Verteidigungshaushalt soll 2022 um fünf Prozent steigen, dann geht’s runter (Neufassung)

Der Verteidigungshaushalt soll im kommenden Jahr noch einmal um fünf Prozent steigen, in den Jahren danach aber deutlich unter das Niveau von 2021 sinken. Damit solle der aktuelle Bedarf im Jahr 2022 insbesondere in den Bereichen Rüstungsbeschaffung und Digitalisierung berücksichtigt werden, heißt es in den Eckwerten für die Finanzplanung des Bundes in den kommenden Jahren, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz am kommenden Mittwoch dem Kabinett vorlegen will.

Die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2022 bis 2025 sieht damit eine insgesamt fallende Linie für das Wehrressort vor, wie aus dem Papier hervorgeht, das Augen geradeaus! vorliegt:

2022: 49,29 Milliarden Euro
2023: 46,33 Milliarden Euro
2024: 46,15 Milliarden Euro
2025: 45,73 Milliarden Euro

Die Steigerung im kommenden Jahr, so heißt es im Entwurf des Finanzministeriums, liege um rund 2,4 Milliarden Euro über der bisherigen Finanzplanung. Damit könnten sowohl bestimmte Fähigkeitslücken geschlossen als auch international eingegangene Verpflichtungen finanziert werden:

Darüber hinaus bekennt sich die Bundesregierung zu ihren internationalen Verpflichtungen aus der Bündnisfähigkeit in der NATO sowie innerhalb der Europäischen Union.
Daher wird der Verteidigungshaushalt im Jahr 2022 gegenüber dem Finanzplanansatz um rund 2,4 Mrd. € auf rund 49,3 Mrd. € aufgestockt. Damit wird dem aktuellen Bedarf im Jahr 2022 insbesondere in den Bereichen Rüstungsbeschaffung und Digitalisierung Rechnung getragen und es werden gleichzeitig Konjunkturimpulse gesetzt. Die Mittel für die Auslandseinsätze der Bundeswehr werden auf hohem Niveau fortgeschrieben.
Es besteht Einvernehmen innerhalb der Bundesregierung, dass bestimmte Großvorhaben zum Schließen von Fähigkeitslücken gemäß dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und damit zur Wahrnehmung bereits eingegangener internationaler Verpflichtungen finanziert werden und dem Verteidigungshaushalt ermöglicht wird, die insoweit verabredeten Fähigkeitsziele zu erreichen.

Aus Regierungskreisen war zuvor am (heutigen) Montag bekannt geworden, dass das Finanzressort in den Jahren nach 2022  zusätzliches Geld allein für die Aufgaben vorsehen will, die entweder gesetzlich vorgeschrieben sind oder bereits politisch vom Kabinett festgelegt wurden. Aus allen Ministerien seien deshalb neu vorgetragene Wünsche abgelehnt worden – auch aus dem Wehrressort. Das Eckwertepapier wiederum enthält eine Übersicht über die Fähigkeiten, die aus Sicht der Bundesregierung als verabredet gelten und damit auf der Finanzierungsliste stehen:

Dies gilt insbesondere für Vorhaben im Rahmen der deutsch-französischen und deutsch-norwegischen Rüstungskooperationen, die Schließung der Fähigkeitslücke zur luftgestützten, signalerfassenden Aufklärung (PEGASUS), die Nachfolge des Kampfflugzeugs TORNADO, den Ersatz der veralteten Flottendienstboote, die Beschaffung von Luftfahrzeugen zur U-Boot-Abwehr sowie eines Taktischen Luftverteidigungssystems. Die Umsetzung eines Teils dieser Vorhaben wird mit den Eckwerten bereits ermöglicht.

Damit dürften sowohl die deutsch-französischen (und teilweise spanischen) Projete wie das Future Combat Air System (FCAS) und das Main Ground Combat System (MGCS) als politisch gesetzt gelten – alle andere hätte vermutlich auch das deutsch-französische Verhältnis belastet. Ähnliches scheint für die Eurodrohne und das U-Boot-Projekt mit Norwegen zu gelten. Bei den übrigen genannten Vorhaben ist ein genauerer Blick angebracht.

Ob das Taktische Luftverteidigungssystem (TLVS) tatsächlich weiter angestrebt wird, dürfte sich in nächster Zeit zeigen; Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte im November vergangenen Jahres vor dem Bundestag eine Entscheidung im Frühjahr angekündigt:

Wir werden uns über die Frage bodengebundener Luftverteidigung unterhalten müssen. Das ist nicht nur eine Frage der technischen Fähigkeiten mit Blick auf das Thema TLVS, sondern es bedarf einer Gesamtbetrachtung der unterschiedlichen Schichten – wenn Sie so wollen –, in denen Verteidigung stattfindet. Dazu gehören auch die Fragen, wo wir Fähigkeitslücken haben, wo wir in die Modernisierung gehen, wie wir in den internationalen Kooperationen stehen und wie das Ganze über die Zeitachsen finanziert werden könnte.
Ich habe im Haushaltsausschuss angekündigt, dass ich diese Entscheidungsmatrix in den ersten Monaten des nächsten Jahres vorlegen werde.

Bei den anderen in der Kabinettsvorlage genannten Projekten scheinen die drei neuen Flottendienstboote in Reichweite, ebenso das Aufklärungssystem PEGASUS: Für PEGASUS sind Gelder als Einzelfallregelung als verbindlicher Bestandteil der Eckwerte aufgenommen –  mit Mitteln für die Beschaffung der dafür vorgesehenen drei Global6000-Flugzeuge (Foto oben) in Höhe von 16 Millionen Euro im kommenden Jahr sowie jeweils zwei weitere Millionen Euro in den Jahren 2023 und  2024. Als als weiterer verbindlicher Bestandteil steht dort die Eurodrohne, für die  eine temporäre Mittelaufstockung in Höhe von 160 Millionen Euro im kommenden Jahr, weiteren fast 200 Millionen im Jahr 2023 und knapp 19 Millionen Euro 2024 festgelegt ist.

Die Beschaffung von Luftfahrzeugen zur U-Boot-Abwehr, also die Nachfolge der P-3C Orion Seefernaufklärer, wird dagegen nicht als Einzelfallregelung erwähnt. Damit bleibt noch offen, was genau mit Die Umsetzung eines Teils dieser Vorhaben wird mit den Eckwerten bereits ermöglicht gemeint ist. Denn die Liste der Projekte, deren Finanzierung bislang nicht gesichert ist, ist deutlich länger als die in den Eckwerten genannten Vorhaben. Das Verteidigungsministerium hatte deshalb auch einen deutlich höheren Finanzbedarf angemeldet – von 53,1 Milliarden Euro für das kommende Jahr über 55,4 Milliarden in 2023, 59,3 Milliarden in 2024 und 61,5 Milliarden Euro im Jahr 2025.

Zunächst mal keine finanzielle, sondern eine politische Frage ist dabei jedoch die Nachfolge des betagten Kampfjets Tornado: Angesichts des Streits der derzeitigen Koalitionspartner Union und SPD über ein neues Flugzeug für die so genannte Nukleare Teilhabe dürfte das unabhängig vom Geld erst ein Thema für die nächste Bundesregierung nach der Wahl werden.

(Archivbild: Eine Global6000 der Luftwaffe, noch auf dem Berliner Flughafen Tegel)