesetzte und Rechtsberater grandios scheitern und somit solche Extremisten nicht unverzüglich entfernt werden, dann sägt die Bundeswehr an dem Ast, auf dem sie sitzt.
Und warum?
Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Es ist für mich wirklich ärgerlich, weil alles mit allem zusammen hängt. Solche Vorgänge sind leider Anti-Werbung für die Bundeswehr.
@Metallkopf sagt: 20.07.2022 um 14:08 Uhr
„Will sagen: Wenn ich schon den Kanonier A. wegen FDGO-Ablehnung nicht gebrauchen kann, dann erst recht nicht den Offizieranwärter Franco A. der mit seiner Arbeit einen „völkisch-nationalistischen, rassistischen Appell“ vorlegt.“
1. Ja, aber das ist die Post-Perspektive. Sie wissen HEUTE wo Franco A. steht. Aber die Vorgesetzten damals mussten auf der damaligen Basis bewerten und sie kamen nun einmal zu einer anderen Bewertung. Und wenn ein erfahrener Truppenführer und ein erfahrener Volljurist/RB/WDA gemeinsam zu einem Ergebnis kommen, dass es nicht ausreicht um eine Anti-FDGO Grundeinstellung zu konstatieren, dann ist das nun einmal eine Bewertung aus der damaligen Situation heraus.
2. Er war KEIN Offizieranwärter. Wäre er ein solcher gewesen, wäre das Verfahren möglicherweise anders gelaufen. Er war ein Offizier im „später als dem 4. Dienstjahr“. Da sind nun einmal die rechtlichen Hürden VIEL höher.
Ja, wie von mir schon mal gesagt… es sind weniger die Menschen und ihre Einstellungen das Problem, sondern der Umgang mit diesen Menschen, ihren Einstellungen und dem nicht vorhandenen Willen bei Entscheidern (oder der Zeit, die leider nicht da ist oder die Mittel, welche der Haushälter nicht für politische Bildung freigibt oder oder oder … ich höre berufsbedingt sehr viele Ausreden, warum keine polBil stattfindet :-))
Um das mal einzuordnen… ich führe als Externer ca. 50 Veranstaltungen der politischen Bildung (Präsenz oder Online, eintägig oder mehrtägig, in der Einheit, als Exkursionen oder in Tagungshäusern) durch.
Und ja … es gibt genug Irrläufer, Mitläufer, Interessierte und Desinteressierte – grad was das Dauerbrenner-Thema „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als Herausforderung an die Bundeswehr und die Gesellschaft“ (hieß auch mal Rechtsextremismus-Prävention; Rassismus-Sexismus-Diskriminierung etc.) angeht.
Viele Soldat*innen erreicht man ganz gut (wenn man es praktisch macht und auf Erfahrungen und Erwartungen anknüpft), aber häufig will die Führung einfach nur eine polBil um sich abzusichern („man macht ja was“), dabei wäre vieles schon dadurch zu verhindern, wenn man seine Soldat*innen besser kennen würde und klar macht, dass Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (ja, auch so was wie Rassismus, Sexismus oder Holocaustleugnung bzw. Glorifizierung der Waffen-SS oder Abwertung anderer Menschen durch „Witzchen“) halt einfach ein „No-Go“ für Waffenträger*innen einer FDGO ist.
Egal wer was wie war … Demokratie ist für jeden die Maßgabe, aber für Soldat*innen noch mehr!
Eigentlich finde ich es fatal, sich hinter dem „wir haben nur Regeln befolgt und hinterher ist man immer schlauer“ versteckt.
Klar ist, dass es im Zweifel für den Angeklagten gilt. Aber … ganze Vorgang war einfach von vorn bis hinten eine schwache Leistung seitens der Dienstvorgesetzten und die übergeordneten Führung (ja, auch Ausbildungskommando, auch RB/WDA) hat sich auch nicht mit Ruhm bekleckert.
Und was seine Kameraden in Illkirch betraf … nun. Er war ein sehr guter Soldat und keiner dummer „Sieg-Heil“-Gröler. Er war durchaus zielstrebig, intelligent und gewinnend. Er hat von seinen Untergebenen nicht mehr abverlangt als er selbst bereit war zu geben und ging militärisch mit bestem Beispiel voran. Das zieht in der Truppe. Auch ggü. Kameraden mit Migrationshintergrund und Soldatinnen war er vordergründig nicht auffällig (zumindest nicht mehr als andere) – seine Masterarbeit war halt ein völlig anderes Ding. Er hat sich für militärische Aspekte und Randthemen schon vorher interessiert, aber … wer in bestimmten Einheiten macht das nicht?
In den Punkten, wo er deutlich Positionen jenseits der Wohlverhaltenspflicht bzw der FDGO vertreten hat, da hat man als Bw (bzw. die Vertreter der Bw) nicht hingesehen. Sei es aus Ignoranz, Unwissen oder Korpsgeist – das „warum“ ist niemals offiziell ermittelt worden. Inoffiziell gab es damals schon etliche Stimmen in der Truppe und von außen. Aber spätestens der AfD-Blubb hat das alles verstummt.
Franco A. war ja auch der ideale Sündenbock und hat zudem mit der Flüchtlingsstory eine so hanebüchene, medienaffine und schauderliche Story geschrieben… besser geht’s kaum. Zudem seine eigenen Einlassungen und dann noch das Haltungsproblem … das war auch seitens ZInFü und BMVg und GI (bzw IdH) ein Trauerspiel (oder Puppentheater).
Letztlich ist Franco A. aber auch nur die absolute Spitze. Viele Fälle sind eher im Halbdunkel oder werden aufgrund der langen Wege (und ja, ich kenne die BAPersBw-Welt, die des MAD/BAMAD, des ZInFü, des AusbKdo, des BMVg, des BMI und der zivilen Stellen was Prävention, PolBil, Deradikalisierungsprojekte etc. angeht) kleiner gemacht.
Meine These wäre eher, dass man sich ungern auf die schwierigen Fälle einlässt und auch bei einfachen Fällen lieber es unter den Teppich kehrt. Das ist auch nach meiner Erfahrung kein reines Heeres-Ding, sondern geht durch alle OrgBereiche/TSKs und Einsatz wie Heimat.
Es kommt auf den Umgang an und den Willen der Dienstvorgesetzten.
Und beides war im Falle Franco A.s schwach bis sch***. Warum kann man sich nicht hinstellen und diesen Fehler einfach zugeben und ehrlich sich zu seinen demokratischen Werten bekennen? Und sich mit den Soldat*innen auseinandersetzen, die mit den Werten ein Problem haben.
Den „Kompass Heer“ als Poster als Spießbüro pinnen ohne ihn zu leben, zu erklären und zu verteidigen… das klappt nicht.
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit tötet Kameradschaft. Und das geht schon im Eigeninteresse *nicht*!
@Paradox77 sagt: 20.07.2022 um 22:22 Uhr
„Und beides war im Falle Franco A.s schwach bis sch***. Warum kann man sich nicht hinstellen und diesen Fehler einfach zugeben und ehrlich sich zu seinen demokratischen Werten bekennen?“
Natürlich kenne ich das Ergebnis und das ist eine Katastrophe. Aber ich sehe nicht dass damals etwas falsch gelaufen ist (vermutlich mit Ausnahme des MAD). Denn der zuständige Disziplinarvorgesetzte und der zuständige RB/WDA sowie der zuständige höhere Vorgesetzte kamen damals (!) nach intensiven Gesprächen zum Ergebnis, dass beim Franco A. damals (!) keine FDGO Feindlichkeit vorlag.
Ich war nicht in den Gesprächen dabei. Ich habe nicht alle Informationen.
War bereits damals eine Verhärtung Position bei Franco A. gegeben und die Vernehmenden/Befragenden haben sich hinters Licht führen lassen? Oder wäre er damals „noch zu retten gewesen“ und durch Gedankenlosigkeit im Nachgang hat man die Radikalisierung zugelassen?
Ich maße mir nicht an im Nachhinein und ohne vollständige Information es besser wissen zu wollen.
Unter den Tisch gekehrt wurde auf jeden Fall mal gar nichts. Das bleibt festzuhalten.
@Koffer und Paradox
jetzt mal ehrlich, lagen den beiden Vorgesetzten die Masterarbeit bzw. das Gutachten dazu vor?
Wenn nein, OK woher hätten Sie es wissen können.
Wenn ja, bitte keine Ausreden mehr. Wer sowas als Masterarbeit schreibt, steht aber sowas von gegen die FDGO, da braucht man nicht mehr diskutieren. Vorgesetzte, die den betreffenden Masterranden dann zum Berufssoldaten machen haben schlicht und einfach komplett versagt und sollten sich was anderes suchen (bzw. in Pension gehen)
@Koffer:
Nach den intensiven Gesprächen scheint die „Leine“ ja wieder extrem erschlafft zu sein. Zumindest kann ich nicht nachvollziehen, dass es dann noch ein paar „Nachkontrollen“ oder zumindest engere Tuchfühlung gegeben hat.
Ganz im Gegenteil war der Soldat offenbar so unbeaufsichtigt, dass er sich eine (mehrere?) Parallelidentitäten aufbauen, Waffen besorgen und Planungen/Erkundungen durchführen konnte, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.
Also, ich hätt gar nicht so viel Freizeit, als dass solche Aktivitäten im Dienst unbemerkt bleiben könnten.
Und auch nach einem Urlaub unterhalten sich die Leute normalerweise, was sie denn getan und erlebt haben. (OT: Obs die anderen wirklich interessiert oder nicht… 😁 „Also, ich war in einer Aufnahmeeinrichtung und wurde als Syrer anerkannt“ wäre als Urlaubsbericht vielleicht wenigstens interessant.)
@ Dominik: Die Stellungnahme sowohl der französischen Seite als auch das ZMSBw-Gutachten waren vor seiner Übernahme zum BS auch seinen damaligen Vorgesetzten bekannt und aktenkundig. Zumindest im Streitkräfteamt…
Es wurde 2014 der MAD halt nicht eingeschaltet (Organisationsversagen).
Man hat sich seitens seiner DV für die FDGO-Treue von Franco A. entschieden, auch weil er de facto das Bild der militärischen Elite in der Heerestruppe von seinen Leistungen und seinem Willen erfüllt hat und ja auch durchaus eloquent sein konnte. So jemanden wollte man halt unbedingt… und – ehrlich gesagt – meiner Einschätzung nach hat man an den relevanten Stellen bis heute in der Sache noch einiges an Sensibilisierung aufzuholen (v.a. in den Grenzbereichen zwischen Radikalität und Extremismus).
Franco A.s wird es in unterschiedlichen Iterationen in der Bw immer geben. Der Umgang damit ist halt entscheidend und auch die Frage nach Konsequenzen und *deutlicher* Ansprache. Und da sind wir wieder im Sumpf der Traditionspflege … aber das ist ein anderes Thema.
@Dominik sagt: 21.07.2022 um 9:41 Uhr
„Wenn ja, bitte keine Ausreden mehr. Wer sowas als Masterarbeit schreibt, steht aber sowas von gegen die FDGO, da braucht man nicht mehr diskutieren.“
Ohne Ihnen zu nahe zu treten, ich vermute Sie haben weder Erfahrung im als Disziplinarvorgesetzter, noch als Jurist, noch als Personaler, richtig?
Denn wenn Sie sich so absolut wie hier hier im Nachhinein über einen Abwägungsprozess in einem rechtsstaatlichen Verfahren äußern zu dem Sie nicht alle Kenntnisse haben und dazu Fachleuten (im Disziplinar- und Personalwesen einerseits und im Verwaltungs- und Disziplinarrecht andererseits) kategorisieren, erstaunt mich schon sehr.
@Stöber sagt: 21.07.2022 um 10:34 Uhr
„Nach den intensiven Gesprächen scheint die „Leine“ ja wieder extrem erschlafft zu sein. Zumindest kann ich nicht nachvollziehen, dass es dann noch ein paar „Nachkontrollen“ oder zumindest engere Tuchfühlung gegeben hat.“
Da stimme ich absolut zu. Ich hätte mir auch gewünscht, dass man da intensiver begleitet hätte! Aber hier dürften Datenschutz, Grundrechte, und Rechtsstaat der Option eines „roten Reiters“ enge Grenzen setzen. Trotzdem, mehr wäre hier definitiv besser gewesen.
Vielleicht ist das auch erfolgt und Franco A. war halt einfach zu gut und führte die Vorgesetzten zu effektiv hinters Licht, aber nach einem solchen Grenzfall muss schon eine „Begleitung“ über eine gewisse Zeit statt finden. Ich meine mich auch zu erinnern, dass der MAD nicht eingeschaltet wurde (was, wenn meine Erinnerung zutrifft vermutlich der einzige – ggf. aber entscheidende – formale Fehler der damaligen Vorgesetzten war).
Extremismus Monitoring in BOS (also v.a. Bw aber auch BuPo und Landespolizei) ist grundsätzlich schwierig. Ich stimme @Koffer der grundsätzlichen Bedeutung (und damit Erschwernis von Entscheidungen zur Entlassung schwieriger Bestandskunden vom v.a. rechten Rand) von Datenschutz, Grundrechten und Rechtsstaat zu. Hinterher ist man immer schlauer, aber viele „schwierige“ Vorgänge und Grenzgänge sind halt auch sehr zeitaufwändig.
Bei Franco A. waren es sicherlich auch viele kleinere falsche Entscheidungen (neben einigen kapitalen Böcken) gemischt mit Organisationsversagen und der Unterschätzug der Brisanz seitens einiger handelnder Akteure (ein O-Ton war auch „wenn wir das ganze Ausmaß gewusst hätten, dann …“. Dann … Ja dann ;-)
Vieles hätte 2014/2015 Bw-intern geschehen müssen, aber man hat es halt (mMn) drastisch unterschätzt und wollte keinen handwerklich guten Soldaten verlieren. Ist ja auch Verwaltungsaufwand ….
Kann auf Anhieb 6 Soldaten aus meiner aktiven Zeit (2012/13) im Bataillon nennen, die aufgrund ihrer Äußerungen und/oder Klamotten (und eines Rauswurfes durch den MAD) den politisch radikalen Lagern (4x rechtsradikal 1x linksextrem 1x islamistisch) zuzuordnen waren. In der Reserve sind mir auch noch mal 3 Rechtsradikale über den Weg gelaufen. Ich sehe den Franco A. als Spitze des Eisberges, es wird auf allen Ebenen aktiv weggesehen. Wobei ich schon eine Meldung an den Vorgesetzten gemacht habe. Da ich angesichts sehr fragwürdiger Einstufungen dem MAD nicht traue (einfach mal „Sensburg 1200 Reservisten“ googeln), habe ich die Meldung im kleinen Rahmen gehalten und dabei bleibts auch. Somit taucht der beschuldigte „Kamerad“ auch nicht in der Statistik auf. 0,3%, ha! Tippe eher auf 5%.