Geplante Rüstungsbeschaffungen: Was kommt noch bis zur Wahl?

Der Verteidigungshaushalt hat gegenüber den anderen Etats im Bundeshaushalt eine Besonderheit: Das Parlament billigt zwar den Einzelplan 14 zusammen mit dem Bundeshaushalt, dennoch muss jedes Vorhaben mit einem Volumen von mehr als 25 Millionen Euro noch mal gesondert vom Haushaltsausschuss des Bundestages bestätigt werden. Das ist vor allem in Wahljahren interessant: Bis zur Sommerpause vor der Bundestagswahl entscheidet sich, welche Projekte genehmigt werden.

In diesem Jahr ist der entscheidende Zeitpunkt die voraussichtlich letzte Sitzung des Haushaltsausschusses im Juni – danach beginnt die Sommerpause, und nach der Wahl werden die Karten neu gemischt: Was danach an Entscheidungen noch in diesem Jahr zu erwarten ist, ist völlig offen. Deshalb lohnt ein Blick auf die Planung der so genannten 25-Mio-Vorlagen für den Rest der Legislatuperiode.

In dieser Woche hat der Haushaltsausschuss drei Projekte gebilligt; zwei davon waren unstrittig, beim dritten hat ein befreundetes Land ein wenig Druck gemacht:

• Ein früheres VW-Flugzeug für den Weltfrieden – Nach rund 20 Jahren bekommt die Bundeswehr wieder ein Flugzeug für Verifikationsaufgaben, eine Maschine für Beobachtungsflüge von Manövern nach den Abkommen zur Rüstungsbegrenzung in Europa. 1997 war das damalige Open Skies-Flugzeug, eine Tupolew Tu-154M, vor Namibia mit einem US-Transportflugzeug zusammengestoßen und abgestürzt; ein Ersatz war schon lange überfällig. Jetzt wird für diesen Zweck ein Airbus A319CJ beschafft: Die Maschine war die größte in der Flotte des VW-Konzerns und wurde nach den Turbulenzen als Folge der Dieselaffäre verkauft. Die Luftwaffe erwirbt diese Maschine von der Lufthansa, die den Executive Jet zum Aufklärer umrüstet. Das Vorhaben kostet rund 112 Millionen Euro zuzüglich drei Millionen für Ausbildung von Piloten und technischem Personal.

• Nachfolger für die Milan – Ersatz für den betagten Panzerabwehr-Lenkflugkörper Milan ist schon seit längerer Zeit nötig, und die Abgabe von hunderten Milan an die kurdischen Peshmerga-Kämpfer für das Vorgehen gegen die ISIS-Milizen im Irak hat das noch dringlicher gemacht. Das Mehrrollenfähige Leichte Lenkflugkörpersystem (MELLS) der Firma Eurospike, an der die deutschen Unternehmen Diehl und Rheinmetall sowie der israelischen Firma Rafael soll Milan ablösen und als Waffensystem gegen Bodenziele wie gengnerische Panzer sowie langsam fliegende Hubschrauber eingesetzt werden können. Jetzt billigte der Haushaltsausschuss die Beschaffung von weiteren 1.000 Lenkflugkörpern und 97 Waffenanlagen. Das Gesamtpaket hat ein Volumen von 158,3 Millionen Euro. Der so genannte konzeptionelle Bedarf liegt übrigens bei 22.708 MELLS-Lenkflugkörpern und 186 Waffenanlagen, da wird in Zukunft noch kräftig nachgekauft werden müssen.

• Vorbereitung für die französisch-deutsche Hercules-Staffel – Nachdem der neue Transportflieger A400M eigentlich die eierlegende Wollmilchsau des Lufttransports werden sollte, fiel auf, dass er für manche Flugplätze doch zu groß ist – was zum Beispiel bei schnellen Evakuierungsoperationen zum Problem werden könnte. Die bislang für kleinere Plätze genutzte Transall wird 2021 außer Dienst gestellt; ein kleineres Flugzeug musste gefunden werden.
Überraschend verabredeten Deutschland und Frankreich deshalb im vergangenen Jahr, gemeinsam Maschinen des Typs Lockheed Martin C-130J Hercules zu betreiben und sie auf dem französischen Flugplatz Evreux zu stationieren. Derzeit steht noch nicht die Beschaffung der Maschinen an, aber nach der konkretisierten Vereinbarung zu Beschaffung und Betrieb vom Februar soll nun möglichst schnell das Regierungsabkommen für die Infrastruktur in Frankreich geschlossen werden: Die Regierung in Paris machte Druck und bestand auf einer Unterzeichnung des Abkommens noch im April – vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich (auch dort sind Wahltermine für solche Projekte entscheidend).
Nach dem Regierungsabkommen beteiligt sich Deutschland an den Infrastrukturmaßnahmen in Evreux mit bis zu 60 Millionen Euro, weitere 50 Millionen Euro sind für Ausbildungsmittel wie Simulatoren vorgesehen. Die großen Kosten für das Projekt kommen ab 2019, wenn die Flugzeuge selbst bestellt werden. Die Luftwaffe soll dabei drei C-130J-30 als reine Transportmaschinen und drei KC-130J als Tankflugzeuge auch für Hubschrauber bekommen.

Absehbar ist unterdessen, welche Projekte – wie bereits erwartet – vor der Sommerpause nicht mehr kommen werden, also bis zur Wahl nicht beschlossen werden können:

• System zur signalerfassenden, luftgestützten, weiträumigen Überwachung und Aufklärung (SLWÜA) – der EuroHawk bleibt eingemottet. Keine Vorlage mehr erforderlich, heißt es lapidar in einer Übersicht des Verteidigungsministeriums.

• Taktisches Luftverteidigungssystem (TLVS) – Geplant ist die Beschaffung eines Nachfolgesystems für die Patriot-Flugabwehrraketen auf Basis des von den USA, Deutschland und Italien entwickelten Medium Extended Air Defense System (MEADS) – da sind allerdings die Vertragsverhandlungen offensichtlich hinter dem Zeitplan, die Kosten dafür möglicherweise deutlich höher als veranschlagt. Einen Zeitplan für die 25-Mio-Vorlage gibt es derzeit nicht.

• SAATEG MALE Überbrückungslösung (Heron TP) – SAATEG steht für System zur abbildenden Aufklärung in der Tiefe des Einsatzgebietes; MALE für Medium Altitude Long Endurance – also Drohnen mittlerer Größe, die als so genannte Überbrückungslösung bis zur Entwicklung einer europäischen Drohne genutzt werden sollen. Die Bundeswehr hatte sich bereits vor einem Jahr  für das israelische Modell Heron TP entschieden. Allerdings ist derzeit noch eine Klage des Herstellers General Atomics, der das Konkurrenzmodell Predator B anbietet, gegen diese Entscheidung anhängig.
Und da sieht es nicht so gut aus: Ende Mai wird nach der internen Übersicht das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden, ob weitere Anhörungen der Prozessbeteiligten nötig sind oder ob eine Entscheidung über die Klage des bislang unterlegenen Predator-Herstellers fällt. Bei einer letztinstanzlichen Niederlage des öffentlichen Auftraggebers [also des Verteidigungsministeriums] ist ein Vertragsschluss ausgeschlossen, notierte die BMVg-Haushaltsabteilung. Mit anderen Worten: Da ist noch alles offen.

• Head Up Display Tornado – Da hat offensichtlich jemand die Notbremse gezogen: Angesichts einer Kostensteigerung Faktor 5 auf rund 200 Millionen Euro wird die Obsoleszenzbeseitigung für das Head Up Display in dem Kampfjet voraussichtlich bis zum 2. Quartal 2018 zurückgestellt, also fast um ein Jahr.

• Geschützer Berge-Kran – Die Beschaffung von 33 geschützten Fahrzeugen mit Berge-Kran wird voraussichtlich auf das 2. Quartal 2018 verschoben.

Damit richten sich die Blicke auf das, was bis zur Sommerpause noch passieren soll – eine Auswahl der wesentlichen Punkte:

• Neue Korvetten für die Marine – Die Beschaffung eines zweiten Loses von fünf Korvetten K130 hatte der SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs zusammen mit seinem CDU-Kollegen Eckart Rehberg im vergangenen Jahr überraschend vorgeschlagen. Im Haushaltsplan sind sie bereits vorgesehen, auch mit Verpflichtungsermächtigungen für die kommenden Jahre. Nun kommt es darauf an, die konkreten Vorlagen dazu auf den Weg zu bringen. Der Zeitplan ist hoch risikobehaftet und enthält keinerlei Puffer, warnt das zuständige Haushaltsreferat im Verteidigungsministerium.
Die 25-Mio-Vorlage für die Kriegsschiffe – manche Abgeordnetenkollegen sprechen schon spöttisch von den Korvetten der Kahrs-Klasse – ist allerdings unabhängig vom finanziellen Volumen ein Dreh- und Angelpunkt auch für andere Vorhaben. Der Parlamentarier Kahrs, so klagen andere Abgeordnete, habe auch bei früheren Vorhaben schon deutlich gemacht, dass er die Behandlung anderer Projekte davon abhängig mache, wie von ihm favorisierte Vorhaben im Ausschuss durchkämen.

• Neue (modernisierte) Kampfpanzer fürs Heer: Der bereits im April 2015 von der Ministerin angekündigte Vertrag für den Rückkauf älterer Leopard-Modelle von der Industrie und deren Modernisierung soll weiterhin Mitte Mai dem Haushaltsausschuss vorgelegt werden.

• Digitalfunk für die Truppe – Ebenfalls Mitte Mai und damit ein bisschen später als bislang geplant soll der  erste Schritt zur Ausstattung der Bundeswehr mit neuen Funkgeräten, die Einrüstung des Systems MoTaKo (mobile taktische Kommunikation), beschlosen werden. Zunächst geht es dabei nur um die Einrüstung dieser neuen Systeme in 50 Führungsfahrzeuge der Typen Schützenpanzer Puma und Transportpanzer Boxer.
(Interessante Randbemerkung in diesem Zusammenhang: Das Münchner Funktechnik-Unternehmen Rohde und Schwarz, das verantwortlich ist für die Konzeption und den Bau der digitalen Funkgeräte in der so genannten Streitkräftegemeinsamen verbundfähigen Funkgeräteausstattung, SVFuA, hat sich für das weitere Vorgehen bei der Ausrüstung der Bundeswehr mit Digitalfunk mit Deutschlands größtem Rüstungskonzern Rheinmetall zusammengetan.)

• Nachbesserungen beim Puma – Für den Schützenpanzer sind mehrere Projekte vorgesehen, die die Nutzungsmöglichkeiten des modernsten Schützenpanzers der westlichen Welt (Verteidigungsministerium) verbessern sollen oder schlicht Versäumtes nachholen: Die Serienintegration der Sichtmittelverbesserung Turm soll im Juni in den Ausschuss; ebenso die Integration der Turmunabhängigen Sekunärwaffenanlage und die Peripherie des Abstandswirksamen Schutzsystems. Ebenfalls im Juni ist das Projekt zur Beschaffung von Ausbildungsanlagen für den Turm des Schützenpanzers vorgesehen.

• Neue Tankflugzeuge für die Luftwaffe – Mitte Februar hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Vereinbarung für den gemeinsamen Betrieb neuer Tankflugzeuge mit anderen europäischen Nationen unterzeichnet; Deutschland will dem von den Niederlanden und Luxemburg gestarteten Projekt formell bis zum Sommer beitreten. Dem Haushaltsausschuss soll das Projekt in der letzten Sitzung vor der Sommerpause vorgelegt werden.

• Nachbesserungen beim A400M – Bei den so genannten Einsatzsichernden Maßnahmen geht es um die Bestellung von zehn dringend benötigten Ersatztriebwerken. Das Vorhaben muss noch vor der Sommerpause durch den Ausschuss, weil laut BMVg das Bestellfenster dafür am 30. Juni endet.

• Neue U-Boote – Dabei geht es um die mit Norwegen vereinbarte Kooperation zum Bau neuer U-Boote auf deutschen Werften und damit verbunden die Entwicklung und Beschaffung von zwei neuen U-Booten für die Deutsche Marine. Dem Haushaltsausschuss soll der Plan für ein Memorandum of Understanding für den deutschen Anteil mit einer Kostenobergrenze von 1,85 Milliarden Euro vorgelegt werden. Der Bauvertrag soll dagegen erst 2019 dem Parlament zur Billigung vorliegen.

• Bildverstärkerbrille leicht – Voraussichtlich in der letzten Sitzung soll der Haushaltsausschuss über die Beschaffung dieser Nachtsichtbrillen entscheiden. Der Beschaffungsprozess hatte sich erheblich verzögert, weil ein griechisches Unternehmen gegen die Auswahlentscheidung vor der Vergabekammer des Bundes vorging.

• Einsatzausrüstung für den Kampfhubschrauber Tiger – Voraussichtlich Ende Mai wird dem Ausschuss das Vorhaben Serialisierung Ausrüstungspakete Afghanistan Stabilization German Army Rapid Deployment (ASGARD) vorgelegt. Auch wenn Afghanistan im Programmnamen steht: Dabei geht es um Ausrüstungspakete wie Sandfilter und andere Ausstattungsmerkmale für den Einsatz in heißen und staubigen Gebieten – zum Beispiel aktuell in Mali.

• Infanterist der Zukunft – Bei dieser High-Tech-Ausstattung für Infanteristen scheint der kritische Punkt das Funkgerät: Der Hersteller Rheinmetall hat laut BMVg ein außerordentliches Kündigungsrecht akzeptiert, falls bis Ende April die Frage des verschlüsselten Funks nicht geklärt ist. Voraussetzung dafür ist eine Zulassung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Falls das klappt, soll das Projekt im Juni in den Haushaltsausschuss.

Und als kursorische Übersicht (vorerst mal ohne detailliertere Erläuterungen) noch weitere Vorhaben, die bis zur Sommerpause gebilligt werden sollen:

• Nachfolgesystem für das unbemannte Luftfahrzeugsystem mittlerer Reichweite LUNA

• Lkw-Familie UTF mil ZLK 5t und 15 t

•Leichter Unterstützungshubschrauber Search and Rescue

• Mehrbedarf im Betrieb des Bekleidungswesens

• Ergänzungsbeschaffung Artillerieraketen (GMLRS Unitary)

• Anteil der Bundeswehr am Satellit Heinrich Hertz

• Flugabwehr Marine im Nächstbereich/ RAM Block 2B

• Folgelösung Heeresinstandsetzungslogistik (HIL)

• Umrüstung aller GTK Boxer-Varianten 1. Los auf aktuellen Konstruktionsstand

• Folgeprojekt Herkules/Zusätzliche Leistungsanteile

• 3. Los Spähwagen Fennek für Joint Fire Support Teams

• Panzer-Munition Patrone 120mmx570 DM 11

• Geschützter Mobilkran, 38 Fahrzeuge (das allerdings noch nicht sicher)

• Modernisierungsprogramm NATO AWACS

(Foto: Eurospike-Launcher/MELLS – Fa. Eurospike)