Sammler: Prozess gegen Franco A. begonnen

Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt hat der Prozess gegen Franco A. begonnen, den Oberleutnant der Bundeswehr, der sich auch als syrischer Flüchtling ausgab und rechtsextremistisch motivierte Anschläge geplant haben soll. Der ganze Vorgang hatte (und hat) für die Bundeswehr über das eigentliche Strafverfahren hinaus Bedeutung – spektakulär wurde die Aussage der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Folge der Ereignisse rund um Franco A., die Bundeswehr habe ein Haltungsproblem.

Den Prozess in Frankfurt kann ich (aus ganz praktischen Gründen) nicht selbst verfolgen; deshalb hier nur eine Sammlung von Material zu dem ganzen Thema:

• Die Mitteilung des OLG Frankfurt zum Prozessauftakt am (heutigen) Donnerstag:

Oberlandesgericht Frankfurt am Main: Beginn der Hauptverhandlung im Verfahren gegen Franco A. wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat u.a.
In dem Strafverfahren gegen den 32-jährigen Franco A. hat heute die Hauptverhandlung vor dem 5. Strafsenat (Staatsschutzsenat) des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) begonnen. An der Sitzung haben neben dem mit fünf Richtern besetzten Senat der Angeklagte mit zwei Verteidigern und zwei Vertreter des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof teilgenommen.
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, einen Anschlag – möglicherweise auf den vormaligen Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Claudia Roth oder eine Menschenrechtsaktivistin – vorbereitet zu haben. Zu diesem Zweck soll er sich u.a. eine Pistole verschafft haben, die er am 22.01.2017 in einer Toilettenanlage im Flughafen Wien-Schwechat versteckt haben soll. Zudem soll er Munition und Sprengkörper sowie Waffenzubehör aus Beständen der Bundeswehr an sich genommen und unerlaubt zwei weitere Gewehre sowie eine weitere Pistole besessen haben. Darüber hinaus wird Franco A. vorgeworfen, sich eine Identität als syrischer Flüchtling verschafft zu haben, um bei den späteren Ermittlungen nach dem Täter den Verdacht auf in Deutschland erfasste Asylbewerber zu lenken. Schließlich soll er in betrügerischer Absicht als angeblicher Flüchtling Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und dem Sozialgesetzbuch beantragt und erhalten haben. Der Angeklagte hatte im Dezember 2016 als angeblicher Flüchtling aus Syrien das Asylverfahren durchlaufen und den subsidiären Schutzstatus (§ 4 Abs. 1 AsylG) erlangt.
Der Generalbundesanwalt hatte im Dezember 2017 wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat im Sinne von § 89a StGB sowie Verstößen gegen das Waffengesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz, Diebstahl und Betrug Anklage zum Oberlandesgericht erhoben. Mit Beschluss vom 07.06.2018 hatte der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts das Hauptverfahren nicht vor dem Oberlandesgericht, sondern vor dem Landgericht Darmstadt eröffnet, weil es an einem hinreichenden Verdacht für die Begehung der die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts begründenden Straftat der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat fehle. Auf die gegen diesen Beschluss vom Generalbundesanwalt eingelegte sofortige Beschwerde hat der Bundesgerichtshof das Hauptverfahren mit Beschluss vom 22.08.2019 vor dem Oberlandesgericht eröffnet, sodass nunmehr die Hauptverhandlung vor dem Staatsschutzsenat durchzuführen ist.
Franco A. war am 03.02.2017 bei dem Versuch, die Pistole aus dem Versteck im Flughafen Wien-Schwechat zu entnehmen, festgenommen und am 04.02.2017 wieder freigelassen worden. Nach einer erneuten Festnahme befand er sich vom 26.04.2017 bis zur Aufhebung des gegen ihn ergangenen Haftbefehls durch den Bundesgerichtshof am 29.11.2017 in Untersuchungshaft.
In der heutigen Sitzung des Senats haben die Vertreter des Generalbundesanwalts den Anklagesatz aus der Anklageschrift vom 01.12.2019 verlesen.
Sodann haben die Verteidiger für den Angeklagten eine Erklärung zur Anklage abgegeben. Mit dieser Eröffnungserklärung haben sie von der seit 2017 in Verfahren, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, ein „opening statement“ abzugeben (§ 243 Abs. 5 StPO).
Im Anschluss daran hat der Senat einige Urkunden verlesen, die u. a. Äußerungen des Angeklagten enthalten.
Die Hauptverhandlung wird am Dienstag, d. 25.05.2021, um 10:00 Uhr im Saal 165 des Gerichtsgebäudes C, Konrad-Adenauer-Straße 20, Frankfurt am Main, fortgesetzt werden. Weitere Termine zur Hauptverhandlung sind auf folgende Tage bestimmt: 28.05.2021, 08.06.2021, 10.06.2021, 15.06.2021, 17.06.2021, 24.06.2021, 01.07.2021, 08.07.2021, 15.07.2021 und 12.08.2021.
20210520_OLG_Frankfurt_Hauptverhandlung_Franco_A

• Vor Beginn des Prozesses hatte sich der 31-jährige, der nach wie vor Soldat der Bundeswehr ist (wenn auch mit dem Verbot der Ausübung des Dienstes und Uniformtrageverbot) öffentlich geäußert, wie dpa berichtet:

„Ich habe niemals zum Nachteil irgendeiner Person irgendwelche Handlungen geplant“, sagte Franco A. am Donnerstag in Frankfurt vor Journalisten. Er wolle in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt einiges klarstellen. Er sei kein Rechtsextremist.

Bereits am vergangenen Dienstag hatte sich Franco A. ausführlich auf der Online-Plattform RT Deutsch in einem 45-minütigen Video gerechtfertigt.

Zur Erinnerung die Geschichte, wie sie sich seit 2017 entwickelt hatte, in wesentlichen Zügen:

Im April 2017 flog der Oberleutnant, damals im Jägerbataillons 291 der Deutsch-Französischen Brigade in Illkirch bei Straßburg [HINWEIS/KORREKTUR: ich habe die Information, er sei dort S3 gewesen, das ist aber nicht gesichert], auf – beim Abgleich seiner Fingerabdrücke nach Festnahme in Wien wegen der versteckten Pistole auf dem Flughafen Schwechat mit deutschen Datenbanken wurde festgestellt, dass die selbe Person als angeblicher Flüchtling Asyl beantragt hatte

• Kurz danach wurde seine Masterarbeit bekannt, die er in Frankreich geschrieben hatte, Titel Politischer Wandel und Subversionsstrategie (KORREKTUR, nicht! Subventionsstrategie). Eine Begutachtung des Manuskripts durch das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) im Januar 2014 kam zu dem Ergebnis:

Bei dem Text handelt es sich nach Art und Inhalt nachweislich nicht um eine akademische Qualifikationsarbeit, sondern um einen radikalnationalistischen, rassistischen Appell, den der Verfasser mit einigem Aufwand auf eine pseudowissenschaftliche Art zu unterfüttern versucht. (…)
Was der Verfasser als Attacke der Anführer der (völkischen) Subversion bezeichnet, ist nicht andres als der Mythos vom Rassenkampf. (…) Der als Masterarbeit zu begutachtende Text ist deshalb keine geschichts- oder politikwissenschaftliche Abhandlung zum politischen Wandel, wie der Titel vermuten lässt, sondern ein Aufruf dazu, einen politischen Wandel herbeizuführen, der die gegebenen Verhältnisse an das vermeintliche Naturgesetz rassischer Reinheit anpasst.

Trotz Kenntnis der deutschen Vorgesetzen in Frankreich hatte diese Arbeit keine Folgen; eine disziplinarische Untersuchung endete offensichtlich folgenlos. Franco A. wurde 2015 zum Berufssoldaten ernannt.

• Weitreichende Folgen, unabhängig vom rechtlichen und disziplinarischen Verfahren, hatte der Fall dagegen für die Bundeswehr selbst. Verteidigungsministerin von der Leyen reiste persönlich nach Illkirch (wo den Medien dann ein Aufenthaltsraum der Unteroffiziere mit Wehrmachtsdevotionalien präsentiert wurde, der nach heutiger Kenntnis keinen Bezug zu Franco A. hatte) und ging danach rigoros gegen tatsächliche oder vermutete rechtsextremistische Umtriebe in der Truppe vor. Anfang Mai 2017 warf die Ministerin aufgrund dieses Vorgangs, aber auch anderer Vorkommnisse in der Truppe der Bundeswehr ein Haltungsproblem vor.

• Die Frage, ob Franco A. Teil eines rechtsextremistischen Netzwerks in der Bundeswehr und darüber hinaus war, ist auch vier Jahre nach Bekanntwerden des Falles umstritten. Hinweise – bzw. Berichte darüber – gab es mehrfach, Konkretes selten. Interessant ist die interaktive Übersicht der Kolleg:innen der taz zu diesem Umfeld.

Unterm Strich: Weiterhin gibt es drei Ebenen des Falls Franco A., und nur eine davon ist Teil des jetzt begonnenen Gerichtsverfahrens:

  • die strafrechtlichen Vorwürfe, mit denen sich das OLG Frankfurt befasst
  • die Frage, ob der Soldat Franco A. mit dem später bekanntgewordenen Umfeld nicht in der Bundeswehr nicht zu irgendeinem Zeitpunkt hätte auffallen müssen
  • und, für die Streitkräfte eigentlich das Entscheidende: Welche Erkenntnisse über rechtsextremistische Strukturen in der Bundeswehr und ggf. anderen Sicherheitsbehörden gibt es nach den Ermittlungen in diesem Fall und welche Konsequenzen sind noch daraus zu ziehen?

Die interessante Frage wird sein, ob es aus dem Verfahren in Frankfurt Erkenntnisse für die beiden anderen Ebenen geben wird.

Nachtrag: Der Spiegel-Bericht zum Prozessauftakt und ein interessanter Hintergrund zum Paragraphen 89a Strafgesetzbuch.