DroneWatch: Der EuroHawk fliegt nicht mehr (m. Nachtrag)

Die Bundeswehr will als hochfliegende Aufklärungsdrohne die Triton des US-Herstellers Northrop Grumman (Foto oben) beschaffen – diese Entscheidung von Generalinspekteur Volker Wieker, die am (heutigen) Dienstag den Fachpolitikern der Koalitionsfraktionen im Bundestag mitgeteilt wurde, ist nicht überraschend: Schon im Oktober 2014 hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen öffentlich verkündet, dass die Triton dem missglückten Versuch EuroHawk folgen soll, dessen Erprobung und Nutzung von ihrem Vorgänger Thomas de Maiziére 2013 gestoppt worden war.

Neu ist allerdings, dass für die Erprobung des deutschen Aufklärungssystems in dieser Drohne, das so genannte ISIS (Integrated Signal Intelligence System), keine Flüge mit dem eingemotteten EuroHawk mehr nötig sind: Inzwischen, so ließ das Ministerium die Abgeordneten wissen, gebe es bessere Möglichkeiten der Auswertung bereits vorhandener Daten von früheren Flügen, die weitere Flugtests nicht mehr erforderlich machten. Zu dem Gesamtsystem, bei der Bundeswehr als SLWÜA (Signalverarbeitende Luftgestützte Weitreichende Überwachung und Aufklärung) bezeichnet, gehören ja die Aufklärungstechnik – und ein funktionierendes und vor allem zugelassenes Flugzeug.

Über die Entscheidung hatte zuerst die Süddeutsche Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht) berichtet. Bislang galt öffentlich die Aussage des Ministeriums vom Dezember 2014, dass die Triton als am besten geeignetes unbemanntes Flugsystem für die Aufklärungselektronik untersucht werden solle – und dass der EuroHawk eben für weitere Tests gebraucht werde:

Aufgrund der operationellen und technischen Eigenschaften des UAV TRITON
erscheint diese Plattform besonders geeignet, die Forderungen des Bedarfsträgers an eine ISIS-Plattform zu erfüllen. Eine detaillierte technische Bewertungsgrundlage wird derzeit durch das BAAINBw erarbeitet.

und

In einem ersten Schritt soll bis Ende März 2015 der aktuelle luftfahrzeugtechnische Zustand der seit Dezember 2013 stillgelegten EURO HAWK FSD Plattform festgestellt werden. Sofern wirtschaftlich sinnvoll, werden danach in einem zweiten Schritt die notwendigen Arbeiten durchgeführt, um eine neue Vorläufige Verkehrszulassung auszustellen. Danach könnte in einem dritten Schritt der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden, um ISIS-Testflüge durchzuführen.

Aufgrund neuer Erkenntnisse muss nun offensichtlich die alte Drohne nicht mehr erhalten und reaktiviert werden. Interessant wird allerdings die Frage, warum über ein paar Jahre dafür Millionen Euro aufgewendet wurden, mit dem Argument, das sei für die endgültigen Tests von ISIS erforderlich – und welche Daten die Herstellerfirma Airbus dazu nun freigegeben hat.

Auch die Entscheidung für Triton wird maßgeblich davon bestimmt werden, wie die Möglichkeit zur dauerhaften Zulassung dieser Drohne eingeschätzt wird. Der EuroHawk war ja nicht zuletzt daran gescheitert, dass die vorgelegte Dokumentation der Herstellerfirma für eine deutsche Zulassung nicht ausreichte und die Nachlieferung eine dreistellige Millionensumme gekostet hätte.

Nachtrag: Das Verteidigungsministerium hat am 8. März auf seiner Webseite eine umfangreiche Fragen/Antworten-Darstellung zu Triton und zum Aufklärungssystem ISIS veröffentlicht, die wir uns gerne mal aufheben, so für die Zukunft. (Kernsatz: Diese neuen Erkenntnisse lassen heute erwarten, dass das deutsche System risikoarm und ohne weitere Testflüge serienreif gemacht und in den Triton integriert werden kann – und: eine Zulassung der Triton-Drohne ist sehr wahrscheinlich.)

Im Wortlaut:

Was ist SLWÜA?

Das System zur signalerfassenden luftgestützten weiträumigen Überwachung und Aufklärung (SLWÜA) trägt mit seinen Fähigkeiten maßgeblich zu einem umfassenden Lagebild in einem bestimmten Gebiet bei. Dazu zählt zum Beispiel die Aufklärung gegnerischer Führungs-, Kommunikations-, Leit-, Lenk-, Ortungs- und Waffensysteme. Damit ist die Fähigkeit SLWÜA unverzichtbar für Krisenfrüherkennung und zum Schutz eigener Kräfte im Einsatz.

Warum wird ein Aufklärungssystem gebraucht?

Seit Außerdienststellung der Breguet Atlantic BR 1150 SIGINT („„Signal Intelligence““ = signalerfassende Aufklärung) im Jahr 2010 besteht im Bereich SLWÜA eine Fähigkeitslücke für die Bundeswehr. Aus diesem Grund wurde das Projekt Eurohawk im Jahr 2007 beauftragt. Aufgrund einer Vielzahl von Gründen – unter anderem fehlender technischer Dokumentationen und weiterer technischer Voraussetzungen – war im Jahr 2013 absehbar, dass der Eurohawk keine Regelzulassung erhalten würde. Daher wurde das Projekt 2013 abgebrochen und der für den Testbetrieb genutzte Full Scale Demonstrator (FSD) Eurohawk in Manching vorerst eingelagert.

Welche Rolle spielte dabei TRITON/ISIS?

Wie der Name bereits zu erkennen gibt, kommen bei SLWÜA zwei wesentliche Komponenten zum Tragen: das signalerfassende Aufklärungssystem und eine geeignete, hochfliegende Trägerplattform. Nach dem Abbruch des Projekts Eurohawk wurden verschiedene Nachfolgeprojekte betrachtet. Eines war die Kombination des sich damals bereits bei der US Navy in der Entwicklung befindlichen UAS Triton als Trägerplattform mit dem bereits auf dem Eurohawk eingesetzten System ISIS.

Warum hatte sich das BMVg bereits 2014 für eine Priorisierung der Untersuchung TRITON/ISIS entschieden?

Um die Fähigkeitslücke nach Abbruch des Projekts Eurohawk zu schließen, gab es mehrere Lösungsvorschläge wie zum Beispiel der Betrieb von ISIS aus einem bemannten Flugzeug heraus. Ein weiterer Vorschlag bestand aus der nunmehr bestätigten Kombination UAS Triton mit dem System ISIS. Im Rahmen einer Gesamtabschätzung kam das BMVg damals zu dem Schluss, dass die Kombination Triton/ISIS das ausgewogenste Gesamtpaket darstellen würde.

Die 2014 getroffene Entscheidung zur Priorisierung von Triton/ISIS war keine Entscheidung zur Beschaffung, sondern zunächst lediglich zur Untersuchung dieser beiden Elemente hinsichtlich Nutzbarkeit und Zulassbarkeit. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen liegen nun vor und darauf basierend hat der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker, seine Auswahlentscheidung getroffen.

Es hieß, ursprünglich sollte ISIS auf dem Full Scale Demonstrator (FSD) Eurohawk getestet werden. Warum?

Bei Abbruch des Projekts Eurohawk lagen noch keine ausreichenden Daten und Untersuchungsergebnisse vor, um die Tauglichkeit von ISIS mit Sicherheit einschätzen zu können. Da ISIS damals schon einige Testflüge auf dem Full Scale Demonstrator Eurohawk absolviert hatte, sah man in dem System die plausibelste Plattform für gegebenenfalls weiter notwendige Testflüge. Der FSD hatte in den Jahren zuvor bereits einmal die notwendige vorläufige Verkehrszulassung für den Testbetrieb erhalten.

Was hat den Testbetrieb mit dem FSD verzögert?

Hauptgrund waren die stockenden Vertragsverhandlungen mit der Firma EuroHawk GmbH. Die Wiederinbetriebnahme des FSD sollte nach den ursprünglichen Planungen einem dreistufigen Verfahren folgen. Stufe eins bestand im Wesentlichen aus einer regelmäßigen Wartung des eingelagerten Flugzeugs. Stufe zwei umfasst alle vorbereitenden Arbeiten für die Wiederaufnahme des Flugbetriebes, insbesondere die Wiedererteilung der vorläufigen Verkehrszulassung sowie einen ersten Sensorflug.

Die Verhandlungen verzögerten sich immer wieder. Die Firma war nicht bereit, selber Risiken für den weiteren Testbetrieb zu übernehmen; beziehungsweise stellte sehr hohe Vergütungsforderungen. Insgesamt hätte sich das Vorhaben weiter verzögert (von 6 auf 20 Monate) und der Finanzbedarf bis zum Abschluss der Stufe zwei von 23 auf mehr als 150 Millionen Euro erhöht. Außerdem waren die seitens der Firma angebotenen vertraglichen Rahmenbedingungen für die Bundeswehr ähnlich nachteilig wie die im alten Eurohawk-Vertrag.

Wieso liegen heute – obwohl kein Testbetrieb mit dem FSD stattfand – Testergebnisse zur Leistungsfähigkeit und Nutzbarkeit von ISIS auf Triton vor?

Das liegt an der zwischenzeitlichen Gewinnung neuer Leistungsdaten im Labor sowie an der abgeschlossenen Auswertung von Daten früherer Testflüge auf dem Eurohawk, die nach Abschluss sogenannter „„Close-Out““-Verträge zur Verfügung standen. Parallel zu den Vertragsverhandlungen zur Realisierung der Stufe zwei für den Testbetrieb der FSD hatten Verhandlungen zu einer endgültigen Beendigung des alten Eurohawk-Projekts mit der Firma EuroHawk GmbH stattgefunden. Die „„Close-Out““-Verträge waren notwendig, da das Projekt mit dem Abbruch im Jahr 2013 zwar gestoppt, vertragsrechtlich jedoch noch nicht beendet und die Ansprüche von Auftragnehmer und Auftraggeber ungeklärt waren.

Aus diesem Grund lag die abschließende Auswertung der Daten, die in sieben Testflügen mit dem FSD mit eingeschaltetem ISIS-System bis September 2013 erflogen worden waren, zunächst auf Eis. Auch weitere notwendige Arbeiten, zum Beispiel am Integrations- und Verifikationslabor (IVL), wurden durch die Firma nach dem faktischen Abbruch des Projekts zunächst nicht weitergeführt.

Mit dem Fortschritt der 2014 begonnenen Verhandlungen zu den „„Close-Outs““ wurden – zum Teil im Rahmen von Vorleistungen – die Arbeiten bezüglich der Datenfreigabe und -auswertung und der Fortentwicklung des IVL wieder aufgenommen. Dadurch hat sich im Verlauf des Jahres 2016 ein signifikanter Zuwachs an Informationen und Erkenntnissen über ISIS ergeben. Im IVL ist jetzt die nahezu komplette Simulation des Systems auf Basis der originalen ISIS-Hard- und Software möglich. Damit können alle wesentlichen technischen Nachweise erbracht werden.

Darüber hinaus haben seit Februar 2016 die „„Zentrale Untersuchungsstelle der Bundeswehr für Technische Aufklärung““ und die „„Fraunhofer-Gesellschaft FKIE““ im Rahmen der Vorarbeiten zum „„Close-Out““ des Eurohawk-Entwicklungsvertrages die Daten der ISIS-Testflüge ausgewertet. Es handelt sich dabei um Rohdaten der sieben Testflüge, bei denen das System insgesamt 68 Stunden in Betrieb war. Übereinstimmend wird in der Auswertung beider Institute festgestellt, dass alle erflogenen Daten im Ergebnis mit dem jeweiligen Testszenar übereinstimmen und im Zuge der Weiterverarbeitung im Aufklärungsverbund voll nutz- und anwendbar sind.

Diese abschließende und positive Bewertung liegt seit Oktober 2016 vor. Mittlerweile sind die Leistungen zu ISIS aus dem“ „Close-Out““-Vertrag soweit erbracht, dass ein Abschluss dieses Vertragsanteils wie geplant zu Ende März 2017 erfolgen kann. Diese neuen Erkenntnisse lassen heute erwarten, dass das deutsche System risikoarm und ohne weitere Testflüge serienreif gemacht und in den Triton integriert werden kann. Diese Entwicklung erfolgte parallel zu den stockenden Verhandlungen über die Reaktivierung des FSD. Nunmehr wäre aber der Erkenntniszugewinn, der eine Reaktivierung in Relation zu Kosten, Zeit und Risiko bringen würde, so gering, dass entschieden wurde, die Verhandlungen zum Erreichen der Stufe zwei zu beenden.

Was hat die Reaktivierung des FSD gekostet?

Die Kosten für die Option, gegebenenfalls weitere Testflüge mit dem FSD vornehmen zu können, summieren sich bis heute auf rund 23 Millionen Euro.

Hat sich das Projekt dadurch verzögert, dass man zunächst den FSD reaktivieren wollte?

Nein. Zum Zeitpunkt der Entscheidung 2014 gab es aus damaliger Sicht zu einer Reaktivierung des FSD für einen Testbetreib ISIS keine zeit- und kostengleiche Alternative. Allerdings erfolgten die Verhandlungen für einen „„Close-Out““ und damit für die Fortsetzung der Leistungserbringung der Firma auch mit Blick auf ISIS parallel dazu. Gleichzeitig wurde auch die Fortentwicklung der Triton selbst parallel weiter getragen. Daher ist im Rahmen des Gesamtprojektes ISIS/Triton kein Zeitverlust festzustellen.

Warum ist die Wahrscheinlichkeit, dass Triton zugelassen wird, höher als beim Eurohawk? In beiden Fällen ist ein „Global Hawk“ Basis des Systems.

Der Eurohawk basiert auf einem Global Hawk Block 20. Der Triton basiert auf einem Global Hawk Block 40, der für die US Navy weiter entwickelt wurde. Der Triton ist technisch deutlich weiter entwickelt als der Eurohawk und somit nicht zu vergleichen. Die US Navy hat nach eigenen Angaben rund eine Milliarde US-Dollar in die Weiterentwicklung und Realisierung von technisch-funktionalen Verbesserungen im Triton investiert. Die neuere technische Basis des Triton ermöglicht günstigere Zulassungsvoraussetzungen.

Zudem wurde ein sogenannter „„Airworthiness Qualification Plan““ zwischen dem Luftfahrtamt der Bundeswehr und der US Navy vereinbart, der die Verantwortlichkeiten und Leistungen aller Seiten für den Zulassungsprozess Triton beschreibt. Das hat zur Folge, dass das Luftfahrtamt der Bundeswehr die Ergebnisse und Dokumentationen der Zulassungsprozesse der US Navy als eigene Entscheidungsgrundlage nutzen kann.

Ein entscheidender Grund für den Abbruch des Eurohawk-Projekts aufgrund der fehlenden Zulassungsprognose war auch eine unzureichende technische Dokumentation. Diese ist beim Triton umfassend vorhanden. In diesem Zusammenhang erfolgt derzeit auch eine Überarbeitung des regulatorischen Rahmens für das Prüf- und Zulassungswesen für Luftfahrzeuge der Bundeswehr („„Verfahren der dauerhaften Flugfreigabe““). Das Verfahren ermöglicht es, insbesondere außereuropäische Kauflösungen und unbemannte fliegende Plattformen dauerhaft zuzulassen, und soll auch als Basis für die Zulassung des Triton dienen.

Schließlich wurde Ende 2016 eine positive Zulassbarkeits- und Nutzbarkeitsprognose zum Triton vorgelegt, in der alle künftig beteiligten Dienststellen in Deutschland ihre Bewertung haben einfließen lassen. Diese Prognose wurde gemäß des Regelwerks des „Verfahrens der dauerhaften Flugfreigabe“ erstellt. Damit ist eine Zulassung des Triton sehr wahrscheinlich.

(Archivbild Mai 2013: The Triton unmanned aircraft system completes its first flight May 22, 2013 from the Northrop Grumman manufacturing facility in Palmdale, Calif. – U.S. Navy photo courtesy of Northrop Grumman photo by Alex Evers)