Pistorius im O-Ton zum Wehrdienstgesetz: „Es ist ja gar nichts passiert“
Verteidigungsminister Boris Pistorius hat sich bemüht, den Streit in der Koalition über das Gesetz für den neuen Wehrdienst öffentlich zu entschärfen. Es ist ja gar nichts passiert, sagte der Minister am (heutigen) Mittwochmorgen nach einer Sitzung des Verteidigungsausschusses. Am Vorabend war eine zwischen Union und SPD ausgehandelte Einigung über Details des geplanten Gesetzes geplatzt – nicht zuletzt, weil Pistorius Vorbehalte angemeldet hatte.
Wie soll ich als Verteidigungsminister mit einer Einigung umgehen, hinter der ich mich nicht versammeln kann?, sagte Pistorius dazu. Als wesentlichen Kritikpunkt nannte er den vorgesehenen Verzicht auf flächendeckende Musterungen aller wehrpflichtigen Männer ab 2027 (KORREKTUR, nicht 2017). Diese Musterungen brauche die Bundeswehr aber, um einen Überblick zu bekommen, wer überhaupt für einen Wehrdienst zur Verfügung stehe.
Der Minister kündigte an, mit der weiterhin für den (morgigen) Donnerstag vorgesehen ersten Lesung im Bundestag werde die Diskussion über das Gesetz nun geschmeidig in das normale Verfahren übergehen. Alle noch offenen Punkte könnten, wie üblich, bis zur zweiten Lesung geklärt werden.
Die Aussagen des Ministers nach der Sitzung des Verteidigungsausschusses zum Nachhören:
@Felix2: Wir sind uns in der Fehleranalyse in der Tat weitgehend einig. Und sehen beide die wesentliche Lücke im System im Fehlen einer vernetzten Personalstrategie, die nicht nur vom „unerfüllbaren“ Bedarf jammert, sondern vom Angebot her denkt. Die von Ihnen angesprochen aktiven Truppführer, Gruppenführer und Kommandanten der GefFzg könnten meiner Einschätzung nach sehr wohl über eine Wehrpflicht gewonnen werden, wenn es endlich zielgruppengerechte Angebote gäbe, die z.B. eine Verlängerung auf SAZ 3 oder 4 für beide Seiten attraktiv machen würde. Zum Beispiel Prämien, Stipendien, Rentenpunkte, wenn man den Unteroffizier- oder Reserveoffizier-Lehrgang besteht. Oder Anrechnung auf Wartesemester bei Studienbewerbungen. Ein wichtiger Punkt im Gegensatz zur alten Wehrpflicht ist auch, dass „damals“ ein gewisser Anteil der Abiturienten als Reserveoffiziere gewonnen wurde, die übrigen Abiturienten sich aber aus gesellschaftlichen Gründen kaum als Unteroffiziere gemeldet hätten. Bei den heutigen Abiturquoten von bis zu 60% pro Jahrgang müssen Ideen her, wie ich Abiturienten auch als Uffz und damit für die Reserveunteroffizierlaufbahn gewinne. Manchmal habe ich den Eindruck, dass der militärischen und politischen Führung im BMVg jegliche Phantasie und Kenntnis der Gesellschaft fehlen, um einfach mal an die Arbeit zu gehen, auch ohne die perfekte Goldrandlösung zu haben. Und Verantwortung für die Personalgewinnung wieder in die Fläche zu geben. Stichwort regionale Bindungskraft von Verbänden und Einheiten. Ach ja, zur „heutigen Jugend“: Meine Einschätzung ist deutlich positiver, als Ihre. Wir dürfen uns durch die überlauten Stimmen gegen den Wehrdienst aus dem linken und liberalen Milieu nicht irre machen lassen. Das Missmanagement der Bundeswehrführung schreckt meiner Beobachtung nach mehr ab, als grundsätzliche politische oder persönliche Ablehnung des Wehrdienstes. Aber den grundsätzlichen Mangel an Führung und Vorbild im heutigen Deutschland kann man nicht über Nacht beseitigen…
@Mike Molto
„Heute bin ich dankbar fuer den polnischen Nationalstolz …“
Bei einigen polnischen (Stabs-) Offizieren, die ich kennengelernt habe, war dieser Nationalstolz allerdings schon recht grenzwertig.
Wenn man nur die mustert, die das Los ereilt, dann muss man auch ehrlich sagen, wie (und wen) man dann ggf. nachmustern will, wenn sich herausstellt, dass die zufällig gelosten Kandidaten mit Masse untauglich sind.
Die Möglichkeit ist ja durchaus gegeben.
Einigung bei Schwarz/Rot. Es liegt im BMVg ein Kompromiss vor.
https://suv.report/neuer-kompromiss-beim-wehrdienst-vier-stufen-modell-soll-streit-beenden/
Der überarbeitete Kompromiss sieht nun ein gestuftes Vorgehen in vier Abschnitten vor.
„Ein zentraler Punkt der Überarbeitung betrifft den Zeitplan: Der ursprünglich für den 1. Juli 2027 geplante Start der Musterung ganzer Jahrgänge soll gestrichen werden. Stattdessen sollen die Musterungskapazitäten sofort ausgebaut werden, um den Personalbedarf schneller zu decken.
Auch beim Aufwuchsziel gibt es Änderungen: Statt wie von Pistorius vorgesehen die NATO-Vorgabe von 260.000 Soldaten bis 2039 zu erreichen, soll dies nun bereits 2035 geschehen – wie von der NATO gefordert“.
[Hm, da hat sich jemand von Stimmung statt Fakten davontragen lassen…
Also: Es ist völlig egal, ob „im BMVg ein Kompromiss vorliegt“, das Gesetz liegt nämlich zur Beratung im Bundestag. Die Abgeordneten müssen sich einigen, das BMVg hat da gar nix zu kammellen.
Und 2.: wenn das nur halbwegs korrekt so wiedergegeben ist, dann entspricht das im Grunde genommen dem ursprünglichen Gesetzentwurf des Ministers. Insbesondere die dümmliche Formulierung im verlinkten Text
Entscheidend: Diese Stufe kann nur durch einen Bundestagsbeschluss aktiviert werden, nicht mehr durch eine bloße Rechtsverordnung des Ministers – eine wichtige Konzession an die SPD. ist der Gipfel der Verarsche, genau so steht es nämlich im Gesetzentwurf.
Und: die angebliche Stufe 2 und der angeblich beschleunigte Zeitplan sind ein Widerspruch in sich.
Mit anderen Worten: Auf diesem Niveau findet die Debatte hier bitte nicht statt. T.W.]