SPD stellt (erneut) Entscheidung über Drohnen-Bewaffnung infrage

Wenige Tage vor einer geplanten möglichen Entscheidung über die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr rücken die Sozialdemokraten von einer Entscheidung wieder ab. Die Debatte über dieses Waffensystem sei noch nicht ausreichend geführt worden, sagte der SPD-Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans. Die Beschaffungsvorlage des Verteidigungsministeriums liegt seit November beim SPD-geführten Finanzministerium, eine Abstimmung im Haushaltsausschuss des Bundestages war für kommende Woche erwartet worden.

Borjans sagte der Süddeutschen Zeitung* , aus seiner Sicht müsse über das Thema weiter debattiert werden:

Zusammen mit großen Teilen der SPD-Mitgliedschaft und vielen anderen friedenspolitisch engagierten Gruppen in unserer Gesellschaft halte ich die bisherige Debatte über bewaffnete Bundeswehr-Drohnen nicht für ausreichend. (…) Die Grenze zwischen der Verteidigung von Leib und Leben unserer Soldaten und Töten per Joystick ist hauchdünn. Wer eine differenzierte Entscheidung will, muss Sicherheitsstreben und Ethik gleichermaßen ernst nehmen.

zitiert das Blatt am (heutigen) Dienstag den SPD-Politiker.

Die Koalition aus Union und SPD hatte sich darauf verständigt, vor der Entscheidung über die Beschaffung der Bewaffnung von unbemannten Flugzeugen der Bundeswehr eine ausführliche völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und ethische Debatte darüber zu führen. Formal hatte das der Haushaltsausschuss in einem Beschluss von 2018 festgelegt – eine Beschaffungsentscheidung setzt einen entsprechenden neuen Beschluss des Ausschusses voraus. Der war für den 16. Dezember erwartet worden.

Die Ausbildung deutscher Piloten und Payload-Operatoren an  geleasten Drohnen des Typs Heron TP in Israel läuft seit dem vergangenen Jahr, im kommenden Jahr sollen die Maschinen zunächst in Afghanistan eingesetzt werden – damit rückt auch die Frage näher, ob es Zustimmung zu der geplanten Bewaffnung dieser Systeme geben soll.

Die Diskussion darüber führen Politik und Zivilgesellschaft, Bundeswehr, Ministerium und Abgeordnete, Gegner und Befürworter seit Jahren. Schon der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatte 2013 die Militärbischöfe der beiden christlichen Kirchen und einen Wissenschaftler zur Debatte geladen. Ein Jahr später gab es eine öffentliche Anhörung dazu im Bundestag (das Wortlautprotokoll hier).

Danach hatten die Sozialdemokraten schon einmal eine geplante Beschaffung in vorletzter Minute gestoppt: Im Sommer 2017 lehnten sie die Vorlage für das Leasing der Drohnen selbst ab; das Thema wurde auf die Zeit nach der Bundestagswahl 2017 verschoben.

In diesem Jahr gab es dazu mehrere Debatten, Vorträge des Verteidigungsministeriums für Abgeordnete und eine öffentliche Anhörung im Verteidigungsausschuss. Danach hatte es aus der SPD Signale gegeben, der Entscheidung zuzustimmen.

Mit den Aussagen von Borjans ist wieder offen, wie es mit dem Thema weitergeht. Eine Entscheidung noch in diesem Jahr hatte aus Sicht mehrerer Politiker beider Koalitionsparteien das Ziel, den Streit aus dem Wahlkampf vor der Bundestagswahl 2021 herauszuhalten. Nach dem überraschenden Vorstoß des SPD-Co-Vorsitzenden scheint sich eine Verschiebung auf die Zeit nach der Wahl abzuzeichnen.

Nachtrag: Der SPD-Verteidigungspolitiker Fritz Felgentreu widersprach via Twitter Borjans‘ Aussagen – allerdings: der Berliner Bundestagsabgeordnete kandidiert im kommenden Jahr nicht wieder fürs Parlament:

(weiter ggf. nach Entwicklung)

*Links zu deutschen Verlagswebseiten gibt es hier in der Regel nicht; in diesem Fall scheint mir eine Ausnahme gerechtfertigt.

(Vorname des SPD-Co-Vorsitzenden korrigiert)

(Archivbild: Heron TP-Drohne bei der Ausbildung von Bundeswehr-Personal in Israel – Luftwaffe)