Neue Mali-Mandate: Deutsches militärisches Engagement im Sahel wird ausgeweitet

Das Engagement der Bundeswehr in Mali in der Sahel-Zone Westafrikas wird ausgeweitet. Das Bundeskabinett legte neue Mandate für die Missionen unter EU- und UN-Kommando vor, mit denen künftig bis zu 1.550 statt bislang 1.450 Soldaten eingesetzt werden können. Vor allem die EU-Ausbildungsmission wird erweitert; auch wenn Deutschland einen entsprechenden gemeinsamen EU-Beschluss mit Einschränkungen umsetzt. Der Bundestag muss den Mandaten noch zustimmen.

Während für die deutsche Beteiligung an der UN-Mission MINUSMA in Mali das bisherige Mandat praktisch unverändert bleibt und auch die Personalobergrenze von 1.100 Soldaten beibehalten wird, nahmen Verteidigungsministerium und Auswärtiges Amt am Mandat für die EU-Trainingsmission Mali (EUTM Mali) deutliche Veränderungen vor. Koalitionsinterne Meinungsverschiedenheiten über diese Frage hatten die Beschlussfassung im Kabinett um eine Woche verzögert; allerdings stehen Bundesregierung und Parlament unter Zeitdruck, weil das derzeitige Mandat Ende Mai ausläuft.

Bei EUTM Mali wird im neuen Mandat (Bundestagsdrucksache 19/19002) gegenüber dem bisherigen Mandat (Bundestagsdrucksache 19/8971) die Personalobergrenze von bislang bis zu 350 auf 450 Soldatinnen und Soldaten erhöht. In den vergangenen Monaten fiel zudem eine wesentliche Aufgabe der Bundeswehr in diesem Mandat weg, nämlich der Betrieb eines Feldlazaretts im Camp in Koulikoro, das künftig von einer zivilen Firma betrieben wird. Damit gibt es zusätzliche personelle Spielräume für die Mission.

Die werden zum Teil für die Ausbildungsmission Gazelle der Spezialkräfte in Niger genutzt, also nicht in Mali selbst. Bereits seit zwei Jahren bilden in Tahoua in Niger Kampfschwimmer der Bundeswehr nigrische Spezialkräfte aus. Diese Mission ist bislang nicht Teil der EU-Mission – soll es aber mit dem neuen Mandat langfristig werden und dafür um rund 100 Soldaten aufgestockt werden.

Die Grundlage dafür bietet ein Ratsbeschluss der EU vom März, mit dem nicht nur die Aufgaben von EUTM selbst ausgeweitet werden, sondern auch die Ausbildungsmöglichkeiten in den Nachbarländern Malis. Der Ratsbeschluss zum fünften Mandat von EUTM Mali ist auch die Grundlage, die bisher bilaterale Military Assistance (MA) Mission GAZELLE in Niger in die aktuelle Mandatierung mit einzubeziehen, heißt es im Mandatsentwurf des Kabinetts. Formal wird die Einbeziehung in EUTM allerdings erst noch angestrebt.

Die Gazelle-Mission soll zudem von der Ausbildung in Tahouba im Zentrum des Landes näher an die Grenze des Niger zu Mali verlegt werden, wo ein Schwerpunkt der Auseinandersetzung mit islamistischen Terroristen auf beiden Seiten der Grenze liegt. Der neue Stationierungsort Tillia liegt im Einsatzraum der Spezialkräfte, die von der Bundeswehr ausgebildet werden.

Damit rücken die Ausbilder näher an das tatsächliche Kampfgeschehen heran – zusammen mit der angestrebten Integration von Gazelle in EUTM Mali aus Sicht der Bundesregierung ein starkes politisches Signal. Zugleich auch das Signal an den Verbündeten Frankreich, dass Deutschland zu mehr militärischem Engagement bereit ist – bedeutsam gerade deshalb, weil die Bundesregierung die von Frankreich initiierte Spezialkräfte-Mission Takuba im Sahel zwar politisch, nicht aber militärisch unterstützt.

Auch für die Ausbilder bei EUTM Mali sollen sich die Aufgaben ändern und näher an die Kampfeinsätze ihrer malischen Auszubildenden heranrücken. Dazu wird sich die Bundesrepublik unter anderem am Aufbau eines neuen Ausbildungszentrums beteiligen, dass im Unterschied zum derzeitigen Camp Koulikoro in Zentralmali näher an den Kampfgebieten im Norden Malis liegt.

Und: Der EU-Ratsbeschluss sieht neben der Ausweitung auf die Nachbarländer auch eine stärkere Begleitung durch die Ausbilder vor, die Begleitung bis zur taktischen Ebene. Das findet sich auch im neuen deutschen Mandat wieder, allerdings mit Vorgaben:

Schwerpunkt im neuen Mandat ist die einsatznähere militärische Beratung und Ausbildung der malischen Soldatinnen und Soldaten sowie – nach Schaffung der Voraussetzungen seitens der Europäischen Union (EU) – die Ausweitung des Missionsgebietes auf alle G5-Sahel- Staaten. Das EU-Mandat verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff „Mentoring“, welcher im EU-Ratsbeschluss (2020/434/GASP) die Begleitung ohne exekutive Befugnisse der malischen Soldatinnen und Soldaten, der Gemeinsamen Einsatztruppe der G5-Sahel- Staaten sowie der nationalen Streitkräfte der G5-Sahel-Staaten bezeichnet. Für die im Rahmen von EUTM Mali eingesetzten deutschen Soldaten heißt dies konkret, dass durch Ausbildung, Beratung und Evaluierung an gesicherten Orten wie Kasernen, Übungsräumen, Einsatzstützpunkten und Führungseinrichtungen gezielt einsatzrelevantes Wissen an die Streitkräfte vermittelt werden soll. Die Beratung bis zur taktischen Ebene ist eingeschlossen. Zudem sollen die Tätigkeiten der Soldatinnen und Soldaten beobachtet, ihre Leistungen und ihr Verhalten – auch im Hinblick auf die Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts – evaluiert und die Ausbildungsinhalte entsprechend angepasst werden.

Die EU-Beschlussformulierung Begleitung ohne Exekutivbefugnisse bis zur taktischen Ebene heißt somit auf Deutsch Ausbildung, Beratung und Evaluierung an gesicherten Orten wie Kasernen, Übungsräumen, Einsatzstützpunkten und Führungseinrichtungen. Der Streit darüber, wie nahe der deutsche Soldat an das Kampfgeschehen malischer Soldaten herangehen darf, war einer der Konfliktpunkte bei der Beratung des Mandats im Vorfeld gewesen.

Im neuen Mandat für den UN-Einsatz (Bundestagsdrucksache 19/19004), für den deutsche Soldaten in Gao im Norden Malis stationiert sind, wird sich dagegen im Mandat im Vergleich zur derzeitigen Grundlage für die Beteiligung an MINUSMA (Bundestagsdrucksache 19/8972) formal kaum etwas ändern. In der praktischen Arbeit allerdings schon etwas. So sollen mehr Flugstunden der Heron-Drohnen bereitgestellt werden als bisher: Mit einer erhöhten Bereitstellung der bereits vorhandenen Befähigung zur unbemannten luftgestützten Aufklärung hat Deutschland angeboten, die VN-Anstrengungen zur Effektivitätssteigerung wirkungsvoll zu unterstützen, heißt es in der Mandatsbegründung.

Im deutsch geführten Camp Castor in Gao sind zudem bereits seit April 180 schwedische Soldaten einer Light Infantry Patrol Task Group stationiert; zum Jahresende wird dort eine britische Long Range Recce Patrol Task Group mit rund 280 Soldaten erwartet.

Zusätzlich stelle sich Deutschland darauf ein, französische Flugzeuge zur Unterstützung von MINUSMA mit einem Tankflugzeug in der Luft zu betanken. Diese angebotene Fähigkeit zieht sich seit 2013 mehr oder weniger unverändert durch alle Mandate – wobei aus deutscher Sicht immer im Mittelpunkt steht, dass die zu betankenden Jets nicht etwa für die französische Anti-Terror-Mission Barkhane, sondern immer für die Vereinten Nationen im Einsatz sind.

(Foto: Training von Spezialkräften mit dem leichten Hubschrauber der Spezialkräfte H145M in Niger im März – Bundeswehr)