NATO Air Policing in Estland: Deutsch-britisches Training vor der Übergabe
Am (morgigen) Donnerstag endet nach acht Monaten der Einsatz der Luftwaffe im so genannten Air Policing über dem Baltikum: Von der Basis Ämari in Estland aus hat die Bundeswehr mit Eurofightern den Luftraum über den NATO-Mitgliedsländern Estland, Lettland und Litauen aus gesichert – eine Maßnahme des Bündnisses, die den osteuropäischen Mitgliedern der Allianz den Rückhalt vor allem gegenüber dem großen Nachbarn Russland sichern soll.
Die Ablösung war bereits in der vergangenen Woche eingetroffen: Vier Eurofighter aus Großbritannien, dort eher unter dem Namen Typhoon bekannt, von der XI(F) Squadron von der Basis Coningsby in Lincolnshire unter dem Kommando von Wing Commander Dave Boreham. Vor dem offiziellen Handover von der Luftwaffe an die Royal Air Force nutzen die Piloten beider Länder die Möglichkeit zu gemeinsamen Übungen – bis hin zur Luftbetankung an einem (deutschen) Airbus A400M (Foto oben).
Diese gemeinsamen Aktivitäten sind von Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz ausdrücklich gewollt: Die Briten haben mit ihren Eurofightern schließlich deutlich mehr Erfahrungen im Einsatz gesammelt, unter anderem auch in Afghanistan (allerdings da in der Luft-Boden-Rolle, die die Royal Air Force mit großem Aufwand schon länger implementiert hat).
Gerhartz setzt darauf, dass die Luftwaffe von diesen Erfahrungen beim – weitgehend – gemeinsamen Flugzeugmuster profitieren kann. Unter anderem soll das Baltic Air Policing im kommenden Jahr gemeinsam organisiert werden: Mehr Multinationalität geht kaum. Im Jahr 2020 sichern wir gemeinsam den Luftraum über dem Baltikum. We are looking forward to 2020.
Die ersten gemeinsamen Operationen der #Luftwaffe und #RAF #Eurofighter im Baltikum. The first combined operations of GAF and RAF #Typhoon in the Baltics. Auch Tankmanöver am #A400M gehören dazu. Fueling maneuvers are also conducted.#Team_Luftwaffe #VAPB @RoyalAirForce pic.twitter.com/WbueblDNI5
— Team_Luftwaffe (@Team_Luftwaffe) 1. Mai 2019
Der Einsatz – formal eine einsatzgleiche Verpflichtung, weil innerhalb des NATO-Gebiets – der Luftwaffe war eigentlich eine Abfolge von zwei Einsätzen: Zwei viermonatige Engagements in den Jahren 2018 und 2019 hatte die Bundeswehr zusammengelegt, um so Ausrüstung wie Bodengerät nicht unnötig mehrfach aus Deutschland nach Ämari hin- und hertransportieren zu müssen. Die ersten vier Monaten hatte das Taktische Luftwaffengeschwader 74 aus Neuburg an der Donau übernommen, im Januar folgte das Taktische Luftwaffengeschwader 71 Richthofen aus Wittmund, das jetzt seine Mission beendet.
Seit der Übernahme im September vergangenen Jahres waren die Eurofighter der Luftwaffe zu knapp 50 scharfen Einsätzen, so genannten Alpha-Scrambles, gestartet. Dabei seien rund 60 Flugzeuge identifiziert worden, die meist ohne Funkkontakt zur Flugsicherung oder ohne Flugplan unterwegs waren, teilte die Luftwaffe mit. Dabei gab es auch die eine oder andere Überraschung. Die Verfügbarkeit des Waffensystems habe bei einer Klarstandsrate von etwa 95 Prozent gelegen.
Der deutsche Einsatz fand nicht nur mit den fünf Eurofightern (einer davon als Reserve) statt: Auch am Boden war die Bundeswehr präsent, auch wenn die Details nicht öffentlich gemacht werden. Parallel zu den Kampfjets waren Luftwaffenerfassungstrupps in Estland stationiert, die mit neuen Sensoren die Fluglage bis nach Russland hinein überwachten.
(Das Baltic Air Policing hatte ich im September 2014 schon mal ausführlicher vorgestellt; seitdem hat sich vor allem eines geändert: Die deutschen Kampfjets fliegen inzwischen mit full combat load, also nicht nur Kurzstreckenraketen, ihre Missionen.)
(Foto oben: Zwei deutsche und zwei britische Eurofighter bei der Luftbetankung am Airbus A400M; Foto unten: ein deutscher und zwei britische Eurofighter im Formationsflug über dem Baltikum – Fotos PAO Air Policing Baltikum/Luftwaffe)
Parallel die Ungarn mit spanischer Unterstützung von Litauen aus.
https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_165751.htm
Hungary will lead NATO’s Baltic Air Policing mission from May 2019, with JAS-39 Gripen fighter aircraft based at Šiauliai Air Base in Lithuania.
Spain will augment the mission with F-18s at Šiauliai, while the United Kingdom will deploy Eurofighter aircraft to Ämari Air Base in Estonia.
Einfacher als für die Briten mit ausschließlich Eurofighter wird es mit gemischtem Einsatz von Gripen und F-18 durch Ungarn/Spanier sicher nicht.
Eigentlich ist das doch das Szenario wo der EF für konzipiert wurde…
Spanien hat auch Eurofighter, stellt sich mir jetzt die Frage, warum die Spanier dann F18 schicken?
Die Gripen der Tschechen ist auch nicht grad der Leistungsfähigste Jet… Mir scheint das es nun einen deutlichen Qualitätsverlust geben wird.
@Kay
Aber trotz „Qualitätsverlust“ wird der Auftrag umfassend erfüllt nur mit geringerem Mitteleinsatz hier speziell in Form der Kosten für eine Flugstunde.
@Kay… wenn man sich anschaut, was beim Air Policing Baltikum gemacht wird (hinfliegen, grüßen, Foto machen, nochmal salutieren, zurückfliegen) so gibt es bei einer F-18 und erst recht bei einer JAS-39 Griepen deutlich kostengünstige „Fotos“ pro Flugstunde.
Wo da die von Ihnen beschriebenen deutlichen Qualitätsverluste liegen sollen, erschließt sich mir nicht ganz.
Oder haben Sie Informationen, dass die bisherigen Nationen die Fotos mit der modernen DigiCam aus dem EuFi machen während Spanien und Tschechen ggf. in ihren Cockpits dafür ggf. eine Knipskiste für Urlaubsschnappschüsse aus der Grabbelbox beim lokalen Souveniershop mitführen?
@ Klaus-Peter Kaikowsky
@ Kay
Sowohl EF als auch GRIPEN und F-18 sind befähigt zur Abfangjagd. Wobei das hier ja noch unter der Überschrift „Air Policing“ gesehen werden muss und nicht Landes- oder Bündnisverteidigung. Da käme man nämlich auch mit der handvoll EF im Baltikum nicht weit.
Somit halte ich einen Qualitätsverlust für abwegig.
Da im Artikel vom „full combat load“ des Eurofighters die Rede war: ist denn eigentlich die Meteor mittlerweile integriert? Denn seit letztem Jahr, wo es hieß es fehle der Sicherheitsabstand zwischen Rakete und eventueller Bombe, hat man nix mehr davon gehört.
Mal nur dumm und naiv gefragt. Gab es denn nie die idee die deutschen ef von den briten für die luft boden rolle aufrüsten zu lassen? Also integration brimsone bei den briten selbst?
Das HQ AIRCOM hat auf Facebook gepostet, dass die britischen Eurofighter „nur“ eskortiert haben, weil die deutschen A400M zur Betankung für (zumindest britische) EF anderer Nationen noch keine Freigabe haben. Stimmt das allgemein oder nur in Bezug auf die britischen EF?
@Dante
Das machen wir sowieso national. Mit der Integration der GBU 48 Bombe hat der dt. EF mittlerweile auch schon Luft-Boden-Fähigkeit. Brimstone und GBU 52 sind sowieso noch angedacht für demnächst.
Außerdem läuft ja momentan die Entscheidung zwischen F18 Super Hornet und dem EF für den Tornadoersatz. Sollte der EF gewählt werden, dürfte er noch erheblich mehr Fähigkeiten bekommen
Zitat: „dort eher unter dem Namen Typhoon bekannt“
Je nun, eigentlich heißt das Flugzeug so. Eurofighter ist der Name der Herstellerfirma. Die Bezeichnung des Flugzeugs unter diesem Namen hat sich wohl eher aus politischen Gründen eingebürgert, jedenfalls ist dies die einzige Erklärung, die ich mir denken kann. Schließlich nennen wir den Tornado auch nicht „Panavia“, oder den Tiger „Eurocopter“.
@muck
Dass das Unternehmen unter dem Namen „Eurofighter Jagdflugzeug GmbH“ firmiert stimmt; es ist allerdings auch so dass das Unternehmen ausschließlich zur Produktion dieses Kampfflugzeuges gegründet wurde.
Jedenfalls soweit man Wikipedia glauben darf, erhielt der Eurofighter den Beinamen Typhoon erst 1997, der Name Eurofighter tauchte zuerst bei der Unternehmensgründung 1986 auf, ist also wesentlich älter.
Letztendlich unterscheiden sich die Namenskonventionen in Deutschland und Großbritannien deswegen voneinander, weil in Deutschland Eurofighter wegen Europa gut ankommt; in GB die Namenskonvention mit Stürmen (Tornado) aufrechterhielt und mit der Hawker Typhoon historische Weltkriegsvorgänger hatte.
In Estland steht nicht Alltägliches ins Haus, unter Beteiligung von Eurofightern aus GBR/DEU.
Ukraine (!) wird am multinationalen NATO Manöver „SpringStorm2019“ in Estland teilnehmen, das vom 2. bis 17.5. stattfindet. Ca. 9.000 Soldaten aus 13 Ländern sind beteiligt, darunter auch Marineeinheiten sowie POL Lw und U.S. Heeresflieger.
Ob dies die Jets des air policing sein werden, ist nicht klar.
Eine Reaktion der Russen wird nicht lange auf sich warten lassen, denn UKR Kräfte auf NATO-Territorium unmittelbar an deren Grenze muss geradezu eine Reaktion provozieren.
https://www.armyrecognition.com/april_2019_global_defense_security_army_news_industry/ukraine_participates_to_nato_exercises_in_estonia.html
[Was hat das mit dem Air Policing zu tun (außer dass es ggf. die selben Jets sein werden)? Und warum müssen „UKR Kräfte auf NATO-Territorium unmittelbar an deren (Russlands) Grenze geradezu eine Reaktion provozieren“? T.W.]
@T.W.
Wenn Sie den Zusammenhang von UKR Truppe im NATO-Verbund in EST übend nicht sehen, bin ich nahezu sprachlos.
[Ihre Sprachlosigkeit hin oder her, die sinngemäße Aussage „wird sich Russland nicht bieten lassen“ ist wie begründet? T.W.]
Mit der Ablehnung UKR Annäherung weder an EU noch NATO.
Was Putin beabsichtigt, wird durch das Angebot RUS Staatsbürgerschaft an Ukrainer, nicht nur in Oblast Luhansk und Donezk deutlich. Es entspricht der Weiterführung hybrider Kriegsführung in der Fortsetzung von 2014 Donbas/Krim.
Was wird er vmtl unternehmen? Großübung im Stil ZAPAD an UKR Ostgrenze zur Bindung von Truppe und als Mittel dem neuen Präsidenten Selenskyj auf den Zahn zu fühlen.
@T.W.
[Ihre Sprachlosigkeit hin oder her, die sinngemäße Aussage „wird sich Russland nicht bieten lassen“ ist wie begründet? T.W.]
Reicht „gefühls-/erfahrungsbedingte Meinung“? („Wenn ich Putin wäre würde ich mir das nicht gefallen lassen“, „Man muss die Russen nicht so provozieren“ oder
„Nach sowas gabs oft Retourkutschen“)
@KPK, Escrimador
Und die Frage, was das mit Baltic Air Policing zu tun hat, haben Sie elegant beiseitegeschoben… Wir lassen das an dieser Stelle einfach.
Frage an alle mit Verbindungen zur- oder Kenntnissen in Sachen Luftwaffe; warum fliegt die A-400M eigentlich nicht im Tarnanstrich wie die Transall? Im Übrigen sieht man auch die Tornados kaum mehr getarnt. Mir ist schon klar, dass visuelle Tarnung in der heutigen Luftkriegsführung keine nennenswerte Rolle mehr spielt, aber ich dachte, dass Flugzeuge einen Tarnanstrich erhielten, um sie notfalls am Boden tarnen zu können…
Die Änderung bei den Tarnanstrichen sind eine Anpassung an geänderte Einsatzverfahren. Früher wurde mehr Tiefflug praktiziert und da die Radargeräte noch nicht so gut waren (Stichwort Ground Clutter), war es ein taktischer Vorteil wenn man von einem oben fliegenden Abfangjäger nicht gesehen wird.
Heute wird mehr in größeren höhen geflogen und die Radargeräte können Tiefflieger besser erkennen. Beides sind Gründe, die diese alten Erdtarnmuster obsolet werden lassen.
Interessanter finde ich die Frage, wie die unterschiedlichen Grautöne der deutschen und britischen EF zustande gekommen sind. Die Deutschen nutzen ja eher ein Blaugrau. könnte etwas mit unterschiedlichen Einsatzgebieten zu tun haben, z.B. arabische Halbinsel und Mitteleuropa. weis da jemand genaueres?
Bezüglich des Namens Typhoon hatte ich mal gehört, dass dieser von Deutschland nicht genutzt wird, da im WW2 ja Hawker Typhoon gegen Deutschland eingesetzt wurden. Keine Ahnung ob das tatsächlich ein Entscheidungsargument gewesen ist oder nur eine moderne Legende. Wäre es ein echtes Entscheidungsargument gegen den Namen Typhoon, wäre das meiner Ansicht nach ein echter Kindergarten. Aber es gibt genug Leute denen ich eine solche Argumentation zutrauen würde.
@Semmel
Danke für die Erklärung, das ergibt Sinn. Hinzu tritt wohl auch, dass in unseren Friedenszeiten, und den Zeiten kleinerer Luftstreitkräfte, die meisten Flieger ohnehin im Hangar stehen, ohne abgetarnt werden zu müssen.
Ich fragte nur deshalb, weil man in den USA bspw. bei Jagdbombern und Transportern noch immer eine Tarnung praktiziert, und zwar aus verschiedenen Grautönen.
Was den Namen angeht, ich bezweifle, dass sich irgendwer auf der Hardthöhe daran gestört hat. Man hat ja auch sonst, sogar in den Anfangsjahren der Republik, keine solchen Berührungsängste gehegt, umso weniger heutzutage.
In Österreich und Italien ist laut Websites der dortigen Verteidigungsministerien auch nur vom „Eurofighter“ die Rede, in Spanien treten beide Bezeichnungen auf.
Bei den Saudis und Omanern heißt das Flugzeug hingegen „Typhoon“. Dies könnte daran liegen, dass die Maschinen und auch das Training hauptsächlich über Großbritannien abgewickelt wurden. Nicht zuletzt aber wurde bei einigen Ausschreibungen der letzten Jahre wechselnd der „Eurofighter“ oder die „Typhoon“ angeboten, v.a. den Indern.
Ich nehme an, dass man als PR-Strategie diejenige Bezeichnung häufiger benutzt, die im jeweiligen Land mehr zu verfangen verspricht.
Die Deutschen und die Briten üben in Ämari die QRA gemeinsam mit dem Eurofighter betreiben zu können. Für 2020 ist das vorgesehen.
Sicherlich eine gute Entscheidung um eigene Ressourcen bei Personal und Material einzusparen.
Dabei gibt es aber eine Vielzahl von Problemen zu lösen. Das Ground Personal beider Länder haben unterschiedliche Ausbildungen und verschiedene Tätigkeitsstrukturen. Die logistische Anbindung und die Dokumentation erfolgen auf völlig unterschiedlichen Plattformen. Die Luftfahrzeuge haben verschedene Bauzustände und verwenden nicht die gleichen Air to Air Waffen uvm.