Neues Sturmgewehr für die Bundeswehr: Nächste Runde absehbar
Im juristischen Streit über die Beschaffung des neuen Sturmgewehrs für die Bundeswehr hat das Verteidigungsministerium einen Zwischensieg errungen: Die Vergabekammer des Bundeskartellamtes billigte nach Angaben des Ministeriums die Absicht, das HK 416 von Heckler&Koch zu beschaffen, und wies einen gegen diese Entscheidung gerichteten Nachprüfungsantrag der unterlegenen Firma C.G.Haenel zurück. Allerdings kann Haenel dagegen vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf in die nächste Instanz gehen.
Die Mitteilung des Ministeriums vom (heutigen) Donnerstagabend im Wortlaut:
Die Vergabekammer des Bundes hat heute, am 10. Juni 2021, den Nachprüfungsantrag der Firma C. G. Haenel GmbH gegen den Bund im Verfahren über die Vergabe der „Herstellung und Lieferung von Sturmgewehren mit Zubehör für die Bundeswehr“ (Projekt System Sturmgewehr) zurückgewiesen.
Dabei hat die Vergabekammer ausdrücklich festgestellt, dass das Bundesministerium der Verteidigung zu Recht beabsichtige, den Zuschlag in diesem Vergabeverfahren der Firma Heckler & Koch GmbH zu erteilen.
Der Beschluss ist noch nicht bestandskräftig. Die Firma C. G. Haenel GmbH ist berechtigt, innerhalb von zwei Wochen hiergegen sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen.
Die Entscheidung ist ein weiterer Zwischenschritt auf dem Weg, das Sturmgewehr G36 von Heckler&Koch durch eine neue Standardwaffe für die Bundeswehr abzulösen. Im September 2020 hatte die Vergabestelle des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) als Ergebnis einer 2017 begonnenen Ausschreibung den Maschinenkarabiner 556 (MK556) von Haenel als künftiges Sturmgewehr ausgewählt; ein entscheidendes Kriterium war dabei die höchste Wirtschaftlichkeit aller Angebote.
Allerdings wurde das Verfahren bereits im Oktober 2020 wieder gestoppt: Der unterlegene Konkurrent Heckler&Koch hatte bemängelt, bei der Waffe von Haenel werde eines seiner Patente verletzt; dazu ist auch eine Klage von Heckler&Koch beim Landgericht Düsseldorf anhängig. Das Verteidigungsministerium beauftragte daraufhin einen Patentanwalt mit der Bewertung des Sachverhalts. Der kam zu dem Ergebnis, dass Haenel vom Verfahren auszuschließen sei; darauf wurde eine Vergabe des Auftrags an Heckler&Koch angekündigt.
Dagegen wiederum wehrte sich Haenel mit juristischen Mitteln, rügte beim BAAINBw den Ausschluss – und ging danach auch in die nächste Instanz vor die Vergabekammer. Nach der Entscheidung der Kammer gegen die Firma aus Suhl dürfte der Gang zum OLG Düsseldorf der nächste Schritt sein. Das Vergabeverfahren für das neue Sturmgewehr wird damit noch eine Weile dauern.
(Grafik: Das vor Gericht streitige Patent von Heckler&Koch; Zeichnung aus der Patentschrift, ebenso wie die Zitate dem vom Deutschen Patent- und Markenamt wortgleich zur Europäischen Patentschrift unter der Nummer DE202006007925U1 veröffentlichten Dokument entnommen. Als amtliche Veröffentlichung ist die Nutzung der Zeichnung urheberrechtlich zulässig. )
Es ist wohl auch gut für die Bundeswehr und für den Markt, dass Haenel diesen Schritt gehen wird. Jenes Gutachten, mit dem die Verwaltung damals ihre Entscheidung begründete, war doch etwas schwammig in seiner Terminologie.
Und ja wieder die Frage. Würde es am Ende für den Soldaten mit dem Gewehr im Anschlag einen Unterschied machen?
Wenn das Heer eine vernünftige Struktur hätte, die Heeresstruktur 4 wäre ein Ausgangspunkt für die Entwicklung, in der Struktur eine moderne Vollausstattung vorhanden wäre und dann noch Kriegsvorräte für 30 Tage in den Depots lägen, könnte man auch das Sturmgewehr 44 mit moderner Optik einführen, und der Unterschied für die Kampfkraft wäre dennoch marginal.
Als Nichtfachmann und Steuerzahler macht man sich angesichts der angesprochenen Vorgänge schon mal Gedanken über das Beschaffungswesen, wobei zwangsläufig die Frage aufkommt, warum das Ganze juristisch derart verkompliziert werden kann. Man stelle sich das im wirklichen Leben vor: man kauft sich z.B. einen Volkswagen oder ein Paar Schuhe und die anderen Hersteller hätten die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung den Rechtsweg zu beschreiten!
[Ich wusste nicht, dass Ihr Privatleben aus Steuergeldern finanziert wird. Für uns alle anderen gilt: Privatanschaffungen sind privat, die Ausgabe von staatlichem Geld wird aus gutem Grund bestimmten Regeln unterworfen. Und damit haben wir diesen OT auch schon beendet. T.W.]
Nicht ganz beendet, Herr W., bitteschön! Die Frage nach der gegebenen Kompliziertheit des Vergabewegs ist durchaus ernst gemeint. Zweifellos sind klare Regeln notwendig, aber einem in einem Vergabeverfahren unterlegenen Unternehmen in jedem Fall ein rechtliches Schlupfloch offen zu halten, führt, wie man sieht, zu Verzögerungen in der Beschaffung und vor allem zu erheblichen Folge- und Verfahrenskosten. In diesem Fall hätte HK schon lange vor der Ausschreibung allfällige Patentrechtsverletzer verklagen sollen, wäre das ein ernsthaftes Anliegen gewesen. Daher sollte der Gesetzgeber Überlegungen anstellen, die Regeln zu vereinfachen.
@Peter Eberl:
Die Verwaltung ist an Recht und Gesetz gebunden. Es existieren sowohl europarechtliche Vergabevorgaben als auch die nationalen Gesetze in dessen Umsetzung. Wenn man das nicht will, muss man die gesetzlichen Vorgaben ändern. Das kann aber nicht die Verwaltung regeln, die eben bei Ausschreibungen an diese gebunden ist. Zwar gelten für sicherheits- bzw. verteidigungsrelevante Verfahren teilweise vereinfachte Vorschriften, aber in den wesentlichen Grundzügen sind die Vergaberegeln durchaus gleichlaufend.
Das Vergaberecht ist zwar von einer hohen Förmlichkeit und Komplexität geprägt, dient aber darüber letztlich dem effektiven Wettbewerb, weil eben Mauschelei und unterschwellige Wirtschaftsförderung hierdurch verhindert werden sollen.
Bei der ganzen Sache scheinen Patente garnicht der ausschlaggebende Punkt zu sein:
[Danke für den Hinweis; die Mitteilung des Kartellamts war am Donnerstagabend noch nicht da. Mache ne Neufassung. T.W.]
@all
Gibt einen ganz neuen Stand (danke für den Leserhinweis), deshalb im neuen Thread bitte die Debatte fortsetzen. Hier mache ich die Kommentare zu.