Bundeswehr im Sahel: Wahrscheinlich länger, vielleicht auch anders?
Ein bisschen überraschend bat der Korvettenkapitän der Kampfschwimmer die Ministerin nach vorne. Mitten in seinem Lagevortrag auf der Base Aerienne 101, dem Fliegerhorst am Rande von Nigers Hauptstadt Niamey, band er Annegret Kramp-Karrenbauer ein Tourniquet um den Oberarm. Die Aderpresse, erläuterte er nicht ohne Stolz, stamme aus nigrischer Eigenproduktion: Ein Nebenprodukt der Bundeswehr-Bemühungen, dem bitterarmen Sahel-Staat beim Aufbau eigener Spezialkräfte für seine Armee zu helfen.
In der Region Tahoua im Niger, rund 200 Kilometer von Niamey entfernt, bilden Spezialkräfte der Bundeswehr die künftigen Spezialkräfte des Landes aus. Für die Operation Gazelle, so erfuhr Kramp-Karrenbauer bei ihrem Besuch Anfang Oktober, bringen die Deutschen allerdings nicht nur die Ausbilder mit: Aus der so genannten Ertüchtigungsinitiative, einem Haushalt von Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium in Berlin, finanzieren sie auch die Ausstattung der Nigrer, vom Toyota-Geländewagen über die nagelneue Kalaschnikow bis hin eben zum Tourniquet – das dann künftig im Land selbst hergestellt werden soll.
Es ist nicht die einzige Ausbildungsmission dieser Art. In Tunesien (Fennek) und Jordanien (Arabian Leopard) sind ebenfalls deutsche Soldaten des Kommandos Spezialkräfte des Heeres oder der Kampfschwimmer der Marine in Military Assistance-Missionen unterwegs. Immer unterhalb der Einsatzschwelle, betont das Verteidigungsministerium, das deshalb – im Unterschied zur Opposition – auch nicht die Notwendigkeit sieht, dafür ein Bundestagsmandat zu beantragen.
Schon bei ihrem Besuch in Niger und Mali im Oktober sinnierte die deutsche Verteidigungsministerin, ob solche Missionen nicht auch anders angelegt werden müssten. In ihren öffentlichen Hinweisen in Niamey, in Koulikoro und in Gao in Mali blieb sie dabei allerdings vage – und deutete nur an, dass möglicherweise ein anders Vorgehen nötig sei, um das von Dschihadisten zunehmend unter Druck gesetzte Mali zu stabilisieren. Der konkreten Frage, ob das auch einen Kampfauftrag für deutsche Soldaten bedeuten könnte, wich sie allerdings aus.
Bisher jedenfalls. In einem ausführlichen Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Ausgabe vom 7. November; Wortlaut hinter Paywall) forderte Kramp-Karrenbauer jedoch nicht nur, dass Deutschland – wie auch von anderen Politikern ihrer Partei angemahnt – mehr Verantwortung übernehmen und auch bereit sein müsse, die damit verbundenen Kosten zu tragen. Sie kam dabei auch, ohne dass die Interviewer konkret danach gefragt hätten, sehr schnell auf Mali und die umgebenden Länder zu sprechen:
Führen wir uns die Situation in der Sahelzone vor Augen. Da finden wir im Moment eine der größten Drehscheiben für islamistischen Terrorismus vor. … Die Sicherheit in der Sahelzone ist Teil unserer eigenen Sicherheit.
In diesem Kampf gegen den Terrorismus in der Region, warnte Kramp-Karrenbauer, tragen im Moment die Freunde aus Frankreich die Hauptlast. Die Bundeswehr sei zwar bereits durch ihre laufenden Auslandseinsätze sehr belastet, aber wir könnten für zusätzliche Einsätze die entsprechenden Fähigkeiten, das Material und das Personal zur Verfügung stellen, ohne einen anderen Einsatz abbrechen zu müssen.
Da hätten die Franzosen, die ja die Hauptlast tragen, was in der Planung. Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly erörtert derzeit mit der malischen Regierung, aber auch europäischen Partnern das Konzept für die Operation Tacouba, wie die regionale Nachrichtenwebseite Maliweb am (heutigen) Mittwoch berichtete:
Die französische Verteidigungsministerin diskutierte mit dem malischen Präsidenten einen weiteren Zukunftsplan für die Sicherheit der Sahelzone. Auf Initiative von Paris werden im nächsten Jahr europäische Spezialeinheiten nach Mali kommen, um die nationale Armee bei der Terrorismusbekämpfung zu unterstützen. Die erwartete Einheit wird „Tacouba“ oder „Säbel“ in [der Touareg-Sprache] Tamasheq heißen.
(Übersetzung mithilfe von deepl.com)
Die Details sind noch vage, auch der französische Sender RFI hat nicht allzuviel mehr dazu. Allerdings, so ist zu hören, solle Tacouba kein weiterer Kampfeinsatz werden wie die schon in der Region laufende franzöische Antiterroroperation Barkhane. Sondern das, was im militärischen Sprachgebrauch Mentoring heißt – Ausbildung, aber auch Begleitung der Ausgebildeten in ihre Kampfeinsätze.
So was ähnliches hat die Bundeswehr schon mal gemacht. In Afghanistan, und es hieß dort Operational Mentoring and Liaison Teams (OMLT). So was würde alle Punkte erfüllen, die Kramp-Karrenbauer in ihrem Interview (und zuvor auch bei der Reise in die Region) ansprach: Mehr deutsche Verantwortung, Beitrag zur Sicherheit in der Sahelzone und, je nach Umfang, ein zusätzlich leistbarer Einsatz.
Allerdings nur, wenn der Bundestag zustimmen sollte. Denn das wäre definitiv nicht mehr unterhalb der Einsatzschwelle.
Nachtrag, damit es nicht untergeht: In den Kommentaren (vielen Dank!) ein Hinweis auf ein Schreiben von niederländischem Außen- und Verteidigungsministerium ans Parlament, in dem es um den französischen Vorschlag für eine solche Mission in Mali geht:
Am 26. Juli letzten Jahres erhielt das Verteidigungsministerium einen schriftlichen Antrag der französischen Verteidigungsministerin Parly, eine mögliche Beteiligung der Niederlande an einer multinationalen Combined Joint Special Operations Task Force (CJSOTF) zu prüfen. Diese Task Force wird die malischen Streitkräfte durch Ausbildung, Beratung und Anleitung unterstützen. Neben den Niederlanden wurden auch andere europäische Länder angesprochen.
Wir möchten Sie darüber informieren, dass das Kabinett im Hinblick auf diesen Antrag und in Übereinstimmung mit dem Bewertungsrahmen 2014 prüft, ob es wünschenswert und möglich ist, diesem Antrag nachzukommen. Wir werden Sie informieren, sobald die Untersuchung Anlass dazu gibt.
(Übersetzt mit DeepL.com)
(Foto Oktober 2019: Ein Korvettenkapitän der Kampfschwimmer der Deutschen Marine legt der Verteidigungsministerin zurn Demonstration ein Tourniquet an – Base Aerienne 101, Niamey, Niger)
Letzte Woche wurde uns noch ans Herz gelegt, keine CAT von „Amazon“ zu kaufen … Ein Mandat des BT für diese Ausbildungsmission gibt es ja nicht, was aus meiner Sicht nicht mit der Fürsorgepflicht des Dienstherren vereinbar ist (AVZ, Einsatzbeschädigung, u.a.). Außer man hat Alternativen auf dem kleinen Dienstweg- tbc.
[Vielleicht doch trotz aller professionell klingenden Abkürzungen auch mal erwähnen, dass mit CAT ein „Combat Application Tourniquet“ gemeint ist… T.W.]
Letztlich bedeutet jeder Einsatz außerhalb der Staatsgrenzen irgendwie immer auch Außenpolitik. Ist das AA bei diesem neuen operativen Ansatz mit doch wohl multinationalen SOF beteiligt?
Da FRA dazu – Operation Tacouba – initiativ wurde, dürfte die Operationsführung zum Einsatz von SOF auch in Paris liegen, was sogar zwangsläufig Sinn ergibt. Nur Frankreich besitzt die wünschenswerte Raumkenntnis und erfahrene Truppe. Diese Kräfte können durchaus auch Legionäre darstellen, was bei Einigen im politischen Bereich Stirnrunzeln erzeugen wird.
Entscheidend werden die ROE sein. Aber, gebremster Einsatz ist kein Einsatz. Und, wenn die Sicherheit der Sahelzone insgesamt im Visier liegt: anspruchsvoll hinsichtlich der Größe des Operationsgebietes.
Und noch ne Frage. Wo kommen denn die nakelneuen Kalaschnikows her? Wer fertigt sowas auf dem afrikanischen Kontinent neu ohne im Verdacht zu stehen auch noch dunkle Geschäfte danit zu machen. Stichwort Rüstungsindustrie in Afrika.
Ich finde die Einführung sehr bemerkenswert. Hier wird ein Aspekt der Sicherheitspolitik erwähnt, der immer, nach meiner Auffassung, zu kurz kommt: Wirtschaftspolitik.
Es sollte hier noch enger mit dem Wirtschaftsministerium zusammengearbeitet werden und Roadmaps über weit mehr als 10 Jahre erarbeitet werden.
Meiner Meinung sollte hier Produkte, die die deutschen Unternehmen im Ausland produzieren umgelenkt werden, um langfristig in diesen Ländern produziert zu werden.
Meines Erachtens würde dieses zur deutlich Stabilisierung der Region führen. Und uneigennützig wäre dieses langfristig auch nicht, denn es entstehen hierdurch neue Märkte, die wir wieder bedienen könnten.
P.S.:
Ist der FgtKpt bereits mit dem neuen „Multitarndruck“ ausgerüstet?
Da Russland den Syrien-Konflikt jetzt dominiert und diese Region damit etwas stabilisiert (was in einer Nebenfolge auch Vorteile für die EU hat), ergibt es m.M.n. Sinn, die Bemühungen Frankreichs und der UN in der Sahelzone zu unterstützen.
Zunächst natürlich bzgl. ganz konkreter Sicherheitsfragen in der Region, aber auch hinsichtlich einer Stärkung der deutsch-französischen Zusammenarbeit als Motor einer europäischen GSVP sowie hinsichtlich einer Stärkung der deutschen Rolle in den UN (Stichwort: Multilateralismus und so).
Aus meiner Froschperspektive heraus bezweifle ich, dass die Bundeswehr sich in Syrien und im Sahel gleichzeitig auswirken kann. Wenn man sich also entscheiden müsste, hielte ich mehr Engagement in der Sahelzone für sinnvoller als ein Syrien-Einsatz.
Mir ist wirklich nicht klar, ob AKK weiß, was sie tut. Ob sie weiß, wie es um die Streitkräfte steht? Wieviele Spezialisten schon heute über sechs Monate pro Jahr im Einsatz sind? Wieviele ihr Material, ihre Ausrüstung erstmals im Einsatzland in die Hand bekommen und niemals vorher nach dem Grundsatz „übe wie du kämpfst“ ausbilden konnten?! Nun gut, für die sicherheitspolitische Debatte wird es gut sein. Alles weitere muss man abwarten.
@ T.W.: Danke für den Input hier.
Ich frage mich, wie solche Missionen ohne eigene Helikopter anders angelegt werden sollen?
Geschichtlich und aus eigener Erfahrung:
In Afrika braucht man Hubschrauber!
P.S.
Schicken Fummel hat der Korvettenkapitän an! Was ist denn das wohl?
„Die Sicherheit in der Sahelzone ist Teil unserer eigenen Sicherheit“ !
Ersetze „Sahelzone“ durch „Hindukusch“ und die Behauptung wird nicht richtiger.
Mit solch beliebigen Schlagworten kann man wunderbar den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in der ganzen Welt begründen.
Krisen auf fast allen Kontinenten, die mittelbar immer auch unsere Sicherheit beeinträchtigen gibt’s zuhauf.
Die Väter unseres GG haben genau diesen Einsatz von Streitkräften nicht gemeint, als sie den Begriff „Verteidigung“ zur Rechtfertigung für die Wiederbewaffnung Deutschlands gewählt haben.
Was man sich mit Wehrpflichtigen nie getraut hätte, kann man mit Freiwilligen locker rechtfertigen, auch am Parlament vorbei.
„They do what they are paid for“!
Da die Frage aufkam (und ehe so was, ich kenne das ja, das bestimmende Thema wird): Ja, der Korvettenkapitän trägt Multitarn.
Der insbesondere durch Frankreich forcierte Sturz Gaddafis trug zur Destabilisierung des gesamten Sahels erheblich bei (,so P. Scholl-Latour 2013). Auch hier sollten daher diejenigen, die meinten, zündeln zu müssen, selbst das Aufräumen oder zumindest die Schadensbegrenzung übernehmen – und nicht der Michel.
Offenbar war der Auslöser der Debatte erneut eine Anfrage der Franzosen, die weiterhin Entlastung für Barkhane suchen.
Die neue Operation soll wohl transnational ausgelegt werden und durch eine CJSOTF geführt werden. Diese wiederum muss aber eng mit Barkhane koordiniert werden:
https://thedefensepost.com/2019/10/03/france-international-coalition-sahel-special-operations/
Niederlande, Skandinavien und Tschechien haben wohl eine Bereitschaft zur Teilnahme signalisiert. Man geht von nationalen Caveats aus.
Bereits Anfang September (!) informierte die niederländische Regierung das Parlament über die Pläne:
https://www.rijksoverheid.nl/documenten/kamerstukken/2019/09/05/kamerbrief-over-het-verzoek-voor-bijdrage-aan-een-combined-joint-special-operations-task-force-cjsotf-in-de-sahel
Warum wir erneut spät aufspringen ist interessant und dabei auch noch versuchen es als proaktive Idee darzustellen.
Vor einigen Monaten waren wir nichtmal Teil der möglichen Teilnehmer (vorherige informelle Absage?).
Frankreich hat dieses Thema (Mentoring) ja seit Jahren im Rahmen von EUTM befördert und wurde insbesondere von Deutschland blockiert.
Nun sucht man andere Wege und wohl auch erstmal ohne uns.
Bin gespannt, ob es wieder zur Diskussion Ausbildungseinsatz vs. Kampfeinsatz kommt.
Man stolpert also erneut los – der Optimismus der Einsatz sei leicht zu stellen, wird bei genauerem hinsehen auch noch Veränderungen erfahren.
Die Ministerin ist mutig. Hoffentlich folgen dem Taten. Ich wünsche der Ministerin Erfolg. Unsere Gesellschaft muss sich dann an das gewöhnen, was in anderen Nationen anerkannt wird. Nämlich Opfer zu bringen. Krieg mit seinen tödlichen Konsequenzen zu akzeptieren.
– Der Begriff „größere Verantwortung“ wird in der deutschen Außenpolitik zunehmend gleichgesetzt mit “ Intensivierung von Militäeinsatz“. Immer dann wenn dieser Begriff fällt wissen wir, dass der/die jeweilige PolitikerIn die Bevölkerung auf einen neuen oder intesiveren Militäreisatz vorbereiten möchte.
– Man gewinnt den Eindruck, dass insbesondere diejenigen Politiker, die wenig oder keine praktischen Erfahrungen mit Militär haben, ganz besonders begeistert sind von Menschen in Uniform und mit Waffen und diese als ein „Allzweckmittel“ zur Lösung weltweiter Probleme aller Art ansehen.
– Bleiben wir bei Maili. Was sind denn die wirklichen strategischen Herausforderungen dieses Landes und inwieweit kann die Bundeswehr einen Beitrag zur Lösung der selben leisten? Hierzu nur ein paar Zahlen aus Wikipedia. Manchmal helfen ja auch Fakten:
+ Die Bevölkerung Malis setzt sich aus rund 30 verschiedenen Ethnien zusammen. Sie haben verschiedene Sprachen und Kulturen.
+ Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben unterhalb der nationalen Armutsgrenze.
+ Die Bevölkerung Malis gehört zu den am schnellsten wachsenden der Welt. Anders als in den meisten Ländern der Welt verharrt die Fertilität bis heute auf dem sehr hohen Niveau von über sechs Kindern pro Frau. Gleichzeitig ist die Lebenserwartung bei Geburt von 29,7 Jahren (1950) auf 56,2 Jahre (2015) gestiegen. Diese beiden Faktoren zusammengenommen bescheren dem Land ein Bevölkerungswachstum das in seiner Höhe nicht mehr lange aufrechterhalten werden kann. Rein rechnerisch hätte Mali bei konstant bleibendem Wachstum im Jahre 2050 61,3 Millionen Einwohner, was angesichts der ökologischen Voraussetzungen undenkbar ist. Somit befindet sich das Land auf dem Weg „in ein Desaster“ von größeren sozialen, demographischen und ökologischen Krisen.
Noch ein interessanter Aspekt, auch aus Wikipedia:
– Mali hat keine eigene Währung, sondern ist seit 1984 Mitglied der CFA-Franc-Zone; der davor 1962 eingeführte Mali-Franc wurde abgeschafft. Somit hat die Regierung keine Hoheit über Währungs-, Zins- und Wechselkurspolitik.
– Der CFA-Franc ist mit einem festen Wechselkurs an den Euro gebunden.
– Die Vorteile eines effizienteren Handels mit den EU-Staaten werden durch allerlei Handelshemmnisse auf beiden Seiten zunichtegemacht.
https://de.wikipedia.org/wiki/Mali
Was helfen angesichts dieser Dimension der Probleme „…Toyota-Geländewagen …nagelneue Kalaschnikow bis hin eben zum Tourniquet – das dann künftig im Land selbst hergestellt werden soll…“? Wären nicht eine deutliche Steigerung der Entwicklungshilfe und Investitionen in die zivile Infrastruktur des Landes eher geboten?
Ich will die Arbeit der Soldaten vor Ort keineswegs abwerten, aber Poltik muss eben den großen Überblick über die strategische Herausforderung im Auge behalten und darf sich nicht durch kleine taktische „Nettigkeiten“ beeindrucken lassen.
In einer Veröffentlichung der Konrad Adenauerstiftung („Ein afrikanisches Afghanistan?“) wird zum Einsatz der Bundeswehr in Mali nüchtern – und in meinen Augen korrekt- festgestellt:
„…Die Ursachen der Dauerkrise in Mali liegen nicht primär im Sicherheitssektor, sondern vielmehr im Fehlen rechtsstaatlicher Strukturen, in mangelhafter Infrastruktur und hoher Arbeitslosigkeit. An diesen weiterhin bestehenden Problemen wird auch eine noch so ambitionierte militärische Unterstützungsmission auf Dauer wenig ändern können – eine Lehre, die spätestens nach den enttäuschenden Ergebnissen des Afghanistan-Einsatzes klar sein sollte…“
https://www.kas.de/web/auslandsinformationen/artikel/detail/-/content/ein-afrikanisches-afghanistan-
@Pirat 77: Wäre der H 145 M, der für das KSK angeschafft wurde, eine Option, oder bräuchte man den Eurocopter Tiger?
Eine Beschränkung nur auf Mali halte ich nicht für zielführend, das Gebiet der G5 Sahel müßte abgedeckt werden. Allerdings gäbe dies dann ein „Mammut-Mandat“ des Inhalts „Schlagt sie wo Ihr sie trefft“.
Nun hat die Ministerin durch die Rede wieder (kurze?) mediale Aufmerksamkeit.
Aber was nun?
Nationaler Sicherheitsrat, Vorratsbeschlüsse und stärkere Europäisierung werden seit mehr als 10 Jahren diskutiert. Bei der aktuellen Lage der Koalition erscheint ein Durchbruch sehr unwahrscheinlich.
Dann bleibt noch der verstärkte Beitrag bei der Terrorbekämpfung in der Sahelzone.
Da sollte man vielleicht zunächst eine Meinungsfindung innerhalb der Regierung herbeiführen.
Im Bereich des Haushaltes tritt man ebenfalls – auch nach dem gestrigen „Auftritt“ der Ministerin im Haushaltsauschusses auf der Stelle: https://www.bundestag.de/presse/hib/666912-666912
@all
Bitte jetzt hier nicht die Debatte zur Rede der Ministerin an der Bw-Uni führen – dazu mache ich gleich einen neuen Thread auf.
@Bühring
Ich stimme Ihnen zu, daß zum Führen eines Krieges auch „tödliche Konsequenzen“ gehören und daß sich eine Gesellschaft um diese bewußt sein muß. Aber dies kann doch nicht bedeuten, daß wir an jedem Krieg – sei er ggf. auch noch so sinnlos – teilnehmen, nur weil andere Staaten uns solches vorexerzieren.
@Pete (7.11.19, 10.19)
„Wären nicht eine deutliche Steigerung der Entwicklungshilfe und Investitionen in die zivile Infrastruktur des Landes eher geboten?“
Bzgl. der zusaetzlichen Entwicklungshilfe bin ich skeptisch, weil dieses Konzept seit den 60iger Jahren bis heute die Situation in den entsprechenden Laendern nicht verbessert hat – eher im Gegenteil, wer Zeit und Lust hat, kann sich dazu Titel wie „Weder arm noch ohnmaechtig“ von Axelle Kabou oder „Dead Aid“ von Dambisa Moyo anschauen, meinetwegen auch „Afrika wird armregiert“ von Volker Seitz.
Bzgl. der zivilen Infrastruktur, ja, unbedingt! Hier wuerde ich mich an tuerkischen, indischen, chinesischen Modellen orientieren (Dambisa Moyo argumentiert zum Beispiel so), und die Verbesserung der Infrastruktur an einen kommerziellen Benefit anknuepfen, sprich: Eine Firma muss damit Geld verdienen koennen. Wenn Infrastruktur im Rahmen von Entwicklungshilfe verbessert wird, scheitert man oft an buerokratischen Huerden, wie umstaendliche Entscheidungsfindung, Jaehrlichkeit des Haushalts („die Kohle muss noch bis Ende November raus!“) oder umstaendliche Entscheidungsprozesse.
Zum Thema Geburtenrate und steigende Lebenserwartung: Die Bewohner der Sahelzone sind in der Regel sehr religioes und konservativ, grosse Familien sind praktisch das einzige soziale Netz. Das Bevoelkerungswachstum ist vmtl. das entscheidende Problem, aber Konzepte zur Geburtenkontrolle werden sicher auf sehr grossen Widerstand stossen.
@Bühring
Wie schon @Sven Rothe stimme auch ich grundsätzlich zu, dass sich unsere satte Gesellschaft auch über die tödlichen Konsequenzen ihrer eigenen Streitkräfte bei der Beteiligung an Kriegen klar werden muss. Auch die Bereitschaft hier „Opfer“ zu bringen kann von Deutschland durchaus verlangt werden.
Dazu sind aber zunächst mal DEUTSCHE Sicherheitsinteressen klar zu benennen und ein breiter Konsens in der Bevölkerung herbeizuführen, diese dann ggf. auch mit militärischen Mitteln, bis hin zu schmutziger Kriegführung (notfalls mit Söldnern à la Fremdenlegion) weltweit durchzusetzen.
Hierfür zwingend wäre zunächst erst mal eine Änderung des GG und eine Änderung des NATO-Vertrages (Macron: Hirntot!).
Solange das nicht passiert (und ich sehe hierfür absehbar keine Mehrheit) hat sich auch ein/e IBUK an den engen Rahmen zu halten, den die Väter des GG wohlweislich gesetzt haben.
Jegliche Aufforderungen zu Beteiligung an kriegerischen Handlungen, die vom GG nicht gedeckt sind, stellen meines Erachtens Straftatbestände dar!
Eine Kanzlereignung kann man so nicht nachweisen, wie beispielsweise auch die vielen Kommentare auf SPON zu den letzten Äußerungen von AKK zeigen.
@Pete:
Richtig erfasst und es muss viel mehr Geld in den „Staat Mali“ gesteckt werden.
@MBunterwegs:
Oft ist es ja so, dass Entwicklungshilfe so läuft wie jetzt im Beispiel.
Es werden zu hohen Summen Güter beschafft, die aber aus dem Ausland kommen. Wenn möglich aus dem Land, von dem die Entwicklungsgelder kommen. Das ist eine Art Eigensubventionierung unter falscher Flagge.
Man müsste doch schauen, was für Produkte oder Dienstleistungen kann Mali erbringen. Diese Produkte/Dienstleistungen kaufe ich als reiches Industrieland. So geht Entwicklungshilfe.
Wenn diese Produkte (noch) teurer sind als auf dem Weltmarkt, subventioniere ich als Staat (Einfuhrland) den Preis mit x Euro. Der Preis ist teurer, weil noch keine hohe Effizienz gegeben ist (Kleinbauern, Handarbeit).
Hier muss man eine klare Strategie haben (zum Beispiel: 100 Millionen Tonnen Agrarprodukt Z, darüber keine Subventionierung des Preises).
Mit dieser Verlässlichkeit entsteht über Jahre und Jahrzehnte (langfristige Strategie) in diesem Land eine Wirtschaft und die armen Bauern müssen auch nicht 6 Kinder bekommen.
In Afghanistan hat man es zum Beispiel verpennt diese Strategie auf Baumwolle und Obst anzuwenden.
Ja es gibt kleine Pilotprojekte, aber das ist nicht meine Strategie. Ich spreche hier von Milliarden Euro an Preissubventionierung (jährlich) und auch die eine oder andere Fabrik zur Weiterverarbeitung (Beispiel Dosenobst).
Das kostet aber Geld und das will niemand ausgeben. Stattdessen werden wir auch in 10 Jahren noch in Afghanistan sein und dieser Einsatz wird in der Summe richtig viel Geld kosten. Auch hier wird wieder der Großteil für eigenes Personal ausgegeben (Löhne, AVZ) und die heimische Industrie (Material wie Hubschrauber, Dingo 2 usw.). Also auch wieder ein reiner Selbstzweck das ganze, dem ausländischen Staat hilft es aber nur gering.
@fly.away
Wenn Sie Produkte aus ineffizienter Produktion kaufen, dann ist das keine Entwicklungshilfe, sondern Stagnationshilfe. Womoeglich werden sogar Kleinbauern, die ein konkurrenzfaehiges Auskommen gefunden haben, zu dieser ineffizienten Produktion zurueckkehren und damit permanent von Entwicklungshilfe abhaengig werden. Ich hatte die Gelegenheit, mehrfach innerhalb eines stabilen westafrikanischen Staates zu reisen. Dort finden Sie immer wieder verfallene Schilder, die auf irgendwelche Projekte verweisen, die links und rechts von diesem Schild ebenso verfallen (einige davon auch von der deutschen Gesellschaft fuer Internationale Zusammenarbeit).
Waehrenddessen, um Ihr Beispiel der Dosenobstfabrik aufzunehmen, vergammeln am Strassenrand tonnenweise (ohne Uebertreibung) Mangos, weil die wachsen wie nix, aber weder eine Dosenobstfabrik, noch vernuenftige Strassen vorhanden sind, um von diesem Reichtum zu profitieren. Jetzt koennte man fragen, warum baut die deutsche Entwicklungshilfe dann nicht einfach so eine Fabrik? Nun, weil Strom teuer ist und immer wieder ausfaellt, weil Wasser teuer ist und immer wieder ausfaellt, weil die Genehmigungsprozesse in afrikanischen Behoerden furchtbar kompliziert sind usw usf. Fast jeder Entwicklungshelfer ist qualifiziert, enthusiastisch und sehr fleissig, die meisten wollen in den drei bis fuenf Jahren, die sie im Land sind, auch Ergebnisse sehen, was oft zu Projektabschluessen fuehrt, die am Bedarf vorbei geplant wurden. Sie taeten mit dem Kauf dieser Mangos weder dem deutschen Steuerzahler, noch der europaeischen Agrarindustrie, noch den afrikanischen Kleinbauern einen Gefallen, weil sie damit eigene, nachhaltige Loesungen verhindern.
Und es gibt solche nachhaltigen Loesungen, die senegalesische Firma SEDIMA produziert (man muss es leider so sagen) tonnenweise Huehner, genau auf den senegalesischen Bedarf abgestimmt. Die Firma arbeitet mit Gewinn, stellt Leute ein, bildet aus, traegt zur Bildung einer kleinen, aber wachsenden Mittelschicht bei (deren Geburtenrate btw niedriger als 6,6 Kinder pro Frau ist). Das ist kein „schoenes“ Projekt, weil industrielle Huehnerzucht nicht schoen ist. Aber deutsche Entwicklungshilfe haette mit dem gleichen Anfangsbudget vermutlich eine huebsche Kleinbauerninitiative unterstuetzt, die jetzt immer noch abhaengig waere.
Die franzoesische Firma EIFFAGE hat eine Autobahn gebaut, die jetzt ueber Mautgebuehren refinanziert wird; eine chinesische Firma hat eine Strasse zum wichtigsten muslimischen Wallfahrtsort im Senegal gebaut und bekommt dafuer Rohstoffe geliefert; es gibt etliche solcher Beispiele, bei denen in gewinnorientierten Projekten zum einen genau nach Bedarf gebaut und produziert wird, zum anderen genau nach Bedarf Personal qualifiziert und gut bezahlt wird.
Was koennte also ein deutsches Projekt dieser Art sein? Ich spinne jetzt mal bewusst rum und uebertreibe ein wenig: Warum nicht eine Eisenbahnstrecke von Bamako nach Dakar (hier werden uebrigens zusaetzliche Containerhafen gebaut, deren Kapazitaeten einen besseren An- und Abtransport von Guetern erforderlich machen) und die Uebernahme des entsprechenden Gueterverkehrs. Taeglich fahren hunderte von Lkws diese Strecke ueber gnadenlos schlechte Strassen. Oder stattdessen eine Mautautobahn entlang der selben Strecke (die z.B. die senegalesiche Firma Arezki bauen koennte).
So etwas, flankiert von militaerischer Unterstuetzung, insbesondere Ausbildung und Mentoring. Aber wenn, dann sehr langfristig, weil kurzfristige Ausbildungsunterstuetzung imho so effizient ist, wie die oben skizzierte Entwicklungshilfe.
[Es gehört schon zum Thema, ich sehe nur, dass das in einen OT reinläuft, weil es sich auf alle Felder der Entwicklungshilfe/zusammenarbeit ausweitet… T.W.]
Interrsant wie wenig die Recherchen des Hausherren hier und anderswo diskutiert werden. Öffentlich spielt der nationale Sicherheitsrat eine prominente Rolle, ohne dass dargelegt wird was der wirkliche Unterschied zum BSR und seinem bisherigen Unterbau sein soll.
Gleichzeitig nimmt die Mentoring-Mission in Mali international immer mehr Gestalt an.
Erneut kein deutscher Impuls, kein proaktives Handeln.
Hieran könnte die Ministerin konkret darlegen was sie anders machen will. Sie bleibt aber weiterhin sehr vage – man kann nur hoffen, dass im Hintergrund die Abstimmung mit dem Kanzleramt und dem AA läuft (auch ohne nationaler Sicherheitsrat).
Sowie der Bundestag dann vorab in die Überlegungen eingebunden wird.
Wie schon bei den OMLT wird das Thema Mentoring ja oft unterschätzt – politisch und militärisch (kein Kampfeinsatz!). Aber das war bereits bei den amerikanischen „Beratern“ in Vietnam so.
Mal sehen wann die Debatte in der Realität ankommt. Denn früher oder später wird zu entscheiden sein, ob und wie Deutschland bei „Tacouba“ teilnimmt.
Nachtrag:
Nach französischen Presseberichten soll beim nächsten europäischen Verteidigungsministertreffen am 12.11.19 das Thema diskutiert werden:
https://www.tellerreport.com/news/2019-11-06—mali–what-scale-for-operation-tacouba-announced-by-france—rfi-.SkEIvfdljr.html
[Das ist doch 1:1 die englische Übersetzung des oben verlinkten Berichts von RFI…? T.W.]
Noch ist anscheinend nicht geklärt, ob die Operation unter Barkhane oder dem Spezialkräfteanteil Sabre unterstellt ist.
Frankreich möchte jedoch schon Anfang nächsten Jahres damit beginnen und scheint zuversichtlich zu sein, dass es aus verschiedenen europäischen Ländern Unterstützung gibt:
https://www.lsi-africa.com/fr/actualite-africaine/mali-europe-djihadistes.html
Also genug zu tun für BMVg und AA, damit man nächste Woche nicht wieder in Brüssel sagen muss, dass die Meinungsfindung in der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen ist.
@T.W.:
Die RFI-Meldung wurde gestern aktualisiert (https://amp.rfi.fr/fr/afrique/20191106-mali-quelle-envergure-operation-tacouba-annoncee-france). Darin war aus meiner Sicht neu, dass die Operation Tacouba möglichweise beim Verteidigungsministertreffen in der kommenden Woche thematisiert werden soll.
Wobei derlei formal ja kaum im offiziellen Rahmen stattfinden kann, da es sich um keinen EU-Einsatz handelt.
Auch eine Art „Hirntod“ der GSVP.
Wobei Deutschland eine Mentoring Rolle von EUTM ja über Jahre verhindert hat.
@ Sven Rothe 07.11.2019,08:28 Uhr
+1
-Trennung-
Ansonsten scheint es mir, das nicht alles was Frau AKK so von sich gibt, irgendwo, irgendwie abgestimmt ist….
Naja, immerhin beschimpft Sie die Truppe nicht. Das ist doch schon mal was ;-)
Offensichtlich sind auch in anderen Ländern noch keine endgültigen Entscheidungen zu Tacouba gefallen. In Estland scheint es weiter eine intensive Prüfung zu geben:
https://thedefensepost.com/2019/11/08/estonia-troops-mali-operation-barkhane/
Interessant ist auch, dass fortlaufend von den Niederlanden und Estland, teilweise auch Großbritannien und Spanien die Rede ist
(https://www.bruxelles2.eu/en/category/crisis-areas/sahel/). Deutschland wird gar nicht erwähnt.
Die Aufgabenteilung der neuen Mission mit EUTM ist mir auch noch nicht wirklich klar.
Ich habe den Eindruck Frankreich möchte Kommandokräfte (französischer Prägung) neben der von EUTM ausgebildeten Armee forcieren, um mehr Druck auf den Gegner aufzubauen. Auch das erinnert irgendwie an Afghanistan.
Ich finde es irgendwie auch bezeichnend, dass dieses konkrete Thema einer Neuausrichtung der deutschen Verteidigungspolitik weder hier noch in der politischen Debatte eine prominente Rolle spielt.
Denn ein solcher Einsatz ist weder einfach zu realisieren, noch über längere Zeit durchzuhalten.
Wahrscheinlich muß Paris wohl erst wieder einen Brief nach Berlin schicken, damit Bewegung in die Regierung kommt.
Die vielen Reden in München ändern eben wenig an der Entscheidungsfreude der Regierung.