DroneWatch: SPD-Positionierung, Bundestagsdebatte – und: keine neue Heron 1 nach Afghanistan

Die Sozialdemokraten haben ihre neue Haltung verteidigt, einer Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr vorerst nicht zuzustimmen. Da die neuen geleasten Drohnen vom Typ Heron TP ohnehin erst ab 2022 in den Einsatz gehen sollten, bleibe noch Zeit für die Diskussion über diese Bewaffnung, sagte die neue verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Siemtje Möller, in einer Parlamentsdebatte. Unterdessen wurde bekannt, dass die Bundeswehr in Erwartung eines – unbewaffneten – Einsatzes der Heron TP Mitte 2021 auf den Ersatz einer abgestürzten Drohne in Afghanistan verzichtet.

Möller war zur neuen verteidigungspolitischen Sprecherin ihrer Fraktion gewählt worden, nachdem der Abgeordnete Fritz Felgentreu aus Protest gegen die Haltung der sozialdemokratischen Parlamentarier am vergangenen Dienstag dieses Amt niedergelegt hatte. Die Fraktion hatte, in Abkehr von der bislang signalisierten Haltung der SPD in der Regierungskoalition, die Zustimmung in der für diese Woche erwarteten Entscheidung über die Bewaffnung der Drohnen vorerst ausgesetzt.

Die Bundestagsdebatte am (heutigen) Donnerstag war nicht Teil der formal haushaltsrechtlichen Entscheidung über die Beschaffung der Waffen für die Heron TP – es ging um Anträge von Linken und Grünen, auf diese Waffen grundsätzlich zu verzichten. Die Abgeordneten von Union, SPD, FDP und AfD lehnten im Plenum gegen die Stimmen von Linken und Grünen den Antrag der Linken ab; der später vorgelegte Grünen-Antrag wurde an den Verteidigungsausschuss verwiesen.

In der Debatte wandte sich die SPD-Verteidigungsexpertin Möller gegen eine Überemotionalisierung der Diskussion. Sie selbst habe sich für die Beschaffung der Bewaffnung ausgesprochen, und darüber hinaus habe ihre Fraktion in den vergangenen Jahren die deutliche Steigerung des Verteidigungshaushalts mitgetragen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Dennoch sei die Entscheidung über die Drohnen-Bewaffnung nicht dringend erforderlich: Zum einen, weil der Einsatz ohnehin nicht vor 2022 vorgesehen wäre, vor allem aber, weil es außer diesem Waffensystem auch andere Möglichkeiten für den Schutz der Soldaten im Einsatz gebe. Manche dieser Systeme wie das Abwehrsystem Mantis beschaffe das Verteidigungsministerium trotz Aufforderung aus dem Parlament aber nicht – dieser Kritik müssen sie sich stellen.

In der SPD fehle darüber hinaus für viele die Grundlage für die Entscheidung über die Bewaffnung, sagte Möller. Erst in diesem Jahr habe das Ministerium die nötigen Informationen über Einsatzszenarien oder Entscheidungsprozesse vor dem Einsatz der Waffen vorgelegt – und in der Coronavirus-Pandemie habe die Möglichkeit gefehlt, darüber in den Wahlkreisen mit der Bevölkerung zu diskutieren.

Die neue Haltung der SPD mit der Begründung, es habe keine ausreichende Debatte gegeben, hatte der SPD-Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans vor gut einer Woche überraschend vorgebracht. Parallel war eine Vorlage für den Haushaltsausschuss, mit der die Mittel für die Bewaffnung freigegeben werden sollten, zwar vom Verteidigungsministerium am 10. November an das SPD-geführte Bundesfinanzministerium gegeben worden – aber vom Finanzministerium wurde sie bislang nicht an den Bundestag weitergeleitet.

(Eine Randbemerkung: der Linken-Abgeordnete Tobias Pflüger sagte in der Debatte, es habe in der öffentlichen Diskussion über die Bewaffnung von Drohnen das Gespräch mit wichtigen gesellschaftlichen Gruppen wie den Gewerkschaften gefehlt. Angesichts der für das Frühjahr 2021 anstehenden Debatte über die Finanzierung der Entwicklung einer multinationalen und auch bewaffnungstauglichen Eurodrohne wird dieser Ansatz interessant: Nach den Plänen von Airbus, federführendes Unternehmen bei diesem Projekt, sollen alle diese neuen Drohnen für europäische Streitkräfte in Deutschland gebaut werden, nämlich in Manching. Und da wird dann die IG Metall sicherlich dieses Angebot zur Debatte wahrnehmen.)

Nachtrag 20. Dezember: In einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur hat sich Außenminister Heiko Maas, SPD, prinzipiell für die Bewaffnung der Bundeswehr-Drohnen ausgesprochen:

„Wenn es Material gibt, das zum Schutz deutscher Soldaten und Soldatinnen im Ausland wirklich erforderlich ist, sollte man es den Soldaten auch zur Verfügung stellen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Gleichzeitig verteidigte der SPD-Politiker aber wie zuvor schon Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz die Entscheidung seiner Partei- und Fraktionsführung, die Debatte über das heikle Thema fortzuführen. „Wenn Teile des Parlaments der Auffassung sind, dass das noch nicht ausdiskutiert ist, dann akzeptiere ich das.“

Die Meldung hier.

Unterdessen ist klar, dass die Mitte November in Afghanistan abgestürzte Drohne des seit Jahren genutzten Typs Heron 1 nicht ersetzt werden soll. Zwar gebe es beim Hersteller in Israel eine Reservemaschine, die bei Bedarf innerhalb von 14 Tagen für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan oder Mali bereitstehe, erklärte das Verteidigungsministerium auf eine schriftliche Frage des FDP-Abgeordneten Marcus Faber. Die werde aber am Hindukusch nicht benötigt:

Der Einsatz von zurzeit nur 2 Luftfahrzeugen wird aus operationeller Sicht derzeit als ausreichend bewertet. Da das Deutsche [sic] Einsatzkontignent RS [Resolute Support] die Dauerpräsenz in Kunduz beendet hat, muss dieser Raum nicht mehr so ausgiebig wie bisher aufgeklärt werden. Die zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten im Einsatzland derzeit erforderliche Aufklärungsleistung kann somit mit den verbliebenen zwei RPA [Remotely Piloted Aircraft] und unter Nutzung anderer Aufklärungsmittel zurzeit gewährleistet werden.
Aufgrund laufender Redeployment-Eventualfallplanungen, unverändert beabsichtigter Ablösung durch das System German HERON TP (ab Mitte 2021) und zurzeit sichergestelltem operativem Bedarf wird deshalb derzeit von einer Kompensation des Luftfahrzeugs HERON 1 abgesehen.

In der Antwort auf Fabers Frage listete das Ministerium zudem eine Übersicht über die Flugstunden der Heron 1 in den Einsätzen in Afghanistan und Mali innerhalb des letzten Jahres auf:

November 2019: Afghanistan 437:45; Mali 298:25
Dezember 2019: Afghanistan 381:45; Mali 325:55
Januar 2020: Afghanistan 340:20; Mali 324:00
Februar 2020: Afghanistan 478:20; Mali 332:55
März 2020: Afghanistan 387:35; Mali 301:10
April 2020: Afghanistan 368:25; Mali 276:55
Mai 2020: Afghanistan 400:55; Mali 287:25
Juni 2020: Afghanistan 524:35; Mali 261:45
Juli 2020: Afghanistan 471:55; Mali 306:15
August 2020: Afghanistan 483:05; 347:20
September 2020: Afghanistan 491:05; Mali 312:25
Oktober 2020: Afghanistan 355:20; Mali 301:35

Gesamt November 2019 – Oktober 2020:
Afghanistan 5.121:05; Mali 3.676:05

(Archivbild: Heron TP auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) Berlin im April 2018)