Deutschland an der Seite Frankreichs: Baerbock stellt weiteren Einsatz in Mali infrage (Neufassung, m. Nachtrag)
Wie Frankreich stellt auch Deutschland angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen der Übergangsregierung in Mali und den westlichen, militärisch im Land engagierten Nationen den weiteren Einsatz der Bundeswehr dort infrage. Es sei unklar, ob die Voraussetzungen für den Erfolg unseres gemeinsamen Engagements weiter gegeben sind, sagte Außenministerin Annalena Baerbock. Die Bundeswehr ist in Mali in zwei internationalen Missionen mit den UN und der Europäischen Union im Einsatz. Beide Mandate laufen Ende Mai aus.
Vor Baerbock hatte bereits der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian angekündigt, sein Land prüfe das weitere Engagement in Mali und werde in den nächsten Tagen zu einer Entscheidung kommen. Darüber werde Frankreich auch mit seinen europäischen Partnern reden.
Die Regierung in Bamako hatte Anfang der Woche den französischen Botschafter des Landes verwiesen, nachdem Le Drian der Übergangsregierung unverantwortliches Vorgehen vorgeworfen hatte. Zudem nehmen die Spannungen zwischen Mali und den Truppen vor allem der früheren Kolonialmacht Frankreich, aber auch der anderen europäischen Nationen im Land zu. Die Übergangsregierung beschränkte mehr und mehr die Einsatzmöglichkeiten der internationalen Missionen: So kann die Bundeswehr ihre Aufklärungsdrohnen in der UN-Blauhelmmission MINUSMA nur nach Antrag 36 Stunden vor einem geplanten Start und der ausdrücklichen Genehmigung der malischen Behörden starten. Selbst Rettungsflüge müssen genehmigt werden.
Seit Wochen hatte sich Ton zwischen Mali und dem Westen anhaltend verschärft und zu einer politischen Frontstellung im Land geführt. Dabei spielt auch das russische Engagement in Mali eine Rolle – nach Darstellung des Westens mit russischen Söldnern, nach Darstellung der malischen Regierung mit regulären russischen Truppen, die aufgrund eines bilateralen Vertrages im Land seien.
Die deutsche Außenministerin betonte am (heutigen) Mittwoch in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht), dass der Einsatz in dem westafrikanischen Land kein Selbstzweck sei. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes will Staatsministerin Katja Keul noch in dieser Woche Gespräche mit der Regierung in Bamako führen.
Dazu die Aussagen von Christofer Burger, dem Sprecher des Auswärtigen Amtes, und Oberst Arne Collatz für das Verteidigungsministerium vor der Bundespressekonferenz in Berlin*:
FRAGE: Die jüngsten Entscheidungen der Militärjunta in Mali stellen den internationalen Militäreinsatz dort infrage. Trifft die Bundeswehr bereits Vorkehrungen für einen schnelleren und sicheren Abzug ihrer Truppe aus Mali, falls der Einsatz dort früher als erwartet beendet werden muss?
BURGER: Ich würde vielleicht anfangen und Sie auf eine Äußerung der Außenministerin von heute gegenüber einer großen deutschen Zeitung hinweisen. Da hat sie gesagt:
„Angesichts der jüngsten Schritte der malischen Regierung müssen wir uns ehrlich fragen, ob die Voraussetzungen für den Erfolg unseres gemeinsamen Engagements weiter gegeben sind. Unser Einsatz ist kein Selbstzweck.
Unser umfassendes partnerschaftliches Engagement mit Mali als Teil der internationalen Gemeinschaft ist von langfristigen Zielen geleitet: Sicherheit für die Menschen und Stabilität sowie Entwicklung für die Land. Diese kann es nur durch Reformen und die Rückkehr zu Demokratie geben, wie es das Land auch mit ECOWAS vereinbart hat.
Mit unseren internationalen Partnern und der Europäischen Union, insbesondere Frankreich, stehen wir in enger Abstimmung dazu, wie wir unser Engagement vor Ort weiter gestalten. Wir werden unsere Fragen in den nächsten Tagen auch hochrangig mit der malischen Regierung aufnehmen.“
Sie haben gesehen, dass wir uns zu den jüngsten Entwicklungen in Mali wie der ungerechtfertigten Ausweisung des französischen Botschafters bereits geäußert haben. Nach unserer Meinung geht Mali mit diesem Schritt in die falsche Richtung. Das haben wir gestern auch der malischen Botschafterin in Berlin mitgeteilt.
Wir rufen die malische Übergangsregierung auf, mehr auf Dialog insbesondere mit Frankreich zu setzen. In diesem Sinne befinden wir uns auch in enger Abstimmung innerhalb der Europäischen Union und beraten in diesem Kreis mit unseren Partnern über die nächsten Schritte. Ich kann Ihnen dazu für den Bereich des Auswärtigen Amtes mitteilen, dass die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Katja Keul morgen zu einer Reise nach Mali aufbrechen wird. Sie wird dort mit deutschen Soldatinnen und Soldaten, mit Vertreterinnen und Vertretern der Regierung von Mali und mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft zusammenkommen.
VORSITZENDE: Dann kann ich noch die Frage nachschieben, bis wann die Prüfung abgeschlossen sein soll.
BURGER: Ich habe Ihnen dazu gesagt, dass wir uns dazu in den nächsten Tagen hochrangig mit der malischen Regierung ins Benehmen setzen. Wie gesagt, Staatsministerin Keul reist dazu morgen nach Mali. Es gibt in den nächsten Tagen auch intensive Gespräche mit den Partnerinnen und Partnern in der Europäischen Union, und auch mit Frankreich gibt es bereits in den nächsten Tagen erste weitere Beratungen.
Sie wissen, dass natürlich der Deutsche Bundestag in letzter Instanz darüber zu entscheiden hat, wie es mit Einsätzen der Bundeswehr weitergeht. Das entsprechende Mandat läuft ja noch bis Mai. Deswegen werden wir dazu natürlich auch mit den Fraktionen des Deutschen Bundestages intensiv im Gespräch bleiben.
COLLATZ: Ich würde gerne ergänzen, dass das Lagebild und die Lagebewertung des Auswärtigen Amtes und des Verteidigungsministeriums identisch sind. Wir gehen da von denselben Faktoren und auch Bewertungen und Maßstäben aus.
Hinsichtlich unserer Einsätze würden wir uns Antwort freuen, wenn wir in Mali weiterhin unsere Ziele erreichen könnten, aber unter den gegenwärtigen Bedingungen wird es zunehmend schwierig. Wir haben zwar – darüber haben wir hier auch schon gesprochen – einige Erleichterungen seitens der malischen Regierung erlebt, insbesondere was Flugbewegungen angeht, aber insgesamt ist das in keinem befriedigenden Zustand, und unsere Ziele sind nur sehr begrenzt erreichbar. Wir begrüßen, dass die Vereinten Nationen sich hier für die Gesamtheit der Nationen, die sich für Mali einsetzen, darum bemühen, dass seitens der malischen Regierung bzw. Interimsregierung wieder der ursprünglichen Zustand herbeigeführt wird. Wenn das nicht gelingt, müssen wir natürlich neu bewerten. Bis dahin bleiben wir aber im Standby. Es gibt derzeit, um diese konkrete Frage dann auch zu beantworten, keine konkreten Abzugsplanungen.
FRAGE: Herr Collatz, das heißt also, eine Option wäre tatsächlich auch, den Einsatz noch vor dem Ablauf des Mandats im Mai zu beenden?
COLLATZ: Ich habe hier gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt immer auch betont, dass wir in Mali mit unseren Partnernationen unterwegs sind. Wir haben ein Mandat; wir sind dort nie alleine verantwortlich für das, was passiert, und müssen uns mit den Partnern abstimmen. Diese Abstimmung bestimmt das gesamte Geschehen zum einen ressortübergreifend und zum anderen international mit unseren Partnern.
BURGER: Das kann ich nur noch einmal nachdrücklich unterstreichen. Das entspricht ja auch dem, was die Außenministerin gesagt hat.
FRAGE: Herr Burger, können Sie die Rolle des Botschafters Pohl erläutern? Ist der noch im Land, wurde der noch nicht ausgewiesen, und wie arbeitet er aktuell?
Herr Collatz, weil Sie haben gesagt, Sie würden sich freuen, weiter unsere Ziele erreichen zu können: Welche Ziele haben Sie denn überhaupt schon erreicht?
BURGER: Wo genau Botschafter Pohl sich gerade aufhält, kann ich Ihnen nicht sagen; das habe ich nicht gecheckt, bevor ich in die Pressekonferenz gekommen bin. Von einer Ausweisung oder ähnlichen Schritten ist mir allerdings nichts bekannt.
Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich vielleicht auch noch einmal sagen: Wir sind ja in Mali seit vielen Jahren engagiert, und zwar nicht nur auf militärischer Ebene, sondern auch mit dem gesamten Instrumentarium der Entwicklungszusammenarbeit, der Stabilisierung und auch der humanitären Hilfe. Das ist, wie die Ministerin gesagt hat, kein Selbstzweck, sondern wir glauben, dass es dort wichtige Ziele gibt, an denen wir arbeiten, nämlich an konkreten Verbesserungen im Leben der Menschen und daran, für die Menschen, die dort von Terrorismus und marodierenden Banden bedroht sind, mehr Sicherheit zu schaffen. Das ist in Teilen des Landes in den vergangenen Jahren durchaus gelungen. Es ist auch durchaus gelungen, die Lebensqualität der Menschen im wirtschaftlichen Bereich in einigen Bereichen zu verbessern. Trotzdem stehen wir jetzt vor einer Situation, in der wir uns, wie die Ministerin gesagt hat, ehrlich fragen müssen, ob die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Engagement weiter gegeben sind und ob es weiterhin die Voraussetzungen dafür gibt, die Ziele, die wir uns gesetzt haben, dort mit unserem Engagement zu erfüllen.
COLLATZ: Das kann ich nur so aufnehmen. Herr Burger hat es gesagt: Das ist in Teilen in der Vergangenheit gelungen. Militärisch wurde ein Beitrag dazu geleistet, die Voraussetzungen für Stabilisierung zu schaffen, und das wird jeden Tag neu bewertet.
BURGER: Weil eine kluge Kollegin mir das zuruft, kann ich noch nachtragen, dass Botschafter Pohl sich in Mali aufhält.
Die Bundeswehr ist derzeit an der UN-Mission MINUSMA mit rund 1.170 und an der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali mit knapp 330 Soldatinnen und Soldaten beteiligt*. Die Mandate für beide deutschen Auslandseinsätze laufen im Mai aus. Die Aussage Baerbocks ist die derzeit hochrangigste Äußerung zur möglichen Nicht-Fortsetzung dieser Einsätze.
Nachtrag: Das Center for Strategic & International Studies, ein Think Tank in Washington, hat offene Quellen (OSINT) zur Präsenz der russischen Söldnerfirma Gruppe Wagner in Mali analysiert:
Tracking the Arrival of Russia’s Wagner Group in Mali
(*Zwei Hinweise: Gegenüber der ersten Fassung ist das Ende der Bundeswehr-Mandate für Mali – Ende Mai, nicht April – sowie die Zahl der derzeit eingesetzten deutschen Soldatinnen und Soldaten korrigiert. Die Aussagen Baerbocks sind nach den Angaben des Außenamtssprechers zitiert, nicht nach Angaben der Zeitung, und damit umfassender möglich.)
(Archivbild November 2021: CIMIC-Kräfte der Bundeswehr in der Nähe von Gao/Mali in der UN-Mission MINUSMA – Gerrit Hohmann/Bundeswehr)
Das wird interessant.
Eine Verlängerung beider Kontingent halte ich für unausweichlich.
Auf dem Zeitstrahl dürfte eine Beendigung für EUTM mit allen MzUm / Retrograde umsetzbar sein. Für MINUSMA sieht es da schon anders aus, alleine Materiel … dazu noch die aktuellen Verpflichtungen DEU gegenüber der UN.
Sollte es dazu kommen das Engagement in MLI zu beenden , so ist aus Deutscher Sicht eine Verlagerung in den Niger vorstellbar.
Einen HUB hat man bereits.
Auch hier wird es interessant wie man sich für die Zukunft im Sahel aufstellen wird.
@T.W. Wenn es zu einem Abzug der Deutschen Truppen aus Mali kommen sollte, was passiert dann mit dem MINUSMA Stützpunkt in Niamey (Niger). Es wurde ja allerhand in den Stützpunkt investiert. Eine neue Landebahn, Abstellfläche für Flugzeuge sowie Hallen für Wartung etc.
Ich gehe davon aus, das man sich in dieser Frage eng mit den Franzosen abstimmen wird. Wenn die ihre Soldaten abziehen, wird man mitgehen.
Und was Material und Infrastruktur angeht, man wird mitnehmen was geht, der Rest bleibt eben da.
@Belader
Zitat: „Es wurde ja allerhand in den Stützpunkt investiert. Eine neue Landebahn, Abstellfläche für Flugzeuge sowie Hallen für Wartung etc.“
Na und? In Termez hat die Bundesrepublik Deutschland auch viel investiert…das Steuergeld hat sich dann irgendwann in Luft aufgelöst!
Vielleicht kann mir mal jemand erklären, wie man die Bevölkerung vor Warlords und marodierenden Banden schützt, also die Sicherheit bieten will die der Staat nicht leisten kann, indem man in Feldlagern sitzt und bei Tage vorhersehbare Patrouillen durchführt. Solange auf staatlicher Ebene keine Polizei- und Sicherheitskräfte sowie das Vertrauen der Bevölkerung in eben jene aus eigener Kraft für Recht und Ordnung sorgen, ist dies ein Fass ohne Boden. Ziel kann nur sein, den Staatsapparat zur Erfüllung essentieller Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befähigen. Ist es wirklich das, was wir momentan dort unten tun? Oder verfolgen wir evtl. primär eigene, ressourcenbegründete Interessen?
Die Tage für das Mali Engagement der Bundeswehr sind gezählt. Da stimme ich Thomas Melber zu. Was die Frage von Belader nach den Immobilien anbetrifft, so schätze ich, dass erstmal die Streitkräfte von Mali die Stützpunkte übernehmen werden. Egal ob sie die dann nutzen oder nicht. Vielleicht vermieten sie die dann an die Russen oder sie lassen sie verfallen.
Ich habe nicht den Eindruck das die Junta irgendeinen Plan hat, wie es mit dem Land weitergehen soll. „An der Macht bleiben und Kasse machen“ allein ist jedenfalls kein Plan.