Was seeeehr lange währt: PEGASUS (Ex-Eurohawk, ex-Triton, ex-ISIS, ex-SLWÜA) fliegt doch!

Die Mitteilung des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) klingt doch halbwegs erfolgreich: Das zukünftige Überwachungs- und Aufklärungsflugzeug der Bundeswehr absolvierte heute erfolgreich seinen Erstflug, der den Beginn einer Reihe von Flugtests im Rahmen der zivilen luftfahrtrechtlichen Zulassung darstellt. Was vermutlich den meisten nicht bewusst ist: Den ersten Anlauf für dieses System gab es schon vor mehr als zehn Jahren – und der scheiterte krachend mit der EuroHawk-Drohne.

Für die Nachgeborenen der Reihe nach: Nachdem die Bundeswehr ihre schon etwas älteren Breguet Atlantic-Flugzeuge für die signalerfassende Aufklärung, Breguet 1150 M Atlantic, ausgemustert hatte, musste die Fähigkeitslücke geschlossen werden. Nach vier Jahrzehnten Einsatz ging die letzte Maschine 2010 aus der Nutzung.

An ihre Stelle sollte ein deutsches Aufklärungssystem an Bord einer modifizierten US-Drohne treten. Das Vorhaben mit dem schönen Bundeswehr-Akronym SLWÜA für Signalerfassende Luftgestützte Weitreichende Überwachung und Aufklärung (KORREKTUR, nicht signalverarbeitende) sollte mit dem EuroHawk, einer Variante des US-Systems Global Hawk, verwirklicht werden. Bereits 2013 waren für Deutschland die ersten Flüge mit dem Aufklärungssystem ISIS (Integrated Signal Intelligence System; den Namen würde man heute auch nicht mehr wählen) von damals EADS, heute Airbus, geplant.

Nun wurde die eine Drohne als Full Scale Demonstrator auch nach Deutschland überführt, die ersten Testflüge fanden statt – schon 2012, so stellte sich später heraus, zeichneten sich die Probleme ab: Den EuroHawk für einen Einsatz im deutschen und europäischen Luftraum fit zu machen, hätte weitere Unterlagen und Zertifizierungen erfordert. Und damit etliche hundert Millionen Euro zusätzlich gekostet. Der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière zog daraufhin die Notbremse.

Mit dem Vorgang beschäftigte sich ein Untersuchungsausschuss des Bundestages, und auch de Maizière musste sich vor dem Gremium rechtfertigen. Eigene Versäumnisse sah der CDU-Politiker damals nicht. Unterm Strich blieb vorerst das Ergebnis: Die Bundeswehr bekommt vorerst nicht das dringend benötigte luftgestützte Signalaufklärungssystem.

Die nächste Stufe leitete de Maizières Nachfolgerin Ursula von der Leyen ein. Sie blieb bei der Absicht, das Aufklärungssystem mit Drohnen zu verwirklichen. Diesmal nicht der EuroHawk, sondern die ebenfalls aus den USA stammende Triton-Drohne sollte nach ihren Vorstellungen Träger des ISIS-Systems werden. 2017 dann teilte der damalige Generalinspekteur Volker Wieker dem Bundestag mit, dass die Entscheidung für Triton gefallen sei.

Mit dieser Entscheidung wurde dem ganzen Projekt auch ein neuer Name verpasst: PEGASUS hieß es fortan, natürlich wiederum ein Akronym (oder wurde zumindest nachträglich als solches deklariert): PErsistent German Airborne SUrveillance System – Dauerhaftes deutsches luftgestütztes Überwachungssystem. Entscheidender sind aber andere Erkenntnisse, zu denen das Kommando Luftwaffe nach seinen Recherchen gelangte:

a. Die US Navy hat den Namen „TRITON“ bewusst als Ableitung aus der von ihr komplementär zur Seefernaufklärung genutzten „Boeing P-8 POSEIDON“ gewählt. Triton ist in der griechischen Mythologie der Sohn des Meeresgottes Poseidon und wird häufig als „Mensch-Fischwesen“ dargestellt.
b. Pegasus ist ebenfalls ein Sohn Poseidons, kann aber in seiner Darstellung als geflügeltes Pferd eher mit der Erbringungsdimension Luft assoziiert werden.
c. Der Name Pegasus ist historisch unbelastet.

Für das historisch unbelastete System wurde dann im Jahr darauf der Triton-Verkauf von den USA gebilligt: Für 2,5 Milliarden US-Dollar sollten vier der großen Drohnen, eine Bodenkontrollstation und Missionspakete gekauft werden können.

Und so schien alles auf gutem Wege, der Bundeswehr eine luftgestützte Signalaufklärung zu beschaffen… bis dann auffiel, dass auch die neu vorgesehenen Drohnen wie schon der EuroHawk Jahre zuvor ein großes Problem mitbrachten: die fehlende Zulassung des unbemannten Systems im europäischen Luftraum. Anfang 2020 wurde das Triton-Projekt gestoppt, an die Stelle der Drohnen sollten nun bemannte Maschinen vom Typ Bombardier Global 6000 treten.

Nun ist zwar, fast fünf Jahre später, mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine die Entwicklung der Drohnen-Technologie rasant fortgeschritten. Aber das PEGASUS-Projekt mit den bemannten Flugzeugen läuft halt, und so vermeldete das BAAINBw am (heutigen) Mittwoch:

Mit dem Projekt PEGASUS (Persistant German Airborne Surveillance System) wird die Bundeswehr nach mehrjähriger Fähigkeitslücke wieder über Möglichkeiten zur signalerfassenden, luftgestützten, weiträumigen Überwachung und Aufklärung verfügen. (…)
Nach Abschluss der Modifikationen in Wichita und der heute gestarteten Flugphase zur Erlangung der luftfahrtrechtlichen Zulassung sollen die Maschinen ab Mitte des nächsten Jahres jeweils nach Deutschland überführt werden. Dort sind im Anschluss die finalen Integrationen mit Sensoriken für die signalerfassende Aufklärung an den Luftfahrzeugen vorgesehen. (…)
Das Projekt sichert und fördert den Kompetenzerhalt für Nationale Schlüsseltechnologien entsprechend des Strategiepapiers der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.

Hat halt ne Weile gedauert. Beziehungsweise dauert noch, die finale Integration des Aufklärungssystems steht ja auch noch aus.

(Foto: Erstflug des PEGASUS-Systems an Bord einer Bombardier Global 6000, der Beginn einer Reihe von Flugtests im Rahmen der zivilen luftfahrtrechtlichen Zulassung darstellt. – Foto Bombardier via BAAINBw)