Neues Sturmgewehr für die Bundeswehr: Nächste Runde vor Gericht im März 2022
Das langwierige Verfahren zur Beschaffung eines neuen Sturmgewehrs für die Bundeswehr als Nachfolger des G36 wird noch eine Weile länger dauern: Ein Gerichtstermin zur Klärung der umstrittenen Beschaffungsentscheidung ist für März kommenden Jahres angesetzt.
Eine Sprecherin des Oberlandesgerichts Düsseldorf teilte am (heutigen) Mittwoch auf Anfrage von Augen geradeaus! mit, die zuständige Vergabekammer des Gerichts habe für das Verfahren einen Termin am 2. März 2022 angesetzt. Die lange Frist bis zu diesem Termin erkläre sich damit, dass die Kammer zahlreiche Eilverfahren vorziehen müsse.
Am 24. Juni hatte die Suhler Firma C.G.Haenel das Oberlandesgericht angerufen, nachdem zuvor das Unternehmen – etwas überraschend – vom Vergabeverfahren für die künftige Standardwaffe der Bundeswehr ausgeschlossen worden war. Die Vergabekammer des Bundeskartellamts hatte am 10. Juni entschieden, dass das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAInBw) korrekt festgelegt habe, Haenel von der Ausschreibung für den Nachfolger des Sturmgewehrs G36 auszuschließen und die Vergabe an den Konkurrenten Heckler&Koch vorzusehen. Das Suhler Unternehmen war mit der Anrufung der Kammer gegen den vom BAAInBw auch in einem Nachprüfungsantrag bestätigten Ausschluss vorgegangen.
Die Kartellamts-Kammer hatte ihre Entscheidung, das war das Überraschende, nicht mit den laufenden Patentstreitigkeiten zwischen den beiden Unternehmen begründet – sondern damit, dass inzwischen eine neue Kostenberechnung ergeben habe, dass Heckler&Koch das wirtschaftlich günstigere Angebot abgegeben habe. Damit war grundsätzlich der Weg frei für die Auftragsvergabe an dieses Unternehmen für dessen Sturmgewehr HK416. Allerdings hatte die Behörde auch das Vorgehen des BAAINBw bei der Auftragsvergabe bemängelt.
Die Bundeswehr hatte 2017 den Auftrag für ein neues System Sturmgewehr mit bis zu 120.000 Waffen ausgeschrieben, nachdem die frühere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nach Berichten über heißgeschossene und verzogene Gewehre des Typs G36 die Suche nach einem Nachfolgemodell angeordnet hatte. Im September 2019 war, auch das etwas überraschend, Haenel mit dem MK556 als Sieger aus dieser Ausschreibung hervorgegangen. Allerdings war es zunächst wegen eines Patentstreits mit dem unterlegenen Konkurrenten und dann aufgrund der Neubewertung des Angebots der Suhler Firma nicht zu einer Auftragsvergabe gekommen.
(Archivbild Oktober 2019: Combined Joint Task Force‐Operation Inherent Resolve Deputy Commander, Maj. Gen. Gerald Strickland aims a HK416 Assault Rifle at Al Asad Air Base, Iraq – U.S. Army photo by Spc. Zachary Myers)
Das hat der Geschäftsführer von Haenel ja bereits vor geraumer Zeit bei S&T kommuniziert: „ Das Unternehmen rechnet damit, dass der Sachverhalt im März 2022 vor dem OLG verhandelt wird.“
https://soldat-und-technik.de/2021/08/bewaffnung/28062/sturmgewehrauftrag-c-g-haenel-kaempft-und-will-gewinnen/
[Allerdings nicht für jeden nachlesbar, und ich verlasse mich da gerne auf die offizielle Mitteilung des Gerichts. T.W.]
Will jemand Wetten abschließen wie oft wir uns noch über dieses Thema ärgern werden?
So sehr ich meine Bundeswehr „liebe“, so sehr wünsche ich ihr eine krachende juristische Niederlage vor dem Oberlandesgericht.
Lernen durch Schmerzen.
Warum?
Weil wir wieder einmal den falschen Schwerpunkt setzen. Kein vernünftiger Mensch braucht dieses gesamte Rüstungsprojekt und die überflüssigen juristischen Auseinandersetzungen.
@ Florian Staudte
Inzwischen gibt es bei fast jedem Rüstungsprojekt eine „juristische Auseinandersetzung“ – so eben auch hier. Und einen Ersatz für das G36 muss es schon geben, insofern warten wir es mal ab. Zeitkritisch ist das zum Glück nicht.
Das Verfahren und seine Entwicklung ist ein weiterer Beweis, das es bei der Bundeswehr niemals um die wirkliche Verteidigungsfähigkeit des Landes, die Bündnisfähigkeit, die Einsatzbereitschaft oder gar die Soldaten gehen würden.
Wenn diese Güter der Gesellschaft oder allem voran der Politik wirklich etwas Wert wären, wären die Gewehre nicht in den Gerichten Thema, sondern in der Ausbildung der Soldaten.
Mit fortlaufender Erfahrung muss ich leider Jahr um Jahr feststellen, das es sich bei der Bundeswehr mehr und mehr um einen Karriereverein zur Wirtschaftsförderung und Profilierung der Politik handelt.
Schade um die Menschen denen wir deshalb langfristig nicht helfen können / wollen und noch viel mehr um jene, die sich dabei aufreiben / verwundet / getötet werden.
Und technisch gesehen brauch die Truppe ein Gewehr, wo es nicht vorrangig um Zentimeter im Zielkreis geht (das kann das G36 entgegen aller Berichte in der richtigen Version auch schon mit „billiger“ Munition“), sondern um eine ausdauernde Waffe die im Hinblick auf Ergonomie , Erweiterbarkeit und Modularität, sodass sie mit den sich entwickelnden Systemen (wo die Richtung klar, aber der Weg strittig ist) auch verbunden und integriert eingesetzt werden kann. Denn wie früher auch schon gilt, es ist weniger wichtig womit ein Geschoss des Kalibers XYZ verschossen wird, als der Kontext in dem dies geschieht.
@ Voodoo
Grundsätzlich sind m.E. juristische Auseinandersetzungen Teil eines fast jeden Rüstprojektes. Im Fall des Nachfolgers des G36 ist es schon augenfällig, dass juristisch da der Wurm drin.
Nur mal zur Erinnerung:
Bei der P8 schafft es ein beachtlicher Teil der Soldatinnen und Soldaten nicht, mit hartem Abzug zu schießen. Es muss händisch vorgespannt werden, was wertvolle Zeit kostet, oder mit zwei Zeigefingern geschossen werden, was Einfluss auf die Genauigkeit hat. Das G36 war nie ein echtes Problem, viel eher die P8.
Wir werden sehen….
Alles in allem eine genau so erwartbare wie frustrierende Angelegenheit.
Vieles daran habe ich nicht verstanden – begonnen mit der Kritik am G36 im ersten Schritt. Aus meiner Warte erfüllt das G36 die Standardaufgabe – nämlich der Langwaffe für den Durchschnittsoldaten problemlos.
Die Waffe ist leicht zu handhaben, ausreichend präzise, verschießt das NATO Standardkaliber und ist in großen Mengen vorhanden.
Nun ist es durchaus so, dass bestimmte Einsatzszenarien oder spezialisierte Verbände, meinetwegen kann man hier sogar zwischen Kampf- und Kampfunterstützern (wobei das in AFG bsp. ehr schwierig war) unterscheiden, Waffen benötigen die präziser, robuster, modularer etc. sind.
Nur, dann sollte man Waffen für die beschaffen. Nicht wieder für den ganzen Verein.
Oder wird der Gefreite Dosenkohl und sein alter Kollege Schütze A. im letzten Loch durch den Wechsel von G36 auf HK416 (oder 417, oder meintewegen auch auf MK556) in der Eigenschutzfähigkeit so wahnsinnig aufgewertet? (Wenn wir das Szenario der Landes- und Bündnisverteidigung ansetzen und die genannten KameradInnen ihren Wartungspunkt, die Tankstelle, den Munumschlagsplatz etc. betreiben).
Aus meiner Sicht haben wir hier einen, durch politischen Aktivismus gestarteten, bürokratischen Wust an dessen Ende kein Fähigkeitsgewinn in einem Umfang steht der dies alles irgendwie sinnvoll erscheinen lassen würde.
Sehen wir es positiv:
Die „juristische Auseinandersetzung“ muss man mittlerweile immer einpreisen – sowohl finaziell, als auch im Zeithorizont.
Allerdings sehe ich hier keinerlei „MInderung der Kampfkraft“, denn die benannten Mängel am G36 sind ja eher wissenschaftlich-theoretischer Natur und haben wenig mit den Erfahrungen unserer Soldaten (m/w/d) im Gefecht oder im täglichen Umgang.
Hier gibt uns das Schickal die Möglichkeit, es bei der nächsten Beschaffung besser und realitätsnäher zu machen.
(Jede andere Sichweise führt nur zu Schmerzen an der Stirn und Depressionen….)
Vielleicht sollte man die beiden Kontrahenten auffordern das neue Sturmgewehr zusammen zu fertigen (beide Unternehmen produzieren Teile, vermutlich sind nur geringe Anpassungen erforderlich um z.B. einen HK Upper mit einem Haenel Lower zusammen zu einem Gewehr zusammenzusetzen) mit der Auflage die Lieferung im ursprünglich angestrebten Lieferzeitaum sicherzustellen.
Wenn die beiden meinen sich weiter vor Gericht zu Lasten der Soldaten der Bundeswehr streiten zu müssen, sollte man keinem der beiden Unternehmen den Auftrag zur Lieferung des künftigen Sturmgewehrs geben.
Die Frage, ob rechtsstaatliche Vergabe-Prozesse die Verteidigungsfähigkeit eines Landes schwächen, soll und darf ja nicht auf den Tisch gebracht werden. Diktaturen scheinen da im Vorteil zu sein. Es fällt jedoch auf, dass die Anzahl der Rüstungsskandale und der juristischen Auseinandersetzungen seit 1990 hierzulande in der öffentlichen wahrnehmung zugenommen haben. Die Rüstungsskandale der 1960er und 1970er („Vor“-Spiegel Affäre, Starfighter Affäre, etc.) waren anders geartet…da ging es nie darum Rüstungsaufträge vor Gericht auszufechten, da ging es z.B. um politische Skandale und fehlerhafte Beschaffungen, die Leben kosteten (Starfighter). oder um technische Fehlkäufe (SchPz kurz) .Wenn Ausschreibungen juristisch so eindeutig formuliert sind, wie sie es sein sollten, und Patente insbesondere VOR Einladung der Teilnehmer zum Wettbewerb geklärt sein MÜSSEN, dann dürfte es nie irgendwelche Prozesse nach Ende eines Auswahlverfahrens geben…es gewinnt der, der nach den vom BAAINBW festgelegten Kriterien (welche das dann auch immer sind) nach der Prüfung der Unterlagen oder Vergleichsphasen der Truppe unter Berücksichtigung des finanziellen Angebotes (Spardsamkeitsgebot) der Beste ist…Ende.
Offensichtlich fehlt es aber den Sachbearbeitern im BV-Ministerium an jursitischer oder sonstiger fachlicher Kompetenz oder Willen, genau diese von mir erwähnten eindeutigen Vorgaben und Vorarbeiten ordnungsgemäß VORAB auszuführen. Dass ein bewilligtes Projekt technisch finanziell hinterher hinkt oder teuerer wird ist etwas anderes, kann eingeschränkt aber auch durch klare Vertragsregelungen und Schadenersatzklauseln verhindert werden. (letztere werden aber die lokalen Politiker zu verhindern wissen, deren Firmen in Ihrem Wahlkreis liegen…) Es bleibt aber, was den Willen zur Kampferhaltung der BW betrifft, festzustellen,daß sich der Eindruck aufdrängt, dass alles , was z.B. per „Foreign sale von der Stange“ in den USA bestellt wird, aktuell sehr reibungslos läuft…wenn eben keine EU Arbeitsplätze die Arbeit erledigen sollen (P8, C-130J)
Im Übrigen spielt es beim G36 Ersatz noch eine Rolle, dass sich beim Produkt selbst sich bei beiden Herstellern, nach meiner Meinung, in so gut wie keinem entscheidenden Punkt ein großartger Leistungsunterschied darstellen ließ…gefochten wird daher um sinnlose Spitzfindigkeiten, worüber sich ein G36 der letzten Generation (Litauen z.B.) durchaus lustig machen würde….Denn das ist, was Anbauteile und Schienen, Optikfähigkeit etc. betrifft, durchaus noch gut und bewährt. Und das bereits eingeführte HK416A5 der Spezialkräfte hätte unbürokratisch ebenso ohne Neuausschreibung einfach zum BW Standard erklärt werden können…ohne weiter Ausschreibungsorgie.
Es fehlt mal wieder der politische Wille, sofortige Ausrüstungsfähigkeit (das ist es, was die Soldatinnen und soldaten benötigen !) vor politischem Gerangel zu setzen.
Mangelt es hier konkret dem BAAINBW an fähigen Juristen, um ihren hochbezahlten Kolleginnen und Kollegen der Konzerne adequat im Ausschriebungs-Vertragspoker entgegen zu stehen, um nachträglich derartige Rechtsorgien unmöglich zu machen ?
Finde es immer wieder bemerkenswert wie hartnäckig sich hier die Legende hält, das G36 wäre fehlerfrei, die bekannten Probleme nur wissenschaftlich-theoretischer Natur (als wäre eine wissenschaftlich genaue Betrachtung etwas ungenaues, schlechtes) und „die Truppe“ hätte nie negatives erlebt. Ich habe in der Truppe vor allem erlebt, das die Masse das Problem garnicht versteht (mir scheint die Masse unser jungen Fw ist heuer schon überfordert, wenn sie die Visiermarken im Zielfernrohr des G36 erklären sollen). Aber ja, beim IGF Schiessen trifft man meist, dann muss das Gewehr toll sein…
Gelle, GolfEch83 und Bow.
Ansonsten ist die Ablösung des G36 überfällig, auch wenn es mit seinem Plastik-Gehäuse keine grundlegende Fehlkonstruktion wäre.
Es kann nämlich in der in Mehrzahl in der Truppe vorhandenen Version weder moderne Anbauteile aufnehmen (Diese haben NATO-standarisierte Schnittstellen zur Montage, das G36 aber eben nicht das entsprechende Gegenstück) noch ist es anatomisch ausreichend an den Schützen anpassbar.
Und mit zeitgemäßen Modifikationen (die knapp 2/3 eines neuen Gewehr kosten, das Gewehr bei den am meisten belasteten Teilen aber nicht neu macht) wird es vergleichsweise schwer.
Das eine ganze Reihe G36 von der Schussbelastung an das Ende ihrer Nutzbarkeit kommen, kommt noch dazu.
Klar kann man Totgeweihte künstlich am Leben halten, das ist dann wie „schneller, billiger Werftaufenthalt der Gorch Fock“ oder extra große Hangars für den Eurohawk in Jagel, bloss etwas günstiger…
@PJ sagt: 11.11.2021 um 13:38 Uhr
Wenn Sie den Artikel des Hausherrn gelesen hätten, dann wüssten Sie, das Haenel gegen das BAAINBw klagt wegen Ausschluß von der Ausschreibung.
@Pio-Fritz
für das konkrete Verfahren ist das richtig.
Unabhängig davon klagen die beiden Unternehmen auch untereinander zum Sturmgewehr.
@FlaOffz sagt: 11.11.2021 um 16:05 Uhr
+1
@PJ
Ja, dann lassen Sie die beiden Firmen doch untereinander verklagen, bis der Arzt kommt. Das braucht die Bundeswehr als Kunden nicht so wirklich interessieren. Da geht es um zivilrechtliche Ansprüche wegen angeblicher Patentrechtsverletzungen.
@ FlaOffz
Wahrscheinlich kann niemand von uns genau überblicken, was wirklich technisch das Problem beim G36 gewesen sein soll.
Wenn aber alles in der Bundeswehr die Qualität des G36 hätte, dann würde ich mir keine Sorgen mehr machen.
Wenn die spanische Infanterie und die französische Gendarmerie beispielsweise das G36 aus Deutschland kaufen, dann kann es nicht die schlechteste Waffe in Europa sein.
Vielleicht sucht ja ein neuer Verteidigungsminister das Gespräch mit beiden Unternehmen und es gibt eine außergerichtliche Lösung.
@FlaOffz; 111605anov21
Müssen solche generellen Seitenhiebe denn sein?
Ich hoffe sie haben im Rahmen ihrer Dienstaufsicht gehandelt…
Mangel erkannt- Mangel angesprochen-Mangel abgestellt und natürlich im Rahmen ihrer Dienstaufsichtspflicht, die Umsetzung ihrer Befehle zur Abstellung von „Ausbildungsmängeln“ kontrolliert!
Sehen wir es doch mal von der positiven Seite. Bis die endgültige Entscheidung nach der letzten Instanz im Frühjahr 2024 gefallen ist, ist hoffentlich auch klar wie die neue Struktur aussieht. Ggf brauchen wir dann mal 30000 Gewehre weniger.
@Der_Picard:
Kurze Antwort: Ja.
Lange Antwort: Man verdient in der freien Wirtschaft als Anwalt mit Vergaberechtserfahrung in der Tat deutlich mehr, kriegt weniger Prügel, wenn mal was nicht geklappt hat, und lebt auch an sonsten in aller Regel sorgenfreier, denn es laufen weniger Leute rum, die ihre politischen Vorstellungen im Rahmen von Rüstungsbeschaffungen verwirklicht sehen wollen. Folge: Warum sollte Juristennachwuchs, der auch nur halbwegs Ahnung von Vergaberecht hat, oder sich dafür interessiert, freiwillig zum BAAINBw gehen?
Es ist zwar durchaus anspruchsvoll, aber an sich kein Hexenwerk, eine Vergabe rechtssicher zu gestalten, wenn der Bedarf klar feststeht… aber die Tatsache, dass die Vergabekammern des Bundes und der Länder generell gut zu tun haben, und häufig Vergaberechtsverstöße feststellen, zeigen, dass der öffentliche Dienst insgesamt naturgemäß aufgrund standardisierter Bezahlung augenscheinlich nicht die Topjuristen abgreift, und selbst solide Arbeit mitunter auf politischen Druck hin ruiniert wird. Hinzu kommt, dass Vergabestellen in den Kommunen mitunter auch gar nicht mit Juristen besetzt sind. Das Tagesgeschäft erledigen dort Verwaltungsangestellte. Die stecken dafür aber in der Regel in dem Nischenrechtsgebiet durchaus tief drin, wenn sie gut sind.
@Pio-Fritz:
Leider ist das nicht so einfach. Weil die Bundeswehr den Auftrag öffentlich ausschreibt, ist sie an das Vergaberecht grundsätzlich dann auch gebunden. Und es gibt vergaberechtliche Anforderungen an die Eignung von Bietern und die Beschaffenheit der Angebote.
Vorliegend geht es vor allem darum, dass Bieter in öffentlichen Verfahren standardmäßig eine schriftliche Erklärung abgeben müssen, dass die von Ihnen angebotenen Produkte frei von Rechten und Ansprüchen Dritter sind.
Wird eine solche Erklärung nicht abgegeben, oder bestehen ernstliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer abgegebenen solchen Erklärungen, wäre es nicht nur töricht, sondern rechtswidrig, dies zu ignorieren, und den Zuschlag einem solchen Bieter zu erteilen. Alle anderen Bieter haben nämlich einen Anspruch darauf, dass Bieter, die die Anforderungen nicht sicher erfüllen, oder in ihren Eigenerklärungen stumpf die Unwahrheit erklären, entweder ausgeschlossen werden (falls das in der Vergabe oder gesetzlich so vorgesehen ist), bzw. dass die Vergabestelle dies zumindest ernstlich prüft (sog. Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung), sofern ein Ausschluss fakultativ, also nur rechtlich zulässig wäre.
Die Patentstreitigkeiten unmittelbar zwischen HuK und Haenel sind folglich mittelbar durchaus von Bedeutung, wenn es um den Zuschlag bei öffentlichen Aufträgen geht.
@ Florian Staudte
Da möchte ich widersprechen – die technischen Probleme inkl. der Auszüge aus den Untersuchungen wurden hier auf AG! durch den Hausherren kontinuierlich veröffentlicht und wurden zudem in diversen Foren (und auch hier durch eingeweihte Leser) besprochen. Man kann sich also schon eine weitergehende Meinung zum Gewehr bilden, wenn man denn möchte. Zudem haben Sie durch den Hinweis auf den rasanten Fortschritt in Bezug auf Anbauteile bereits ein gewichtiges Argument gegen das querschnittlich in der Bw verwendete G36 bekommen.
Ergo – muss das G36 ersetzt werden? Ja. Haben wir denn keine größeren Probleme bei den Handwaffe? Doch haben wir, z.B. unbedingt die von Ihnen genannte P8, die fast am Ende ihrer Lebenszeit angelangt ist. Ist die juristische Auseinandersetzung nun also eine Katastrophe? Nein, weil das Thema eben nicht zeitkritisch ist.
Übrigens: Sollte man mit den Gedanken spielen, den unterlegenen Bietern zukünftig die Chance auf einen Einspruch bzw. den Rechtsweg verwehrt, dann wird man über kurz oder lang keine (vergleichenden) Angebote bekommen, so dass der einzige Anbieter den Preis diktieren könnte. Wir sind nicht in einer Kriegswirtschaft…
@FlaOffz:
Ich habe nie gesagt das man mit dem G36 toll trifft oder gar das es fehlerfrei wäre.
Ich neige dazu Waffen sehr unromantisch zu bewerten – das gilt auch für die Firmen die sie herstellen. Ich kam mit dem G3 zurecht, auch mit dem G36. Aber auch mit dem M16. Meine Schießleistungen waren mit allen dreien ungefähr gleich. Egal ob Reflexschießen oder der gute alte Fummelschuss auf x Meter. Jede Waffe aht vor und Nachteile und die sollte man einfach bewerten und danach entscheiden.
An jeder Waffe kann ich was kritisieren – aber es geht doch immer um den Zweck den diese erfüllen soll. Was das angeht bleibe ich auch bei meinem Punkt: in wie fern erhöht ein kompletter Wechsel von G36 auf Nachfolgemodell „Sturmgewehr X“ die Eigenschutzfähigkeit der Truppe signifikant?
Das Kampftruppe, spezialisierte Verbände etc. gegebenenfalls eine andere Form der Bewaffnung benötigen: außer Frage.
Wenn Sie den Eindruck haben das die „Masse der jungen FW heuer überfordert ist die Visiermarken zu erklären“ – dann ist das, egal wie man es dreht oder wendet wohl weniger das Problem der Waffe als derer die da dran ausgebildet wurden.
Verstehen Sie mich bitte richtig: natürlich sind die G36er in der Truppe zumeist am Ende ihres Lebenszyklusses angekommen. Mir geht es nur darum das die Waffe als solche nicht schlecht ist. Für die Anforderungen für die sie gedacht war. Und auch für die Verwendung in den klassischen Trossbereichen.
Ja, sie hat keine Standardaufnahmeschienen. Aber das ist irgendwie auch keine Kritik am G36 direkt.
@FlaOffz:
Mit Blick auf die seinerzeit ausgeschriebenen Eigenschaften ist es mängelfrei. Punkt. Das wurde auch schon gerichtlich festgestellt und ist folglich keine „Legende“ oder sonstwie was.
Wenn sich im Nachhinein bei einer Beschaffung die Anforderungen an das Produkt ändern, ist das nicht die Schuld des Herstellers, der das liefert, was konkret seinerzeit bestellt wurde.
@ Voodoo
Es ist zweifelsfrei erforderlich, einige G36 aufgrund der erreichten Grenze der Lebensdauer oder Belastung auszutauschen. Das ist nicht außergewöhnlich.
Ich hätte mir aber auch vorstellen können, dass man das G36 technisch weiterentwickelt. Viele andere Waffensysteme wurden auch erfolgreich weiterentwickelt.
@Metallkopf sagt: 12.11.2021 um 8:32 Uhr
„Wird eine solche Erklärung nicht abgegeben, oder bestehen ernstliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer abgegebenen solchen Erklärungen, wäre es nicht nur töricht, sondern rechtswidrig, dies zu ignorieren, und den Zuschlag einem solchen Bieter zu erteilen.“
Nach der Auffassung von Haenel ist ihr Produkt ja frei von Rechten und Ansprüchen Dritter, Heckler&Koch sieht das natürlich gegenteilig. Und jetzt soll der Referent im BAAINBw das Urteil des Gerichts vorneweg nehmen? Was passiert, wenn Haenel tatsächlich recht bekommt? Dann klagen die auch noch mit Aussicht auf Erfolg. Zudem wäre das eine ziemlich billige Masche, die Konkurrenz im Bieterverfahren aus dem Weg zu räumen. Das wäre wirklich fatal.
@GolfEch83
„Ja, sie hat keine Standardaufnahmeschienen. Aber das ist irgendwie auch keine Kritik am G36 direkt.“
„Ich neige dazu Waffen sehr unromantisch zu bewerten“
Die beiden Aussagen passen aber nicht so gut zusammen.
Wenn man es unromantisch beschreibt ist das G36 nicht so modular wie es heutzutage sein sollte. Wenn man es umrüstet dass es fast so modular ist ist es zu schwer. Dazu ist das Verhältnis Rohrlänge zu Gesamtlänge ungünstig.
Romantisiert kann man dann sagen, dass das ja an sich nicht die Schuld des G36 ist. Es in seiner zeit eine wegweisende Waffe war. Vor dem Hintergrund was die Unterschiede bei Handwaffen in den letzten 40 Jahren ausmachen verschwindend gering ist. Und man auch heute noch damit Arbeiten kann und eine Verbesserung der Handwaffen dann erst im großen Vaterländischen Krieg über die Masse statistisch relevante Vorteile hätte.
Im Ergebnis ist das G36 sowie wie die P8 noch viel mehr nicht mehr Zeitgemäß. Macht ein Jahr da einen großen unterschied? Nein da haben wir größere Baustellen. Sollte so ein simples Vorhaben so problematisch sein? Nein sichern icht.
@Florian Staudte: Die Bundeswehr macht keine Beschaffungen, das ist im Beritt des Verteidigungsministeriums und dem ihm nachgeordneten BAAinBw und dann weiter in Verantwortung des Bundestages über die Geldmittel zu entscheiden. Die Bundeswehr schreibt nur einen Anforderungskatalog, was sie gerne für ein Gerät hätte mit Fähigkeiten A, B und C. Okay, da kann die Bundewsehr auch mal Murks schreiben mit überzogenen Wünschen. Eine Neubeschaffung von Sturmgewehren ist aber nötig, weil die im Bestand befindlichen G36 das Ende ihrer geplanten Lebensdauer bereits bei en ersten Baulosen überschritten haben. Also entweder neu gebaute G36 oder eben etwas Anderes, Neues, daß den geänderten Anforderungen gerecht wird. Und nach einem Vierteljahrhundert haben sie sich geändert offenbar. Neue und mehr Anbaugeräte, bessere ZF sind gewünscht. Das wird zwar teilweise auch an G36 angebaut, aber das ist alles eine Bastelei mit Kompromissen.
—————————————————–
@JP alle anderen Projekte des Staates in Deutschland laufen genauso vermurkst. Muss man ja nur mal einen bekannten Flughafen in Brandenburg erwähnen. Viel zu teuer, viel zu spät und funktioniert auch nicht besonders gut und war bereits veraltet bei Einweihung. Klingt wie die durchschnittliche Verteidigungsbeschaffung, oder?
Metallkopf 12.11.2021 um 10:31 Uhr:
Natürlich haben Sie Recht. Mängelfrei im Bezug auf den Liefervertrag ist das G36.
Oder anders erklärt:
Wenn Volkswagen der weltweit. einzige Hersteller ist, bei dem bei 140 km/h in Linkskurven das Fahrzeug unkontrollierbar wird, der Kunde diese Eigenschaft im Rahmen der Bestellung/Kaufvertrag aber nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat und im Rahmen der Probefahrt eben auch keine Linkskurven mit hoher Geschwindigkeit gefahren ist, dann hat der Kunde genau das bekommen was er bestellt hat. Das ist Vertragsrecht, und nur das hat das Gericht in Düsseldorf betrachtet.
Blöd in dem Zusammenhang auch wenn der Kunde den Mangel erst nach über fünfzehnjähriger Nutzung anzeigt.
Ob Sie selber ohne Bedenken mit dem VW zukünftig fahren würden ist eine andere Sache. Oder Ihrem 18jährigen Sohn ohne schlechtes Gefühl die Schlüssel in die Hand drücken würden.
Sie können sich natürlich einreden, dass man eben zum Schnellfahren eh besser eh einen Ferrari nehmen sollte und der VW nunmal keiner ist und das ja jeder weiß (die beliebte MG-Einsatzargumentation die ausblendet das das G36 wandert und zunehmend streut auch wenn man es garnicht vorher heissgeschossen wurde) und solange man mit ein VW immer schön langsam fährt ist er dann auch fehlerfrei und man braucht kein anderes Auto…
@GolfEch83 12.11.2021 um 9:25 Uhr:
Mal ab von der Tatsache, dass Sie scheinbar eine sehr historische Sichtweise des Gefechts haben und wo da der „Troß“ (wer ist das, Marketender einschließlich Prostituierten, vielleicht die HIL?) wie kämpfen muss, halte ich es für durchaus problematisch dem „Troß“ oder der Reserve ein Gewehr in die Hand zu drücken, das unter bestimmten Bedingungen nicht funktioniert bzw. ein gezieltes bekämpfen eines Gegners unmöglich macht.
Man kann natürlich einfach auch zusätzliche Verluste in Kauf nehmen, insbesondere wenn man sich einredet, das die Bedingungen eh eher selten eintreten, beim „Tross“ noch seltener.
Mit anderen Worten, ja ein fehlerfreies Gewehr erhöht die Wirkung der eigenen Truppe und damit indirekt auch den Eigenschutz.
Und:
Die Neubeschaffung von über 100.000 neuen Sturmgewehren für die nächsten 10 bis 20 Jahre „kostet“ die Bw weniger, als die Uniformbereitstellung ihrer 180.000 Mitarbeiter durch Bw-Bekleidung für die nächsten 4-5 Jahre.
Im Vergleich zu anderen Rüstungsprojekten geradezu Peanuts.
Da mit wir müssen sparen, schlecht ist gut genug für den „Troß“ zu kommen ist schon reichlich zynisch.
@FlaOffz sagt: 12.11.2021 um 16:03 Uhr
So sehr ich Ihnen fachlich bei Ihren letzten Aussagen zur Notwendigkeit der Erneuerung beipflichte, bei der Frage des Trosses stimme ich @GolfEch83 zu.
Nicht jeder in den Streitkräften benötigt zwingend das gleiche Gewehr.
Wenn man bei der Neubeschaffung die Zahlen klein halten wollte (!) könnte man mEn sehr wohl begründen, warum Führungsunterstützer, Stabsdienst, und alle nicht direkt gefechtsnahen Kampfunterstützer ein einfach zu bedienendes und bewährtes Gewehr wie das G36 noch für 10-15 Jahre behalten.
Das muss nicht so sein. Kann aber.
Wenn man die logistischen und ausbildungsorganisationstechnischen Preisschilder nicht den Kostenvorteil in der BEschaffung wieder zerschießen.
Sicherlich ist die pragmatische Sichtweise die differenzierten Anforderungen der Benutzer eines Gewehres gemäß ihrer Truppengattung und ihrer Bedürfnisse mit ins finanzielle Kalkül zu ziehen nachvollziehbar.
Aber in Anbetracht des veranschlagten Gesamtvolumens dieses Beschaffungsvorhabens im Vergleich zu den Kosten anderer Vorhaben oder Sanierungen der Vergangenheit wäre eine Uniformität aller Soldaten bei diesem Thema schon wünschenswert und finanzierbar. Auch wenn natürlich Unterschiede im Bezug zur Häufigkeit und Intensität der Anwendung bestehen.
Aber als vormaliger Infanterist und sich nun in einer anderen Verwendung Befindlicher fände ich es schon noch ganz gut nicht als Soldat zweiter Klasse ausgerüstet zu werden. Die Einheiten mit höherem Bedarf sollten bzgl der Ausstattung natürlich Priorität haben. In Sachen Zulauf und Schulung sowieso. Die ganze Sache hat natürlich eine ganz emotionale Komponente für alle Soldaten, die es eigentlich auszublenden gilt.
@Koffer sagt: 12.11.2021 um 18:47 Uhr
„Wenn man bei der Neubeschaffung die Zahlen klein halten wollte (!) könnte man mEn sehr wohl begründen, warum Führungsunterstützer, Stabsdienst, und alle nicht direkt gefechtsnahen Kampfunterstützer ein einfach zu bedienendes und bewährtes Gewehr wie das G36 noch für 10-15 Jahre behalten.“
das wäre ja bei dem doch recht überschaubaren Volumen Beschaffung àla McGeiz :-).
Es soll ja auch wieder eine Reserve geben, die den Namen auch zu recht trägt. Dafür wäre eigenes material von Nöten. Da wären die noch brauchbaren G36 gut untergebracht. Einfaches Handling, keine extremen Klimabedingungen und erwartbar kein Auslandseinsatz. Trifft die damaligen Anforderungen an die Waffe nahezu perfekt.
Und die aktiven Truppenteile müssen zumindest Waffen nicht mehr abgeben. Vielleicht kommt man doch da hin, das jeder Soldat seine auf ihn eingeschossene Waffe hat. Es wäre wünschenswert und die Bettelei der (z.Zt. einzig aktiven Reserve) RSU-Kompanien hätte endlich ein Ende.
Und „Lebenszyklus einer Waffe“ wird wohl außerhalb Europas anders gesehen, wenn ich mir mal die Waffen der Taliban oder der afrikanischen Gruppen so ansehe.
@Pio-Fritz sagt: 13.11.2021 um 17:02 Uhr
„Es soll ja auch wieder eine Reserve geben, die den Namen auch zu recht trägt. Dafür wäre eigenes material von Nöten. Da wären die noch brauchbaren G36 gut untergebracht. Einfaches Handling, keine extremen Klimabedingungen und erwartbar kein Auslandseinsatz. Trifft die damaligen Anforderungen an die Waffe nahezu perfekt.“
Gutes Argument. So haben wir es ja auch fast 15 Jahre lange mit dem G3 gemacht. Obwohl das G36 ja bereits schrittweise in den 90er eingeführt wurde, habe ich noch 2010 (als wir einen Engpass an 5,56 Mun hatten) aus dem Depot G36 angefordert um meinen Kompanie-TrÜbPl-Aufenthalt nicht absagen zu müssen.
Solange waren die Waffen noch vorhanden. So wird man das auch mit dem G36 machen können…
@FlaOffz: Ein Gericht entscheidet darüber, was eine Partei vorgetragen und bewiesen hat. Wenn ein Produkt nach der Probefahrt verändert wurde und sie können die Änderung nicht beweisen, wenn sich das Produkt nicht wie getestet verhält, hat der Lieferant gewonnen.
Zur Erinnerung, es gab drei Probleme mit der Waffe. Eins im Zusammenhang mit der Munition, das ist behoben. Zwei im Zusammenhang mit Wärme. Eins betrifft die heiß geschossene Waffe, das andere die unsymmetrische Erwärmung wenn die Waffe in der Sonne liegt.
Womit hängt die Präzision zusammen? Das Rohr ist ein schwingfähiges System, mit federnden und dämpfenden Materialeigenschaften. Verändern sich diese Eigenschaften ändert sich auch das Schwingverhalten. Die Waffe streut anders oder bei asymmetrischen Änderungen entsteht eine Ablage.
Ohne eine Änderung der Waffe bleiben diese beiden Probleme. Wenn die Waffe, für wen auch immer, behalten wird, sollte man dafür eine Lösung finden.
@ Q
Well done!
Auch bei jeder anderen Waffe werden wir die Physik und die Metallurgie nicht austricksen können.
Vielleicht kann man auch ganz einfach in der Ausbildung darauf hinweisen, dass es nicht hilfreich ist, eine Waffe in den Wüstensand von Gao (Mali) in der Mittagshitze zu legen, um dann hochpräzise Trefferquoten zu erwarten. Schon eine einfache Stoffabdeckung wird hier helfen können.
Nach meiner Bewertung ist das gesamte Beschaffungsvorhaben fragwürdig, extrem konstruiert, ……. komplett sinnlos. Politischer Aktionismus, um von anderen Problemen ablenken zu wollen.
@ all
Wann sollte denn das G36 nach der ursprünglichen Planung mal durch ein neues Sturmgewehr ersetzt werden? 2035?
@Q sagt: 14.11.2021 um 8:11 Uhr
„Ohne eine Änderung der Waffe bleiben diese beiden Probleme. Wenn die Waffe, für wen auch immer, behalten wird, sollte man dafür eine Lösung finden.“
Nur wenn diese Probleme auch signifikante Folgen für den Personenkreis verursacht, der sie verwendet.
Für die allermeisten Aufgaben in der Führungsunterstützung und der gefechtsfernen Kampfunterstützung sowie für den Heimatschutz dürften die beiden von Ihnen beschriebenen verbleibenden „Probleme“ für einige Jahre hinnehmbar sein.
Koffer :13.11.2021 um 20:18 Uhr
„…2010 (als wir einen Engpass an 5,56 Mun hatten) aus dem Depot G36…“
Sie meinten wohl das G3.
@ Florian Staudte
Die Nutzungsdauer des G36 wurde im Zuge der ursprünglichen Planung (Mitte der 1990er) auf zwanzig Jahre festgesetzt und lief um 2016 ab. Auch dies (hier) wurde bereits mehrfach angesprochen, scheint nur leider immer wieder unterzugehen…
Auch scheinen Sie die Komplexität des Problems noch immer nicht erkannt zu haben, sonst würden Sie nicht mit Stoffabdeckungen anfangen; bitte machen Sie sich einfach die Mühe und lesen sich zum Sachverhalt ein, hier vom Hausherren sogar oben verlinkt. Viel Meinung ist nicht gleichbedeutend mit viel Ahnung, zumal gerade bei AG! in nunmehr sechs Jahren auch Leute mit Einblick und Sachverstand dazu kommentierten.
@FlaOffz:
Der Vergleich mit den Autos geht m.E. etwas fehl, aber wer mit dem Golf von der Stange nun plötzlich die 24h von Le Mans fahren will, erwartet hoffentlich auch nicht, dass das Auto das ohne Murren mitmacht.
Die in AFG festgestellten Probleme wären mit etwas Redesign doch grundsätzlich beherrschbar gewesen. Ein kannelierter, etwas schwererer Lauf, eine überarbeitete Polymermischung bei der Bettung der schießenden Komponenten und in der Zieloptik und feddich… Wollte man aber nicht.
Die Klage gegen HuK war ein aus politischer Hilflosigkeit geborener Spasmus, sich von dem potenziellen Vorwurf reinzuwaschen, die eigene Truppe womöglich mit inadäquatem Material (für den konkreten Auftrag) nach AFG geschickt zu haben. Dafür musste dann der Hersteller als Prügelknecht unter den Bus geworfen werden – was aber schon erkennbar im Ansatz zum Scheitern verurteilt war. Wenn überhaupt klar (weil nicht nach politischen Vorgaben) denkende Juristen aus dem Verteidigungsressort im Vorfeld dieser Nullnummer beteiligt waren, dann wurden deren sicherlich ohrenbetäubende Bedenken hinsichtlich des Prozeßrisikos schlicht ignoriert.
Es hätte natürlich auch noch eine andere Lösung gegeben, die wäre aber als „Rückschritt zu veraltetem Gerät“ politisch nicht positiv öffentlichkeitswirksam zu vermarkten gewesen: Alle (Kampf-)Truppen in Afghanistan mit G3A3 und entsprechender Munition ausstatten. In den Depots liegen ja angeblich immer noch mehrere Hunderttausend Stück davon. Das einzige Problem dabei wären zeitgemäße Zieloptiken gewesen. Den Gewehren selbst traue ich die Eignung für einen Einsatz in Afghanistan oder ähnlicher Umgebung dreimal zu.
Inzwischen alles Makulatur. Sei’s drum. Was immer nun beschafft werden wird, vermutlich wird es auch darüber in den Jahren ab der Einführung hier wieder lange Diskussionen für und wider geben. So wie es immer ist.
Ach übrigens: Die eigentliche Waffe für Etappe & Co. sollte doch die MP7 werden. Jetzt soll das G36 nach Meinung einiger Kommentatoren den nicht unmittelbar infanteristisch kämpfenden Truppen zuteil werden? Lustig.
Ich finde, das G36 kann mit entsprechender Nachbeschaffung von entsprechend ertüchtigten Modellen durchaus weiterhin die grundlegende infanteristische Fähigkeit sichern. Das Scheitern des aktuellen Vergabeverfahrens sollte man in Koblenz als Wink mit dem Zaunpfahl betrachten – und als Chance, etwas wirklich Zukunftsfähiges auszuschreiben. Muss ja nicht gleich die Wiederauferstehung des G11 sein…
Das mit den 20 Jahren Nutzungsdauer scheint aber den Verantwortlichen irgendwie entfallen zu sein. Sonst hätte man vmtl. spätestens 2010 eine Ausschreibung veröffentlichen müssen, um 2015 /16 das neue Gewehr auf dem Hof zu haben. Und ein bisschen zeitlichen Vorlauf, um sich Gedanken zu machen, was die neue Waffe alles so können soll, hätte man ja auch noch gebraucht. Gibt es für die veranschlagte Nutzungsdauer von 20 Jahren eigentlich eine belastbare Quelle? Irgend was schriftliches? Statt zu sagen „Die Zeiten haben sich geändert und ebenso die Anforderungen an ein modernes Sturmgewehr und deswegen brauchen wir ein neues Modell!“ hat man überhastet das G36 zum Alteisen erklärt, um so an ein neues Gewehr zu kommen. Hätte alles nicht sein müssen. Litauen hat erst wieder welche gekauft.
@0815 sagt: 14.11.2021 um 16:59 Uhr
„Koffer :13.11.2021 um 20:18 Uhr
„…2010 (als wir einen Engpass an 5,56 Mun hatten) aus dem Depot G36…“
Sie meinten wohl das G3.“
Richtig! Danke.
@Voodoo:
Das ist doch immer eine bei der Beschaffung quasi willkürlich gegriffene Zahl. Entscheidend ist, wie lange am Ende tatsächlich genutzt wird bzw. werden kann. Beispiele dafür gibt’s genügend. F-4F, Tornado, FFOB/ZB, SEM.
Was mich überrascht, ist, dass diese für die Truppe intern verkündeten Beschaffungswiedervorlagen (denn um solche handelt es sich ja effektiv) immer wieder für ungläubiges Erstaunen sorgen, wenn die Zeit rumkommt. Heiligabend ist bekanntlich auch jedes Jahr völlig überraschend am 24. Dezember(!)
Es scheint offensichtlich entweder keine Mechanismen in der Verwaltung gegeben zu haben, die rechtzeitig ein Ersatzprodukt bedarfsmäßig konzipiert, ausgeschrieben und für die Beschaffungsentscheidung vorbereitet haben, damit ab 2016 die Ablösung mit Zulauf der neuen Gewehre beginnen kann. Oder aber es gab diese Mechanismen durchaus, aber sie wurden politisch bewusst ausgebremst – und sei es durch personelle Mangelausstattung der mit diesen Aufträgen ausgestatteten Dienststellen unter Inkaufnahme von Beschaffungschaos.
Beim Fußball begreift selbst der Dümmste, was gemeint ist wenn der Trainer sagt „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!“. Bei der Rüstungsbeschaffung sollte eigentlich auch klar sein, dass das aktuell im Zulauf befindliche Gerät perspektivisch auch evaluiert sowie dereinst durch ein Nachfolgesystem ersetzt, modernisiert oder für längere Stehzeiten ertüchtigt oder nachbeschafft werden muss – und dass man damit am Besten nicht erst anfängt, wenn das Ende der Nutzungsdauer um die Ecke kommt…
Der Hausherr veröffentlichte im November 2013, also vor ziemlich exakt acht Jahren diesen Beitrag: https://augengeradeaus.net/2013/11/g36-das-baainbw-protokoll/ . Wenn das BAAINBw bereits damals – drei Jahre vor Ende der beabsichtigten Nutzungsdauer – zum Schluss kam:
Besonders interessant dort auch die „abweichende Meinung“, zur Ertüchtigung des Systems, der enorm viel Raum geboten wurde. Auch die unten fachlich geführte Diskussion ist sehr lesenswert.
Aber mal abgesehen davon, dass man bei 20 Jahren vielleicht auch schon vorher auf den Gedanken kommen könnte, dass eine Waffe mal auch in Bezug auf „intensive Gefechtsführung“ zu evaluieren sein könnte: Was ist in den acht Jahren seither eigentlich passiert? Und wieviel Verzögerung geht auf den Nacken dieses unsäglichen Verfahrens, dass man gegen HuK meinte anstrengen zu müssen?
@ Dirk Wege
Die Nutzungsdauer findet sich, neben dem Beitrag vom Hausherren zum BAAINBw-Protokoll“ (siehe @Metallkopf 08:35 Uhr) von 2013 z.B. auch in der Veröffentlichung „Übersicht G36“ des BMVg vom September 2016 (siehe Punkt „Zwischenlösung und neues Waffensystem): https://www.bmvg.de/de/aktuelles/g36-hintergrund-11544 .
@Metallkopf
Größtenteils Zustimmung, bis auf die Nutzungsdauer – manchmal kann man schon absehen, dass Materialbelastung und/oder technischer Fortschritt eine Neubetrachtung in X Jahren unerlässlich macht.
Das sollte man dann allerdings auch machen und eine Neubetrachtung oder -beschaffung nicht tapfer aussitzen, weil „isso“ bzw. gerade kein Geld für Peanuts, sondern nur für Leuchttürme da ist…^^ Spätestens bei der Umstellung der Schießausbildung muss aufgefallen sein, dass die Lebensdauer aller verbliebenen Waffen rapide abnehmen wird und eine halbherzige Kampfwertsteigerung a la P8 A1 das Problem nur verlagern wird.
@ Voodoo
Vielen Dank. Ich hatte die Zahl mal gehört, aber ich kannte die Grundlage nicht. @ Metallkopf hat alles gesagt.