Ringtausch: Taurus für die Briten, Storm Shadow für die Ukraine?

In der nun seit Monaten andauernden deutschen Debatte über eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine scheint sich eine überraschende Wendung abzuzeichnen: Angeblich soll das Konzept des Ringtauschs fortgeführt werden, bei dem ein Land (leistungsfähigere) Waffensysteme erhält und dafür seine Waffen an die Ukraine abgibt – diesmal die Briten.

Über die Überlegungen berichtete am (heutigen) Mittwoch das Handelsblatt (hinter Paywall): Derzeit würden zwischen Berlin und London Gespräche geführt, ob Deutschland den britischen Streitkräften Taurus-Marschflugkörper abgeben kann. Dafür würden die Briten weitere Marschflugkörper des Typs Storm Shadow an die Ukraine liefern – die diese Waffen bereits einsetzt, schreibt die Zeitung:

Die Idee ist, dass die Bundesregierung Marschflugkörper vom Typ „Taurus“ nach Großbritannien exportiert. Dies würde der Regierung in London den Spielraum geben, die Ukraine mit weiteren Marschflugkörpern eines anderen Modells, des „Storm Shadow“, ausstatten zu können.
Die britische Offerte liegt seit ein paar Wochen vor, wie das Handelsblatt von ranghohen Diplomaten und Regierungsvertretern erfuhr.  (…)
Der Ringtausch mit Großbritannien böte [Bundeskanzler Olaf] Scholz eine willkommene Gelegenheit, die Kontroverse innerhalb seiner Koalition zumindest zu entschärfen.

Das mag zunächst etwas merkwürdig und eher nach einem möglichen Ausweg aus einer innenpolitischen Koalitionskrise klingen. Dabei ist aber ein Detail von Bedeutung, bei dem sich die Kollegen vom Handelsblatt etwas vertan haben: Da die Royal Air Force wie die Bundeswehr Kampfjets vom Typ „Tornado“ und „Eurofighter“ nutzt, wären nicht einmal technische Umrüstungen erforderlich, heißt es in dem Bericht. Aber tatsächlich ist der Taurus am Eurofighter der deutschen Luftwaffe noch gar nicht integriert, kann also nur von den älteren Tornados eingesetzt werden. Die Royal Air Force dagegen hat ihre Tornado-Kampfjets bereits vor fünf Jahren ausgemustert.

Mit anderen Worten: Die Bundeswehr kann die Taurus an einem Großteil ihrer Kampfjet-Flotte bislang gar nicht nutzen. Die Briten wiederum haben, nach Ausmusterung der Tornados, die Storm Shadow bereits bei ihren Eurofighter Typhoon als Waffensystem integriert. Und beide Typen von Marschflugkörpern, die wiederum beide vom Hersteller MBDA produziert werden, sind nach Angaben von Fachleuten sehr, sehr ähnlich. Vermutlich dürfte also die Royal Air Force die Taurus am Eurofighter schneller in die Luft bringen als die Luftwaffe – und sich über ein wirksameres und moderneres Waffensystem freuen.

Nicht so richtig glücklich wären vermutlich die Luftwaffe – und die Ukraine. Die Bundeswehr-Teilstreitkraft müsste im Falle dieses Ringtauschs einen Teil ihrer Marschflugkörper abgeben, ohne zu wissen, wann es dafür Ersatz geben und wie der finanziert werden könnte. Und die Ukraine würde zwar sicherlich weitere Storm Shadow gerne entgegennehmen, hatte allerdings auf die Taurus mit ihrer größeren Reichweite und (so weit bekannt) besseren Elektronik gehofft.

Allerdings gilt: entschieden ist ja bisher noch nichts.

(Archivbild März 2021: Eurofighter Typhoon der Royal Air Force, bewaffnet mit Storm Shadow, auf der britischen Basis Akrotiri auf Zypern beim Start zu einem Einsatz im Nahen Osten – Cpl Steve Buckley RAF/UK MOD/Crown copyright 2021)