Frankreich (und Partner) beenden Anti-Terror-Einsatz in Mali – Debatte über weiteres deutsches Engagement (Neufassung, m. Update)

Angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen der Übergangsregierung in Mali und den militärisch engagierten westlichen Nationen wollen Frankreich, Kanada und europäische Länder ihren Anti-Terror-Einsatz in dem westafrikanischen Land beenden. Für Deutschland bedeutet das eine Debatte über den weiteren Einsatz der Bundeswehr, die in Missionen von EU und Vereinten Nationen auf die französische Unterstützung angewiesen ist.

Ein Abzug der beiden europäischen Anti-Terror-Einsätze in Mali hatte sich bereits seit Wochen abgezeichnet. Dabei geht es zum einen um die französische Operation Barkhane, die Folgemission der 2013 von Frankreich begonnenen Operation Serval, mit der die Übernahme des Landes durch Jihadisten verhindert werden sollte. Zum anderen um die von Frankreich initiierte Spezialkräftemission Takuba, an der mehrere europäische Länder teilnehmen – dieser gemeinsame Einsatz sollte Frankreich eine Reduzierung der im eigenen Land angesichts von mehr als 50 toten französischen Soldaten zunehmend umstrittenen Barkhane-Mission ermöglichen.

Allerdings hatte sich der Ton zwischen der durch einen Putsch ins Amt gekommenen Regierung in Bamako und der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, aber auch den anderen westlichen Nationen seit Wochen verschärft. Unter anderem hatte die malische Regierung den französischen Botschafter ausgewiesen; andererseits erhoben die westlichen Nationen – auch Deutschland – den Vorwurf, Bamako habe Söldner der russischen Firma Wagner ins Land geholt. Mali wiederum untersagte Dänemark, eine bereits begonnene Beteiligung an Takuba fortzuführen.

Vor diesem Hintergrund gaben Frankreich und Kanada sowie mehrere europäische Länder am (heutigen) Mittwoch die Pläne für den Abzug von Barkhane und Takuba bekannt. Aus der vom französischen Präsidentenpalast veröffentlichten Erklärung (in der offiziellen englischen Fassung):

Due to multiple obstructions by the Malian transitional authorities, Canada and the European States operating alongside Operation Barkhane and within the Task Force Takuba deem that the political, operational and legal conditions are no longer met to effectively continue their current military engagement in the fight against terrorism in Mali and have thereof decided to commence the coordinated withdrawal of their respective military resources dedicated to these operations from Malian territory. In close coordination with neighbouring states, they also expressed their willingness to remain committed in the region in accordance with their respective constitutional procedures.
At the request of their African partners, and based on discussions on future modalities of joint action, they agreed nonetheless to continue their joint action against terrorism in the Sahel region, including in Niger and in the Gulf of Guinea, and have begun political and military
consultations with them with the aim to set out the terms for this shared action by June 2022.

Die gemeinsame Erklärung wurde von Belgien, Benin, Kanada, Tschad, Elfenbeinküste, der Tschechischen Republik, Dänemark, Estland, Frankreich, Deutschland, Italien, Ghana, Mauretanien, Niger, Portugal, Rumänien, Senegal, Slowakei, Slowenien, Schweden, Togo, dem Europäischen Rat, der Europäischen Kommission, der Koalition für die Sahelzone und der Kommission der Afrikanischen Union unterzeichnet – eine breite Front, die die Absicht Frankreichs realistisch erscheinen lässt, auch nach einem Abzug aus Mali mit Truppen zur Terrorbekämpfung in der Sahel-Zone präsent zu bleiben. (Deutschland hat unterzeichnet, weil Berlin die Mission Takuba politisch unterstützt, auch wenn es keine deutschen Truppen in diesem Einsatz gibt.)

Mit der – erwarteten – Ankündigung des französischen Abzugs kommt weiter Bewegung in die deutsche innenpolitische Debatte über den künftigen Einsatz der Bundeswehr in Mali. Die beiden Mandate für die EU-Ausbildungsmission EUTM Mali und den UN-Blauhelmeinsatz MINUSMA stehen im Mai zur Verlängerung an. Bereits zuvor hatten Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, aber auch andere Politikerinnen der Regierungskoalition wie Außenministerin Annalena Baerbock und ihre Staatsministerin Katja Keul deutlich gemacht, dass dabei vor allem der EU-Einsatz infrage steht – an der Beteiligung an der UN-Mission aber festgehalten werden sollte.

In diese Richtung äußerte sich auch die Verteidigungsministerin am Mittwoch am Rande des NATO-Treffens in Brüssel:

Lambrecht Mali 17feb2022     

 

Bemerkenswert ist dabei die Betonung der Abhängigkeit des deutschen Engagements eben nicht nur bei EUTM Mali, sondern auch bei MINUSMA von der Absicherung durch die französischen Streitkräfte in der Barkhane-Mission: Sowohl bei der medizinischen Unterstützung als auch bei der Absicherung zum Beispiel mit Kampfhubschraubern.

In der Versorgung möglicher Verwundeter stützt sich die Bundeswehr in Gao im Norden Malis nicht auf das Feldhospital der Chinesen im MINUSMA-Einsatz ab, sondern lieber auf die entsprechende französische Kapazität. Deutschland hält zwar dort auch ein Rettungszentrum vor, allerdings mit deutlich geringeren Möglichkeiten (im Fachsprech: Frankreich betreibt ein Role 2 Hospital, Deutschland ein Role 1+). Zudem werden auch die vorhandenen Möglichkeiten der französischen Streitkräfte zur medizinischen Evakuierung genutzt: so flog zum Beispiel ein französisches Flugzeug Anfang Februar einen verletzten deutschen Soldaten von Gao nach Niamey in Niger aus, wo er von einem Flugzeug der Luftwaffe zum Weitertransport in die Heimat übernommen wurde (Foto oben).

Bei der Frage nach einem Ersatz für französische Kampfhubschrauber allerdings ist der Ministerin eine, sagen wir Unschärfe unterlaufen: Schon das bisherige MINUSMA-Mandat der Bundeswehr erlaubt einen Einsatz von Tiger-Kampfhubschraubern. Tatsächlich waren diese Maschinen ja auch schon in Mali im Einsatz, und dabei gab es 2017 durch einen technisch bedingten Flugunfall auch die bislang einzigen Toten dieses deutschen Engagements. Für eine erneute Entsendung dieser Hubschrauber müsste also das Mandat nicht verändert werden, wie Lambrecht meinte. Allerdings möglicherweise für eine Erhöhung der bisherigen Personalobergrenze von 1.100 Soldatinnen und Soldaten, die derzeit fast ausgeschöpft ist.

Update: In einem Interview der ARD-Tagesthemen am Donnerstagabend sprach die Verteidigungsministerin nur noch davon, dass eventuell andere Nationen einen Ersatz für abziehende französische Kampfhubschrauber stellen könnten. Von einem solchen deutschen Einsatz sagte sie nichts mehr.

Fürs Archiv die Sicherungskopie der Joint Declaration aus dem Elysee-Palast:
20220217_Elysee_Joint_declaration_Sahel

Und ebenfalls fürs Archiv: Das Video der Pressekonferenz im Elysee, vor allem mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron:

(Foto: MedEvac eines deutsche Soldaten mit einer französischen  CASA-Maschine von Gao nach Niamey am 2. Februar 2022, im Hintergrund der deutsche MedEvac-Airbus – Foto französisches Verteidigungsministerium)