Neues Sturmgewehr für die Bundeswehr, nächster Akt: Haenel geht juristisch gegen Ausschluss vom Vergabeverfahren vor
Nachdem das Thüringer Unternehmen C.G.Haenel vom Vergabeverfahren für das neue Sturmgewehr der Bundeswehr ausgeschlossen wurde und der Auftrag für die neue Standardwaffe der Streitkräfte an den Konkurrenten Heckler&Koch gehen soll, hat Haenel – wie angekündigt und erwartet – dagegen juristische Schritte eingeleitet. Beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) sei eine Rüge der Entscheidung eingereicht worden, teilte das Unternehmen am (heutigen) Freitag mit.
Interessant dabei ist, dass der Thüringer Waffenhersteller nicht nur die Vorwürfe im Hinblick auf mögliche Patentverstöße zurückweist – sondern auch gleich in die Offensive geht und seinerseits den Ausschluss von Heckler&Koch vom Vergabeverfahren fordert.
Die Rüge beim BAAINBw ist nur ein erster Schritt. Wenn das Amt als Vergabestelle diese Rüge zurückweist, folgt die Beschwerde bei der Vergabekammer des Bundeskartellamts und letztlich eine mögliche Klage beim Oberlandesgericht Düsseldorf. Wie lange sich das Verfahren hinziehen kann, bleibt da erstmal offen. Der bisherige Plan des Verteidigungsministeriums, eine Beschaffungsvorlage bis zur Sommerpause dem Haushaltsausschuss des Bundestages vorzulegen, scheint damit kaum haltbar.
Zur Dokumentation die Erklärung von Haenel im Wortlaut:
Wir möchten Sie darüber informieren, dass unsere Anwälte heute beim BAAINBw eine Rüge eingereicht haben wegen des Ausschlusses von C.G. Haenel vom Vergabeverfahren.
Wir sind sehr enttäuscht über die Entscheidung des BAAINBw, C.G. Haenel vom Vergabeverfahren auszuschließen und den Auftrag an H&K vergeben zu wollen. Während des gesamten Vergabeverfahrens hat sich C.G. Haenel professionell verhalten und sich bemüht, alle Fragen in Bezug auf das Angebot auf der Grundlage von Fakten und abseits des medialen Rampenlichts offen und transparent zu beantworten. Zuletzt haben wir umfassende Antworten auf die gegen unser Unternehmen erhobenen Vorwürfe vorgelegt, die von einer der führenden Kanzleien in Deutschland erstelltes Expertengutachten gestützt wurden. Unsere Antworten und das Gutachten lassen keinen Zweifel daran, dass alle gegen Haenel erhobenen Vorwürfe, einschließlich des Vorwurfs der Patentverletzung, unbegründet sind und dass der Ausschluss unseres Unternehmens vom Vergabeverfahren rechtswidrig ist.
Begründung der Rüge | Übersicht
Vorwurf: Patentrechtsverletzung
• Wie in dem durch C.G. Haenel vorgelegten Gutachten umfassend herausgearbeitet, fehlt es bereits an der behaupteten Patentverletzung. Die Sicherstellung der Over the beach-Fähigkeit in der von C.G. Haenel angebotenen Waffe MK556 erfolgt durch eine völlig andere technische Lösung zur Ableitung des eintretenden Wassers als das maßgebliche Patent von Heckler & Koch. Die Waffe MK556 verfügt über eine technisch innovative Neugestaltung im nach vorne gewandten Teil der Waffe, die das Heckler & Koch-Patent nicht kennt.
• Im Übrigen ist das fälschlicherweise als verletzt angesehene Patent der Heckler & Koch jedenfalls nichtig. Die allein vorhandene Gasaustrittsöffnung im hinteren Teil der Waffe ist ein von der Firma Colt in den 1990er Jahren eingeführte und von vielen Herstellern unbeanstandet genutzter Standard.
Laut übereinstimmenden Medienberichten soll das BAAINBw ein drittes Gutachten zur Nichtigkeit eingeholt haben, in dem die Gutachter wohl ebenfalls von einer Nichtigkeit des Patentes ausgehen. Trotz Aufforderung wurden die Ergebnisse nicht mit C.G. Haenel geteilt. Das wäre aber für eine umfassende Stellungnahme zum angedrohten Ausschluss erforderlich gewesen. Es wurde uns gegenüber zudem nicht bestritten, dass besagtes Gutachten von der Nichtigkeit des Patents ausgeht. Folglich muss C.G. Haenel davon ausgehen, dass ein entsprechendes Gutachten tatsächlich existiert und dem BAAINBw die Nichtigkeit des Heckler & Koch Patents daher bekannt ist. Vor diesem Hintergrund ist ein Ausschluss von C.G. Haenel erst recht unbegründet.
• Auch bezüglich des Magazins führt die vom BAAINBw behauptete Patentverletzung durch das Produkt eines Drittunternehmens unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu einem Ausschluss von C.G. Haenel vom Vergabeverfahren.
Vorwurf: Änderung der Vergabeunterlagen
• Den im Vorabinformationsschreiben erstmals erhobenen Vorwurf, C.G. Haenel habe im Nachgang an ihr Angebot die Vergabeunterlagen unzulässigerweise geändert, und müsse daher vom Verfahren ausgeschlossen werden, weisen wir entschieden zurück. Das Angebot von C.G. Haenel hat sämtliche zwingenden Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfüllt. Der nunmehr vorgebrachte Ausschlussgrund erscheint konstruiert und dient allein der bemühten Aufrechterhaltung der bisherigen, rechtswidrigen Ausschlussentscheidung.
• Wenn ein Angebot auszuschließen wäre, dann eindeutig das Angebot von Heckler & Koch. Heckler & Koch hat in ihrem Nachprüfungsantrag selbst eingestanden, von den Vergabeunterlagen abzuweichen. An dieser Stelle wird offenbar mit zweierlei Maß gemessen.
Ausschlussgründe Heckler & Koch
• Heckler & Koch hat sich unlauter verhalten, indem das Unternehmen über das gesamte Vergabeverfahren die angeblichen Patentverletzungen gezielt eingesetzt hat, um sich C.G. Haenels als Konkurrentin zu entledigen. Dass es Heckler & Koch in der Sache nie um die Verfolgung der behaupteten Patentrechte ging, wird schon daran deutlich, dass die angeblichen Rechte über Jahre hinweg nicht verfolgt wurden, um dann gezielt im Jahr 2018 – am Tag der Abgabe der Teilnahmeanträge – C.G. Haenel mit patentrechtlichen Vorwürfen hinsichtlich einer hier nicht relevanten Waffe (CR 223) abzumahnen. Mit der alleinigen Zielsetzung, dadurch geschaffene Rechtsunsicherheiten im Verfahren für sich auszunutzen.
• Erst im Sommer bzw. Ende letzten Jahres und damit im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem angestrengten Nachprüfungsverfahren hat Heckler & Koch dann patentrechtliche Verfahren gegen C.G. Haenel angestrengt. Dieses Vorgehen verdeutlicht, dass es dem Unternehmen zu keinem Zeitpunkt um die Verfolgung vermeintlich bestehender Schutzrechte ging, sondern vielmehr deren gezielter Einsatz zur Stiftung von Verwirrung im Vordergrund stand.
• Dieses Vorgehen hat Tradition: Heckler & Koch hat im Jahr 2005 schon einmal versucht, als unterlegene Bieterin eine Ausschreibung von 40.000 Pistolen für die Polizei dadurch zu untergraben, dass der Firma Walther angebliche Patentrechtsverletzungen vorgeworfen wurden. Das OLG Düsseldorf hat dieses Ansinnen bereits während des Vergabeverfahrens damals klar abgewiesen. Im Nachgang stellte dann ein Patentgericht die Nichtigkeit der behaupteten Patente fest, was – offenbar sogar nach dem Ergebnis des BAAINBw-Gutachtens zur Nichtigkeit – auch bei den hier behaupteten Patenten zu erwarten ist.
(Hervorhebung im Original)
und als pdf-Datei (den Text oben zusätzlich, damit es durchsuchbar/archivierbar ist):
20210305_Sturmgewehr_Haenel_Stellungnahme
Ähm, Aussenstehender…: In ihrem Beispiel sind 250 l Ladevolumen gefordert, was weder A noch B erfüllen…
Entweder habe ich keine Ahnung von PKW-Laderäumen (was ich tatsächlich nicht habe), oder Anbieter C ist auszuwählen, weil er als einziger beide Mindestanforderungen erfüllt, wenngleich er um ein vielfaches „überperformed“.
@ Thomas Melber
Zumindest der Punkt, dass das Angebot nicht frei von Rechten Dritter ist, ist immer noch unklar. Ein Gutachten ist noch lange kein Gerichtsurteil.
Ich bezweifle Haenels Darstellung, dass andere, gegenteilige Gutachten vorliegen, nicht, Über meinen Schreibtisch gehen regelmäßig Dokumente aus Patentstreitigkeiten, mit zum Teil sehr konträren Einschätzungen der Rechtslage.
@Angular
Deswegen wäre es im vorliegenden Falle womöglich besser gewesen, die Ausschreibung aufzuheben und im Wege eines neuen Verfahrens nach gerichtlicher Klärung sicherzustellen, dass das Vorhaben nicht länger von einem Rosenkrieg belastet wird.
Man bedenke, dass wir uns jetzt in der lächerlichen Situation befinden, am Ende vielleicht aufgrund von Gerichtsurteilen doch wieder Haenel beauftragen zu müssen. Die Blamage wäre komplett.
@Fussgaenger:
Die Anforderung sollte auf 200 l Ladevolumen lauten.
@P: Es geht darum, dass man bei Aussschreibungen nicht eine Übererfüllung in die Auswahlentscheidung einbeziehen kann/darf, sofern wenn die Beschaffungskosten dadurch steigen. Was die Mindestanforderungen erfüllt, ist dabei und dann kommt das Geld.
Bevor die Orientierung verloren geht …
@soldat_technik
Ein waffengeschichtlicher Überblick der Heckler & Koch HK416-Waffenfamilie sowie Details des HK416 A8 in den Versionen 14“ und 16,5“.
https://soldat-und-technik.de/2021/03/bewaffnung/26210/das-hk416-a8-und-ein-kurzer-waffengeschichtlicher-ueberblick-der-hk416/
[Äh, wie war das mit dem Fell des Bären… Ebenso wie die Kaliberdiskussion macht im Moment auch die Frage, wie Linkshänder die Picatinny-Schiene anbringen können und ähnliche Feinheiten, wenig Sinn. T.W.]
@T.W: Die Picatinny-Schiene ist fest verbaut. Die Baugruppen meist Seitenneutral mit Clip oder ähnlichen Mechanismen. Was aber für Linkshänder wirklich wichtig ist, ist dass sie a) eine Einpunktaufhängung haben und b) diese auf der rechten Seite der Waffe gut anbringbar ist. Bei allem was ich gesehen habe ist dies der Fall. /SCNR 😉
[Ganz reizend, vielen Dank, aber Sie wissen schon, worauf ich hinaus will ;-) T.W.]
Gefährlicher als sämtliche Patentfragen ist aus meiner Sicht die Frage, ob der Vorwurf von Haenel subtanziiert werden kann, dass HK mit seinem Angebot die Vergabeunterlagen geändert haben soll.
Der Begriff der Änderung ist weit auszulegen. Weicht ein Bieter von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab und bietet im Ergebnis eine andere als die ausgeschriebene Leistung an, so ändert er damit die Vergabeunterlagen. Egal ist dabei, ob es sich um technische Vorgaben oder um Vertragsmodalitäten handelt.
Die Folge wäre in einem solchen Fall zwingend (!!) der Ausschluss des Angebotes von HK!
Dann müsste das gesamte Vorhaben zwingend noch einmal ausgeschrieben werden, sollten sowohl der Ausschluss von Haenel rechtmäßig gewesen sein. Denn die Vergabe wäre dann mangels zuschlagsfähiger Angebote gescheitert. Immerhin, in diesem Fall gäbe es auch keine Schadensersatzansprüche. Wenigstens etwas. Peinlich bliebe es dennoch, dass so etwas der Auftraggeberin nicht aufgefallen sein soll.