Streit um neues Sturmgewehr für die Bundeswehr geht in die nächste Runde
Eine Überraschung ist es nicht: Der Streit, wer das neue Sturmgewehr der Bundeswehr liefern wird, geht jetzt vor Gericht. Nach der Entscheidung der Vergabekammer beim Bundeskartellamt, die einen Ausschluss der Suhler Firma C.G. Haenel bestätigt hatte, reichte das Unternehmen dagegen Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf ein. Damit verzögert sich die Beschaffung der neuen Standardwaffe der Streitkräfte weiter.
Die Vergabekammer hatte am 10. Juni entschieden, dass das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAInBw) korrekt entschieden habe, Haenel von der Ausschreibung für den Nachfolger des Sturmgewehrs G36 auszuschließen und die Vergabe an den Konkurrenten Heckler&Koch vorzusehen. Das Suhler Unternehmen war mit der Anrufung der Kammer gegen den vom BAAInBw auch in einem Nachprüfungsantrag bestätigten Ausschluss vorgegangen.
Die Kammer hatte ihre Entscheidung, das war das Überraschende, nicht mit den laufenden Patentstreitigkeiten zwischen den beiden Unternehmen begründet – sondern damit, dass inzwischen eine neue Kostenberechnung ergeben habe, dass Heckler&Koch das wirtschaftlich günstigere Angebot abgegeben habe. Damit war grundsätzlich der Weg frei für die Auftragsvergabe an dieses Unternehmen für dessen Sturmgewehr HK416.
Allerdings hatte die Vergabekammer darauf verwiesen, dass Haenel innerhalb von zwei Wochen dagegen Beschwerde bei der nächsten Instanz einlegen könne, und genau das ist zum letztmöglichen Termin auch passiert: Nach Angaben des OLG Düsseldorf ging der entsprechende Schriftsatz fristgerecht am 24. Juni ein. Damit muss sich jetzt das Düsseldorfer Gericht mit dem Fall befassen, eine Entscheidung dürfte erst in einigen Monaten zu erwarten sein.
Unabhängig von dem Ausgang dieses Verfahrens ist der Wortlaut der Entscheidung der Vergabekammer interessant, den das Bundeskartellamt in der vergangenen Woche veröffentlichte. Denn darin macht die Kammer deutlich, dass es aus ihrer Sicht Probleme bei den Preisverhandlungen des BAAINBw mit den beiden Anbietern gab. Unter anderem war zwischendurch die Vermutung geäußert worden, das Amt habe Haenel die Möglichkeit zur Nachbesserung seines Angebots gegeben – und eine Passage in der Begründung der Kammer-Entscheidung scheint das zu bestätigen:
Die Antragsgegnerin [das BAAINBw] beabsichtigt zu Recht, der Beigeladenen [Heckler&Koch] den Zuschlag zu erteilen, weil diese das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat. Ihr Angebot ist auch nicht auszuschließen.
a) Das Angebot der Antragstellerin [C.G.Haenel] ist nicht das wirtschaftlichste und könnte den Zuschlag schon aus diesem Grund nicht erhalten. Maßgeblich hierfür ist, dass die Aufforderung der Antragsgegnerin [das BAAINBw] an die Bieter, ihr Angebot hinsichtlich der [redacted] sowie deren [redacted] zu bestätigen bzw. anzupassen, unzulässig war. Die insoweit von der Antragstellerin [C.G. Haenel] vorgenommene Änderung ihres Angebotspreises durfte nicht berücksichtigt werden.
Wer sich detaillierter mit den Feinheiten des Vergaberechts auseinandersetzen will: Hier der Wortlaut der Entscheidung zum Nachlesen, außerdem auch als Sicherungskopie fürs Archiv:
20210610_Kartellamt_Sturmgewehr_VK1-34-21
(Foto: Katalogfoto des MK556 bei der Vorstellung 2017 – Werksfoto C.G. Haenel)
Kein Vorurteil, nur mein persönliches Ressentiments: Ich kann’s nicht mehr hören.
Fassen wir zusammen: Alle Beteiligten waren von Excel überfordert, sodass es hier zu Problemen kam.
Das führt dann zum Ausschlusskriterium.
Ernüchternd. Und ich zweifle daran, dass die doch eher dünne Argumentationslage vor Gericht Bestand hat.
Hier geht es ja wirklich darum, ob die BW nachfragen durfte, ob ein Bieter im 3er-Pack anbietet oder 1er-Pack. (Die Nachprüfung sagt „nein“).
Schmunzel, eventuell sollte man nur noch die zu verwendende Munition festlegen und jedem Soldaten einen Gutschein geben das er eine Waffe seiner Wahl erwerben kann.
Jetzt man ganz ganz dumm gefragt…..
Der Bund gibt den Suhlern den Zuschlag, weil die vorher ihr Angebot nachbessern durften. Da muss ja ein Bearbeiter (Bundesbeamte) den Jungs was gesteckt haben….
Dann revidiert der Bund seine Entscheidung, augenscheinlich weil Patente verletzt wurden. Schreibt in die Entscheidung aber, dass H&K jetzt doch das bessere Angebot gemacht haben.
In wieweit finden da jetzt Dienstrechtliche Ermittlungen statt?
Welcher Beamte wird da in Regress genommen und aus dem Dienstverhältnis entfernt/Strafrechtlich belangt…. Keiner weil Beamte doof wie Stulle sein dürfen und und auch rechtswidrige Kommunikation (Angebots Nachbearbeitung) auf ihre Inkompetenz schieben dürfen…. in jedem Privaten Unternehmen wären die längst mit Hausverbot vom Sicherheitsdienst vor die Tür gesetzt worden… aber hey ist doch nur unser Steuergeld, da kann man mit rumwefen wie ein Affe mit Erdnüssen.
[Bei aller Empörung: Am Ton arbeiten wir noch? T.W.]
Man will sich gar nicht ausmalen, was dieses verkorkste Vergabeverfahren an Geld verschlingt. Davon hätte man vermutlich schon einen erheblichen Teil der alten durchgeschossenen G36 der ersten Generation durch neue ersetzen können. Und das alles nur, um am Ende ein Gewehr einzuführen, das für den allergrößten Teil von uns Soldaten keinen merkbaren Vorteil zum G36 bringen wird. Die besseren Optiken sind ja sowieso eine Separatbeschaffung und sind auf den neueren G36 Versionen ebenfalls montiert.
Ich habe mir das Urteil und seine Begründung durchgelesen. Ein Ruhmesblatt für die Vergabestelle ist es nicht. Hier sind eindeutig handwerkliche Fehler gemacht worden und offenkundig auch keine kompetente juristische Beratung hinzugezogen worden. Ich bin selber öffentlicher Einkäufer und für mich stellen sich beim lesen Fragen u.a. danach wie viel Einfluss auf die Vergabe von oben genommen wurde, welche die Vergabestelle irgendwie umsetzten musste.
Stehen also zwei Entscheidungen des OLGs Düsseldorf an. Erst STH und nun auch das.
„Frieden schaffen ohne Waffen“ bekommt jetzt eine ganz neue Bedeutung…
Hallo zusammen, ich bin hier ganz bei „Ungedienter“. Allein schon die Wahl eines „Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb“, S.3 der aktuellen Entscheidung (Dank T.W. für die Bereitstellung) zeigt, dass der Auftraggeber / BW sich im Vergabeverfahren bis zum Schluss viel Gestaltungsspielraum bei der Vergabe ausbedungen hat. Diese Art der Vergabe ermöglicht es, grob gesagt, mit dem Teilnahmewettbewerb eine Vorauswahl an Bietern zu treffen. Zudem wurde eine „Vergleichserprobung“ (eine Art Bemusterung, quasi eine Feinjustierung) durchgeführt, bei der nach vorher definierten Wertungskriterien eine technische Rangfolge der Bieter ermittelt wurde. Das gibt das deutsche Vergaberecht her und geht dann in Ordnung, wenn die Kriterien objektiv messbar und begründet sind. 50% Preis und demzufolge 50% Leistung (S.3) als Wertungskriterium sind auch ein starker Fingerzeig, dass viel Wert auf Leistung gelegt wird, was bei einem Sturmgewehr in Ordnung geht, wenn die technischen Wertungskriterien o.g. Kriterien entsprechen. Der Gestaltung der Wertungskriterien kommt hier eine besondere Bedeutung zu (ohne das werten zu wollen; entscheidend ist, wem hier was wichtig ist und wer darauf Einfluss hat). Verhandlungsverfahren heißt auch, dass verhandelt wird, Angebote nachgebessert werden (Indikativen & finales Angebot; S.2) und auch deren Vergleichbarkeit dargestellt wird … und hier scheint das Problem zu liegen. Patente, Kriegswaffenkontrollgesetz (HK/Mexiko) usw. sind m.E. im Grunde nur argumentatives Beiwerk in diesem Verfahren. Die gute Nachricht: Das Beschaffungsamt hat sich redlich Mühe gegeben … Die schlechte Nachricht: Es ist in seinem Scheitern einer problemlosen Vergabe nicht allein; das ist leider Alltag mit dem deutschen Vergaberecht und nicht Bundewehr-spezifisch.
@Mitleser
Fragt sich nur woraus wir unsere Pflugschare schmieden sollen, wenn uns dazu die Waffen fehlen…
🤔
Welche ist denn die bessere Waffe? Oder spielt das keine Rolle? Dann könnte man ja beim G36 bleiben, schiessen tut’s ja.
@TomCat sagt: 29.06.2021 um 7:48 Uhr
„Welche ist denn die bessere Waffe? Oder spielt das keine Rolle?“
mEn spielt es ehrlich gesagt keine Rolle. Beide Waffen sind nach allem was ich gehört habe sehr gut. Sie haben jeweils kleinere, spezifische Vorteile, aber nichts, was die eine oder die andere so bevorzugt, dass hier ein „must-buy“ vorliegt.
„Dann könnte man ja beim G36 bleiben, schiessen tut’s ja.“
Nein. Das G36 tut es zwar noch (eine hervorragende Waffe), aber es ist im Vergleich zu beiden technologisch halt nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Das G36 ist veraltet und hat das Ende seiner geplanten Nutzungsdauer erreicht.
Von daher ist es richtig, dass wir jetzt ein neues Gewehr bekommen.
Aber wir haben in der Tat keine Hektik. Ob wir die Einführung jetzt nächstes oder übernächstes Jahr beginnen und dann halt in 2025 oder 2026 (fiktive Zahlen) abschließen ist in der Tat. Sooo lange tut es das G36 auch noch mit veralteter Technik ;)
@Koffer, das G36 ist mitnichten veraltet. Die Version A3 ist auf der Höhe der Zeit. Das Verschlusssystem des HK416 ist bspw. das gleiche wie beim G36. Das HK416 ist halt G36 Technik, die aussieht wie ein M4, um es an die US-Armee verkaufen zu können. Die Bedienbarkeit, das zerlegen und reinigen finde ich beim G36 wesentlich einfacher, das bekommt auch der dümmste Mensch der Welt hin. Das alleine macht das G36 schon zum optimalen Standardgewehr einer Armee. Was aktuell Probleme macht und mit dem Ende der Nutzungsdauer zusammenhängt sind abgeschossene Rohre und verbrauchte Gehäuse. Und da muss schon relativ zeitnah eine neue Waffe her, die alten machen es langsam nicht mehr. Eine Ersatzbeschaffung durch eine neue Version mit neuen Optiken birgt für normale Truppe keinerlei Nachteil gegenüber eines neuen HK416, eher den großen Vorteil nicht nochmal alle Soldaten neu ausbilden zu müssen und wesentlich kostengünstiger dürfte es auch sein. Ich persönlich wäre mit neuen G36 vollauf zufrieden, wäre es die K Version sind alle glücklich und die Waffen halten wieder 20-30 Jahre. Ich persönlich denke auch nicht, dass es das aktuelle Vergabeverfahren gibt, um ein besseres Gewehr zu beschaffen, sondern nur um den medialen Aufstand um das G36 und die Aussagen einer ehemaligen VM zu rechtfertigen.
DD sagt: 29.06.2021 um 10:08 Uhr
„Ich persönlich denke auch nicht, dass es das aktuelle Vergabeverfahren gibt, um ein besseres Gewehr zu beschaffen, sondern nur um den medialen Aufstand um das G36 und die Aussagen einer ehemaligen VM zu rechtfertigen.“
Das trifft wahrscheinlich des Pudels Kern. Wobei, diese „Affäre“ ist nun mittlerweile so lange her, das sich der Großteil der Bevölkerung nicht mehr daran erinnert.
Einfach die ausgenudelten und nicht mehr so richtig brauchbaren G36 durch neue ersetzen und die ganze Sache ist innerhalb kürzester Zeit erledigt. Das ganze in Tranchen zu je 24,99 Millionen Euro und es muss noch nicht einmal durch den HH-Ausschuß. Falls man überhaupt so viel braucht.
Das erspart der Bw noch weiteren Streit und Diskussionen und der Truppe erneuten Frust, weil es zu lange dauert, bis die neuen Waffen in der Truppe sind. Man hat jetzt schon mindestens ein Jahr verloren, ein Ende ist nicht in Sicht.
@DD sagt: 29.06.2021 um 10:08 Uhr
„das G36 ist mitnichten veraltet. Die Version A3 ist auf der Höhe der Zeit.“
Da haben wir unterschiedliche Auffassungen.
Der Schwerpunkt der Waffe, die Höhe, die Werkstoffe etc. all das sind Dinge, die wir so heute auf dem Markt besser finden und beide Waffen, die hier zur Auswahl stehen können das besser. Auch die
Natürlich ist das G36 immer noch eine hinreichend gute Waffe. Aber es ist für eine andere Armee gekauft worden und die heutigen Soldaten sollten mEn auch Waffen auf dem technischen Stand von heute haben.
„Ich persönlich denke auch nicht, dass es das aktuelle Vergabeverfahren gibt, um ein besseres Gewehr zu beschaffen, sondern nur um den medialen Aufstand um das G36 und die Aussagen einer ehemaligen VM zu rechtfertigen.“
Sorry, dass ist nicht richtig. Jetzt mal unabhängig davon, dass vdL in der Tat damals Bockmist gebaut hat, aber es war schon vorher klar und beabsichtigt, dass wir eine Neubeschaffung brauchen
@Koffer
„Natürlich ist das G36 immer noch eine hinreichend gute Waffe. Aber es ist für eine andere Armee gekauft worden und die heutigen Soldaten sollten mEn auch Waffen auf dem technischen Stand von heute haben.“
„Hinreichend gut“ reicht erstmal völlig. Schließlich soll LV/BV wieder mit Leben gefüllt werden, was Reservisten mit einschließt. Da wäre es doch toll, wenn für jeden persönliche Ausrüstung inkl. Standard-Waffe vorhanden wäre. Und da ist man genau in den Klimazonen und in dem Szenario, für das das G36 seinerzeit beschafft wurde. Es gäbe also eine sinnvolle Weiternutzung, auch für jetzige Ersatzbeschaffungen.
Und in der aktiven Truppe wird sukzessive das HK 416 eingeführt. Man hätte nur den Druck aus dem Kessel der Neubeschaffung genommen, was der Angelegenheit zuträglich sein könnte. Nach meiner Erfahrung einigen sich die Anbieter relativ schnell, wenn der Beschaffer sich entspannt zurücklehnen kann, weil er noch Zeit hat. Aber das ist anscheinend eine Vorgehensweise, die man in der Bundeswehr entweder nicht versteht oder nicht umsetzen kann.
„… aber es war schon vorher klar und beabsichtigt, dass wir eine Neubeschaffung brauchen.“
Das wurde nicht so vom BMVg kommuniziert. Da war große Empörung, von der damaligen Ministerin ordentlich befeuert, und im Ergebnis wurde eine Neubeschaffung bekannt gegeben. Vorher war da öffentlich nichts von zu hören. Das wäre dann (mal wieder) schlechte Kommunikation.
@Pio-Fritz sagt: 29.06.2021 um 13:52 Uhr
„Und in der aktiven Truppe wird sukzessive das HK 416 eingeführt. Man hätte nur den Druck aus dem Kessel der Neubeschaffung genommen, was der Angelegenheit zuträglich sein könnte.“
1. Natürlich werden wir eine sukzessive Einführung haben.
2. Wie ich ja bereits selbst sagte, haben wir gar keinen Druck auf dem Kessel, eben weil das G36 noch
hinreichend funktioniert.
Umstellung wird einige Jahre dauern und dann wird man das G36 sicherlich noch einige Jahre weiter im Depot halten.
Beim G36 hat das über 10 Jahre gedauert, da wir heute deutlich kleiner sind, wird es auch schneller gehen können, aber ich bin mir sicher, dass wir dennoch insgesamt mehr als 5 Jahre brauchen…
„Aber das ist anscheinend eine Vorgehensweise, die man in der Bundeswehr entweder nicht versteht oder nicht umsetzen kann.“
Sorry, aber was ist das denn für eine Logik. Natürlich haben wir Zeit und gerade deswegen hat die Bw ja die Beschaffung bisher auch nicht übers Knie gebrochen. Aber langsam (!) ist auch gut. Von daher ein oder zwei Jahre haben wir sicherlich noch Zeit für den Rechtsstreit, aber dann spricht nichts mehr gegen das ein/-ausphasen.
„Das wurde nicht so vom BMVg kommuniziert.“
Keine Ahnung was das BMVg in den letzten 5-10 alles kommuniziert hat, aber ich wusste bereits lange vor vdL übereilter Entscheidung, dass eine Folgebeschaffung geplant war und hier im Blog wurde das auch mehrfach schon festgestellt.
„Da war große Empörung, von der damaligen Ministerin ordentlich befeuert, und im Ergebnis wurde eine Neubeschaffung bekannt gegeben.“
Das hatten wir doch auch alles schon. Es ist doch weitgehend unstrittig, dass vdL hier Bockmist gebaut hat. Ich kenne keinen Insider, der die ihre presseheischende, überdramatisierende Vorgehensweise in dieser Frage gerechtfertigt hätte.
Lesen Sie doch einfach mal nach, was damals hier im Blog dazu von mir und anderen dazu geschrieben wurde.
@DD
Sehr gut auf den Punkt gebracht.
@Koffer
Ergonomisch sehe ich das G36 dem HK416 und dem Haenel MK556 in vielen Punkten überlegen.
1.
Beim HK416 ist man den Amerikaner entgegen gekommen und hat das Setup des Feuerwahlhebels vom M4/M16 beibehalten. Dort muss man von Sicher auf Einzelfeuer 90° drehen.
Von Sicher auf Vollautomatisch um 180°. Beim Haenel ist es nicht anders. Das ist ganz einfach schlecht gelöst.
Beim G36 sind die Abstufungen geringer und man kann die Einstellung wechseln ohne den Griff lösen zu müssen.
2.
Der Druckkopf um das Magazin zu lösen ist bei H&K und Haenel zwar inzwischen auch beidseitig zu bedienen (im Gegensatz zum M4/M16), aber immer noch recht eigenwillig.
Beim G36 ist der Magazinhebel grundsätzlich beidseitig bedienbar.
In der neueren Ausführung ist er als „Paddel“ bedienbar (mit der linken Hand für Rechtsschützen) und mit dem Abzugfinger am Abzugsbügel.
3.
Bei H&K und Haenel ist der Verschlussfang beidseitig seitlich am Systemgehäuse untergebracht (im Gegensatz zum M4/M16 wo er nur links am Magazinschacht ist).
Beim G36 lässt sich der Verschluss durch ein Ziehen am Verschluss lösen oder durch das Betätigen des Verschlussfanghebels im Abzugsbügel. Letzeres ist deutlich ergonomischer als beim den beiden vermeintlichen Nachfolgern.
4.
Bei H&K und Haenel wird die Waffe durch den Spannschieber durchgeladen/gespannt.
Der Spannschieber kommt dem Schützen dabei sehr nahe (wenn die Backe aufliegt) und ist ergonomisch ungünstig gelöst. Zudem wird er durch einen kleinen Hebel in Position gehalten, den man immer mit betätigen muss.
Der Verschluss beim G36 ist weit vorne, in jeder Schießposition gut erreichbar/bedienbar und liegt im Sichtfeld des Schützen.
5.
Die H&K und Haenel können durch ihre Bauart bedingt keinen Klappschaft haben, denn die Verschlussfeder befindet sich in der Röhre des Schafts.
6.
Falls bei H&K oder Haenel schwerwiegende Blockaden entstehen gibt es nur den Spannschieber und den Forward-Assist Druckknopf. Der Spannschieber ist ein relativ „filigranes“ Bauteil und die Bauweise des Forward-Assist ist auch fragwürdig.
Beim G36 lässt sich der Verschlusshebel beidseitig arretieren und dann kann man den Verschluss an einer Tischkante mit Gewalt „auf prügeln“.
Die Kritikpunkte bezüglich der Bauhöhe und der gewählten Werkstoffe sind für mich nicht valide.
Die Bauhöhe ist Geschmackssache. Ich für meinen Teil bin froh, dass ich meinen Hals nicht verrenken muss um mein Gesicht hinter die Waffe auf Höhe der Schulter zu bekommen.
Die verwendeten Werkstoffe (Kohlefaserverstärktes Polyamid) als nicht mehr zeitgemäß zu bezeichnen ist ein Hohn.
Die Kritik, dass das Material der Hitzebelastung bei Beschuss nicht standhalten würde verliert schnell an Kraft. Denn 99,9% der Zeit im Auslandseinsätzen schießt ein Gewehr nicht, sondern ist nur schwer. Daraus ergibt sich auch die Priorität bei den Anforderungen.
Durch leichte Waffen profitieren Soldaten mehr als durch besonders schussbeständige Waffen.
Nachtrag zu meinem letzten Kommentar:
Insofern glaube ich auch, dass die Bundeswehr beim G36 ein Exempel statuieren musste.
Die Waffe selber ist, wie ich hoffentlich nahelegen konnte, nicht das Problem.
Das Problem besteht darin, dass eine Waffe, die nicht geradeaus schießen kann, sehr plakatives Bild für den Zustand der Bundeswehr ist und von breiten Teilen der Bevölkerung als solches verstanden wird.
Außerdem lassen sich Schusswaffen noch relativ leicht off-the-shelf und kostengünstig beschaffen (gemessen an anderen Waffensystemen wie Fregatten, U-Booten, Kampfflugzeugen, Kampfpanzern, etc.).
Bin ich allein mit meinem Eindruck, dass das Thema „neues Sturmgewehr“ auch angesichts dessen, dass die Front mit dem vorhandenen G36 irgendwie nicht ganz unzufrieden ist, ein unverhältnismäßig großes öffentliches Interesse erfährt, unverhältnismäßig in Bezug auf andere Beschaffungsvorhaben, die weiter geschoben werden?
@Albert Zahnstein
Nein, mit dem Eindruck bist du definitiv nicht allein.
Im Gegensatz zu nicht einsatzbereiten Panzern, Flugzeugen und U-Booten wird die Problematik von einem Gewehr, welches vermeintlich nicht geradeaus schießen kann, von weiten Teilen der Bevölkerung verstanden. Es ist auch ein sehr starkes Bild worunter sich jeder etwas vorstellen kann.
Außerdem betrifft das „Standardgewehr“ einen größeren Teil der Bundeswehr als teilstreitkraftspezifische Waffensysteme.
Dadurch sind das BMVg und BAAINBw extrem unter Zugzwang gesetzt worden.
Deshalb und weil Schusswaffen direkt auf dem Markt erhältlich sind und vergleichsweise günstig sind (anders als Großprojekte) möchte man hier (meine Vermutung) ein Exempel statuieren um zu beweisen, dass die Beschaffung der Bundeswehr eben doch funktioniert.
Moin,
Ich würde es begrüßen, wenn die deutsch französische Brigade (pars pro toto) über ein einheitliches Infanteriegewehr verfügen würde.
Und da sich die Franzosen schon für das Modell von H&K entschieden haben, wäre es mMn vernüftig, auch diese Waffe einzuführen.
Die technischen Unterschiede zwischen den Modellen der Bewerber sind marginal.
Auch die Preisdifferenz ist beinahe vernachlässigbar.
Ausbildung und Logistik wären einfacher.
Was meines Erachtens fehlt ist der politische Wille zu sagen: Wir wollen Standardisierung und beim Infanteriegewehr fangen wir an.
@ Thomas Brüggen sagt: 29.06.2021 um 18:48 Uhr
„Ich würde es begrüßen, wenn die deutsch französische Brigade (pars pro toto) über ein einheitliches Infanteriegewehr verfügen würde.
Und da sich die Franzosen schon für das Modell von H&K entschieden haben, wäre es mMn vernüftig, auch diese Waffe einzuführen.“
Und wo ist der Vorteil, wenn die Truppe dann zwar das gleiche Gewehr wie die Franzosen hätte, aber dafür der Rest der Bundeswehr ein anderes Gewehr nutzen würde.
Kann es sein, dass Sie der falschen Annahme unterliegen, dass es sich bei dem HK416F und HK416A8 um gleiche Gewehre handelt? Dies ist nämlich nicht der Fall ein 6er VW Golf 2.0 TDI mit Veloursitzen ist ja auch nicht das gleiche Auto wie ein 7er VW Golf R32 mit Lederausstattung.
Sorry
ich dachte die lateinische Redewendung „pars“ (Der Teil, hier die deutsch franz. Brig) „pro toto“ ( für das Ganze ,also die ganze deutsche und französische Armee) sei allgemein bekannt.
Mit VWs kenne ich mich nicht aus.
@TaDa sagt:
29.06.2021 um 1:52 Uhr
Ganz wunderbar, schuld sind die anderen und das System.
Sorry, das Vergabeverfahren ist so dermaßen gegen die Wand gefahren wurden. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten…. Unfähigkeit oder Vorsatz. Da ich einige Jahre bei einer WTD des damaligen BWB’s beschäftig war und wiederholt mit ansehen durfte wie da…. Vertuscht, gelogen, Unterlagen frisiert wurden, ect.pp. Und jedesmal hat ein Beamter dem anderen Bescheinigt, dass alles höchst korrekt abgelaufen ist. Dafür haben dann Kollegen (Tarifangestellte) im Schrottcontainer nach Material gesucht um ihren Job erledigen zu können. Ich hab kein Vertrauen mehr in den Beschaffungsapparat der BW.
Sie könnten jetzt ein einziges Projekt nennen, was im Zeit- und Kostenrahmen beschafft wurde. Nur eins wo man einen Haken dran machen kann…. Job erledigt. Es scheint ja mittlerweile Standart geworden zu sein, dass fast jede Entscheidung aus Koblenz vor Gericht landet.
Egal wir wursten weiter wie gehabt am Ende wartet die Pension. Hauptsache man hat den *Passierschein A38*.
@Küstengang01 sagt: 30.06.2021 um 4:38 Uhr
„Sorry, das Vergabeverfahren ist so dermaßen gegen die Wand gefahren wurden.“
Ist das so?
In einem Verfahren in dem wir keinen Handlungsdruck haben, sind zwei sehr gute Gewehre zu einem akzeptablen Preis übrig geblieben und wir werden in einem überschaubaren Zeitrahmen eine rechtskräftige Entscheidung haben.
Ich kann nicht sagen, ob vergabetechnisch alles professionell gelaufen ist, aber das Ergebnis zumindest sagt mir zu :)
„Sie könnten jetzt ein einziges Projekt nennen, was im Zeit- und Kostenrahmen beschafft wurde. Nur eins wo man einen Haken dran machen kann…. Job erledigt.“
LUH.
„Es scheint ja mittlerweile Standart geworden zu sein, dass fast jede Entscheidung aus Koblenz vor Gericht landet.“
Das muss nun definitiv nicht Schuld der Kollegen in Koblenz sein. Klagen kann in DEU nunmal jeder (und tut es ja auch). Die entscheidende Kennziffer wäre, wenn diese Klagen üblicherweise auch Erfolg hätten. Aber dazu habe ich keinen Kenntnisstand.
@ Thomas Brüggen sagt: 29.06.2021 um 18:48 Uhr
„Und da sich die Franzosen schon für das Modell von H&K entschieden haben, wäre es mMn vernüftig, auch diese Waffe einzuführen.
[…]
Ausbildung und Logistik wären einfacher.“
Im Gegensatz zu Lfz, Schiffen und anderen komplexen Waffensystemen ist Handwaffenlogistik einfach und ohne größeren Aufwand.
Die Synergien hier sind also absolut überschaubar und auch für die Ausbildung sind kaum Synergien machbar, da Handwaffenausbildung überwiegend Truppenausbildung ist, die jede Kp selbst macht und auch machen muss.
Ich bin nun nicht gegen eine gemeinsame Standardwaffe, das erleichtert den gemeinsamen Formaldienst ;)
(kleiner Scherz), aber Ausbildung und Logistik ist hier kein starkes Argument.
„Was meines Erachtens fehlt ist der politische Wille zu sagen: Wir wollen Standardisierung und beim Infanteriegewehr fangen wir an.“
Hier stimme ich Ihnen allerdings in beiden Punkten zu und es wäre (ganz fern des geringen tatsächlichen Nutzens) in der Tat ein starkes Symbol.
Ob wir nach diesem Symbols tatsächlich unsere Beschaffungsentscheidung ausrichten sollten, ist aber eine politische Frage und keine inhaltliche.
@Koffer sagt:
30.06.2021 um 10:02 Uhr
Jawoll ein dreifaches Hurra auf die beste, tollste, effektivste, schnellste, professionellste, immer richtig liegende Beschaffungsbehörde auf der Welt… ach was im ganzen Universum.
Hip hip Hurra.
@Küstengang01 sagt: 30.06.2021 um 11:02 Uhr
Ich habe sicherlich keine unkritische Meinung zum BAAINBw, aber das was Sie da schreiben ist Polemik pur. Das Grundproblem der Bundeswehrbeschaffung ist nicht das BAAINBw, das Amt setzt nur innerhalb eines vorgegebenen Spielraums um. Sicherlich werden im BAAINBw Fehler gemacht und auch unzweckmäßige Entscheidungen getroffen. Es tut da sicherlich, wie in jeder Behörde, der ein oder andere Bremsklotz seinen Dienst, ändert aber nichts an der Grundproblematik und das ist das komplizierte, sehr bürokratische und in einigen Fällen nicht bis ans Ende gedachte Beschaffungswesen (im Sinne gut gemeint aber schlecht umgesetzt).
Wer das ändern will muss Gesetze, Verordnungen, Prozesse… ändern und das ist nicht gewollt, weil dann bestimmte Bereiche (unter anderem auch die Politik) Kontrolle und Macht verlieren würden.
@Wa-Ge sagt:
30.06.2021 um 12:18 Uhr
Da sind wir wieder bei…. das böse System. Sowie… warten auf die Pension und bis dahin den Passierschein A38 nicht aus der Hand geben.
@ CallSignRomeo
Danke für die detaillierte Beschreibung der Unterschiede zwischen dem G36 und den potentiellen Nachfolgern. Vor allem in der Handhabung. Für einen Soldaten im Einsatz sind Faktoren wie Störungsbeseitigung, Reparatur und Reinigung im Gelände, Bedienungssicherheit im Rechts- oder Linksanschlag schon ausschlaggebende Faktoren. Aber die Bedeutung der Einfachheit der Störungsbeseitung steht natürlich in einem gewissen Verhältniss zur Störungsanfälligkeit. Bei einer Waffe, bei der Störungen eher selten sind, muss man sich daum keinen so großen Kopf machen.
Meine Bedenken was die neue Waffe anbetrifft betrifft auch nicht die Einsatzreichweite, denn die ist, wenn man an der Visierung nichts ändert, durch die Wahl der Munition und der Lauflänge vorgegeben. Was mich umtreibt, dass ist die Zuverlässigkeit in extremen Einsatzsituationen, wie sie unsere Soldaten in Afghanistan hatten und wie sie sie in Mali bekommen werden. Ausgeschossene Läufe und klapperige Gehäuse nach nur wie vielen Einsatzjahren? Wenn man ein Gewehr nur kauft, damit es zweimal pro Jahr auf die Schießbahn getragen wird, dann sind Haltbarkeit und solide Verarbeitung vielleicht weniger wichtig. Aber das kann ja nicht nicht der Maßstab sein. Oder wir sollten auf Auslandseinsätze lieber verzichten?
Was ist da Ihr Eindruck von den neuen Waffen? Das Haenel ist ja das Derivat einer Waffe, die die Saudis in ihrem schmutzigen Krieg im Jemen einsetzen. Das sollte mit Hitze und Staub also weniger Probleme haben.
Werden juristische Auseinandersetzungen, die BW betreffend, in irgendeiner Form bevorzugt von den Gerichten behandelt um diese langen Wartezeiten zu verkürzen?
Es ist leider nicht so, dass das selten vorkommt und die Ausrüstungslage sieht generell eher mau aus.
Man könnte doch mit so etwas wie nationaler Sicherheit argumentieren!?
Schon komisch: Die Thüringer Muckelbude Haenel bekommt einen zugesagten Auftrag aberkannt mit der Begründung, das Gebot inkludiere ein Bauteil, das möglicherweise ein Patent verletzt (Over The Bitch Patent von H&K). Dieses Patent gilt mittlerweile als technisch und juristisch nichtig. Jetzt bekommt H&K den Auftrag, obwohl mittlerweile bekannt ist, dass Heckler & Koch von Magpul Industries eine Patentverletzung bezüglich des verwendeten H&K-Magazins vorgeworfen wird. Zweierlei Mass? Was für eine Posse wird hier gespielt?
@ H. Kaechel
Ich wusste bisher nicht, dass H&K auch noch in einem anderen Gewerbe tätig ist. Aber man lernt nie aus.
@
H. Kaechel sagt:
30.06.2021 um 18:10 Uhr
“
Schon komisch: Die Thüringer Muckelbude Haenel bekommt einen zugesagten Auftrag aberkannt mit der Begründung, das Gebot inkludiere ein Bauteil, das möglicherweise ein Patent verletzt (Over The Bitch Patent von H&K). Dieses Patent gilt mittlerweile als technisch und juristisch nichtig. Jetzt bekommt H&K den Auftrag, obwohl mittlerweile bekannt ist, dass Heckler & Koch von Magpul Industries eine Patentverletzung bezüglich des verwendeten H&K-Magazins vorgeworfen wird. Zweierlei Mass? Was für eine Posse wird hier gespielt?
“
Das strittige Patent heisst Over-the-beach. Bitches sind was anderes ;-)
Die Vergabekammer hat über die Patentfrage gar nicht entschieden, da man hochrangiger festgestellt hat, das eine Angebotsnachbesserung seitens Haenel nicht zulässig war und daher das Originalangebot zu werten sei. Dies liegt höher als das von HK.
So ein bißchen Bitch war wohl dabei, bei diesem seltsamen „Over the B…“ -Patent.
Das muss Freud mir die Finger geführt haben…
Das ändert nichts daran, dass bei dem einen ein Auftrag schon aus Patentzweifeln ausgeschlossen wird, beim anderen nicht. Und nachträglich wird dann noch der Rechenschieber bedient, weil nicht sein kann was nicht sein darf.
@Schlammstapfer
„Bei einer Waffe, bei der Störungen eher selten sind, muss man sich keinen so großen Kopf machen.“
In der Störanfälligkeit gibt es zwischen G36 und HK416/Haenel MK556 keine großen Unterschiede.
Der Repetiermechanismus des G36 beruht auf dem Short-Stroke-Gaspiston des ArmaLite AR-18.
Die HK416 wurde später entwickelt und übernimmt das System vom G36.
Die Haenel MK556 nutzt das gleiche System.
Das Short-Stroke-Gaspiston System hat gegenüber dem amerikanischen M4 zum Beispiel den Vorteil, dass weniger Gas und Schmauch in das Systemgehäuse geleitet werden und es gibt keine Gasröhre welche sich mit Wasser und Schmutz füllen kann (deshalb der „Over the Beach Test“).
Gegenüber einer Waffe der AK-Familie wird eine Short-Stroke-Gaspiston Waffe immer leichter sein.
Der einzig nennenswerte Vorteil der beiden Nachfolger gegenüber dem G36 wäre vielleicht die Dust Cover, die bei allen AR-15 ähnlichen Waffen das Systemgehäuse verschließt.
Beim G36 ist hinter der Öffnung für den Hülsenauswurf direkt der Verschlussträger. Der dichtet trotzdem noch sehr gut ab.
Bei der AK-47/AK-74, die immer als sehr zuverlässig gepriesen werden klafft bei geladener und entsicherter Waffe eine riesige Lücke in der Seite des Systemkasten, durch die selbst gröbster Schmutz eindringen kann.
Dem G36 wegen der fehlenden Dust Cover eine höhere Störanfälligkeit zu attestieren wäre nicht gerecht.
Soweit ich weiß ist das G36 wegen dem schwereren Verschluss(-träger) mit mehr Gasdruck abgestimmt. Mehr Gasdruck hilft in der Regel die Waffe sauber zu halten.
„Meine Bedenken was die neue Waffe anbetrifft betrifft auch nicht die Einsatzreichweite, denn die ist, wenn man an der Visierung nichts ändert, durch die Wahl der Munition und der Lauflänge vorgegeben.“
Dieser Short-Stroke-Gaspiston Mechanismus bietet übrigens auch Vorteile bei der Präzision gegenüber dem direkten Gasantrieb (wie beim amerikanischen M4) oder dem Gaskolbenantrieb (wie bei einer russischen AK-74M).
Wichtig für eine hohe Präzision ist ein harmonischer Lauf. Das bedeutet, dass der Lauf frei schwingen können muss.
Weil das Geschoss in Drehung versetzt werden muss, gerät der Lauf in Schwingung. Wenn der Lauf irgendwo den Rest der Waffe berührt, etwas schweres daran montiert wird oder er einseitig versteift wird, dann bilden sich Interferenzen.
Eine solche Arten von Versteifung sind die Gasröhren bei dem M4 und der AK-74M.
Der Kolben, der beim Short-Stroke-Gaspiston den Verschluss antreibt ist nicht fest mit dem Lauf verbunden weshalb der Lauf besser schwingen kann.
Aus dem Grund sind Scharfschützengewehre auch heute noch Repetierbüchsen, weil deren Läufe beim Schwingen durch nichts beeinträchtigt werden.
„Was mich umtreibt, dass ist die Zuverlässigkeit in extremen Einsatzsituationen, wie sie unsere Soldaten in Afghanistan hatten und wie sie sie in Mali bekommen werden. […] Das Haenel ist ja das Derivat einer Waffe, die die Saudis in ihrem schmutzigen Krieg im Jemen einsetzen. Das sollte mit Hitze und Staub also weniger Probleme haben.“
An Referenzen fehlt es dem G36 nun wirklich nicht.
Das eben genannte Saudi-Arabien ist sogar einer von 4 Lizenznehmern und stellt die Waffen selber her. Neben Saudi-Arabien sind unter den Nutzern des G36 aber auch Ägypten, Jordanien und die von Deutschland ausgerüsteten Peschmerga.
Auf der anderen Seite des Extrems (niedrige Temperaturen) sind Lettland, Litauen oder Norwegen.
Beschwerden habe ich bisher immer nur von deutscher Seite gehört.
Falls es dazu kommen sollte, dass sich der Kunststoff der Waffe unter Wärmeeinwirkung verformt, wäre das aber noch lange nicht so dramatisch wie es immer dargestellt wird.
Denn kein Bauteil, das sich hinter dem Lauf befindet, beeinflusst die Präzision.
Beim G36 ist das Systemgehäuse aus Kunststoff, aber nicht Lauf oder Verschluss. Solange der Verschluss und der Lauf ordentlich ineinander greifen ändert sich die Präzision nicht.
Nur die Genauigkeit wird dann schlechter, weil die Optik womöglich irgendwo hin zielt, wo die Waffe nicht mehr hin schießt.
Viel wichtiger ist aber, dass die Präzision gehalten wird.
Zur Verdeutlichung:
Wenn die Präzision sehr hoch, aber die Genauigkeit schlecht ist, dann schieße ich 10/10 Schuss auf eine 1€ Münze die 5cm links vom Ziel liegt. Für die nächsten 10 Schuss verschiebe ich nur den Anhaltepunkt 5cm nach Rechts und habe dann 10/10 Schuss mittig im Ziel.
Die H&K und Haenel sind gleichermaßen sehr gute Waffen. Aber anders als beim G3 seiner Zeit, besteht gar keine Notwendigkeit das G36 zu ersetzen.
H&K hatte den Amerikanern das XM8, eine Abwandlung des G36 mit Polygonlauf, angeboten.
So ein Polygonlauf hat weniger Kontaktfläche mit dem Geschoss als ein normaler Lauf mit Zügen und Feldern.
Durch weniger Kontaktfläche entsteht weniger Reibung und weniger Wärme und dadurch erhöht sich auch deutlich die Lebensdauer.
Ein Lauf ohne Züge und Felder ist auch sauberer, weil sich der Schmauch nicht so gut festsetzen kann.
Wenn ich im BMVg bzw. BAAINBw das Sagen hätte, dann würde ich neue G36 mit Polygonlauf, modernen Optiken, Schubschäften, Aluminium Vorderschaft, neuem Magazinhebel und neuem Verschlussfanghebel beschaffen und alte G36 auf den Standard umrüsten lassen.
Das wäre günstiger, effizienter und dauert nicht so lange wie komplett neue Waffen mit ganz eigenem Zubehör zu beschaffen und die Ausbildung umzustellen.
Und weil ein Polygonlauf von außen praktisch nicht von einem normalen zu unterscheiden ist, können Außenstehende der Bundeswehr keine Vorwürfe über den langsamen Fortschritt machen.
Die Bundeswehr hätte Geld gespart, die Soldaten hätten gescheite Waffen, H&K hätte neue Aufträge und Haenel würde sich ohne Ausschreibungsverfahren nicht betrogen fühlen.
@ H. Kaechel sagt: 01.07.2021 um 16:08 Uhr
Vielleicht erstmal den Beschluss der Vergabekammer lesen bevor man irgendwelche Mythen in die Welt setzt?
Da steht es schwarz auf weiß, unabhängige vom BMVg beauftragte Gutachten haben ergeben, dass nicht ausgeschlossen ist, dass das Haenel Angebot Patente verletzt haben könnte. (Sowohl das von OA zugelieferte Magazin als auch die Waffe selbst – wobei sich die Sache mit dem OA Magazin wohl durch Einigung mit MagPul mittlerweile aufgelöst hat).
Bezüglich der Magpul Vorwürfe gegen HK kommt wiederum ein anderes vom BMVg beauftragtes Gutachten zu dem Schluss, dass da keine Patentrechtsverstöße vorliegen.
Und da wurde auch nichts nachgerechnet, sondern genau das Gegenteil ist passiert, es wurde entschieden, dass, nachdem das finale Angebot abgegeben war, keine weiteren Nachverhandlungen erlaubt sind, wenn diese zu einer Änderung der Reihenfolge führen.
Wer sich die 35 Seiten des Kartellamtes mal antut, was wirklich zu empfehlen ist, stellt sehr schnell fest, dass Haenel sich die Sache selbst vermasselt hat. Man hat die Angebotsunterlagen falsch ausgefüllt (Satzpreise eingetragen wo Einzelpreise verlangt waren), und anscheinend war auch die juristische Beratung mehr als mangelhaft, sonst hätte man sich das OA Magazin nicht ins Boot geholt bzw. wäre sofort mittels einer negativen Feststellungsklage gegen HK vorgegangen, als diese vor Jahren Haenel mit Vorwurf der Verletzung des Over-the-beach-Patents konfrontiert haben (im übrigen ganz genau wie es HK gegen Magpul derzeit macht). Dann wären die Sachen mit den Patenten vermutlich schon längst vor Gericht entschieden worden.
Mit dem G36 ist eigentlich alles gut. Seit 2015 haben sich sehr, sehr viele Menschen damit befasst und entweder die Resultate der WTD 61 gar nicht reproduzieren können oder festgestellt, dass alle vergleichbaren Ordonnanzgewehre bei ähnlichen Tests entweder gleich oder schlechter abschneiden, als das G36. Daher weiß man inzwischen sicher auch im Bendlerblock, daß das eigentliche Problem keines ist.
Ein paar Innovationen hat es schon gegeben, aber so ein richtig innovatives Gewehr will eh niemand beschaffen. Also ist das G36 noch auf der Höhe.
Außerdem ist ein Rohr nach 10.000 Schuss noch lange nicht ausgeschossen. Man weiß von Munitionsbestellung von 25 Millionen Schuss ca. alle zwei Jahre. Um aber im Schnitt an die 10.000 ranzukommen, hätten insgesamt 1.7 Milliarden Schuss abgegeben sein müssen. Also sind die Gewehre sehr weit weg davon, „verbraucht“ zu sein.
Unsere „einsatzfitten“ Verbände sind sowieso mit zusätzlichen, den Aufgaben angepassten, Infanteriewaffen ausgestattet.
Ich glaube, wir werden das G36 wirklich noch eine Zeit haben. Jeder kluge Verteidigungsminister wird sich auf dringendere Probleme konzentrieren und verzögern solange wie möglich.
@ CallSignRomeo sagt:
01.07.2021 um 20:08 Uhr
Schöner Beitrag.
@TaDa sagt:
02.07.2021 um 6:29 Uhr
Man muss sie das triggern! Ich war bei einer WTD und bin da wech um nicht komplett durchzudrehen nebenbei war das Gehalt für einen deutschen Seemann unterirdisch.
Und zu meinen Arbeitszeiten kann ich nur sagen in einem 24/7 Seebachbetrieb hat man Freizeit wenn andere Arbeiten und arbeitet wenn andere Leute Zuhause im Bett liegen.
Aber wahrscheinlich gehen sie dermaßen steil darauf, weil sie wissen was in „ihrer Berufs-& Standesgruppe“ so alles Usus ist.
Bei der Vergabe von einem einfachen Standartprodukt wie einem Sturmgewehr solche Fehler zu machen, wie sie gemacht wurden hätte in jedem Unternehmen Personelle Konsequenzen hinterher gezogen…. und jetzt bitte nicht wieder die Leier das in der Wirtschaft auch alles wech gedrückt wird.
Dazu ein paar Beispiele….
*Kollege hat die Hydraulik geschrottet und 3 Tage offhire produziert… Entlassen.
*Storekeeper von einer Dienstleistungsfirma hat ne Zollanmeldung versammelt 300T€ Schaden…. gefeuert.
*Kollege hat Wartungen an der Hauptmaschine geschlampt… Ausfallzeit und richtig weg war er.
Im echten Leben haben Fehler Konsequenzen, kleine Fehler haben kleine und große Fehler eben große. Nur der Beamte hat keine bis minimale Konsequenzen zu fürchten…. vielleicht Mal ein neuer Schreibtisch oder ein zwei Jahre später eine Beförderung.
Lesen sie Mal nach was die Breitenpresse über eben jenes Vergabeverfahren schreibt, der Beschaffungsapparat ist die Lachnummer der Nation.
@Küstengang01 sagt: 04.07.2021 um 13:42 Uhr
„Lesen sie Mal nach was die Breitenpresse über eben jenes Vergabeverfahren schreibt, der Beschaffungsapparat ist die Lachnummer der Nation.“
Tja, dann sollte man vielleicht einfach mal etwas Geduld haben und erst abwarten, was bei der ganzen „Nummer“ rauskommt.
Derzeit sieht es ja eigentlich ganz gut aus für die Bundeswehr.