Von der Leyen in Illkirch (Audio-Statement; Fotos)
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Generalinspekteur Volker Wieker sind am (heutigen) Mittwoch in Illkirch bei Straßburg eingetroffen: Beim Jägerbataillon 291, dem letzten Stationierungsort des festgenommenen Oberleutnants Franco A., will sie sich selbst ein Bild von der Situation machen.
Hier das Audio des Pressestaments der Ministerin und des Generalinspekteurs in Illkirch zum Nachhören (einen längeren Text voraussichtlich erst nach der Landung in Berlin):
Noch ein schneller Nachtrag aus dem Bus auf dem Weg zum Flughafen: Bei diesem Besuch schaute sich die Ministerin auch den so genannten Bunker an, einen Freizeit-Aufenthaltsraum der Unteroffiziere. Dort gibt es einige Zeichnungen, deren Optik sich an Soldaten der Wehrmacht anlehnt – was offensichtlich in die Kritik von der Leyens einfloss. (Obwohl ich an der Stelle anmerke, dass ich da schon ganz andere Dinge gesehen habe und nicht so sicher bin, ob man aufgrund dieser Zeichnungen den jeweiligen Soldaten eine Glorifizierung der Wehrmacht vorwerfen kann/sollte …)
(Foto oben v. links: Oberstleutnant Marc-Ulrich Cropp, Kommandeur des Jägerbataillons 291, von der Leyen, Wieker und Heeresinspekteur Generalleutnant Jörg Vollmer; Fotos unten aus dem „Bunker“)
Was erwartet sie dort zu finden?
Hörsäale voller WWII-Memorabilia?
Ein Treffen eines geheimen, rechten Kults?
Dieser Besuch zeigt einmal mehr, das sie weder Respekt noch Vertrauen in die Strukturen und Institutionen hat…..
Da bin ich gespannt, was dabei herauskommt.
Im Führungsstil ist dieser medial überhöhte Inspektionsbesuch natürlich fatal. Egal was vorgefunden wird, Chefermittlerin von der Leyen muss fündig werden, sonst wird sie vollends zur Selbstverteidigungsministerin und kommt aus ihrer Defensive nicht heraus. Es kann sehr wohl argumentiert werden, dass diese Medieninszenierung nicht der Aufklärung dient, sondern der Rettung der Ministerkarriere. Ein sachgerechter Inspektionsbesuch hätte unter Ausschluss der Öffentlichkeit ohne „Erfolgsdruck“ stattfinden müssen.
Die Kanzlerin scheint von der Leyen ja bereits das vollste Vertrauen ausgesprochen zu haben.
Statt den Dienstweg einzuhalten und als Ministerin für die Funktionsfähigkeit des Dienstweges gesorgt zu haben, gibt es nun die große Ministershow. In diesem Fall ist dann auch noch der Generalbundesanwalt mit den Ermittlungen betraut. Der Generalbundesanwalt ist ein politischer Beamter. Er soll die kriminal- und sicherheitspolitischen Ansichten und Ziele der jeweils amtierenden Bundesregierung teilen und kann jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Kann der Generalbundesanwalt damit überhaupt zu einem Ergebnis kommen, dass die Karriere einer mächtigen Ministerin beenden würde?
Nehmen wir mal an, alle geäußerten Vorwürfe gegen diese ein-bis fünf Soldaten stimmen: Es wird deren Strafverteidigern leicht fallen, jeden Vorwurf und jeden Ermittlungsschritt damit zu hinterfragen, dass die Anklage ja der Karriererettung der Ministerin diente, somit das Recht auf ein faires Verfahren („Fair Trial“) infrage zu stellen sei, das Ganze diene ja nur dem Wahlkampf und der Selbstverteidigung einer angeschlagenen Ministerin sowie der Vertuschung von Führungsversagen nicht nur im Verteidigungsministerium. Einzelne Ausprägungen im Strafprozess sind die Unschuldsvermutung und der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten. Das ist im vorliegenden Fall wohl eindeutig nicht mehr gegeben – und Frau Ministerin hat selbst dafür gesorgt, dass der Verdacht des politischen Schauprozesses in den Raum gestellt werden kann.
Weil die Bundesregierung gegenüber dem Generalbundesanwalt als „Staatsanwalt des Bundes“ faktisch weisungsbefugt ist, müssen sich Kabinettsmitglieder aus aktiven Ermittlungstätigkeiten des Bundesanwalts heraushalten, insbesondere wenn sie aufgrund der Topologie des Falls befangen sind. Die Gründe für Befangenheit hat Frau von der Leyen mit ihrem überzogenen Interview am Sonntag selbst geschaffen.
Ich fürchte, Frau Selbstverteidigungsministerin von der Leyen hat sich mit diesem medial inszenierten Inspektionsbesuch ein weiteres Eigentor geschossen. Und wieder mal stolpert sie darüber, dass sie nicht treu ihrer Behörde dient und sachgerecht Missstände behebt, sondern sich selbst medial inszeniert und Wahlkampf macht.
@all
Habe jetzt oben das Audio vom Statement der Ministerin und des GI angehängt.
Mehr dazu kommt später.
@Frodo
Da wir in Deutschland sind, gibt es ein faires Verfahren, „fair trial“ braucht es da nicht. Sie sollten hier keine Vergleiche mit den USA anstellen. Es entscheiden zivile(!) Richter über Zulassung der Anklage und im Prozess. Einen Einfluss von vdL kann ich daher nicht sehen. Die Verteidiger können ihre vorgeschlagene Strategie im Prozess dann gerne verfolgen, müssen sich dann aber fragen lassen, ob sie ihre Strategie aus einer Fernsehserie haben.
In den Nachrichten wurde vorhin das vermeintliche „Skandal-Bild“ des Wehrnachtssoldaten gezeigt-Sturm im Wasserglas oder Aufregung um nichts.
Während meiner Zeit als Fallschirmjäger gab es diesen Kopf mit der Aufschrift „Klagt nicht, kämpft“ auch-und das hatte weder etwas mit Nationalsozialismus zu tun, noch mit politischer Gesinnung, sondern einfsch mit der Geschichte dieser Truppe-denn nach wie vor erhält die Wehrmacht für viele einzelne Einsätze weltweit Anerkennung (auch aus Israel und den USA).
Es wurde auch ein Bild des Gewehrs mit dem angeblich eingeritzten Hakenkreuz gezeigt-das für mich eher stümperhaft erschien, und u.U. sogar später erst dort aufgetaucht ist?
[Einige Bilder oben im Nachtrag. T.W.]
Im Zuge der Interviews, Statements und Kommentare fiel mir auf:
1. Amtschef Streitekräfteamt wird Fragen zu beantworten haben zur Weiterverwendung des Olt A. ZMSBw wurde zur „rechts“ eingestuften Masterarbeit gehört, der Wehrdisziplinaranwalt ebenfalls, der Betroffene wurde trotzdem BS.
2. BwVbd wird zitiert mit: „.. es gärt in der Truppe wegen pauschaler Verurteilung“. Es sind offensichtlich 100e Mails in ähnlicher Tonalität aufgelaufen. Der BwVbd hat nun wirklich sein Ohr in der Truppe.
3. IBuK „soll“ zum Traditionsverständnis geäußert haben: “ Tradition muss sein, wir sind Bundeswehr, nicht wir sind Jägerbataillon“.
Falls dies so gefallen ist, hat die Ministerin nach 3,5 Jahren im Amt zum Wesen von Truppe rein gar nichts verstanden. Stolz beginnt von unten aufzuwachsen: Zug > Kp > Btl, innerhalb der Truppengattung. Wer das hintertreibt, gar verbieten will, sägt am grundlegenden Selbstverständnis von Truppengattungen des Heeres.
4. Zu Fragen, wie offensichtlich rechtslastige Haltungen Einiger nicht auffallen konnten, wurde mehrfach auf Nachholbedarf in Staatsbürgerkunde und staatsbürgerlicher Bildung hingewiesen. Die Ausbildung in diesem Bereich sei zu überprüfen.
Wohlan.
Es wird aber bei jeglicher Überprüfung, sowie sicherlich einsetzender Neubewertung und Änderung des Schwerpunktes nicht vergessen werden, dass in die Truppe aufzunehmendes Personal, die Rekruten, eine staatsbürgerliche Vorgeschichte hat.
Egal welches Elternhaus und schulische Karriere der Bewerber durchlaufen hat, Einstellungen und Überzeugungen in 18 – xx Jahren, je nach Einstellung manifestiert, kann bei aller Mühe keine Unterrichtung komplett umpolen. Fair in dieser Hinsicht wäre nunmehr dies auszusprechen: Eine Auffassung von „Schule der Nation“ passt in die Denkrichtung, die gerade beklagt wird.
Die Fähigkeit der Konvertierung eines staatsbürgerlichen Saulus zu ebensolchem Paulus in Deutscher Uniform wird misslingen.
Laut ZON:
Terrorverdächtiger Franco A. hatte Mitwisser
Nach ZEIT-Recherchen hatte der mutmaßlich rechtsextreme Franco A. Hilfe von einem anderen Oberleutnant. Maximilian T. soll die Liste mit Anschlagszielen verfasst haben.
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Ein metastasierender Krebs .. „Flecktarn-NSU“ nimmt Gestalt an?
Ich denke, zwei Aspekte sollten Beachtung finden:
Einerseits sehe ich eine gewisse „Hysterie“ ( oder auch „Hypersensibilität“ ) bei allem, was irgendwie nach NS aussehen könnte.
Bsp. Kfz-Kennzeichen, wo manche Buchstabenkombinationen verboten sind.
Das ging eine zeitlang soweit, daß man auch die Kombination „HH“ verbieten wollte, was zur Folge gehabt hätte, daß ca. eine 3/4 Mio Kfz in Hamburg ein neues, anderes Kennzeichen hätten erhalten müssen, incl. aller Kosten und Maßnahmen.
Dummes Zeug.
Und wenn dieser unsägliche „Herr aus Österreich“ täglich „Grüß Gott“ oder „Guten Morgen“ gesagt hat, käme niemand auf die Idee, dies heutzutage nicht mehr zu sagen, nur weil er diese Worte verwendete.
Und bei der NVA, die ja nun nicht eben wenige „Wehrmachtstraditionen“ übernommen hatte, kam auch niemand auf die Idee, ihr „Rechtsextremismus“ zu unterstellen oder ihre Soldaten als „Nazis“ zu bezeichnen.
Andererseits sprach Frau VdL in Bezug auf Illkirch über „Hakenkreuzschmierereien“, also mehrere.
Es muß sich also um mehr als das eine, in ein Gewehrgehäuse dilettantisch eingeritztes Symbol handeln.
Ob man dies nun als Dummheit, Übermut oder Langeweile bezeichnen will, möchte ich nicht beurteilen.
Aber wenn ein damals 24-Jähriger Todeslisten führt mit ( Politiker- ) Namen oder denen von Mitgliedern des ZR der Juden o.ä., so fällt es mir verdammt schwer, etwas Derartiges als „Dummer-Jungen-Streich“ abzutun.
Aber daraus, wie es z.T. impliziert wird, auf die gesamte Bundeswehr zu schließen, ist sicher ein völliger Trugschluss.
Anfangs war ich ja noch durchaus bei der Ministerin, aber so langsam hab ich das Gefühl, dass es von der Leyen nur um von der Leyen geht. Anstatt mal ruhig und nüchtern an die Sache heranzugehen, macht sie jetzt das Wehrmachts-Fass auf und aus ein paar historischen Ausstellungsstücken gleich ein Skandälchen. Die BW-Gegner werden sich freuen. Und das, obwohl das Bild der Wehrmacht innerhalb der BW durchaus sehr differenziert ist.
Die nächste Umbennungswelle von Kasernen wird nicht lange auf sich warten lassen.
Interessante Aussagen von V.D.L, vor allem zum Traditionsbewusstsein.
Ich war selbst 9 Monate in der Generalfeldmarschall Rommel Kaserne, allerdings mir war bis jetzt dessen herausragende Rolle im Widerstand nicht bekannt …
Ist es wirklich so schwer eine ausgewogene Haltung zu den unbestreibaren Verwicklungen der Wehrmacht in Kriegsverbrechen und dem Holocaust auf der einen Seite aber auch militärischen Leistungen / Widerstandshandlungen gegen den NS der Wehrmacht auf der anderen Seite zu entwickeln und den Soldaten zu vermitteln ? Und was ist mit den Preussischen Traditionen ? Auf die Heeresreformer 1813 etc. wird ja eindeutig verwiesen wenn es um Traditionen der Bundeswehr geht.
Mal ehrlich: diese Bilder sollen als Beleg der nationalsozialistischen Gesinnung herhalten? Da schießt jemand heftig über das Ziel hinaus!
@K-P K
„Die Fähigkeit der Konvertierung eines staatsbürgerlichen Saulus zu ebensolchem Paulus in Deutscher Uniform wird misslingen.“ Da würde ich Ihnen zustimmen. Aber das beantwortet nicht die Frage, wieso dann der Antschef quasi reformpädagisch auf die
„Entwicklungsautonomie des Saulus in Uniform“ gesetzt hat und dessen „Wandlungsfähigkeit“ zum Paulus. Ein solcher Wandlungsprozess wird durch das wegstecken der Peitsche und das Füttern von Zuckerbrot ja nun nicht unbedingt befördert – das Gegenteil scheint der Fall zu sein.
Es hat schon etwas vom „Panthersprung nach Agadir“. Was machen wir beim nächsten Vorfall? Warum tritt der GI nicht mal „vor die Front“, eine öffentliche Wahrnehmung seiner Person findet derzeit nicht statt. Ja, er war in Pfullendorf. Das war’s dann auch.
@ KPK: „Staatsbürgerkunde“ gab’s in der DDR, wir machen hoffentlich PolBil :)
Ansonsten: Zustimmung.
@KPK
Wir sind Jägerbataillon – Wie kann ich mir das konkret traditionstiftend vorstellen?
„Die Fähigkeit der Konvertierung eines staatsbürgerlichen Saulus zu ebensolchem Paulus in Deutscher Uniform wird misslingen.“
Dann machen wir also zu?
Nach einigen Tagen hektischer Lageverdichtung und gegenseitiger Schuldzuweisungen lässt sich vielleicht ein kurzes nüchternes Zwischenfazit wie folgt skizzieren:
1. Die Bundeswehr hat nicht nur ein von der Ministerin behauptetes, sondern tatsächliches Problem in ihrer inneren Verfassung, das wohl über sog. Einzelfälle hinausreicht. Eigentlich überrascht das nicht. Denn in der Summe schaffen nun einmal typisch militärische Denk- und Verhaltensmuster – sofern sie unreflektiert bleiben oder irregeleitet werden – ein Klima, in dessen Windschatten sich rechtsextreme Tendenzen offen oder verdeckt leichter ausbreiten können als anderswo. Kaum jemand will das, aber es ist so, zumal in der heutigen Zeit des Erstarkens zwielichtiger Bewegungen.
2. Die Bundeswehr als ein bewaffnetes Organ des Staates steht in diesen Fragen zu Recht unter besonderer Beobachtung der Gesellschaft. Ähnliches gilt für die Polizei (die sich z.B. keine „Reichsbürger“ in ihren Reihen leisten kann). Alle Soldaten müssen wissen, dass an ihre staatsbürgerliche Zuverlässigkeit höchste Ansprüche gestellt werden. Insofern sind sie mit „normalen“ Bürgern nicht zu vergleichen. Das verlangt von der Führung aller Ebenen außergewöhnliche Wachsamkeit und auch Mut zu unpopulären Entscheidungen.
3. Die Ministerin steht nun vor einem Dilemma: Sie muss Führungsstärke nach außen und zugleich nach innen beweisen. Beide Ziele sind wichtig, aber beide bedürfen unterschiedlicher Methoden und führen leider auch zu unterschiedlichen Ergebnissen. Sie hat sich offenbar zunächst für die erstere Variante entschieden – vielleicht vor dem Hintergrund ihres Egos und auch der anstehenden Wahlen, aber das zu spekulieren ist nicht ganz fair. Jedenfalls ist der interne Schaden in der Bundeswehr nicht unbeträchtlich. Und man sorgt sich jetzt zusätzlich um das Selbstbewusstsein und Selbstverständnis der Truppe. Das ist überhaupt keine gute Voraussetzung für die Lösung des eigentlichen Problems.
Zum Besuch der Ministerin in Ilkirch gibt es einen neuen Eintrag – bitte die Debatte dort fortsetzen (die hier noch ausstehenden Kommentare lese ich erst mal in Ruhe vor dem Freischalten).