Merkposten: Mali schmeißt die Dänen raus (die Franzosen noch nicht) (Nachtrag)
Der Ton zwischen der Übergangsregierung in Mali und den internationalen Truppen, ohnehin in den vergangenen Tagen immer angespannter, ist nun noch ein bisschen schärfer geworden: Die Regierung in der Hauptstadt Bamako forderte Dänemark auf, seine Truppen aus der Spezialkräftemission Takuba im Land abzuziehen. Eine angebliche Mitteilung über einen Bruch der diplomatischen Beziehungen zu Frankreich erwies sich dagegen als Fälschung.
Die Mitteilung mit der Abzug der Dänen wurde am (heutigen) Montagabend über soziale Medien verbreitet; allerdings wurde sie nach Angaben von Journalisten in Bamako auch im Fernsehen verlesen und scheint damit glaubwürdig:
Kern der Aussage ist, dass Dänemark vor der Beteiligung an Takuba kein Abkommen über den Einsatz von Truppen abgeschlossen haben soll. Ein solches Abkommen, üblicherweise SOFA (Status of Forces Agreement) genannt, sei aber Voraussetzung für die Entsendung ausländischer Truppen nach Mali. Die Dänen müssten deshalb ihr Kontingent umgehend abziehen.
Ergänzung: Dänemark hatte sein Engagement zur Unterstützung der französischen Operation Barkhane bereits 2019 begonnen; seitdem schien das fehlende Abkommen bislang kein Problem zu sein. Allerdings hatte das skandinavische Land erst vergangene Woche gezielt mit Spezialkräften die Operation Takuba verstärkt.
An der von Frankreich initiierte Mission von Spezialkräften in Mali beteiligen sich mehrere europäische Länder (Deutschland unterstützt Takuba politisch, beteiligt sich aber nicht mit Soldaten). Frankreich erhofft sich von diesem Einsatz zur Terrorismusbekämpfung in Mali unter anderem, seine Operation Barkhane herunterfahren zu können.
Eine andere Mitteilung der malischen Regierung vom Montag erwies sich dagegen als Fälschung: Angeblich hatte Bamako erklärt, die Beziehungen zu Frankreich abzubrechen und auch gleich aus der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS auszusteigen. Diese Falschbehauptung wurde allerdings dann dementiert:
Auch wenn Deutschland an Takuba und ebenso auch an Barkhane nicht beteiligt ist: Die Verwerfungen zwischen der Übergangsregierung in Mali, die durch einen Putsch an die Macht gekommen ist, und allen westlichen Ländern betreffen auch das deutsche Engagement. Die Bundeswehr ist in dem westafrikanischen Land mit insgesamt rund 1.300 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, davon rund 300 in der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali und 1.000 in der UN-Blauhelmtruppe MINUSMA. In den vergangenen Tagen hatte die UN-Mission auf Geheiß der Regierung in Mali praktisch alle Flugbewegungen einstellen müssen – auch die der Bundeswehr-Aufklärungsdrohnen. Und einem A400M-Transporter der Luftwaffe, der Soldaten nach Niger bringen sollte, wurde der Überflug Malis verweigert.
Nachtrag 25. Januar: Die dänische Regierung zeigte sich über das Vorgehen Malis verwundert, wie Reuters berichtet:
Denmark said on Tuesday its troops deployed to Mali as part of a French-led counter-terrorism task force were there on the basis of a „clear invitation“, a day after Mali’s transitional government demanded their immediate withdrawal.
The Danish government has reacted with puzzlement at Sunday’s statement from Mali, which said it had not been consulted about Denmark’s military presence there and that the deployment failed to follow protocol.
Speaking in Brussels, Foreign Minister Jeppe Kofod said Danish troops were in Mali on the basis of a clear invitation, „just like the other parties in the operation.“
(Foto: Das erste Hissen der dänischen Flagge am 17. Januar 2022 im Camp Peppe in Ménaka/Mali – Dänisches Verteidigungsministerium)
Mali entwickelt sich immer mehr zum äußerst verlässlichen Partner der Staatengemeinschaft zur Wiederherstellung von Frieden und Stabilität als Voraussetzung für Prosperität.
Unverzügliche Evaluation des laufenden Einsatzes der Bundeswehr!!! Schonungslos. Ehrlich.
Vielleicht irritiert der Dannebrog auch etwas.
Sollte die Vorgehensweise Malis so einfach sein?
Erst schwächt man Minusma, indem man die Bewegungsfähigkeit und Aufklärung einschränkt (Flugverbot auch für Drohnen). Dann Takouba, indem aufgrund von Formalien einen europäischen Truppenstellerstaat rauswirft und so versucht, unliebsame Konkurrenz für die russischen Banden auszuschalten und einen keil in die europäischen EU-Truppensteller zu treiben. EUTM hat man ja schon als unwirksam diskreditiert.
EUTM und MINUSMA dürfen aber bleiben, denn die damit verbundenen Gelder nimmt man natürlich gerne.
In Burkina faso läuft es anscheinend gerade ähnlich. Der Präsident wird wegen Korruption durch das Militär weggeputscht, das natürlich (höhö) eine blütenreine Weste hat.
Spannendes Wettrennen: Rausschmiss durch den „Gastgeber“ oder „freiwilliger“ Abtritt, weil endlich eine ’smoking gun‘ in Sachen Wagner gefunden wird?
Wie war das nochmal mit einer Evaluierung aller Einsätze nach dem Afghanistan-Debakel? Wie sah die Prognose für Mali aus? Gurkt man noch beliebig weiter durch die Wüste, bevor äußere Zwänge Tatsachen schaffen?
Nun, die Situation in Burkina Faso ist eher der „Brandbeschleuniger“ in der regionalen Betrachtung des Sahel-Konflikts. Mali zieht halt grad (mit russischer Hilfe und chinesischer Duldung?) alle Register, um jedes Layer der CPCM (Crisis Prevention and Conflict Management, der vergessene Bruder von CIMIC – Civil-Military-Cooperation) abzutragen, welches auf regelbasierter multilateraler Ordnung basiert … *seufz*
G5 Sahel ist und bleibt ein Papiertiger und Algerien sowie Nigeria bleiben unadressiert, haben aber eigene regionalpolitische Interessen. Es wird halt spätestens nun unübersichtlicher mit den Akteuren und Interessen als in den anderen Konfliktregionen. Bin mal gespannt, was im BMVg und AA (sowie BMZ) dazu passiert, oder ob man grad „all eyes on the eastern Theatre“ richtet …
Letztlich ist die BW nur deshalb in Mali engagiert, weil Frankreich es so wollte. Da die BW kaum Einfluss auf das militärische Geschehen nehmen kann – und es auch noch nie in Mali konnte – wird es Zeit, Abschied zu nehmen. D wird nicht in Bamako oder Gao verteidigt, die Migrantenströme haben andere Routen. Die Soldateska in Bamako scheint nur am Cash der Europäer interessiert zu sein, dass eigene Militär ist nur auf dem Papier vorhanden und völlig desolat. Stammesfehden verschärfen das Ganze. Daher: Raus aus Mali. Sollen es die Russen richten, die Chinesen werden sich die Rohstoffe sichern, die Djihadisten kochen mit. Auch sollte jegliche Unterstützung des BMZ oder AA unterbleiben, das Geld könnte man gleic h in die Schweiz o.ä. transferieren.
Die aktuelle Beschleunigung lageverschärfender Ereignisse verweist aus meiner Sicht auf ein strategisch- operatives Dilemma militärischen Engagements des Westens:
– die Zeit von „StabilisierungsOp läuft ab. Hat nur auf dem Balkan einigermassen funktioniert, weil hier mit Dayton eine tragfähige politische Beschlusslage gefasst wurde, bevor „SFOR“‘ nachfolgte. Alle Beteiligten hatten also einem politischen Prozess zugestimmt, der dann mil. abgesichert wurde.
– In AFG ist dieses Prinzip nie verfolgt worden. Zuviele Spoiler, zuviel PAK, zuviel Naivität und sich selbstbelügende Schönwetterrhetorik.
– im Sahel haben wir es mit nationalem Militär zu tun, dass nicht nur im Ausland erzogen und geprägt wurde, sondern das sich derzeit emanzipiert.
– Emanzipierung von den besserwisserischen Mentoren, von unfähigen, tribal handelnden korrupten Scheindemokraten und
– Abwendung von halbherzigen, letztlich erfolglosen Bemühungen die nationale Integrität gg extremistischen und hochkriminellen Islamismus zu verteidigen.
Meuterei, Staatsstreich und Hinwendung zu einfacheren, robusten Verbündeten (Wagner und RUS) mögen uns undemokratisch, ja undankbar und letztlich falsch vorkommen, aber sie haben alle ihren Grund.
Die „low-cost“, unterschwelligen StabOp zeitigen keine Erfolge; sie perpetuieren die Gewalt und hemmen national eigenständige Politik (nicht notwendigerweise Entwicklung in Einzelaspekten) aus Sicht „der von uns ausgebildeten“ Putschisten.
Fragen wir uns also, was unser Beitrag zu dieser Entwicklung war, bevor in empörtes Wehklagen des zurückgewiesenen Liebhabers verfallen.
Es ist unsere phantasie- und risikoscheue Sichtweise und Politik, die nun erneut geschürte Erwartungen und Hoffnungen im Begriff ist aufzulösen.
@Helmut Schareck sagt: 25.01.2022 um 15:36 Uhr
„Da die BW kaum Einfluss auf das militärische Geschehen nehmen kann“
natürlich könnten wir das, wenn DEU sich halt auch mal mit Kampftruppe und ernsthaft beteiligen würde. Aber wer glaube mit dem DCOS Support (ich übertreibe jetzt mal) und dem Advisorteam Grundausbildung im Friedensbetrieb ausschließlich in gesicherten Liegenschaften (ich übertreibe nicht) Einfluss ausüben zu können, versteht nicht wie Entscheidungsfindung in Stäben und politischen Gremien läuft (und da ist es jetzt egal, ob das MINUSMA oder EUTM Mali ist).
„D wird nicht in Bamako oder Gao verteidigt, die Migrantenströme haben andere Routen.“
Darum geht es nicht. Migration entsteht durch eine destabilisierte Region und da hat MLI leider eine Schlüsselrolle (im Negativen).
„Die Soldateska in Bamako scheint nur am Cash der Europäer interessiert zu sein“
Das stimmt nicht mit meiner Wahrnehmung der Militärregierung überein. Ganz im Gegenteil. Im Gegensatz zur reichlich korrupten Vorgängerregierung ist man gerade nicht (ausschließlich) am Geld interessiert, sondern daran, dass der Terrorismus effektiver bekämpft wird.
Schade, dass in den ganzen News momentan untergeht, dass vor kurzem ein Franz. Kamerad bei einem Beschuss von Barkhane in Gao/Mali getötet worden ist. Laut franz. Berichten wurde das Camp der Operation Barkhane wohl mit 10 Mörsergranaten beschossen.
https://www.defense.gouv.fr/portail/actualites2/deces-du-brigadier-alexandre-martin-engage-dans-l-operation-barkhane
Interessant insoweit, dass ja auch deutsche Soldaten im Camp Castor in Gao/Mali nur ein paar hundert Meter davon entfernt sind…
Irgendwie lese ich dazu auch nichts ad-hoc in der deutschen Presse/Berichterstattung.
[Ich hatte das gesehen; aber in der Tat, in der Berichterstattung ist es untergegangen. T.W.]
@Koffer sagt: 25.01.2022 um 20:07 Uhr
„@Helmut Schareck sagt: 25.01.2022 um 15:36 Uhr
„Da die BW kaum Einfluss auf das militärische Geschehen nehmen kann“
natürlich könnten wir das, wenn DEU sich halt auch mal mit Kampftruppe und ernsthaft beteiligen würde“
Sie übersehen bei Ihrem ewigen Mantra der Kampftruppen (wofür eigentlich?), daß es da zwei zu beachtende Punkte gibt. Es gibt bei Minusma genug davon, zumeist von afrikanischen Teuppenstellern. Dir sind ganz froh, daß das technisch i Tenside „Zeugs“ von deren Truppenstellern kommt.
Zum anderen, das man solche Konflikte militärisch auf Dauer nicht lösen kann. Man kann nur für entsprechende sichere Verhältnisse für die anderen Player sorgen. Im Prinzip haben wir hier die selbe Situation wie in Afghanistan.
Das Verhalten der Putschisten-Regierung in Mali erscheint vielleicht irrational aber das wäre als Erklärung zu einfach. Ob diese Leute einen Plan verfolgen, der nur noch nicht offensichtlich ist, hängt davon ab, wie gut die Player zusammen arbeiten.
Es gibt ja genug Beispiele dafür, wie interne Machtkämpfe und Egotrips von Ministern und leitenden Beamten zwischen verschiedenen Ministerien zu einem nach aussen erratisch wirkenden Handeln führen können.
Ich denke, dass wir diese Putschistenregierung einfach zu wenig verstehen.
@ Wegespinne: stimmt.
Und einiges hat ist ja auch im Bereich der Hubschrauber eingeschlagen, die zu dieser Zeit zufällig nicht fliegen durften. Nebenbei, wie steht es diesbezüglich eigentlich mit Mantis?
@Pio-Fritz sagt: 25.01.2022 um 22:31 Uhr
„Sie übersehen bei Ihrem ewigen Mantra der Kampftruppen (wofür eigentlich?), daß es da zwei zu beachtende Punkte gibt. Es gibt bei Minusma genug davon, zumeist von afrikanischen Teuppenstellern. Dir sind ganz froh, daß das technisch i Tenside „Zeugs“ von deren Truppenstellern kommt.“
Ja, aber wer nur Technik stellt, bekommt nun einmal international keine Entscheiderdienstposten. Niemand negiert die entscheidende Bedeutung von Logistik und anderen Enablern, aber wer am Tisch der großen Sitzen will, der benötigt mehr als nur das.
Sie mögen das beklagen, aber so ist die Welt.
Zudem ist MINUSMA ja auch nur einer der drei militärischen Spieler vor Ort. Hier beteiligen wir uns „nur“ mit Technik, bei EUTM nur mit Ausbildern in gesicherten Liegenschaften und bei Barkhane/Takuba machen wir gar nicht mit.
Das ist der Grund, warum wir kaum gestaltenden Einfluss nehmen können.
@Holzi Mantis soll nicht ausgelöst haben.
Koffer sagt:
26.01.2022 um 11:57 Uhr
Das ist der Grund, warum wir kaum gestaltenden Einfluss nehmen können.
Hm, und an welchen gestalterischen Einfluß und auf welcher Ebene hatten sie gedacht?
@briscard sagt: 27.01.2022 um 15:59 Uhr
„Hm, und an welchen gestalterischen Einfluß und auf welcher Ebene hatten sie gedacht?“
Vielfältig. Wenn wir signifikant bei Barkhane und/oder Takuba dabei wären, und den FRA etwas geben würden, was sie von uns wollen, könnte man ein quid pro quo verlangen.
Wenn wir einen Sector bei MINUSMA übernehmen würden, hätten wir jemanden aufgebaut, der in zwei Jahren die Mission übernehmen könnte (und im VN System hat man da SEHR viel Spielraum).
Wenn wir bei EUTM auch bereit wären gesicherte Liegenschaften zu verlassen, dann würde uns die MLI Regierung endlich ernst nehmen.
etc. etc.