Wechsel in Malis Norden: Nach Abzug der Franzosen aus Timbuktu kommen die Russen
Wenige Wochen nach dem Abzug französischer Soldaten aus der bedeutsamen Stadt Timbuktu im Norden Malis sind dort russische Soldaten zusammen mit Soldaten der malischen Armee eingerückt. Die Russen sollen dort die malischen Soldaten ausbilden.
Das russische Engagement in Timbuktu meldete die Nachrichtenagentur Reuters am (heutigen) Donnerstag unter Berufung auf die Armee Malis:
Russian soldiers have deployed to the city of Timbuktu in northern Mali to train Malian forces at a base vacated by French troops last month, Mali’s army spokesperson said on Thursday.
Mali’s government said last month that “Russian trainers” had arrived in the country, but Bamako and Moscow have so far provided few details on the deployment, including on how many soldiers are involved or the Russian troops’ precise mission. (…)
Local residents told Reuters that uniformed Russian men were seen driving around town but could not say how many there were.
Die französischen Truppen hatten nach gut acht Jahren Timbuktu im Dezember vergangenen Jahres verlassen. Französische Soldaten waren 2013 mit der damaligen Operation Serval in die nordmalische Stadt eingerückt, um einen Vormarsch der Islamisten zu stoppen. Die Operation Barkhane, Nachfolgemission von Serval, war im vergangenen Jahr deutlich reduziert worden; deshalb hatte Frankreich mehrere Basen wie auch die in Timbuktu aufgegeben.
Die Meldungen über eine Ausweitung des russischen Engagements in Mali kommt zu einer Zeit, in der westliche Nationen der malischen Regierung vorwerfen, die russische Söldnerfirma Gruppe Wagner angeheuert zu haben und damit den Demokratisierungsprozess im Land zu gefährden. 15 Länder, darunter auch Deutschland, hatten in einer Erklärung im Dezember diesen Vorwurf erhoben. Die Regierung in Bamako hielt dem entgegen, es gebe keinen Vertrag mit dem privaten Militärdienstleister, sondern ein bilaterales Abkommen mit Russland über Ausbildungsunterstützung.
In Mali sind bereits jetzt zahlreiche Staaten – neben den malischen Streitkräften selbst – militärisch engagiert: Die UN-Mission MINUSMA stellt die derzeit größte Blauhelmtruppe der Vereinten Nationen. Die französische Operation Barkkhane ist im Anti-Terror-Kampf engagiert, fährt diese Mission jedoch zugunsten der multinationalen europäischen Spezialkräfteoperation Takuba herunter. Die Europäische Union stellt eine EU-Ausbildungsmission (EUTM Mali), und eine gemeinsame Truppe der so genannten G5-Sahel-Staaten (Mali, Mauretanien, Burkina Faso, Niger, Tschad) soll ebenfalls – bislang wenig erfolgreich – gegen Islamisten vorgehen.
Die Bundeswehr ist derzeit mit gut 1.000 Soldatinnen und Soldaten an der UN-Mission beteiligt und stellt gut 300 in der EU-Trainingsmission. Formal reicht das Einsatzgebiet der EU-Ausbilder bis Timbuktu, ein direktes Zusammentreffen mit russischen Ausbildern wäre also nicht ausgeschlossen.
Nachtrag: Es gibt eine gewisse Konfusion, ob russische reguläre Truppen oder russische Söldner im Land sind – möglicherweise beides, wie auch der französische Sender France24 berichtet:
(Archivbild Januar 2013: Französische Truppen rücken in Timbuktu ein – Foto: Olivier Debes/Französische Armee)
Wagner in Mopti, Russische Armee in Timbuktu. Aus Umfeld und Geschichte; in ZAR ist Wagner präsent, und über die MLNA/Gaddafi Adresse evtl. sovietische Bezüge TUAREG. In Libyen unterstützt Wagner Haftar. Was möchte Putin gewinnen? (Setzt er sich uns aufs Gesicht, baut er ne neue Achse?)
MENA:
https://www.cia.gov/the-world-factbook/static/f2102544c881722f89b1a2fe9844ca06/africa_pol-2.jpg
Mali:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/64/Mali-CIA_WFB_Map.png
@TW
„Russian troops“ und uniformiert, wären das nicht reguläre russische Kräfte? Insbesondere wenn es ein Regierungsabkommen zwischen Mali und der RF gibt?
Mali gibt als Argument an:
„Mali’s government has denied any deployment of Russian mercenaries, saying “Russian trainers” are in the country as part of a bilateral agreement.
„We had new acquisitions of planes and equipment from [the Russians],“ the Malian Army spokesperson told Reuters. „It costs a lot less to train us on site than for us to go over there … What is the harm?““
https://www.rferl.org/a/mali-russian-troops-timbuktu/31642735.html
Die Waffenlieferungen sind ja grundsätzlich bekannt:
https://theowp.org/russia-continues-military-aid-in-mali-despite-international-criticism/
[Äh, ja, und die oben verlinkte Reuters-Meldung in der Version von RFE/RL noch mal zu verlinken, bedeutet jetzt was? T.W.]
Ist das ein bi-nationales Mandat oder läuft das russische Engagement dann unter MINUSMA?
Perfekter Zeitpunkt für „declare victory and go home“.
Just do it.
Offenbar ist eine genaue Identifikation der „Grünen Männchen“ noch.nicht gelungen:
„Et nous pensons que ce sont des hommes de Wagner, mais nous n’avons pas de preuve irréfutable », a en effet admis un officier français.“
http://www.opex360.com/2022/01/06/mali-premier-accrochage-entre-des-jihadistes-et-des-instructeurs-militaires-russes/
@all
Der Beitrag von France24 (auf Englisch) oben als Nachtrag.
Es gibt auch Weiterungen, so unterstützt z.B. auch Algerien den russischen Einsatz:
https://www.dw.com/fr/ins%C3%A9curit%C3%A9-au-mali-vers-un-soutien-dalger-%C3%A0-moscou/a-60331775
Dies soll auch eine Spitze gg. Frankreich sein und gg. Marokko sowieso.
@TW
Menno … 🙄
Why Russia is a Geopolitical Winner in Mali’s Coup
https://www.fpri.org/article/2020/09/why-russia-is-a-geopolitical-winner-in-malis-coup/
„ As China wishes to include Sahel countries in the Belt and Road Initiative (BRI) and has increased its investments in neighboring Burkina Faso due to the country’s suspension of relations with Taiwan, Beijing views the Mali coup with consternation. As institutionalized dialogue between Russia and China on African security issues is limited, Moscow could leverage the Mali coup to demonstrate to Beijing that it can constructively contribute to regional security. However, if evidence of Kremlin involvement in the Mali coup mounts, Chinese concerns about Russia’s destabilizing conduct in Africa could become a source of discord between the two.“
Russia Agrees to Strengthen Military Regime in Mali
By Kester Kenn Klomegah
https://www.indepthnews.net/index.php/the-world/russia/4874-russia-agrees-to-strengthen-military-regime-in-mali
„In an interview, Grigory Lukyanov, a Senior Researcher at the Russia’s Institute of Oriental Studies, explained that the current goal is to boost business ties, particularly in the field of resource extraction and security services, where Russia has competitive advantages. In the future, Mali is capable of becoming a transport hub for commodities coming from the west and south to Africa’s north and then to the European Union, so apart from France, China and the United States are also interested in it. It’s vital for Paris to remain in its former colony and France is reluctant to let other players enter the country. “
Russia, Wagner Group, and Mali: How European fears weaken European policy
https://ecfr.eu/article/russia-wagner-group-and-mali-how-european-fears-weaken-european-policy/
Still, the sharp international reaction suited Russia’s overall foreign policy aims by causing tension and further disagreement between France, the EU, and Mali’s government. At the same time this reaction allowed Russia to present itself with minimal actual effort as a steady partner to Mali militarily, economically, and politically. It helped bolster the prime minister’s populist critiques of France at a moment when the transitional government is seeking to delay promised elections and secure its own position against an increasingly hostile regional and international community.
Ein typisches low-risk/profit Spiel der Russen, wenig zu verlieren, mit sicherheit mindestens ein bisschen was zu gewinnen.
@AoR
Nicht zu vergessen: am 01.01. trat das RCEP in Kraft:
https://de.wikipedia.org/wiki/Regional_Comprehensive_Economic_Partnership
Und es gibt Gespräche zwischen RUS und IND:
http://www.uniindia.com/jaishankar-lavrov-discuss-follow-up-of-summit-meeting-2-2-talks/india/news/2612052.html
https://theprint.in/opinion/global-print/in-2022-india-china-glass-is-both-half-full-and-half-empty-russia-can-be-tipping-factor/794727/
Das ist jetzt zwar deutlich über Mali hinaus, aber für uns dennoch wichtig.
There are three kinds of countries: those who make things happen; those who watch things happen; and those who wonder what’s happened.
[Stopp, bitte. Jetzt am Beispiel Mali alle Aktivitäten Russlands weltweit durchzubuchstabieren ist ein OT, den wir hier nicht brauchen. T.W.]
Nachdem Deutschland und andere über russische Söldner in Mali wehklagt haben, übernimmt jetzt die reguläre russische Armee. Damit sollten doch jetzt alle glücklich sein.
Bedenke, was du dir wünschst – es könnte gewährt werden… (Wenn auch etwas anders, als du gedacht hast.)
…
Angenehmer Nebeneffekt: Ich hätte als deutscher Bürger keinerlei Problem damit, wenn das jetzt der Aufhänger dafür ist, den Bundeswehreinsatz in Mali zügig zu beenden. Über das sehr überschaubare „Für“ und das reichliche „Wider“ dieser Bundeswehrmission ist hier ja ausgiebig diskutiert worden.
@Mitleser:
Ich denke es gibt zwei Exitstrategien:
I: Die RU Präsenz konterkariert aus unserer Perspektive eine Versöhnung in Mali endgültig. Das Ziel wird unerreichbar und wir ziehen aus MINUSMA ab. Unabhängig von den RU Aussichten auf militärischen Sieg wird Mali zur Militärdiktatur.
II: Wir nehmen das @Koffersche Paradigma an und gehen scharf rein: Gefechtsbegleitung. Mali wird stabilisiert unter ziviler Regierung und als laizistischer Staat. Wagner zieht ab.
Nachbrenner: Dies gölte nur, wenn das ausschließliche Ziel der Junta nicht ist seine Position zu stärken und dauerhaft an der Macht zu bleiben. Die Ansage der Junta, Wahlen ins Sanktnimmerlein zu verschieben spricht eher für letzteres. Ergebnis wäre ein Bürgerkrieg Südwestmali gegen den fast ganzen Rest.
Außer RU hat über sovietische Bezüge, und nun auch Algerien die Möglichkeit auf Tuareg/MLNA einzuwirken. Bzgl. Tuareg, plant da Haftar in Libyen etwas, was ist deren Lage im Südwesten Libyens?
Die TUAREG sind der Schlüssel (vgl. Wolfsohn)
Advocatus Diaboli: Was wird zwischen RU und FRA in Hinterzimmern verhandelt? Was bedeutet dies für uns Deutsche?
ZU @T.Ws Begriff der „Verwirrung“ und @Drahtamsels „Grüne Männchen“ aus Kimberly Marten: Russia’s use of semi-state security forces: the case of the Wagner Group (https://doi.org/10.1080/1060586X.2019.1591142 [Titel anhand dieser DOI in Citavi-Projekt übernehmen] )
In the end, Rogov’s and Ledeneva’s arguments about how the overall Russian political system works on illegality and kompromat (compromising material) seems to carry the day in explaining the state’s relationship with PMCs. The conditions under which the Putin regime and its various bureaucracies choose either to protect and laud PMCs – or alternatively, to hang them out to dry – remain opaque to outsiders. We can guess, though, that those involved at the highest levels of this form of “negotiation” have a better understanding of both the rules, and the stakes, that are actually involved.
Meine Vermutung/Frage: Russland will in Mali, Söldner wären am angenehmsten da deren Särge die Heimatfront nicht beschädigen, die Frage die sich nun stellt ist. Die Frage ist ob man so sehr will, dass der Kremml den Grünen Männchen nun Hoheitsabzeichen gibt, oder nicht?
Erst einmal ein Dank an alle für die vielfältigen zusätzlichen Quellen.
Ich finde, dass die Lage in Mali immer undurchsichtiger wird. Meiner Ansicht nach war die Situation in Mali schon vor dem Putsch unübersichtlich. EUTM neben MINUSMA war schon zu viel und dann noch Barkhane obendrauf. „Viele Köche verderben den Brei.“
Nun hat sich ein weiterer „Koch“ an den Herd gesellt. Das ‚Anheuern‘ russischer Truppen (egal ob Wagner oder reguläre Truppen) ist auch meiner Ansicht nach ein Versuch der Putschisten, das „Übergang“ in ein „permanent“ zu verwandeln.
Ich habe aktuell den Eindruck, dass es allen Beteiligten nur noch darum geht, Einfluss zu nehmen bzw. Einfluss zu behalten weil alle Beteiligten, über die eigentlichen Ziele der jeweiligen Missionen hinaus, weitere nationale Interessen verfolgen. Die Regierung, die zuerst die Nerven verliert und abzieht, die verliert.
Die Zähigkeit, mit der unsere Regierung an dem Einsatz festhält, obwohl das Ziel der Stabilisierung eines demokratischen Mali nicht mehr erreicht werden kann, spricht jedenfalls sehr dafür. Und ich würde mir wünschen, dass unsere Regierung den Menschen hier klipp und klar erklärt, was unsere nationalen Interessen in Mali sind. Das ist man auch unseren Soldaten schuldig.
Wir haben in Mali auch eine ähnliche Situation wie in Afghanistan. Wir verstehen nicht gut genug, wie die verschiedenen Gruppen im Land mit einander verbunden sind und wir verstehen zu wenig, wie diese Gruppen mit lokalen Playern in den Nachbarstaaten vernetzt sind. Eigentlich fahren unsere Soldaten da nur im Land herum, zeigen Flagge und spielen Schießscheibe für die verschiedenen Islamistengruppen. Die Putschistenregierung igelt sich derweil in der Hauptstadt ein und plündert die Resourcen das Staates. Die Verlierer sind die Bürger des Staates Mali, deren wirtschaftliche und politische Situation sich nur verschlechtern kann.
Es gibt gute Gründe, aus deutscher/ europäischer Sicht den mil. Einsatz in Mali kritisch zu hinterfragen.
Das offensichtliche offene Engagement der Russen zeigt jedoch die alternative Entwicklung OHNE die Europäer in klarer Eindeutigkeit auf.(USA werden ihr auf Nachrichtenwesen fokussiertes Wirken beibehalten)
RUS und CHN werden die Lücken im Sahel und ganz Afrika füllen, die ein europäisches Disengagement hinterlässt. Das ist mit Blick auf wirtschaftliche Ressourcensicherung und politische Einflussnahme nicht nur logisch, sondern auch ein weiteres Retro- Element des Kalten Krieges, in dessen 2.0 Version und längst befinden.
AFG war im letzten Sommer für viele westliche Regierungen ein politisches Gesamtversagen.
Eine Aufgabe Malis und ein Überlassen einer geopolitisch sehr wirksamen Region an die „Peer competitors“ RUS und CHN wäre nicht nur Schub für den immer aggressiver agierenden Putin, sondern es käme – wenige Monate nach dem Desaster in AFG- einem politischen und militärischen Bankrott Europas gleich.
Der Einsatz in Mali muss überprüft werden! Die Hinwendung Malis zu den Russen hat ja auch Gründe, die in der militärischen Erfolglosigkeit von MINUSMA, Barkhane und EUTM Mali liegen.
Dies, zusammen mit dem endemischen, gleichwohl unrealistischen Eigenanspruch immer für volldemokrstische Zustände sorgen zu wollen, sind die eigentlichen, selbst gelegten Stolperdrähte.
In Mali geht es angesichts der veränderten geopolitischen Verhältnisse mehr als nur um einen (schlecht mandatierten) Einsatz in einer vermeintlich zu vernachlässigenden Region.
Im Sahel wird zwar die Sicherheit Deutschlands nicht verteidigt, aber die Spielkarten für eine weit grössere Auseinandersetzung verteilt.
@ eric hagen
vollumfängliche Zustimmung
Die permanenten Selbstfestlegungen (Abzug wenn…) anhand innenpolitischer Befindlichkeiten zeigt mE ein weiteres Mal wie geopolitikunfähig man in Deutschland geworden ist.
Deutschland sollte anhand eigener Interessen in Mali sein und eigene Interessen verfolgen.
Wie denen mit einem Abzug aus beleidigter Eitelkeit bzw provinzieller Befindlichkeiten (böse Söldner, zu viel Blei in der Luft usw.) gedient sein soll kann ich einfach nicht erkennen.
Der Sahel ist für die europäische Sicherheit weit wichtiger als Afghanistan, schon dehalb sollte man dort entschlossene Realpolitik verfolgen und postmodernen Circus unterlassen.
@ Eric Hagen und @wacaffe
Irgendwie kann ich mich bei Ihnen nicht des Eindrucks erwehren, Sie hielten DEU für den bestimmenden Faktur bei EUTM und MINUSMA.
Bei beiden Missionen ist DEU nur eine von vielen teilnehmenden Nationen. Gerade bei MINUSMA hatte DEU sicherlich keine entscheidende Rolle, was die Ausgestaltung, Ziele und RoE der Mission angehen. Von daher macht es wenig Sinn, jetzt nach deutschen Kampftruppen zu rufen und robustere Vorgehensweisen zu fordern. Da mischen noch andere mit.
Und was Barkhane angeht, da hat DEU überhaupt keinen Einfluß, weil es schlicht nicht beteiligt ist.
Man sollte da die Kirche im Dorf lassen und sich nicht von RUS zu irgendwelchen stellvertreter-Kriegen provozieren lassen.
Man muss sich den Kontext Malis sicherlich auf mindestens drei Ebenen ansehen.
Zum einen die rein operative Ebene, auf der es konkurrierende Mandate und das Akteurshandeln (inkl. mess- und beobachtbarer Resultate bzw. Vorkommnisse) gibt.
Dann die strategische Ebene, welche den taktischen Rahmen vorgibt und übergeordnete Ziele setzt, diese verfolgt und letztlich auch Mandate schärft, verlängert oder beendet.
Und letztlich ist immer auch auch eine geostrategische Ebene vorhanden mit unterschiedlichen Bedeutungshorizonten.
Hier sind Motive für strategische Veränderungen zu finden (Engagement vs. Disengagement als Beispiel), die aber letztlich Auswirkungen auf den Ebenen 1 und 2 haben und nur indirekt auf der eigenen Ebene (wenn dann nur im Sinne der Bereitschaft, Kosten für Handlungen zu tragen).
Die Frage an die dt. Politik ist letztlich, ob man ernsthaft jenseits der rein operativen Handlungsebene in Mali (bzw. im Sahel) agieren kann (möchten mag man ja schon :-)).
Aber solange in wichtigen Beschlussvorlagen Mali als „nordafrikanisches“ Land bezeichnet wird, man sich auf AL-Ebene auf die „lange demokratische Tradition des Landes“ bezieht oder man noch nichtmal als Stoffz in Verantwortung das weiss, was in der Taschenkarte steht
… fehlt mir der Glaube.
Russland wird sich weiter als Sicherheitsakteur positionieren und hat ebenso wie die Türkei und China Erfolge v.a. in Afrika (aber auch global) vorzuweisen. Quasi eine Alternative zum „Westen“, der in Afghanistan verloren hat und im Sahel scheinbar scheitert. Das ist die geostrategische Dimension des „afrikanischen Gambit“ Russlands. Wenig Einsatz, hoher Gewinn.
Das ermöglicht dann auch symbolische Siege in wichtigen Konflikten in der Nachbarschaft (wo Russland als Antagonist des Westens wie auch des militanten Islam sich exzellent behauptet). Aber das wird dann jetzt OT
@Eric Hagen: „Dies, zusammen mit dem endemischen, gleichwohl unrealistischen Eigenanspruch immer für volldemokrstische Zustände sorgen zu wollen, sind die eigentlichen, selbst gelegten Stolperdrähte.“
Das mandatierte Ziel ist die Befriedung eines Bürgerkrieges an ethnischen und innersunnitisch-islamischen konfessionellen Grenzen. Ein Konflikt der sich neben Klimaerwärmung und Bevölkerungswachstum und vor allem an den Verfehlungen der Eliten durch bad governance aufheizt. Verschärfend kommt koloniale Grenzziehung und die dadurch historisch bedingte Verteilung von Macht durch die Kolonialmacht Frankreich an bestimmte Kader bzw. der Widerstand einiger Volksgruppen mit Unterstützung RU/Soviet/Gaddafi dagegen hinzu.
Wie soll es eine Befriedung geben, wenn Gruppen (wieder und wieder) das Gefühl haben, aussenvor gelassen zu werden? Beteiligung durch Wahlen, Föderalistische Strukturen und good governace sind nachhaltige Ansätze.
@wacaffe: „Der Sahel ist für die europäische Sicherheit weit wichtiger als Afghanistan, schon deshalb sollte man dort entschlossene Realpolitik verfolgen und postmodernen Circus unterlassen.“
Würden sie „postmodernen Circus“ definieren? Wenn sie damit good governance meinen, was soll ein nicht weiter erklärter Begriff von „Realpolitik“ da noch helfen?
@ Pio-Fritz: „Man sollte da die Kirche im Dorf lassen und sich nicht von RUS zu irgendwelchen stellvertreter-Kriegen provozieren lassen.“
Russland bedient momentan geschickt die Illusion der Militärjunta, den Bürgerkrieg unter einer Diktatur befrieden zu können. Wenn letzteres überhaupt das Ziel der Junta ist außerhalb von eigenem Machterhalt. Denn wie @wacaffe sagt ist der „Sahel […] für die europäische Sicherheit weit wichtiger als Afghanistan“.
Ich befürchte nur, dass die EU kein gemeinsames Bild vom zukünftigen Sahel hat, sich nur darüber einig ist, was man nicht will und dadurch im Endeffekt China über Schutz für seine Investitionen freut. Und von diesem Schutzbrief will RUS einen Teil vom Kuchen abhaben und seine Bemühungen zumindest alimentiert sehen (Diamantminen, Dollars etc.) . (vgl. Kester Kenn Klomegah).
[vgl. auch Free-rider on the storm: How Russia makes use of crises in its regional environment
https://ecfr.eu/article/free-rider-on-the-storm-how-russia-makes-use-of-crises-in-its-regional-environment/ ]
Im Endeffekt läuft es auf eine hochpolitische Entscheidung der EU hinaus. Entweder Klotzen und wir setzen in Mali die Energien frei deren Fehl in Afghanistan zum erwartbaren und prognostizierten Desaster geführt haben, oder wir Kleckern, was bei aller Prognose darauf hinausläuft, dass uns die Ergebnisse von verletzten Kameraden in den BWKs gedankt werden. Und bevor wir kleckern können wir das tun was die IBUK angedeutet hatte: Einen sichereren Ort für Ausbildung suchen und den Entwicklungen vor Ort zumindest Gesichtswahrend harren.
Und @Eric Hagen zu „Spielkarten für eine weit grössere Auseinandersetzung verteilt.“ befürchte ich, dass diese in den USA innenpolitisch durch Wahlen vorentschieden wird. FYI: TRUMP vs. Dangerous Democrats Push Confrontational Policies toward Russia and China https://www.cato.org/commentary/dangerous-democrats-push-confrontational-policies-toward-russia-china
Es ist das UvdL’sche Mantra, dass die EU ihren Rythmus, ihren Dialekt der Sprache der Macht lernen soll. Ich befürchte, die USA lassen uns da teils erzwungen/teils bewusst im kalten Wasser: Swim or Die!
@AoR
„Das mandatierte Ziel ist die Befriedung eines Bürgerkrieges an ethnischen und innersunnitisch-islamischen konfessionellen Grenzen.“
Zum einen wäre das ein robuster friedenserzwingender Einsatz, und das gibt das Mandat nicht her. Und zum zweiten müßte man bei – unrealistischer – Zielerreichung quasi „für immer“ den Deckel drauf halten (Übergang in einen friedenserhaltenden Dauereinsatz analog Kosovo). Beinahe ein klassischer Catch 22.
Die Gemengelage dort bekommt man nicht aussortiert zumal es ja auch den Konflikt zwischen seßhaften Bauern und Nomaden gibt.
@Thomas Melber:
„Zum einen wäre das ein robuster friedenserzwingender Einsatz, und das gibt das Mandat nicht her. Und zum zweiten müßte man bei – unrealistischer – Zielerreichung quasi „für immer“ den Deckel drauf halten“
Darum windet man sich, bzw. will es nicht. Denn man liefert Bausteine zur Befriedung eines Bürgerkrieges, macht sich den Konflikt aber nicht zu eigen. Mit dem ausscheren der Putschisten aus dem erklärten Ziel „vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen den Konfliktparteien und der Umsetzung des Friedensabkommens von 2015“, bröckelt die Säule MINUSMAS.
EUTM beschränkt sich darauf „malischen Streitkräfte so auszubilden, dass sie selbst die Stabilität und Sicherheit in Mali gewährleisten können und damit zu einer Stabilisierung des Landes beitragen.“ Und da fragt man sich, welche Glaubwürdigkeit eine Militärjunta im Südwesten des Landes im Nordwesten des Landes gewinnen will.
Unterm strich unterstützen wir dann eine Bürgerkriegspartei Seite an Seite mit Wagner und Co. Wasser auf die Mühlen der Feindpropaganda von Al-Kaida über MLNA und all den kriminellen Gruppierungen. Der Narrativ des Antikolonialen Kampfes (Auch Algerien) lacht sich ein zweites A******ch und munter singen, auch mit Unterstützung der Türkei, die Islamisten das Lied der Mulimbruderschaft „Der Islam ist die Lösung“. Und warum? Wasch mich, aber mach mich nicht nass – Politik!
vgl. MINUSMA und EUTM Mali
https://www.bundestag.de/webarchiv/Ausschuesse/ausschuesse19/a12_Verteidigung/auslandseinsaetze/auslandseinsaetze/minusma_und_eutm_mali-542482
zu: „Free-rider on the storm…“
Danke AoR für den Link. Der Schlussatz in dem Artikel:“Short of that, the EU will keep witnessing tactical gains by Russia in each and every crisis in its neighbourhood, while continuing to mistakenly assume the existence of a grand strategic design behind Moscow’s moves.“ hat mich an den Ausspruch eines früheren Berater eines US-Präsidenten erinnert, den ich vor ein paar Tagen gelesen habe (Leider erinnere ich mich nicht mehr an die Quelle). Dieser Berater hat sinngemäß Krisen als etwas begrüßenswertes betrachtet, weil sie immer die Gelegenheiten bieten würden, Dinge zu tun, die man im Normalfall niemals tun könnte. Der Ausspruch erinnerte mich an die USA und den Patriot Act, der ohne 9-11 niemals möglich gewesen wäre.
Mit dem Satz von Marie Dumoulin lässt sich das Verhalten der russische Regierung in den Krisensituationen der letzten 20 Jahre tatsächlich am besten erklären. In den Zeiten des kalten Krieges, hatte die frühere Sowjetunion auch einen großen Einfluß in Afrika ausgeübt. Viele der Kriege zwischen und Bürgerkriege in afrikanischen Staaten waren Stellvertreterkriege zwischen West und Ost in dem Ringen um Einfluss. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks war es damit lange Zeit vorbei. Wenn man sich den Aufschrei in unseren westlichen Medien über die offenbar nur wenigen hundert Russen in Mali so anschaut und welche Wirkung dieser ‚Shitstorm‘ wohl in anderen Staaten entfaltet, dann kann ich der Einschätzung nur zustimmen. Hier wurde mit geringem Aufwand große PR-Wirkung zu entfaltet.
Was mir in den Medienberichten fehlt, dass ist die Trennung zwischen der Unterstützung der Armee von Mali mit Truppen und der Unterstüzung mit Rüstungsgütern. Der westliche Protest enzündet sich ausschließlich an dem Einsatz russischer Soldaten (egal ob regulär oder Söldner). Die Waffenlieferungen werden in unseren Medien nur am Rande erwähnt. Medien in Asien und Afrika gehen da weiter. In einer Meldung heisst es: „A special plane has delivered four Mi-171 helicopters, as well as weapons and ammunition, from Russia to Mali, Malian Defense Minister Sadio Camara said.“ (Mali receives 4 helicopters, weapons from Russia: Defense Minister / ANI | Updated: Oct 01, 2021 21:01 IST ). Wikipedia ist da genauer. Dort ist von zwei Mi-171Sh und zwei Mi-17V-5 die Rede. Allerdings kann ich die angegebenen Quellen nicht überprüfen (Meine russisch Kenntnisse sind begrenzt und griechisch kann ich gar nicht). Die Armee von Mali verwendet ja schon russische Helikopter aber wenn die Meldung über die Lieferung der Mi-171S stimmt, dann ist das auch eine Modernisierung. Da wundert es mich schon, warum man diesen Teil russischer Einflußnahme nicht durch eigene Lieferungen hat verhindern können.
Eric Hagen sagt:
„Der Einsatz in Mali muss überprüft werden! Die Hinwendung Malis zu den Russen hat ja auch Gründe, die in der militärischen Erfolglosigkeit von MINUSMA, Barkhane und EUTM Mali liegen.“
Überprüfung ja, mil Erfolglosigkeit trifft eher auf Barkane zu, da FR hier seine mil Fähigkeiten überschätzt hat. Das was mit Op SERVAL losgetreten wurde, sollten MINUSMA und EUTM fortsetzen (Ertüchtigung der FAMA, Hilfestellung bei der Umsetzung des Friedensabkommens von Algier), wofür sie mandatsmäßig nicht entsprechend ausgestattet wurden. Problem bleibt Mali als quasi failing state mit seiner seit 2012 nicht mehr intakten Armee. Überprüfung des Einsatzes sollte feststellen, wie/ ob überhaupt dem „kranken Mann am Niger“ geholfen werden kann.
Eine Glaubwürdige und professionelle Lageeinschätzung vom 5.11.2020 , was kam? Noch ein Putsch, verletzte Kameraden, Wagner und eine Junta die an der Macht klammert…
Christian Klatt
Christian Klatt leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako, Mali. Der Politikwissenschaftler war zuvor für die FES in Senegal und in Deutschland (z.B. NRW) tätig.
https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/175842/mali
@Schlammstapfer: https://www.deepl.com/de/translator
Meine Einschätzung, wenn Bamako nicht sehr bald liefert, dann …!
@Schlammstapfer
„Da wundert es mich schon, warum man diesen Teil russischer Einflußnahme nicht durch eigene Lieferungen hat verhindern können.“
Mehrere Gründe:
– westliches Gerät ist zu komplex
– eher nicht für die Gegebenheiten dort geeignet
– zu teuer
– Export und logistische Ustg / Ausbildung abhängig von politischer Willfährigkeit („Junta“, Menschenrechte, u.a.)
– Ausbildung vor Ort – und durch wen (ziv. / mil.)
– Kick backs sind bei uns strafbar wie wohl kundenseitig „erwünscht“, kommen aber bei uns an die Presse – Mali hat das Erfahrungen
https://www.jeuneafrique.com/919889/societe/contrats-darmement-surfactures-au-mali-des-proches-dibk-dans-loeil-du-cyclone/
@ AoR. Danke. TW hat mich ja schon darauf aufmerksam gemacht aber jetzt habe ich mir den DeepL Link gespeichert.
@Tomas Melber
Wie man es nimmt.
Siehe:
„Nahost-Geschäft beflügelt Rüstungsmarkt Bulgarien“ Telepolis – 21. Februar 2016
„Waffentransporte vom Balkan über Saudi-Arabien nach Syrien“ Telepolis – 19. September 2017
„Waffengeschäfte im Auftrag des SOCOM“ Telepolis – 12. September 2019
Die Rüstungsfabriken in Bulgarien können genau das liefern, was die Regierung in Mali schon hat und aufgrund von post-sowjet Kampfwertsteigerungen können das auch die meisten anderen der früheren Warschauerpaktstaaten. Mi 8 / 17 sind weltweit verbreitet und die israelische Firma IAI hat dafür ein Upgrade Paket zur Kampfwertsteigerung entwickelt und an die Indische Regierung verkauft.
Die Lieferung von Waffen in Krisenregionen ist ja für die EU kein Thema. Jedenfalls hat sie jahrelang nichts gegen die Belieferung von Extremisten unternommen. Warum sollten also ausgerechnet dann, wenn es um die Unterstützung eines quasi ‚verbündeten‘ Staates gegen Extremisten geht, plötzlich Bedenken auftreten?
@AOR:
>>Ein Konflikt der sich neben Klimaerwärmung….<<
Verstehe ich Sie da richtig, Sie glauben, dass Klimaerwärmung mitursächlicher Teil des Konflikts ist?
Die Bevölkereung Malis ist von 1961 5Mio auf nun 20Mio gestiegen. 4x in 60 Jahren. Durchschnittsalter 16 Jahre.
P.S.: In Afghanistan hat sich übrigens von 2000-2020 die Bevölkerung fast verdoppelt.
[Moment. Ich stoppe das jetzt mal, ehe sich ein sehr schräger Klimakrisen-Thread daraus entwickelt – und die merkwürdige Logik ‚Klimanwandel? Bevölkerung hat sich doch vervierfacht!‘ hier zur Art der Debatte wird. T.W.]
@Thomas Melber und @Schlammstapfer
Was helfen die Waffenlieferungen, wenn man unmotivierte Soldaten und Führungspersonal hat, das die Einsatzgrundsätze nicht versteht und umsetzen kann.
Das beste Beispiel sind doch die Saudis. Vollgestopft bis obenhin mit modernster Ausrüstung aber bekommen ihre PS nicht aufs Schlachtfeld. Das es auch anders geht, hat die Ausbildung der Kurden im Nordirak gezeigt.
@T.W.:
Vielen Dank, dass Sie der Logik im Sinne von „follow the science“ Gehör verschaffen.
@CRM-Moderator:
@T.W hat wohl wenig Lust, dass man die aus jeder Grundlagenvorlesung bekannten globalen Megatrends, welche die Außen- und Sicherheitspolitik determinieren, jedes Mal aufs neue runterdeklinieren und er das jedes Mal moderieren muss. Christian Klatt verarbeitet benannte Trends ja bereits. Und dann ist es auch noch OT. Mea Culpa!
@Thomas Melber: Auch das afghanische Regime bat seiner Zeit um Lieferung RU Wehrmaterial wegen Einfachheit der Wartung. Man sollte in Osteuropa einen Rüstungskonzern aufbauen der Produktion und Kampfwertsteigerung des Materials beherrscht. .
Ja ja, die Megatrends und Moden in der deutschen äääh globalen Sicherheitspolitik, woraufhin dann immer die Grundlagenvorlesung angepasst werden muss.
Zitat (AoR): „Man sollte in Osteuropa einen Rüstungskonzern aufbauen der Produktion und Kampfwertsteigerung des Materials beherrscht.“
Nicht nötig. An solchen Firmen herrscht in Osteuropa wirklich kein Mangel. Und auch die Ukraine war in solchen Fällen immer sehr hilfsbereit. So hilfsbereit, dass für das eigene Militär fast nichts mehr übrig blieb.