DroneWatch: Bundeswehr setzt auf Menschen statt Aufklärungsdrohnen (Zusammenfassung)

Knapp zehn Jahre nach der Ausmusterung des letzten Aufklärungsflugzeugs für die Erfassung elektronischer Signale setzt die Bundeswehr erneut auf bemannte Maschinen an Stelle von Drohnen. Das Verteidigungsministerium verzichtete auf einen zweiten Anlauf, die 2010 ausgemusterten Aufklärer des Typs Breguet Atlantic durch unbemannte Systeme zu ersetzen. Statt dessen sollen kleine Business-Jets vom Typ Global 6000 mit der Aufklärungstechnik ausgerüstet werden.

Auf Initiative der früheren Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Jahr 2014 sollten vier Triton-Drohnen des US-Herstellers Northrop Grumman beschafft werden, die mit Aufklärungselektronik das Herzstück des Signal Intelligence (SIGINT)-Systems PEGASUS (PErsistent German Airborne SUrveillance System – Dauerhaftes deutsches luftgestütztes Überwachungssystem) bilden sollten. Von diesem Plan nahm das Ministerium Abstand und machte das am (heutigen) Dienstag öffentlich:

Das Bundesministerium der Verteidigung beabsichtigt mit dem Projekt PEGASUS die Fähigkeitslücke „Signalerfassende Luftgestützte Weiträumige Überwachung und Aufklärung“ zu schließen. Das Projekt in seiner bisherigen Ausgestaltung in Form eines deutschen Missionssystems, welches auf der unbemannten, hochfliegenden Plattform TRITON der U.S. Navy integriert werden sollte, kann die der NATO zugesagte Forderung nach einer Anfangsbefähigung ab dem Jahr 2025 nicht erfüllen und würde zudem gegenüber den bisherigen Planungen deutlich teurer werden.
Nachdem das Bundesministerium der Verteidigung in den vergangenen Monaten verschiedene Optionen der Kostenreduzierung geprüft und eine Marktanalyse durchgeführt hat, wurde entschieden, PEGASUS auf Basis bemannter Geschäftsreiseflugzeuge zu realisieren.
Mit diesem Ansatz wird der Truppe die dringend benötigte Fähigkeit bis zum Jahr 2025, also zeitgerecht zur Erfüllung der NATO-Forderung, und für den Steuerzahler wirtschaftlich vertretbar zur Verfügung zu stellen. [sic]

Nach Angaben des Ministeriums ist die Nutzung des – deutschen – Aufklärungssystems, das in die Triton-Drohnen eingerüstet werden sollte, in Business-Jets vom Typ Global 6000 geplant. Die Luftwaffe verfügt bereits über drei dieser Maschinen, allerdings in der VIP-Version für Personentransporte der Flugbereitschaft.

In Schreiben an den Verteidigungs- und den Haushaltsausschuss des Bundestages erläuterte das Ministerium, die bisherige Planung mit den vier Drohnen sei angesichts geschätzter Kosten von 2,4 Milliarden Euro nicht finanzierbar. Die Global 6000 sei für diese Aufgabe besonders geeignet, weil es bei anderen Nationen bereits als Aufklärungsmaschine umgebaut worden sei. Nach derzeitigem Stand sollen drei dieser Flugzeuge neu gekauft und mit dem Aufklärungssystem ausgestattet werden. Durch die Nutzung der bereits für einen Drohnen-Einsatz vorgesehenen Technik werde das auch deutlich günstiger als bisher geplant.

Mit der Entscheidung des Ministeriums endet nun bereits zum zweiten Mal der Versuch, eine bemannte Aufklärungsmaschine durch ein unbemanntes System zu ersetzen. Bereits unter Verteidigungsminister Thomas de Maizière scheiterte im Jahr 2013 der Ansatz, die Drohne EuroHawk (ebenfalls von Northrop Grumman) als Flugzeug für die elektronische Aufklärung zu nutzen: Eine Zulassung der Maschine für den europäischen Luftraum war zu vertretbaren Kosten nicht zu erreichen.

Mit dem Millionen-Debakel EuroHawk befasste sich ein Untersuchungsausschuss des Bundestages, der Minister kam dadurch in eine politisch schwierige Situation. Dennoch unternahm de Maizières Nachfolgerin von der Leyen einen neuen Anlauf für ein solches Drohnensystem. Ein Grund dafür war die Überlegung, dass ein unbemanntes System deutlich länger in der Luft bleiben kann – die so genannte Stehzeit – als ein bemanntes Flugzeug.

Aus einer Erläuterung des Ministeriums aus dem Jahr 2017:

Das System zur signalerfassenden luftgestützten weiträumigen Überwachung und Aufklärung (SLWÜA) trägt mit seinen Fähigkeiten maßgeblich zu einem umfassenden Lagebild in einem bestimmten Gebiet bei. Dazu zählt zum Beispiel die Aufklärung gegnerischer Führungs-, Kommunikations-, Leit-, Lenk-, Ortungs- und Waffensysteme. Damit ist die Fähigkeit SLWÜA unverzichtbar für Krisenfrüherkennung und zum Schutz eigener Kräfte im Einsatz.

Warum wird ein Aufklärungssystem gebraucht?

Seit Außerdienststellung der Breguet Atlantic BR 1150 SIGINT („Signal Intelligence“ = signalerfassende Aufklärung) im Jahr 2010 besteht im Bereich SLWÜA eine Fähigkeitslücke für die Bundeswehr. Aus diesem Grund wurde das Projekt Eurohawk im Jahr 2007 beauftragt. Aufgrund einer Vielzahl von Gründen – unter anderem fehlender technischer Dokumentationen und weiterer technischer Voraussetzungen – war im Jahr 2013 absehbar, dass der Eurohawk keine Regelzulassung erhalten würde. Daher wurde das Projekt 2013 abgebrochen und der für den Testbetrieb genutzte Full Scale Demonstrator (FSD) Eurohawk in Manching vorerst eingelagert.

Welche Rolle spielte dabei TRITON/ISIS?

Wie der Name bereits zu erkennen gibt, kommen bei SLWÜA zwei wesentliche Komponenten zum Tragen: das signalerfassende Aufklärungssystem und eine geeignete, hochfliegende Trägerplattform. Nach dem Abbruch des Projekts Eurohawk wurden verschiedene Nachfolgeprojekte betrachtet. Eines war die Kombination des sich damals bereits bei der US Navy in der Entwicklung befindlichen UAS Triton als Trägerplattform mit dem bereits auf dem Eurohawk eingesetzten System ISIS.

Warum hatte sich das BMVg bereits 2014 für eine Priorisierung der Untersuchung TRITON/ISIS entschieden?

Um die Fähigkeitslücke nach Abbruch des Projekts Eurohawk zu schließen, gab es mehrere Lösungsvorschläge wie zum Beispiel der Betrieb von ISIS aus einem bemannten Flugzeug heraus. Ein weiterer Vorschlag bestand aus der nunmehr bestätigten Kombination UAS Triton mit dem System ISIS. Im Rahmen einer Gesamtabschätzung kam das BMVg damals zu dem Schluss, dass die Kombination Triton/ISIS das ausgewogenste Gesamtpaket darstellen würde.

Die 2014 getroffene Entscheidung zur Priorisierung von Triton/ISIS war keine Entscheidung zur Beschaffung, sondern zunächst lediglich zur Untersuchung dieser beiden Elemente hinsichtlich Nutzbarkeit und Zulassbarkeit. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen liegen nun vor und darauf basierend hat der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker, seine Auswahlentscheidung getroffen.

Das ausgewogenste Gesamtpaket scheint also nunmehr Geschichte – und interessant ist, dass das Verteidigungsministerium sowohl öffentlich als auch in Schreiben an die Abgeordneten lediglich darauf hinweist, dass mit den Drohnen nicht bis 2025 ein SIGINT-Aufklärungssystem für die Bundeswehr bereitgestellt werden könne.

Was da allerdings fehlt, ist die genauere Begründung. Und da kommt das grundsätzliche Problem des Betriebs von Drohnen im regulierten europäischen Luftraum ins Spiel. Schon die seit kurzem von der NATO in Betrieb genommenen Drohnen des Typs GlobalHawk, ein ähnliches Modell wie die Triton, bekamen nach Angaben des Fachportals Defense News für die Stationierung auf der Basis Sigonella auf Sizilien eine italienische Zulassung. Aber nur eine eingeschränkte militärische Freigabe und keineswegs die völlige Freiheit im Luftraum über Europa.

Und ähnliches hätte voraussichtlich auch Triton-Drohnen im Bundeswehr-Betrieb gedroht: Die Technologie, die sie für die Teilnahme am Luftverkehr genau so fit macht wie eine bemannte Maschine, haben auch die US-Systeme nicht. Ähnlich wie beim gescheiterten EuroHawk sind die unbemannten Flugzeuge zwar in weiten Teilen der USA außerhalb der Ballungsräume nutzbar, aber kaum über dem dichtbesiedelten Europa.

Es entbehrt damit nicht einer gewissen Ironie: Ein Jahrzehnt, nachdem ein bemanntes Flugzeug den Drohnen weichen sollte, kehren die Menschen an Bord zurück.