GI-Zwischenbericht zum KSK: 62kg verschwundener Sprengstoff „falsch gezählt“ (Update: AKK)

Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zorn hat den angekündigten Zwischenbericht zur Umstrukturierung des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr vorgelegt – und in einem Besorgnis erregenden Punkt ein wenig Entwarnung gegeben: Ein Großteil der Munition und des Sprengstoffs, die bei dem Eliteverband als vermisst gemeldet wurden, hat es höchstwahrscheinlich aufgrund eines Buchungsfehlers nicht gegeben.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Zorn hatten Anfang Juli nach rechtsextremistischen Vorfällen in der Einheit einen Umbau und auch eine Durchleuchtung des Kommandos angekündigt. Bis Ende Oktober hatte der Generalinspekteur einen Zwischenbericht vorlegen sollen, der am (heutigen) Montag dem Bundestag zuging und über den der Verteidigungsausschuss am kommenden Mittwoch debattieren will.

In dem Bericht verwies Zorn darauf, dass etliche der im Sommer angekündigten 60 Einzelmaßnahmen zum Umstrukturierung des Verbandes bereits vollzogen worden seien. Unter anderem sei die 2. Kommandokompanie aufgelöst worden, in der eine Häufung solcher Vorfälle festgestellt worden sei und bei der es 2017 eine fragwürdige Abschiedszeremonie gegeben hatte. Auch die Ausgliederung der Ausbildung aus dem Verband selbst und die Unterstellung unter das Ausbildungszentrum Infanterie in Hammelburg sei begonnen worden.

Die meisten Maßnahmen könnten aber voraussichtlich erst im Sommer kommenden Jahres greifen, sagte der Generalinspekteur in einem öffentlichen Statement vor Journalisten. Es werde deshalb im Frühjahr einen weiteren Zwischenbericht um zum Juni 2021 einen Abschlussbericht geben.

Damit scheint weiterhin offen, ob dieser Spezialkräfteverband in seiner bisherigen Form erhalten bleibt oder die Spezialkräfte der Bundeswehr künftig anders organisiert werden. Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, Generalleutnant Erich Pfeffer, soll dafür die Strukturen in den deutschen Streitkräften insbesondere im Vergleich zu Verbündeten überprüfen.

In einem Punkt, den Zorn noch im vergangenen Juli als einen Anlaß zu Besorgnis bezeichnet hatte, gibt der Bericht allerdings vorsichtige Entwarnung:

Ermittlungen im Zuge des schwerwiegenden Fundes von Munition, Sprengstoff und Waffen auf dem Privatgrundstück eines KSK-Soldaten in Sachsen hatten im Juni 2020 zu der Erkenntnis geführt, dass Verschuss, Nutzung und Verbleib von 37.000 Munitionsartikeln1 im Überbestand sowie von 48.000 Munitionsartikeln und 62 Kilogramm Sprengmitteln im Unterbestand durch den Verband nicht mehr zweifelsfrei nachvollzogen werden können. (…)
Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass ein hoher Anteil der Abweichungen nachvollzogen werden konnte. Diese lassen sich vornehmlich auf eine unsachgemäße Buchführung zurückführen. (…)
Es verbleiben allerdings absehbar Unterbestände in Höhe von 13.000 Munitionsartikeln und 62 Kilogramm Sprengmitteln, deren Verbleib sich nicht mehr mit absoluter Sicherheit bestimmen lassen wird. Anhaltspunkte für Diebstahl oder Unterschlagung dieser Artikel konnten bisher nicht identifiziert werden. Vielmehr deuten die Untersuchungen bezüglich der genannten Sprengmittel darauf hin, dass hier ein Zählfehler und infolgedessen fehlerhafte Bestandsberichtigungen im logistischen System über mehrere Jahre zur Feststellung eines vermeintlichen Fehls geführt haben. So wurde vermutlich im Oktober 2018 bei einer Bestandsprüfung durch das Fachpersonal des Verbandes 62 Kilogramm Sprengmittel „mehr“ gezählt, als de facto vorhanden waren. Diese wurden als „realer Bestand“ in die Buchführung aufgenommen. Da die Munition mutmaßlich tatsächlich nie vorhanden war, führte die darauffolgende Jahresinventur im Dezember 2019 zu einem vermeintlichen Unterbestand in Höhe von 62 Kilogramm.

Als Konsequenz aus dieser falschen Buchführung soll das KSK künftig mehr Logistikpersonal bekommen – das den tatsächlichen Zu- und Abgang von Munition und Sprengstoff auch ordnungsgemäß verbucht. Bisher habe es eine andauernde Überbelastung des logistischen Fach- und Führungspersonal, die vorschriftswidrige Delegation von originären Aufgaben in der Munitionsbewirtschaftung sowie offensichtlich unzureichende Dienstaufsicht gegeben, heißt es in dem Bericht.

Wie ebenfalls bereits angekündigt, soll auch die Sicherheitsüberprüfung der Soldaten in den Spezialkräften ausgeweitet werden. Derzeit werde das gesamte Personal des Verbandes in einem vierstufigen Prozess unter Beteiligung des Militärischen Abschirmdienstes hinsichtlich seiner untadeligen Haltung und seiner manifesten Verfassungstreue überprüft: Nur wer fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht, wird auch in Zukunft an anderer Stelle im KSK dienen können.

In seinem Bericht betonte der Generalinspekteur, die Angehörigen des Kommandos hätten die Herausforderung angenommen, die nötigen Umstrukturierungen nach Bekanntwerden der rechtsextremistischen Vorfälle auch mitzumachen. Sein Ziel sei es, dass das KSK im Frühjahr kommenden Jahres wieder operativ voll einsatzbereit zu machen: Deutschland benötigt auch weiterhin professionelle und einsatzbereite Spezialkräfte der Bundeswehr. Wir werden alles unternehmen, damit sie höchsten Ansprüchen gerecht werden.

Update: Aus der häuslichen Quarantäne äußerte sich die Verteidigungsministerin in einem kurzen Statement zum Bericht; hier das Audio dazu:

20201102_Statement_AKK_KSK     

 

Nachtrag: Via Twitter wurde der Generalinspekteur dann auch öffentlich noch mal deutlich:

Nachtrag 4. November: Der Bericht steht inzwischen auf der Webseite des Verteidigungsministeriums (danke für den Leserhinweis) und vorsorglich fürs Archiv auch hier:
20201030_Zwischenbericht_KSK_GI

(Archivbild Juni 2019: Soldaten des Kommandos Spezialkräfte seilen sich aus dem Hubschrauber H145M LUH SOF ab beim Vorüben für den Tag der Bundeswehr in Pfullendorf – Jana Neumann/Bundeswehr)