Planung für die Luftverteidigung: Schwerpunkt Drohnenabwehr, Entscheidung über TLVS ‚derzeit nicht im Fokus‘
Die Bundeswehr will ihre bodengebundene Luftverteidigung in den nächsten Jahren auf die Drohnenabwehr konzentrieren. Für die Abwehr vor allem von Raketen soll bis 2030 das bereits genutzte Flugabwehrsystem Patriot genutzt und modernisiert werden. Eine Entscheidung über das neue Taktische Luftverteidigungssystem (TLVS) wird erst einmal verschoben – vor allem angesichts der Milliardenkosten.
Das Verteidigungsministerium legte den Fachpolitikern des Bundestags am (heutigen) Dienstag einen fachlichen Vorschlag bodengebundene Luftverteidigung zusammen mit einer Entscheidungsmatrix vor, den Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im vergangenen Jahr angekündigt hatte. Dabei geht es nicht zuletzt darum, die Flugabwehr auf den verschiedenen Ebenen – von der Abwehr von Drohnen im Nahbereich der Truppe durch mobile Systeme bis zum Abfangen von Raketen – als Gesamtsystem zu betrachten.
Wesentlicher Punkt für neue Überlegungen zur bodengebunden Luftverteidigung ist der Konflikt zwischen Aserbeidschan und Armenien um die Region Berg-Karabach im vergangenen Jahr: Vor allem Aserbeidschan hatte dabei durch den Einsatz unbemannter Systeme, von der Beobachtungsdrohne bis zur Kamikaze-Drohne als fliegende Munition, auf dem Gefechtsfeld die Oberhand bekommen. Zugleich kommen technisch neue Bedrohungen wie Hyperschall-Flugkörper hinzu.
Im Ergebnis sind die Abfangschichten der Luftverteidigung (Raketen-, Flug- und Drohnenabwehr) zu einem effektiven Gesamtsystem zu verschmelzen. Ziel muss der bruchfreie Erhalt und die schrittweise Modernisierung des Gesamtsystems bodengebundener Luftverteidigung sein. Mit Blick auf die aktuellen Fähigkeiten der Bundeswehr bedürfen die Raketen- und Flugabwehr besonderer Aufmerksamkeit, heißt es in dem Papier des Ministeriums.
Im Wesentlichen schlagen die Planer des Wehrressorts drei Schritte vor, die allerdings sowohl vom Finanzbedarf als auch vom nötigen Personal für die Streitkräfte nicht einfach zu verwirklichen sind:
• Das vorhandene Flugabwehrsystem Patriot soll ab 2023 modernisiert werden und für die Abwehr von Flugzeugen (so genannten air breathing targets) wie auch Raketen bis 2030 genutzt werden. Die dafür nötige Technik ist nach Angaben des Ministeriums marktverfügbar; die Kosten werden mit rund 600 Millionen Euro beziffert. Zusätzliches Personal über das der bereits eingesetzten Patriot-Batterien hinaus ist nicht nötig.
• Möglichst schnell sollen Systeme zur Abwehr von Drohnen unterschiedlicher Größe beschafft werden – von den (zum Teil nichtmilitärischen, aber militärisch genutzten) Kleindrohnen bis zu großen Aufklärungs- und Kampfdrohnen. Zwar gebe es bereits erste Schritte wie Störsender oder die für die NATO-Speerspitze 2023 geplanten kleineren Abwehrsysteme, das wird zukünftig jedoch nicht ausreichen.
Deshalb sollen bis spätestens 2026 neue Fähigkeiten in der mobilen Flug- und Drohnenabwehr mit der Erstbefähigung des Luftverteidigungssystems für den Nah- und Nächstbereichsschutz (LVS NNbS) aufgebaut werden. Bislang gibt es für diesen Einsatzzweck nur das veraltete leichte Flugabwehrsystem Ozelot (Foto oben). Hier bestehe eine akute Fähigkeitslücke, stellen die Planer im Ministerium fest.
Diese Lücke soll mit höchster Priorität zunächst durch marktverfügbare Systeme geschlossen werden. Unter anderem ist dafür das Lenkflugkörpersystem IRIS-T SLM/SLS vorgesehen, das bis Mitte 2025 einsatzbereit sein soll. Allerdings: für das Luftverteidigungssystems für den Nah- und Nächstbereichsschutz sind nicht nur 500 zusätzliche Dienstposten nötig, die die Luftwaffe stellen soll – sondern auch rund 1,3 Milliarden Euro ab dem kommenden Jahr, die im Haushalt bisher nicht hinterlegt sind.
Noch umfangreicher und teurer werden die weiteren Ausbauschritte des Abwehrsystems, unter anderem der Ersatz des stationären, weil auf eine Betonplatte montierten Systems Mantis durch eine mobile Drohnenabwehr: Für diesen umfassenden Schutz gegen Drohnen, aber auch Flugzeuge mit herkömmlicher Technik wie Maschinenkanonen und neuer Technik wie Lasern werden nicht nur bis zu vier Milliarden Euro, sondern auch rund 1.500 zusätzliche Stellen benötigt.
• Das noch einmal erheblich teurere Taktische Luftverteidigungssystem ist dagegen planerisch nachrangig gegenüber dem Nah- und Nächstbereichsschutz und derzeit nicht im Fokus – eine recht deutliche Art zu sagen, dass dafür absehbar das Geld nicht vorhanden ist, aber auch der Bedarf weniger dringend ist als eine effiziente Drohnenabwehr: Eine Realisierung von TLVS unter den aktuellen Ansätzen des Einzelplans 14 ist insbesondere aufgrund des hohen Finanzbedarfs von rund 13 Mrd. € derzeit fraglich.
TLVS sollte eigentlich nach der bisherigen Planung im kommenden Jahrzehnt das Flugabwehrsystem Patriot ablösen – auch und gerade mit der Fähigkeit zur Abwehr ballistischer Raketen. Das Projekt beruht auf Vorarbeiten des früheren amerikanisch-deutsch-italienischen Vorhabens MEADS (Medium Extended Air Defense System). Nach dem Ausstieg der USA hatte Deutschland die Fortführung in Angriff genommen. Im September 2016 hatte MBDA Deutschland ein Angebot mit einem Umfang von fünf Milliarden Euro vorgelegt; kurz danach zeichneten sich allerdings bereits doppelt so hohe Kosten ab, die nun offensichtlich nochmals übertroffen wurden.
Interessanterweise ist in den Eckwerten des Bundesfinanzministeriums für die Planung der kommenden Jahre TLVS als eines der in der Bundesregierung politisch beschlossenen Vorhaben genannt – damit wird die Frage, ob diese Absichtserklärung auch für die vom Verteidigungsministerium genannte neue Schwerpunktsetzung für die Luftverteidigung gilt. Schließlich hatte der Koalitionspartner CSU Anfang Januar noch betont: Wir wollen deshalb zentrale Schlüsselprojekte wie den neuen Raketenschutzschirm Taktisches Luftverteidigungssystem (TLVS) … engagiert vorantreiben.
(Archivbild Juni 2019: Waffenträger Ozelot der Flugabwehrraketengruppe 61 beim Übungsschießen auf dem Raketenschießplatz Ustka in Polen bei der multinationalen Übung TOBRUQ LEGACY 2019 – Alexander Feja/Bundeswehr)
Die Debatte zur Drohnenabwehr passt zur Drohnendebatte in Deutschland:
Die Realität (insbesondere der technische Fortschritt und die Grundlagen des Einsatzes von Streitkräften) wird aus ideologischen Gründen ausgeblendet.
Eine Debatte die darum kreist, wie man vorallem frühere Fähigkeiten wiederaufbauen kann, ist zum Scheitern verurteilt.
Das Zielspektrum einer modernen Luftverteidigung wandelt sich aktuell so schnell wie seit ca. hundert Jahren nicht.
Der nächste Schritt ist die Verwendung grosser Schwärme von Drohnen oder eher Loitering Munition.
Darüber wird seit Jahren geredet und andere Länder machen es auch:
https://www.thedrive.com/the-war-zone/34204/turkey-now-has-a-swarming-quadcopter-suicide-drone-that-it-could-export
Wir denken dabei weiter darüber nach, ob wir vielleicht ab 2030 (falls Geld vorhanden ist) die Probleme aus der Zeit von 2015-2020 (einzelne hochwertige Drohnen) lösen können.
@ Memoria
Volle Zustimmung !
Deutschlands Rüstung war immer aus den Erfahrung des letzten Krieges geprägt, Die Sturzkampfbomber wurden entwickelt aufgrund der Erfahrungen des endlosen Stellungskrieges an den Fronten des I. WK.
Das liegt natürlich daran, dass die Entscheidungsträger für neue Rüstungsprojekte (Militärs und Politiker) meist auch ältere Soldaten und Politiker sind, die den letzten Krieg selbst erlebt oder dessen Nachwirkungen in den Erzählungen in ihrer Kindheit gespürt haben.
Mit den von Ihnen verlinkten Kleindrohnen „Kargu“ der Türkei hat die PKK keine Chance mehr ! Das wird der Game-Changer in dem 40jährigen Konflikt werden, genauso wie der Krieg zwischen Armenien und Aserbeidschan letztes Jahr ein Game Changer in der Anwendung der Panzertechnologie war.
Aufstandsbekämpfung ohne Rücksicht auf menschliche Verluste in einem weiten, offenen Land wie im Osten der Türkei wird ein Abschlachten der Aufständischen werden.
Dies können sich natürlich unsere Politiker alles nicht vorstellen. Hoffentlich wird die Drohnenwaffe von Kongsberg, als Granatmaschinenwaffe auf breiter Front in der Bw eingeführt, beweglich als Konvoischutz, sonst können wir uns der Bedrohung aus den Kleindrohnen, als Schwärme oder Loitering Munition nicht mehr erwehren.
@Georg:
So manches ihrer Ansichten teile ich in der Stärke nicht.
Die StuKa waren zumindest zu Beginn des Krieges ein sehr innovatives und wirksames Mittel. Insbesondere der psychologische Effekt erinnert übrigens sehr stark an Berichte aus Berg-Karabach.
Die Abkehr von Panzern halte ich auch für ziemlich verfrüht.
Würde hier ja auch schon mehrfach diskutiert:
https://augengeradeaus.net/2020/10/sicherheitshalber-der-podcast-folge-35-drohnenkrieg-um-bergkarabach-ist-das-die-zukunft-bundeswehr-im-inneren-alles-corona-oder-was/
https://augengeradeaus.net/2020/10/autonome-waffensysteme-viel-lesestoff-nicht-nur-fuer-den-bundestag/#comment-352769
Die von ihnen erwähnte Waffenstation von Königsberg soll für 10 Fahrzeuge beschafft werden und ist wirklich nur ein minimaler Einstieg (qualitativ u. quantitativ).
Das ist – bei unveränderter Planung – alles was die Bundeswehr bis 2030 im Bereich Abwehr von Kleindrohnen haben wird.
@Nachhhaltig:
Es ist halt wenig sinnvoll intensiv über neue LFK nachzudenken. Das BMVg hat – wohl aus finanziellen Gründen – vermieden einen sinnvollen Gesamtansatz (!) im Bereich Luftverteidigung zu verfolgen, der eine Kombination aus einer Rohrwaffe (30mm oder 35mm da bereits eingeführt) mit verschiedenen LFK (auf der Basis der IRIS-T, da bereits eingeführt) bis zum Nahbereich vorsieht.
Deutschland sieht sich ja so gern als Rahmennation. Hier wäre dafür ein wirklich praktisches Beispiel.
Stattdessen werden irgendwelche Traumschlösser gebaut, die taktisch, technisch und finanziell sehr fragwürdig sind.
Das ist aus meiner Sicht das Problem und nicht welche anderen technischen Möglichkeiten es sonstwo auf der Welt noch gibt.
Noch ein Hinweis auf die internationale Entwicklung.
Die USA nehmen das Thema Flugabwehr auch strukturell (also auch mit Dienstposten) sehr ernst.
Entsprechend werden die Kräfte auch für Europa geplant:
https://breakingdefense.com/2021/03/land-forces-are-hard-to-kill-army-chief/
Uns fehlt weiterhin ein eigener Gesamtansatz wie wir im Krieg der Zukunft bestehen wollen.
Ohne eine solche Grundidee bzw. die Anpassung der Ideen der Verbündeten (insbes. USA) an unsere Randbedingungen werden wir jedoch immer weniger als relevanter Partner gesehen.
Allein schon als ernsthafter Gesprächspartner oder gar Kooperationspartner.
Ernsthaft nachdenken kostet noch nichtmal Geld, es erfordert bei der Formulierung von Ideen lediglich Mut.
Solange wir aber selbst beim Thema Luftverteidigung uns nur im Kreis drehen, wird es wohl nicht besser.
@Memoria 26.03.2021 um 17:56 Uhr:
Aus meiner Sicht gibt es eine viel größere Lücke, nicht nur aus DEU Sicht sondern gleich NATO-weit. Von im Konturenflug angreifenden Battlefield Air Interdiction oder Close Air Support Kampfflugzeugen SU34, SU25 o.ä über alle Arten von Kampfhubschrauber, dem Terrain folgenden Marschflugkörpern, loitering ammunition und militärische (Kampf-)Drohnen.
Das das DEU Heer als existentielle Bedrohung für seine mechanisierten Verbände handelsübliche kleine Zivildrohnen betrachtet lässt mich eher mutmaßen das man halt viel Lärm um die einzige Bedrohung macht, gegen die man in absehbarer Zeit (den nächsten 5 bis 10 Jahren) eine finanzierbare (!) weil vergleichsweise günstige, fertig entwickelbare, rechtzeitig einführbare und einsatzbereite Antwort zu haben glaubt, mit ner 40mm GraMaWa mit einem Radar gekoppelt und von der Schulter gerichteten Störsender.
Oder das man das Gefecht gegen den nächsten Gegner in der Annahme plant er nutzt keine spezielle moderne militärische Ausrüstung, sondern wie Insurgenten in AFG oder Syrien halt „Conrad-Elektronik-Drohnen“.
@Nachdenklicher 26.03.2021 um 11:15 Uhr:
Bei der Layered Defence bin ich durchaus bei Ihnen, wobei mich der Verdacht beschleicht, das die Luftwaffe eher im Sinne denkt „wie schützen sich die LV-Systeme gegenseitig“ denn „wie maximiere ich die Wirkung, um dem Gegner Aufklärung und Bekämpfung aus der Luft zu verwehren“.
Mir ging es eher um Ihre Ausführungen zum Nachladen. Wie lange das Nachladen einer großen oder kleinen Rakete dauert ist vom mehr Faktoren abhängig als die Größe der Raketen. Um ein Beispiel zu geben:
Ein M270 MLRS (aka MARS) munitioniert 12 Raketen auf in etwa 3 bis 4 min, ohne besonderes „Ladefahrzeug“. Ein FRP Roland benötigt mit einer eingespielten Crew eher im Bereich von 20 bis 30 min für 10 LFK. Und das für deutlich leichtere LFK. Mit anderen Worten, wenn man will und entsprechend Anforderungen formuliert findet die Industrie auch hierfür technische Lösungen.
Taktisch aber bitte auch vor Augen halten, jedesmal wenn Sie ein FlaSys zum munitionieren „rausziehen“ haben sie eine Lücke im FlaSchutz. Wie kompensieren sie die? Auch da sind 2 bis 4 Fahrzeuge mit überlappenden Wirkungsbereichen einfacher zu handhaben als ein einziges, das den gesamten Raum abdeckt.
Frage an die Experten hier:
Ist schon jemand auf die Idee gekommen gegen Kleindrohnen, Kamikazedrohnen uvgl. ebenfalls Drohnen als Abwehrmittel einzusetzen? Man könnte aus meiner Sicht ja eher gefühlt am preiswerten Bereich seinerseits eigene Drohnen über sich ‚loitern‘ lassen, die entweder simpel durch Kollision mit erkannten Zielen wirken und/oder eine entsprechende Sprengwirkung entfalten könnten. Klar sind 35mm Patronen wohl günstiger pro Stück, aber man bräuchte halt auch etliche – vom schweren Trägersystem mal abgesehen, das ja auch selbst wieder ein teures Ziel böte…
@FlaOffz:
Natürlich bleiben auch klassische Plattformen der 70er- und 80er-Jahre eine Aufgabe.
Bei Drohnen geht es aber aus meiner Sicht nicht nur um einfache zivile Drohnen (siehe obiges Beispiel aus der Türkei) .
Daher gibt es um Bereich der bisherigen Plattformen in der NATO vielleicht eine quantitative Lücke, aber technisch hat man sich ja auf Su-24 und Su-25 spätestens seit den 80er Jahren ausgerichtet.
Den Bereich Cruise Missile hat man aus meiner Sicht sehr lange sehr gerne ausgeblendet.
In dem Bereich gibt es aber auch neue und unkonventionelle Ansätze:
https://www.forbes.com/sites/davidaxe/2020/09/06/sci-fi-awesome-a-us-army-howitzer-just-shot-down-a-cruise-missile/
Bei Loitering Munition wird man sich wohl ebenfalls überlegen müssen wie alldas besser abgewehrt werden kann.
Da gibt es aus Überschneidungen mit Cruise Misseles.
Mein Fazit:
Es gibt im Bereich der Luftverteidigung auf sehr vielen Ebenen sehr viele konzeptionelle, taktische und technische Herausforderungen.
Wenn diese nicht entschlossen angegangen werden ist ein Einsatz von Streitkräften sehr bald nicht mehr durchführbar.
Gleichzeitig negiert Deutschland das Thema besonders vehement.
Aus den Diskussionen hier geht für mich nicht klar hervor was am vorgestellten Konzept nun so fragwürdig ist bzw. wo hier konkret die Lücke gesehen wird.
Mal abgesehen von der Quantität und dem Umstand, dass alles sehr spät kommt, was ist an dem Konzept nicht sinnvoll?
Die künftigen Systeme werden ja in etwa so aussehen:
– 40 mm Granatwaffe
– Skyranger mit 30/35 mm + Flugkörper
– Iris T SLM
– Patriot
Welchem Bedrohungsszenario kann man damit nicht gerecht werden, falls alle Systeme in der nötigen Menge zur Verfügung stehen?
@Memoria: Man wird schlicht vieles nicht abwehren können, analog zu Artilleriegranaten. Was zur in D besonders unangenehmen Erkenntnis führt, dass man dann dem Gegner auf gleiche Weise begegnen muss, ihm also mit den gleichen Waffen und Wirkmitteln das Leben mindestens genauso schwer macht, angefangen mit loitering munition. So zumindest sieht das Zwischenfazit für mich aus. Und ich stimme zu, es kann nicht einfach um eine Neuauflage von Gepard und Hawk gehen.
@FlaOffz: Verstehe ich Sie richtig, dass Sie IRIS-T SLS nicht als Teil der Lösung ansehen? Wenn ja, warum nicht?
@ Leuco: Grundsätzliche Zustimmung zu ihrer Frage. Nur ein Hinweis: Die 40mm-Gramawa-Lösung ist m.W. derzeit nur als Zwischenlösung im kleinen Rahmen (10 Fahrzeuge) geplant, mittelfristig (ab 2026) ist das Ziel, die Sensorik der Hauptwaffensysteme der Kampftruppe zu erweitern, dass sie mit ihren Bordwaffen dann auch gegen Drohnen wirken können. Die „Zwiebelschalen“ wären dann imho eher:
Qualifizierte Fliegerabwehr mit dafür befähigter Bordwaffe
Skyranger 30/35 mit Flugkörper kurzer Reichweite
IRIS-T SL (hier ist mir allerdings noch unklar ob SLM oder SLS)
Patriot
@Leuco:
„Die künftigen Systeme werden ja in etwa so aussehen:
– 40 mm Granatwaffe
– Skyranger mit 30/35 mm + Flugkörper
– Iris T SLM
– Patriot“
Nein eben nicht.
Wenn man unter „künftig“ vor 2030 versteht, dann stimmt eben genau das nicht, da die Konzeption vorsieht:
Die künftigen Systeme werden stattdessen so aussehen:
– 40 mm Granatwaffe
– Iris T SLS und SLM
– Patriot
– irgendwann noch Maschinenkanone oder Laser
Dabei besteht zwischen der ersten und der zweiten Stufe eine Lücke, deren Schließung auch vom BMVg als drängend angesehen wird, aber eben keine Lösung in dem Bereich konsequent verfolgt wird.
Die Darstellung ist natürlich keine andere:
https://mobile.twitter.com/BMVg_Bundeswehr/status/1374324408676933633
Ich denke auch…
was da geplant ist ist schon recht tauglich bzgl unterschiedlicher Abwehrszenarien… vorausgesetzt die Quantität stimmt…
wenn ich am Ende nur 10 Fahrzeuge mit 20 Flugkörpern habe und nix zum nachladen…dann ist natürlich schlecht…
Beim Thema qualifizierte fliegerabwehr wäre es gut wenn da so viele Einheiten wie möglich befähigt werden…nett wäre natürlich wenn das bei Bestandseinheiten mit leichten Updates funktioniert (Puma mit ABM sollte da auch tauglich sein, oder sämtliche Fahrzeuge mit FLW100/200 und 40mm)
Dann on top skyranger 30 mit FK auf Boxer Basis >100 Fahrzeuge
Iris-t SLM mit mindestens 8 Systemen
Beschaffung weitere FK für Patriot
mehr PAC3 MSE
neuer FK PAAC4 (Stückpreis ca 20% des PAC3 MSE) mit ein paar hundert FK
@ein_versuch:
Sie vermischen qualifizierte Fliegerabwehr mit Fliegerabwehr aller Truppen.
Bei letzterem im Jahr 2026 in der Breite eine moderne Fähigkeit zu haben, ist illusorisch.
Die Zwiebelschalen sehen übrigens bei unveränderter Finanzierung so aus:
– qualifizierte Fliegerabwehr
– Patriot
Selbst wenn es Geld gibt, dann kommen IRIS-T SLS u. SLM zunächst dazu.
Die anderen Schichten (insbesondere eine richtige Fähigkeit im Nächstbereich) ist frühestens in 10 Jahren grob geplant.
Dabei ist das Problem nicht die Technik, sondern die Arbeitsweise im BMVg.
@obiber:
Erneut ganz nette Ideen, passen aber in keiner Weise zur Finanzlinie:
https://augengeradeaus.net/2021/03/fuers-protokoll-haushaltsplanung-verabschiedet-mit-langfristig-sinkendem-verteidigungsetat/
Schon die jetztige Aufteilung in Nachfolge Ozelot und mobile Fliegerabwehr ist vorallem dem fehlenden Geld geschuldet.
„@ein_versuch:
Sie vermischen qualifizierte Fliegerabwehr mit Fliegerabwehr aller Truppen.
Bei letzterem im Jahr 2026 in der Breite eine moderne Fähigkeit zu haben, ist illusorisch.“
Nein, vermische ich nicht. Man muss trennen zwischen der Erstbefähigung zur qualifizierten Fliegerabwehr (=8-10 Boxer mit GraMaWa für die nächste VJTF) und der umfassenderen Befähigung zur qualifizierten Fliegerabwehr durch verbesserte Sensorik für die Bordmaschinenkanonen und Waffenstationen. Richtig ist, dass letztere nicht 2026 auf dem Hof stehen wird, aber ab dann angegangen werden soll. Ich beziehe mich dabei u.a. auf einen Artikel in der ESuT, August 2020, „Schutz von Operationen des Heeres gegen Luftbedrohungen“.
@ein_versuch:
Der weitere Ausbau der qFlgAbw ist vom Tisch (siehe Ausgangspunkt der Diskussion).
Was bleibt ist eine grob angedachte Anpassung von Fahrzeugen zum Eigenschutz (Weiterentwicklung der Flugabwehr aller Truppen mit BMK, FLW, etc.) – jedoch ohne gesonderte Sensorik.
Alles auch auf der untersten Ebene gibt es umfassenden Handlungsbedarf.
@all:
Hier noch eine ziemlich gute Darstellung der Technologie hinter den Schwarm und deren mögliche militärische Anwendungen:
http://www.forbes.com/sites/davidhambling/2021/03/01/what-are-drone-swarms-and-why-does-everyone-suddenly-want-one/
Zusammenfassend ist also die vermutlich viel zu späte Einführung eines Sytems wie Skyranger das größte Problem, wenn ich das richtig verstehe.
Im Hinblick auf Russland, kann man hier noch davon ausgehen, dass die größte Gefährdung von der (Raketen und Rohr) Artillerie ausgeht? In naher Zukunft kommen hier dann noch klein und mittlere Drohenen. All dies könnte Skyranger bekämpfen?
Wenn man sich das ganze Thema ansieht, kommt meiner Ansicht noch ein wichtiger Aspekt zu kurz. Das eine ist das Abfangen von Geschossen und Fluggerät, etwas anderes ist es so mobil zu sein, dass man nicht getroffen wird bzw. außerhalb der Reichweite des Gegners zu agieren.
Müsste man nicht, wenn man einen Ganzheitlichen Ansatz verfolgt dieses Thema mit einbeziehen? Hier gehört z.B. die Erweiterung der Reichweite der Haubitzen oder Mars dazu oder auch ein Mörsersystem wie Nemo.
Wenn man dies alles mit einbezieht, kann man bewerten, welche Dinge sofort verfügbar wären und was in Relation zu den Kosten den größten und vor allem schnellsten Nutzen generieren würde.
Nach Darstellung aus dem BAAINBw in der ES&T voriges Jahr wird ein FlakPz Boxer nach 2027 eintrudeln. Das mag verspätet erscheinen, und aus Sicht des mil. Nutzers ist Haben stets besser als Brauchen.
Freilich kommen hier noch andere Aspekte zum Tragen, etwa bei der Industrie. Deutschland selbst sollen vorher noch andere Boxer zugehen (Joint Fire Support Team und schwerer Waffenträger).
@Leuco:
Die Einführung eines SkyRanger ist egal zu welchem Zeitpunkt noch nichtmal ansatzweise gesichert. Eine Einplanung in knapp 10 Jahren hat gar keine belastbare Grundlage, sondern soll nur das Heer vertrösten.
Eine hochbewegliche Gefechtsführung wird natürlich immer wichtiger.
Es gibt dazu auch verschiedene Konzepte und technische Lösungen.
Wie schon von ihnen angesprochen muss insbesondere das indirekte Feuer beweglich sein.
An Loitering Munition wagt sich von den Bedarfsträgern und Nutzern kaum jemand heran, ein toxisches Thema für Karrieren.
Insgesamt fehlt eine klare Vorstellung vom Krieg der Zukunft – auch das ist eben nicht wirklich karrierefördernd.
Solange das so ist, sind alle Debatten, ob um Drohnen, Drohnenabwehr, Abschreckung, nukleare Teilhabe, Indopazifik oder sonstwas wenig zielführend.
@muck:
Mit der obigen Entscheidung zur Zukunft der Luftverteidigung sind die vorherigen Überlegungen hinfällig.
Nun soll NNbS unverändert weitergeführt werden, TLVS kommt nicht.
Der dringend und zwingend notwendige zweiten Schritt von NNbS (inkl. mobile Drohnenabwehr) wird nicht wegen industrieller Gründe verzögert, sondern weil zu wenig Geld da ist und die Vorstellungen zwischen den Entscheidern und Nutzern zu unterschiedlich sind.
Ich empfehle hier mal weniger auf Zeitschriftenartikel und ähnliches zu schauen sondern auf die Fakten (inkl. der Finanzierung).
Kurz gesagt ist das Thema Drohnenabwehr ein prägnantes Beispiel für das Ergebnis der Politik der letzten 16 Jahre:
Man ist nichtmal ansatzweise in der Lage einsatzbereite und bedrohungsgerechte Streitkräfte vorzuhalten.
Die Nebelkerzen des BMVg (siehe obige Twitter-Meldung) funktionieren aber auch hier noch erstaunlich gut.
Fachlich gesprochen, wäre es wohl am effektivsten, die im Heer eingesetzten Fahrzeuge denen „nur“ die Sensorik und Intelligenz fehlt, um Drohnen zu bekämpfen, diesbezüglich nachzurüsten. Beziehungsweise neue anstehende Lieferungen gleich mit diesem Upgrade zu versehen. Das würde die Pumas und die IFV Boxer betreffen. Wenn man sich beeilen würde, könnte man das 2. Los Schützenpanzer sowie die IFV Boxer damit ausrüsten und der Drops für die Drohnenabwehr wäre qualitativ und quantitativ gelutscht. Vielleicht müsste man für die Jäger noch ein paar weitere Boxer aufpeppen.
Finanziell, organisatorisch, vertraglich bin ich mir aber absolut klar darüber, dass dies nicht kommen wird, Das 2. Los Schützenpanzer und die IFV Boxer werden nicht für die Drohnenabwehr ausgerüstet werden.
@Memoria
Hat das BAAINBw also unwahre Gründe vorgeschoben, als es die erste 35 mm-Turm-Ausführung als zu hoch, schwer und einseitig ausgerichtet ablehnte (weil ohne Flugkörperstarter)? Warum hat sich die Industrie dann die Mühe gemacht, den flacheren 30mm-Turm „auf Kundenwunsch“ zu entwickeln?
Der Turm hat einen niedrigen Entwicklungsstand; die Serienreife wird etwa zeitgleich mit der des „schmalen“ RCH 155 für 2027 angestrebt. Nach meinem Kenntnisstand hat sich nichts an dem geändert, was Dorothee Frank Ende letzten Jahres im ‚Behördenspiegel‘ schrieb: dass die Ausschreibung für den FlakPz 2026 erwartet wird.
Was die Finanzierung angeht, sorry, das ist mir zu dünn. Das Fahrzeug kostet €4,4 mio. pro Stück, der Turm voraussichtlich €5-7 mio. Macht für die kolportierten 84 Fahrzeuge €957,6 mio. Nimmt man die übliche Milchmädchenrechnung zur Orientierung (Systempreis = Stückpreis × 1½) komme ich auf max. €1.436,4 mio.
Also, am Geld liegt es nicht. Es mag sein, dass die „reine Flugkörperlösung“ im Teilprojekt 1 NNbS sogar teurer ausfällt als der FlakPz Boxer, vielleicht sogar bedeutend teurer. (Nebenbei, mir ist klar, dass das Ding nicht so heißen würde, aber die Bezeichnung gefällt mir.)
Eingangs wird erwähnt, dass Iris T SLM/S bis 2025 zur Verfügung stehen soll.
Wann müsste hier die Ausschreibung bzw. Auftragsvergabe stattfinden?
Gibt es hier nähere Informationen wie viele Systeme sich die Luftwaffe bzw. das Heer sich wünscht?
Falls die Zahl der Systeme bekannt ist, wie muss man sich ein solches vorstellen (welche Fahrzeuge sind außer der Starter nötig, wie viele Starter hat so ein System?
@muck: Interessante Ausführung bezüglich der Kosten. Diese schienen mir Eingangs schon wenig plausibel (Iris recht günstig, Skyranger recht teuer. Auch die Zahl 84 war mir noch nicht bekannt.
@muck:
ich denke auch dass 4 Mrd € für die 84 FlakPz Boxer reichen sollten… und dass hierbei noch genügend Geld für die Integration und Beschaffung von FK und die Entwicklung von Lasermodulen für weitere Boxer enthalten ist (die Laser wurden teilweise ja auch schon entwickelt und getestet… also man steigt da eher bei 70% ein und muss das noch Serienreif machen und die Leistung der Laser weiter steigern)
Ziel 2030/2032:
84 FlakPz Boxer mit Skyranger30 + 2 FK integriert
30-40 LaserBoxer
bzgl der Boxer Aufträge/Auslastung der Fertigungslinie
wenn Geld da wäre könnten im Zeitraum von 2027-2035 nochmal ca 100 Boxer RCH155 (auch mit dem neuen leichteren Turm) zulaufen…
im Zeitraum 2023-2027 könnten dann die Boxer IFV und JFST zulaufen (Wunschgedanke/Planung des Heeres für den noch ein paar € fehlen)
generell bzgl SHORAD / NNBS:
ich weiß… leicht off-topic… aber inhaltlich doch relevant
kennt jemand den Film „Angel has Fallen“ (wie gut oder schlecht der auch sein mag :-P)?
in der Anfangsszene wird ein „Schwarm kleinst Kamikaze Drohnen“ auf den Präsidenten und sein Team losgelassen…
ich denke technisch sind solche Schwärme an „kleinst Killerdrohnen“ schon machbar… bzw. schon fertig entwickelt…
und man kann sich vorstellen wie schwierig es in Zukunft sein könnte Angriffe von hunderten solcher Drohnen abzuwehren….
da ist
sehr gute Sensorik und Zielverfolgung
+ ordentlich Feuerkraft (am besten mit AirBurst Munition)
gefragt
um solche Schwärme abwehren zu können…
mit 2 Flugkörpern und 10 Feuerstößen aus einer Maschinenkanone kommt man da nicht weit…
Interessehalber, wo wird die 84er-Zahl kolportiert? War mir bisher noch nicht untergekommen.
Zu der für mich recht interessanten Diskussion hier noch einige Anmerkungen:
Zur qualifizierte Fliegerabwehr:
Für mich ist dieses System kein C-UAS System sondern eine „verbesserte Fliegerabwehr aller Truppen“. Der für mich wesentliche Grund liegt in der Waffe und der verwendeten Munition. Gemäß Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/40-mm-Granatwerferpatrone) hat die 40mm ABM high velocity eine Rohraustrittsgeschwindigkeit von 240m/s. Die Flugzeit bis zu einer nur 1000m entfernten Drohne beträgt somit etwa 5s (wegen der ballistischen Flugbahn). Da muss die Drohne schon sehr gleichmäßig fliegen, um sich bekämpfen zu lassen.
Weiterhin habe ich gelesen, dass die Lösung mit nur einem feststehenden 120° Radar ausgestattet werden soll. Hier frage ich mich natürlich wie damit eine Detektion von Drohnen sichergestellt werden soll, die aus den anderen Richtungen kommen. Muss ich dann den Boxer immer in die entsprechende Richtung drehen?
Im Hinblick auf die Positionierung des BMVg bei der Entscheidungsmatrix wird die Einführung einer Drohnenabwehr bis 2026 gefordert. Dieses soll mit der Erstbefähigung LVS NNbS erreicht werden. Weiter steht darin, dass nur Lenkflugkörper (IRIS-T SLM/SLS) verwendet werden sollen. Wie die vorigen Beiträge schon zeigen, wird besonders der Bereich der Loitering Munition zunehmend das Problem werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese mit Flugkörpern bekämpft werden können.
Wenn dann eine mobile „MANTIS-Lösung“ erst in den nächsten Ausbauschritten kommen soll, heißt das für mich übersetzt, dass in dieser Dekade keine vernünftige Lösung zum Schutz der Truppen zur Verfügung steht.
War aber nicht gerade dieses der Wunsch des Parlaments aufgrund der Erfahrungen aus dem Konflikt um Bergkarabach? Hier entsteht bei mir der Eindruck, dass das Verteidigungsministerium dem Parlament mit der Entscheidungsmatrix der bodengebundenen Luftverteidigung eine Mogelpackung untergeschoben hat.
@Nachdenklicher: Die Idee mit der Mogelpackung kann einem schon kommen, obschon das Fazit „unser bisheriger Plan war gut, wir halten daran fest“ durchaus als positive Nachricht begriffen werden kann. Aber vielleicht liegt die Neuerung in der Priorisierung und somit einer Realisierungsgarantie für NNbS, sowohl was Haushaltsmittel als auch Dienstposten anbelangt. Deutlich zu erkennen ist ausserdem die Abhängigkeit vom Ausgang der Gespräche über internationale Kooperationen – diesen Teil des Entscheidungsbaums der „Matrix“ kennen wir hier jedenfalls nicht.
Zum Thema MK: Verläßt man sich hier bis 2030 bei der Bündnisverteidigung gezwungenermassen auf andere – osteuropäische – Länder?
@ein_versuch
Im Frühjahr 2019 berichtete ES&T von Planungen des Heeres, einstweilen 72 und perspektivisch bis zu 144 Fahrzeuge zu beschaffen. Im Laufe des Jahres wurden daraus „etwa hundert“.
2020 wurde der Planungshorizont vom Amt für Heeresentwicklung in einem Fachbeitrag an gleicher Stelle konkretisiert: 10 Staffeln für die Brigaden, 3 für die Divisionen, 1 für die Korpsebene. Seitdem geistert die Zahl von 84 durch die Fachpresse.
Manchmal ist nicht ganz klar, ob damit Boxer-SkyRanger oder Träger von Flugabwehrsystemen allgemein gemeint sind. Immerhin hatten die Gepard-Staffeln sechs Fahrzeuge; freilich gäbe es dann keine Umlaufreserve, keine Schulfahrzeuge.
Trotzdem scheint die Zahl eine gute Orientierungsgröße, da zumindest die 14 Staffeln gesetzt sind, und sehr viel mehr oder sehr viel weniger als 6 Fahrzeuge pro Staffel nicht im Bereich des Erwartbaren liegen.
Danke!
@ein_versuch
Korrektur
Der Autor war nicht im Amt für Heeresentwicklung tätig, sondern als Referent Bodengebundene Luftverteidigung im Kommando Luftwaffe eingesetzt (ein gewisser OTL i.G. Reiter). Mein Fehler. Seine Artikel sind @ES&T noch hinter Paywall zu haben.
Nachtrag
Das Preisschild kommt via Twitter vom britischen KMW-Berater Nicholas Drummond. Anlässlich der Vorstellung des SkyRanger 30-Turmes bezifferte er am 16. Dezember die Kosten für den Turm auf €5-7 Millionen; das Trägerfahrzeug kostet €4,4 Millionen. Sicherheitshalber rechnete ich oben mit 7 Millionen.
Das sind alles natürlich nur Orientierungsgrößen, aber sie erlauben uns wohl einen Eindruck, wohin die Reise geht. Nebenbei, die perspektivische Zahl „144“, die am 02. März 2019 von Lars Hoffmann auf ES&T genannt wurde, erscheint mir ziemlich hoch. Das wären vier volle Flugabwehrregimenter alter Schule.
Die erstgenannten 72 und späteren 84 passen wohl eher zu der Zahl der 1500 Dienstposten, die laut Herrn Wiegold für die Folgebefähigung veranschlagt würden. Die alten Gepard-Regimenter hatten meines Wissens nach in ihren sechs Batterien insgesamt 36 Flakpanzer.
Zur Anzahl der Systeme: Wäre es nicht sinnvoll, das Bild für kampffähige Einheiten zu malen. Also wie viele Flugabwehrsysteme stelle ich einer Panzerkompanie zur Seite? Jeweils eins. Dann kämen wir auf 5 Systeme pro Bataillon mit 5 Kompanien und 44 Leos? Also grob im Verhältnis 1:10 zu den Kampfpanzern. Oder will man lieber hinter jeder Kombination aus Kampfpanzer und Schützenpanzerzug ein System haben: 1:8? Oder hinter jedem Zug. 1:4 ? Wie sieht es bei den Jägern aus?
Sollte man bei der Abwehr kleiner Drohnen nicht den Schwerpunkt auf die Infanterie setzen. Nur die sind „draußen“. Dafür die Panzertruppen stärker gegen Raketenangriffe schützen?
Mit was ziehe ich idealtypsicherweise ins freie Geländer mit was in den Wald, mit was in die Stadt?
Fragen über Fragen. Dazu wäre es sinnvoll, mal was Konkretes zu bekommen. „Staffeln pro Brigade oder Division“
Zum Thema LVS NNbS wurde heute bei ESUT online ein Artikel „Deutsches Industriekonsortium für Nah- und Nächstbereichsschutz gegründet“ veröffentlich. Keine revolutionär neuen Infos, aber nachfolgende Aussagen zu den Schritten und dem Umfang fand ich interessant:
„Die Bundeswehr will bis 2026 neue Fähigkeiten in der mobilen Flug- und Drohnenabwehr aufbauen. Dies soll durch eine Erstbefähigung des Luftverteidigungssystems für den Nah- und Nächstbereichsschutz (LVS NNbS) geschehen. Für die „Division 2027“ sollen vier Feuereinheiten für den Schutz mobiler Verbände und stationärer Einrichtungen zur Verfügung stehen.“
Die Hintergrund-Grafik zum Artikel zeigt IRIS-T-SLM (bereits bekannt) und einen kurios anmutenden, sperrigen Dreiachs-Hochdach-Möbelwagen auf Eagle-Fahrgestell mit integrierten Flugkörpern (wahrscheinlich IRIS-T-SLS) und mehreren aufgesetzten Flächenradaren. Letzteres entwickelt sich hoffentlich nicht zu einem ernst gemeinten Lösungsvorschlag.
Ein guter Überblick über industrielle Pläne zur Zukunft der Luftverteidigung:
https://www.armyrecognition.com/defense_news_march_2021_global_security_army_industry/rheinmetall_diehl_and_hensoldt_cooperate_to_compete_for_new_bundeswehr_air_defence_system.html
Der Behörden Spiegel („Angebot für die deutsche Luftverteidigung“) gibt online noch etwas mehr Einblick in die Planungen
muck 29.03.2021 um 22:33 Uhr & 30.03.2021 um 7:22 Uhr.
Ich finde die Berechnungen der Stückzahlen schon irritierend. Dafür müsste man eine klare Vorstellung haben, wie viele Systeme (ja welche?) benötigt werden, um den Einsatzraum (Gefechtsstreifen) eines Heeresverbandes wirkungsvoll schützen können. Und dann müsste das Heer gemeinsam mit der Luftwaffe eine Aussage treffen, wie viele Heeresverbände in aktuellen & zukünftigen Einsatzszenarien gleichzeitig Schutz gegen Bedrohung aus der Luft benötigen und ob das dann automatisch ein „All In“-Einsatz für die NNbS für die Einheiten der Luftwaffe wird,
Wenn wir den Maßstab Gepard und Roland (bzw. indirekt Ozelot) hernehmen brauche ich mindestens. 6 System für den Raum eines mechanisierten Bataillons. Wenn wir von den 84 diskutierten neuen Systemen jetzt einfach mal 12 für die lehrgangsgebundene Ausbildung (Bediener und Instandsetzer) abziehen hätte ich somit ca. 12 Einheiten (Staffeln) zu je 6 Systemen verfügbar, wenn ich alles was ich hab in den Einsatz werfe. Mmh, daß beißt sich aber schon ein wenig mit 3 voll ausgerüsteten und einsatzbereiten Heeresdivisionen (mit je drei Brigaden) für LV/BV. Oder die Masse operiert halt ohne Dach über´m Kopf.
P.S.: Es gab keine Gepard-Staffeln, die hießen Batterien!
Video Januar 2021:
Oerlikon Skynex Air Defence System
https://www.youtube.com/watch?v=1DXpPmpmcak
Interessante Komponente: RM scheint ein Containerelement mit in die Bodenverteidigung zu integrieren, mit Lasern und kurzstrecken Raketen gg Kleindrohnen ….
Letztere mit 60 Stück pro Box, mit 10km reichweite gg Dronen. Einsatzbereit 2025?
Das sollte aber wohl auch in einen Boxer (oder PMMC?) passen.
Höchste Zeit, schon mal zusätzliche 300 Boxer Chassis auf Vorrat zu bestellen und dann später entscheiden, was man an Modulen draufsetzt (Kabo, NEMO/AMOS/AA …)
@ Hans II: „Die Hintergrund-Grafik zum Artikel zeigt IRIS-T-SLM (bereits bekannt) und einen kurios anmutenden, sperrigen Dreiachs-Hochdach-Möbelwagen auf Eagle-Fahrgestell mit integrierten Flugkörpern (wahrscheinlich IRIS-T-SLS) und mehreren aufgesetzten Flächenradaren..“
Genau, dabei handelt es sich um IRIS-T-SLS auf Eagle 6×6. Das Konzept hat Diehl im Dezember vorgestellt.
@ FlaOffz: Das wären dann allerdings 24 Fahrzeuge pro Brigade (die sollen ja zukünftig vier Kampftruppenbataillone haben). 72 also allein für die Brigaden einer Division und 96, wenn auch die Division für Gefechtsstand etc. eine Staffel erhält. Das wird wohl kaum so kommen. Vielleicht etwas „optimistischer“ gerechnet ein Fahrzeug pro Kampfkompanie und dann 12 pro Brigade? Das wären dann 36, plus vielleicht nochmal 12 für die Division. Vielleicht ist das beschaffnungsmäßig realistischer?
Unklar ist mir auch noch, wie diese zukünftigen Staffeln dann gemischt sein sollen, wenn es langfristig je eine pro Korps/Division/Brigade gibt. IRIS-T-SLM für die Ebene Korps? Gemischt mit IRIS-T-SLS oder reinrassig? Auf Ebene Division IRIS-T-SLS? Gemischt mit der Kanonenlösung? Oder gemischt mit IRIS-T-SLM? Auf Ebene Brigade nur die Kanonenlösung, oder auch IRIS-T-SLS?
PS: Laut Vereinbarung zwischen AKK und dem sächsischen MP soll ein „Kampfunterstützungsverband“ von rund 1000 DP in die Oberlausitz kommen- wird das dann der Standort für ein neues Flugabwehrgeschwader?
@FlaOffz:
„daß beißt sich aber schon ein wenig mit 3 voll ausgerüsteten und einsatzbereiten Heeresdivisionen (mit je drei Brigaden) für LV/BV.“
Zumal von den 3 Divisionen lediglich 2 mechanisiert sind. Die Nachfolge des Ozelot scheint aber nicht auf die Rahmenbedingungen bei der DSK ausgelegt zu sein.
Aber da sich bei dem Anspruch ja bekanntlich eh alles beißt, gibt es ja im Sommer neue Ideen des BMVg.
Die Norweger testen zZ ihre neuen FFG G5s (Containertransportvariante)
https://www.youtube.com/watch?v=FNDwF_PO-GI
Wären die Dinger nicht auch als Unterlage für 35mm Skyranger und AA-LFK zu gebrauchen?
Man rüste ein Panzerdivision zur LV mit Pumas und mit P5s als Kampfunterstützungsplatform (inkl 35mmFlak/Flarak) aus, und die andere für OOA Einsätze primär mit Boxern und – vorerst – Mardern.
Dann kann man kurzfristig immer noch ein paar Einheiten hin und hertauschen, wenn nötig.
Hier wird ja erneut mit maximaler Fantasie über Vollausstattung nachgedacht.
Das erste Teilprojekt soll die Division2027 abdecken – mit je einer Staffel (= Feuereinheit) pro Brigade. Dazu noch eine Staffel für die Divisionsebene.
Mehr dazu findet sich (weiterhin) beim Behörden-Spiegel („Angebot für die deutsche Luftverteidigung“, online verfügbar).
Somit sind es maximal 4 Staffeln bis 2027.
Für die auch noch das Geld gefunden werden muss und weiteres mehr.
Also ein sehr enger Zeitplan.
Wieviel Sinn die 4 Staffeln für eine Division (zudem ohne Berücksichtigung des rückwärtigen Raumes) ist natürlich eine interessante Frage.
Aber dazu können BMVg, Luftwaffe, Heer und viele andere ja ihre jeweilis fachliche Sicht beitragen.
Auch ne Option:
https://www.snafu-solomon.com/2021/03/lynx-with-skyranger-30mm.html
Die bislang erörterten Zahlen, Daten und Lösungen (z.B. Anzahl Systeme NNbS, Anzahl Staffeln, bis wann, Haushaltsmittel und ob Skyranger, Flugkörper und/oder Laser) sind recht verwirrend.
Wenn ich die Grundlage unserer Erörterungen (Artikel von TW) richtig verstehe, dann…
1. erfolgt mit einer Patriot-Modernisierung für 600 Millionen Euro der Fähigkeitserhalt in diesem Bereich zumindest bis 2030. Eine Fortführung der Entwicklung von TLVS ist kostenintensiv und bleibt vorerst unklar. Beides ist nicht Umfang von NNbS.
2. erfolgt bis 2023 ein Aufbau einer (begrenzten) Fähigkeit C-UAS nur für die VJTF2023.
3. erfolgt bis 2025/2026 eine Erstbefähigung im Bereich NNbS mit marktverfügbaren Systemen, unter anderem (!) mit IRIS-T-SLS/-SLM mit rund 1,3 Milliarden Euro und 500 Dienstposten.
4. werden weitere Ausbauschritte (nach 2026) bis zu 4 Milliarden Euro und 1.500 Dienstposten (u.a.) für Anteile Maschinenkanone und Laser erforderlich.
Daraus folgere ich für NNbS:
1. Die VJTF2023 wird über (begrenzte) Fähigkeiten zur Abwehr kleinerer Drohnen verfügen, u.a mit den bestellten 10 Gtk Boxer mit 120-Grad-Radar und 40mm GraMaWa.
2. Wie die Abwehr kleinerer Drohnen über die VJTF2023 hinaus gelöst wird? Vielleicht anteilig durch eine Weiterentwicklung von vorhandenen Fahrzeugen mit Waffenstationen und Pumas?
3. Für eine (hoffentlich) voll ausgestattete Heeres-Division 2027 (mit 3 Brigaden) wird eine Erstbefähigung NNbS u.a. mit Flugkörpern (SLS) kurzer und/ oder mittlerer (SLM) Reichweite erfolgen. Hierfür wären wohl (minimal) 4 Feuereinheiten erforderlich. SLS und SLM sind zu kostspielig für die Abwehr kleiner Drohnen, eignen sich aber für die Abwehr von größeren Drohnen, Helis und Jets. Maschinenkanone und Laser kommen wohl erst später.
4. SLM ist ein relativ weit entwickeltes, robustes und verfügbares System. SLM kann Patriot in gewissen Bereichen entlasten. SLM kann im Prinzip das selbe wie SLS, allerdings hat SLM mehr Reichweite. Die Beschaffung von SLM war ohnehin im Rahmen von TLVS vorgesehen. Das macht Sinn.
5. Die bislang bekannten SLS-Lösungen auf den Plattformen Überschneefahrzeug, Unimog oder Eagle können nur kostspielige Übergangslösungen bei NNbS sein, weil es diesen Lösungen schlichtweg an Robustheit, Mobilität und/ oder Wirkmöglichkeit aus der Bewegung fehlt um mobile Verbände/ Panzertruppen in Bewegung effektiv zu schützen. Lediglich die geplante SLS-Lösung von Diehl und Kongsberg bietet entsprechend Schutzlevel, Mobilität und geschlossene Startbehälter für IRIS-T, bedeutet allerdings eine zusätzliche, nicht in die Bw eingeführte Plattform (Kette).
=> Bloß kein Aktionismus wegen halb-garer Übergangslösungen, die gewiss zu schlechten Dauerlösungen mutieren! Ich hoffe man beschränkt sich vorerst auf SLM, und man führt SLS erst als fertig entwickelte, robuste und zu Skyranger und zu Laser voll kompatible Lösung auf dem Gtk Boxer ein. Und auch Gebirgsjäger und Fallschirmjäger haben die Entwicklung entsprechend robuster, übreschnneefähiger/ luftverlegbarer Lösungen verdient.
6. Der im Artikel „Ansatz zum Nah- und Nächstbereichsschutz“ (Behördenspiegel vom 02.10.2020) beschriebene, flexible Effektorenmix bietet bereits die Möglichkeit zum schrittweisen Aufbau von NNbS. Ich finde diesen Ansatz (grundsätzlich) recht überzeugend.
7. Mit dem schweren Skyranger 35mm wird noch ein zusätzlicher Gtk Boxer mit leichten Flugkörpern und Störsendern sowie zusätzliches Personal erforderlich. Wegen höherer Mobilität und weniger Personalbedarf erscheint mir ein leichterer Skyranger 30mm, mit optional integrierten Flugkörpern, Störsender usw., wesentlich realistischer. Skyranger 30mm bietet zudem die Möglichkeit die kostspielige AirburstMunition zu vereinheitlichen (Puma, Skyranger, Nachfolger für Mantis und für Wiesel-MK).