Auslandsmissionen der Bundeswehr, Januar 2022: Mali
Der Einsatz in Mali (und, dazu gehörend, im benachbarten Niger) ist der aktuell größte Auslandseinsatz der Bundeswehr – und auch der gefährlichste: Im Juni vergangenen Jahres wurden zwölf deutsche Soldaten zum Teil schwer verwundet, als ein Selbstmordattentäter ihr Camp angriff. Die Bundeswehr ist in dem westafrikanischen Land sowohl an dem UN-Einsatz MINUSMA als auch der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali beteiligt.
Die Mandate für beide Missionen laufen bis zum 31. Mai dieses Jahres. In der Abstimmung darüber im Mai 2021 hatten SPD und FDP beiden Mandaten fast geschlossen zugestimmt. Die Grünen billigten zwar die weitere Beteiligung am Blauhelmeinsatz der Vereinten Nationen, enthielten sich jedoch überwiegend in der Abstimmung über die EU-Ausbildungsmission. Grund dafür war die im Mandat enthaltene Ausweitung der EU-Tätigkeit auf eine Kooperation mit der gemeinsamen G5-Truppe der Sahel-Staaten Mali, Mauretanien, Tschad, Niger und Burkina Faso.
In den vergangenen Wochen ist – nicht nur – in Deutschland eine Debatte über das weitere Engagement der Bundeswehr in Mali entbrannt: Grund dafür ist ein stärkeres russisches Engagement in dem westafrikanischen Land. Nach Ansicht der Bundesregierung und mit ihr verbündeter Staaten handelt es sich dabei auch um Söldner der russischen Gruppe Wagner. Die Regierung Malis besteht dagegen darauf, dass es sich um reguläre russische Truppen handelt, die auf Grundlage eines Vertrages beider Länder als Ausbilder der malischen Streitkräfte im Land sind. Was genau stimmt und inwieweit von russischem Personal, ob reguläre Soldaten oder Söldner, bereits Infrastruktur in Mali übernommen wurde, ist vorerst unklar.
Außerdem hat die derzeitige Militärregierung Malis, nach bereits zweimaligem Putsch in den vergangenen Jahren, die bereits geplanten Wahlen im Land um Jahre verschoben.
Bei der Debatte über die Fortsetzung – möglicherweise auch: die Nicht-Fortsetzung – des deutschen militärischen Engagements dürften allerdings zwei Dinge aus jüngster Zeit mit in die Beurteilung einfließen: Erst am 7. Januar hat UN-Generalsekretär António Guterres die deutsche Diplomatin Daniela Kroslak zur neuen stellvertretenden UN-Repräsentantin in Mali ernannt. Und: Unmittelbar vor Antritt der neuen Ampel-Koalitionsregierung im Dezember sagte die scheidende Bundesregierung den Vereinten Nationen zu, weiter Hubschrauber für den MINUSMA-Einsatz zu stellen – bis Mitte 2024.
MINUSMA (Bundestagsdrucksache 19/28803)
Derzeit knapp 1.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten sollen als Teil der UN-Blauhelmmission MINUSMA (Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali, französisch: Mission multidimensionnelle intégrée des Nations Unies pour la stabilisation au Mali) zur Stabilisierung des westafrikanischen Landes beitragen. Die Bundeswehr ist in Gao im unruhigen Norden Malis stationiert; neben politischen Konflikten und jihadistischen Gruppen tragen auch ethnische Konflikte zu den Auseinandersetzungen im Land bei.
Von Gao aus ist die Bundeswehr vor allem mit einer Aufklärungskompanie, in die zeitweise auch belgische und irische Soldaten integriert sind, und einer Schutzkompanie im UN-Einsatz. Außerdem sind dort unbewaffneten Drohnen des Typs Heron 1 zur Luftaufklärung sowie vier Hubschrauber des Typs NH90 vor allem für medizinische Evakuierung stationiert.
Auftrag laut Mandat:
Für die beteiligten Kräfte der Bundeswehr ergeben sich folgende Aufgaben:
a) Unterstützung für die Umsetzung des Abkommens für Frieden und Aussöhnung in Mali;
b) Unterstützung bei der Wiederherstellung der staatlichen Autorität in Zentralmali;
c) Unterstützung bei der Schaffung eines sicheren Umfelds für humanitäre Hilfe;
d) Anbieten guter Dienste und Förderung der nationalen Aussöhnung auf allen Ebenen;
e) Förderung und Schutz der Menschenrechte;
f) Wahrnehmung von Führungs-, Verbindungs-, Beobachtungs- und Beratungsaufgaben;
g) Wahrnehmung von Schutz- und Unterstützungsaufgaben inklusive Schutz von Zivilpersonen soweit zur Erfüllung des Auftrages der VN erforderlich, auch zur Unterstützung von Personal in den EU-Missionen in Mali sowie der Gemeinsamen Einsatztruppe der G5-Sahel-Staaten (G5 Sahel Force Conjointe) im Rahmen der Resolution des Sicherheitsrates 2391 (2017) und der technischen Vereinbarung zwischen MINUSMA, G5-Sahel-Staaten und der Europäischen Union vom 23. Februar 2018 inklusive Informationsaustausch und Koordination, soweit zur Erfüllung des Auftrages der VN erforderlich;
h) Informationsaustausch, Koordination mit und gegebenenfalls Unterstützung von malischen und französischen Streit- und Sicherheitskräften, soweit zum Schutz und zur Erfüllung des Auftrages der VN erforderlich;
i) Aufklärung und Beitrag zum Gesamtlagebild;
j) Beitrag zur zivil-militärischen Zusammenarbeit;
k) Lufttransport (inklusive des primären und sekundären Verwundetenlufttransports) in das beziehungsweise aus dem Einsatzgebiet und innerhalb des Einsatzgebietes sowie zur Unterstützung bei der Verlegung und der Folgeversorgung, inklusive der gleichlautenden Unterstützung unserer multinationalen Partner im Rahmen von MINUSMA;
l) Einsatzunterstützung durch gegebenenfalls temporär bereitgestellte Luftbetankungsfähigkeit für französische Kräfte, die aufgrund eines Unterstützungsersuchens des Generalsekretärs der VN eine Bedrohung für MINUSMA abwenden sollen;
m) auf Anforderung der VN Ausbildungshilfe für VN-Angehörige in Hauptquartieren der Mission.
Die Teilnahme an Operationen zur Terrorismusbekämpfung ist weiterhin nicht vom Auftrag erfasst.
Rechtliche Grundlage: UN-Sicherheitsratsresolution 2480 (2019) unter Kapitel VII der UN-Charta: Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen
EUTM Mali (Bundestagsdrucksache 19/28804)
Neben der deutschen Beteiligung an MINUSMA ist die Bundeswehr in der EU-Ausbildungsmission (EU Training Mission) für die malischen Streitkräfte engagiert. Derzeit sind daran knapp 300 deutsche Soldatinnen und Soldaten beteiligt; bis zu 600 sind nach dem Mandat möglich. Geplant ist die Konzentration der Ausbildung malischer Soldaten in Sevaré in Zentralmali in einem von Deutschland finanzierten Zentrum; die endgültige Zustimmung der EU dazu steht allerdings noch aus.
In die EUTM-Mission waren im vergangenen Jahr weitere deutsche Soldaten integriert worden, die bereits seit Jahren in einer gesonderten, zuvor nicht mandatierten Mission im benachbarten Niger das Militär ausbilden. Die Mission Gazelle wurde dafür von einer kleinen, von Kampfschwimmern der Deutschen Marine gestellten Ausbildungseinheit zu einem Einsatzverband Spezialkräfte aufgestockt. Dafür wurde ein von Deutschland finanziertes Ausbildungszentrum in Tillia aufgebaut. Diese Mission untersteht, obwohl formal Teil der EU-Mission, direkt Brüssel und nicht dem EUTM-Kommandeur in der malischen Hauptstadt Bamako.
Auftrag:
a) Mitwirkung an der Führung von EUTM Mali;
b) Unterstützung zur Verbesserung der operativen Fähigkeiten der malischen Streitkräfte durch militärische Beratung und Ausbildung, einschließlich einsatzvorbereitender Ausbildung, sowie durch Begleitung ohne Exekutivbefugnisse bis zur taktischen Ebene („Mentoring“) an gesicherten Orten;
c) Unterstützung der G5-Sahel-Staaten durch die Herstellung der operativen Einsatzfähigkeit der Gemeinsamen Einsatztruppe der G5-Sahel-Staaten (G5 Sahel Force Conjointe) und der nationalen Streitkräfte der G5-Sahel-Staaten durch militärische Beratung und Ausbildung,einschließlich einsatzvorbereitender Ausbildung, sowie durch Begleitung ohne Exekutivbefugnisse bis zur
taktischen Ebene („Mentoring“) an gesicherten Orten in Mali und den übrigen G5-Sahel-Staaten (Burkina Faso, Mauretanien, Niger, Tschad), sofern dort die dafür erforderlichen Vereinbarungen vorliegen. Zur Auftragserfüllung dienen dabei auch die Kräfte der Military Assistance (MA) Mission GAZELLE in Niger, die in die Strukturen von EUTM Mali integriert werden;
d) Koordination, Zusammenarbeit und Informationsaustausch mit anderen an der Unterstützung der Streitkräfte Malis und der weiteren G5-Sahel-Staaten beteiligten Akteuren, soweit zum Schutz und zur Erfüllung des Auftrages erforderlich;
e) Wahrnehmung von Schutz und Unterstützungsaufgaben, auch zur Unterstützung von Personal der Multidimensionalen Stabilisierungsmission der VN in Mali (MINUSMA).
Eine Beteiligung an Kampfeinsätzen ist weiterhin ausgeschlossen.
Einsatzgebiet
Das mandatierte Gebiet umfasst ganz Mali sowie nach Schaffung der rechtlichen Grundlagen die Staatsgebiete der weiteren G5-Sahel-Staaten Burkina Faso, Niger, Mauretanien und Tschad.
Rechtliche Grundlagen sind vor allem die Beschlüsse des Rates der Union (EU) und die UN-Sicherheitsratsresolution 2480 (2019):
Die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUTM Mali erfolgt auf der Grundlage
a) des Ersuchens der Regierung von Mali an die Europäische Union (EU) und mit deren Zustimmung sowie, wenn dieses EU-seitig geschaffen wurde, dem Einverständnis der jeweiligen weiteren G5-Sahel-Staaten,
b) der Beschlüsse des Rates der EU 2013/34/GASP vom 17. Januar 2013, 2013/87/GASP, 2016/446/GASP, 2018/716/GASP und 2020/434/GASP vom 23. März 2020 in Verbindung mit
c) den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (VN) 2071 (2012), 2085 (2012), 2100 (2013), 2164 (2014), 2227 (2015), 2295 (2016), 2364 (2017), 2391 (2017), 2423 (2018) und 2480 (2019).
Nachtrag: Die jüngsten UN-Berichte zu Mali vom 4. Januar 2022:
Situation in Mali – Report of the Secretary-General
MINUSMA Operations – Letter from the Secretary-General
addressed to the President of the Security Council
(Archivbild April 2013: Pioniere der Panzerpionierkompanie 550 aus Immendingen bilden malische Soldaten im Rahmen der European Union Training Mission Mali (EUTM) im Koulikoro Trainingscenter aus – Andrea Bienert/Bundeswehr)
Wie gestern auf Tagesschau gemeldet wurde (s.a. Retweet von @T.W.), hat die ECOWAS sanktionen gegen Mali verhängt, weil die demokratischen Wahlen erst in fünf Jahren abgehalten werden sollen und das „malische Volk solange in Geiselhaft genommen“ werde. Hier der Link für alle jene, die nichts mit Twitter am Hut haben:
https://www.tagesschau.de/ausland/mali-249.html
Reaktionen aus Europa auf die Pläne der malischen Junta – Fehlanzeige. Selbst die unmittelbaren Nachbarstaaten Malis sind konsequenter als die EU, ein Trauerspiel.
Die Süddeutsche Zeitung berichtet recht unverhohlen:
„Europäische Diplomaten in Bamako bestätigen, dass die Wagner-Truppen bereits seit einigen Tagen ins Land kommen, die französische Zeitung Le Monde spricht von mittlerweile 350 Söldnern, die bei ihrer Einreise nicht durch die üblichen Grenzkontrollen am Flughafen mussten, sondern unauffällig am Ende der Start- und Landebahn abgefertigt wurden.“
Des weiteren zitiert Bernd Dörries den Leiter der Friedrich Ebert Christian Klatt unter
Mali
Russische Wagner-Söldner in Timbuktu
9. Januar 2022, 6:32 Uhr
Drei weitere Artikel von 9.Januar vertiefen auch die ECOWAS Sanktionen.
Mir scheint, die aktuellste VNSR-Res zu MINUSMA wäre die 2584 vom 29. Juni 2021. Beigefügtes Weblink ist von der Website MINUSMA:
https://minusma.unmissions.org/sites/default/files/resolution_2584_2021.pdf
[Das mag schon sein, aber es wirkt doch nachvollziehbar, dass die Resolution vom Juni in einem Mandat vom Mai nicht aufgelistet werden konnte. Für mich jedenfalls. T.W.]
Zwei der ECOWAS Mitglieder (Burkina Faso, Niger) sind ja auch Mitglied der Sahel G5. Wie werden die sich positionieren? Dort muß die (Sicherheits-) Zusammenarbeit ja weitergehen.
@TW:
Zur Frage der zeitliche Abfolge kein Widerspruch. Nur für die Richtigkeit dieses umfassenden Blogbeitrages dennoch der Hinweis, dass die BT-Drs. 19/28805 unter Ziffer „2. Völker- und verfassungsrechtliche Grundlagen“ die VNSR-Res. 2531 vom Sommer 2020 als damals aktuellste VNSR-Res. referenziert:
„c) den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (VN) 2071 (2012), 2085 (2012), 2100 (2013), 2164 (2014), 2227 (2015), 2295 (2016), 2364 (2017), 2391 (2017), 2423 (2018), 2480 (2019) und 2531 (2020).“
Hier endet der Text im Beitrag bereits hinter der 2480 (2019).
Entsprechend dieser Praxis wäre zu erwarten, dass im nächsten BT-Mandat auf die genannte – dann aktuellste – VNSR-Res 2585 (2021) Bezug genommen wird.
[Ja, wäre zu erwarten. Aber Sie erwarten sicherlich nicht, dass ich bei Angabe der Rechtsgrundlage im Mandat eine zum Mandatszeitpunkt noch nicht vorliegende Resolution reinschreibe und damit die Quelle fälsche. T.W.]
Neben der bekannten Speziakräfteoperation der „Mission Gazelle“ durch Kampfschwimmer der SKM und – ursprünglich auch – Fallschirmjäger der 2./Fallschirmjägerregiment 26 (EGB),
bestanden / bestehen (?) ähnlich gelagerte Spezialkräfteaufträge in Tunesien (Mission Fennek), mit Luftlandetruppen in Jordanien (Mission Arabian Leopard) sowie dem Kamerun.
Absicht soll die Hebung der afrikanischen Partnerverbände auf EGB-Status sein.
Hat dazu jemand Sachstände?
[Ja. Habe ich aber bewusst nicht reingenommen, weil das den Rahmen Auslandsmissionen sprengen würde…T.W.]
Ich habe eine Frage zum MINUSMA Einsatz
Was passiert eigentlich mit den Aufklärungsdaten und -ergebnissen der deutschen UN Blauhelmsoldaten? An wen werden die übermittelt und was wird dann dort weiteres veranlasst? Was soll mit den Daten erreicht werden?
Lt. Zeit und Spiegel fordert Frau Strack-Zimmermann eine schwerere Bewaffnung des deutschen Kontingents zu prüfen. Interessant das hier mal die Lehren aus Afghanistan gezogen wurden wo bei verschlechternder Sicherheitslage nicht die Konsequenzen gezogen wurden.
[Genaugenommen lt. dpa vor ein paar Tagen.
https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_91465954/bundeswehr-strack-zimmermann-schwerere-bewaffnung-in-mali-pruefen.html
T.W.]
Die Junta in Bamako zahlt Wagner 11 Mio $ pro Monat.
According to the Africa Center for Strategic Studies, #Mali’s military government has committed to paying Wagner $11 million per month – $132 million a year – for 1,000 mercenaries, an amount equal to more than 20% of Mali’s yearly defense expenditures.
[Gerne der Ursprungslink dazu nachgereicht…
https://www.voanews.com/a/europe-sees-hope-for-eventual-deal-in-mali-/6398035.html%5D
Schweden zieht jetzt Konsequenzen bei TAKUBA . Nach gestriger Rede unserer IBuK u.a. zu Forderungen an Mali, erwarte ich zumindest sofortigen STOPP für EUTM.
[Auch hier gerne eine der Ursprungsmeldungen, von Reuters, nachgereicht:
Sweden will withdraw troops this year from a European special forces mission to the Sahel region and will review its participation in a U.N. force in Mali over the presence of private Russian military contractors, the foreign minister said.
Foreign Minister Ann Linde criticized Mali’s military junta for trying to extend its grip on power and for hiring the Russian mercenaries.
https://www.euronews.com/2022/01/15/us-eu-foreign-mali-sweden
T.W.]
(Ihre SOF dürften die Schweden auf Gotland derzeit sicher dringender benötigen, nachdem mit C-17 der Strategic Airlift Capability Bereitschaftskräfte gestern dort eingeflogen wurden).
„Der EU-Aussenbeauftragte Borrell sagte am Donnerstag [13.01.2022], die europäischen Sanktionen [ggü. MALI] seien auch eine Reaktion auf die Präsenz der Wagner-Söldner.“
Ob solch eine Erklärung nicht auch bei der malischen Bevölkerung sauer aufstößt? Immerhin ist es ein souveräner Staat, der um Unterstützung bitten kann wen er mag.
Zudem:
„Viele Malierinnen und Malier empfinden die französische Präsenz zunehmend als neokoloniale Einmischung.“
https://www.nzz.ch/international/mali-nachbarn-verhaengen-sanktionen-russland-bietet-hilfe-ld.1664741
Allerdings wird sich absehbar etwas bewegen müssen, der Regierung / der Junta droht das Geld auszugehen, und Soldaten wollen bezahlt werden.