Bundestag billigt weiteren Einsatz in Mali – mit Ausweitung der Ausbildungsmission
Wenige Tage vor dem Ablauf der bisherigen Mandate hat der Bundestag die Einsätze der Bundeswehr in Mali verlängert. Die Abgeordneten billigten eine Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der EU-Trainingsmission in Mali, die personell und räumlich ausgeweitet wird. Auch der – formal unveränderten – Beteiligung an der UN-Blauhelmtruppe MINUSMA stimmten die Parlamentarier zu.
Für die Fortsetzung der Ausbildungsmission EUTM Mali sprachen sich 437 Abgeordnete aus, 149 stimmten dagegen und 58 enthielten sich (dazu mehr unten). Der Verlängerung der Bundeswehrbeteiligung an MINUSMA stimmten 485 Parlamentarier zu, 144 sprachen sich dagegen aus. Sieben Abgeordnete enthielten sich.
Wesentliche Veränderungen gibt es im neuen Mandat für die EU-Ausbildungsmission (Bundestagsdrucksache 19/19002): Gegenüber dem bisherigen Mandat (Bundestagsdrucksache 19/8971) wird die Personalobergrenze von bislang bis zu 350 auf 450 Soldatinnen und Soldaten erhöht, außerdem wird die Arbeit der Ausbilder ausgeweitet. Sie sollen künftig die Streitkräfte aller Länder der so genannten G5 Sahel (Mali, Niger, Burkina Faso, Tschad, Mauretanien) unterstützen können und außerdem ihre Auszubildenden näher als bisher in die Einsätze begleiten.
Da die Bundeswehr zudem in den vergangenen Monaten den Betrieb eines Feldlazaretts im Camp in Koulikoro an eine zivile Firma übergeben hat, gibt es zusätzliche personelle Spielräume für die Mission. Die werden zum Teil für die Ausbildungsmission Gazelle der Spezialkräfte in Niger genutzt, also nicht in Mali selbst. Bereits seit zwei Jahren bilden in Tahoua in Niger Kampfschwimmer der Bundeswehr nigrische Spezialkräfte aus. Diese Mission ist bislang nicht Teil der EU-Mission – soll es aber mit dem neuen Mandat langfristig werden und dafür um rund 100 Soldaten aufgestockt werden.
Die Grundlage dafür bietet ein Ratsbeschluss der EU vom März, mit dem nicht nur die Aufgaben von EUTM selbst ausgeweitet werden, sondern auch die Ausbildungsmöglichkeiten in den Nachbarländern Malis. Der Ratsbeschluss zum fünften Mandat von EUTM Mali ist auch die Grundlage, die bisher bilaterale Military Assistance (MA) Mission GAZELLE in Niger in die aktuelle Mandatierung mit einzubeziehen, heißt es im Mandat. Formal wird die Einbeziehung in EUTM allerdings erst noch angestrebt.
Die Gazelle-Mission soll zudem von der Ausbildung in Tahouba im Zentrum des Landes näher an die Grenze des Niger zu Mali verlegt werden, wo ein Schwerpunkt der Auseinandersetzung mit islamistischen Terroristen auf beiden Seiten der Grenze liegt. Der neue Stationierungsort Tillia liegt im Einsatzraum der Spezialkräfte, die von der Bundeswehr ausgebildet werden.
Damit rücken die Ausbilder näher an das tatsächliche Kampfgeschehen heran – zusammen mit der angestrebten Integration von Gazelle in EUTM Mali aus Sicht der Bundesregierung ein starkes politisches Signal. Zugleich auch das Signal an den Verbündeten Frankreich, dass Deutschland zu mehr militärischem Engagement bereit ist – bedeutsam gerade deshalb, weil die Bundesregierung die von Frankreich initiierte Spezialkräfte-Mission Takuba im Sahel zwar politisch, nicht aber militärisch unterstützt.
Die Ausbildung in der EU-Mission ist derzeit zwar wegen der Coronavirus-Pandemie ausgesetzt, aktuell sind dort nur knapp 60 Soldaten im Einsatz. Grundsätzlich sollen sich aber auch ihre Aufgaben ändern – nicht nur mit einer Ausweitung möglicher Ausbildungsvorhaben für alle G5-Sahel-Staaten: Die Ausbilder sollen näher an die Kampfeinsätze ihrer malischen Auszubildenden heranrücken. Dazu wird sich die Bundesrepublik unter anderem am Aufbau eines neuen Ausbildungszentrums beteiligen, dass im Unterschied zum derzeitigen Camp Koulikoro in Zentralmali näher an den Kampfgebieten im Norden Malis liegt.
Der EU-Ratsbeschluss sieht neben der Ausweitung auf die Nachbarländer außerdem auch eine stärkere Begleitung durch die Ausbilder vor, die Begleitung bis zur taktischen Ebene. Das findet sich auch im neuen deutschen Mandat wieder, allerdings mit Vorgaben:
Schwerpunkt im neuen Mandat ist die einsatznähere militärische Beratung und Ausbildung der malischen Soldatinnen und Soldaten sowie – nach Schaffung der Voraussetzungen seitens der Europäischen Union (EU) – die Ausweitung des Missionsgebietes auf alle G5-Sahel- Staaten. Das EU-Mandat verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff „Mentoring“, welcher im EU-Ratsbeschluss (2020/434/GASP) die Begleitung ohne exekutive Befugnisse der malischen Soldatinnen und Soldaten, der Gemeinsamen Einsatztruppe der G5-Sahel- Staaten sowie der nationalen Streitkräfte der G5-Sahel-Staaten bezeichnet. Für die im Rahmen von EUTM Mali eingesetzten deutschen Soldaten heißt dies konkret, dass durch Ausbildung, Beratung und Evaluierung an gesicherten Orten wie Kasernen, Übungsräumen, Einsatzstützpunkten und Führungseinrichtungen gezielt einsatzrelevantes Wissen an die Streitkräfte vermittelt werden soll. Die Beratung bis zur taktischen Ebene ist eingeschlossen. Zudem sollen die Tätigkeiten der Soldatinnen und Soldaten beobachtet, ihre Leistungen und ihr Verhalten – auch im Hinblick auf die Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts – evaluiert und die Ausbildungsinhalte entsprechend angepasst werden.
Die EU-Beschlussformulierung Begleitung ohne Exekutivbefugnisse bis zur taktischen Ebene klingt somit weitergehend als die deutsche Mandatsformulierung Ausbildung, Beratung und Evaluierung an gesicherten Orten wie Kasernen, Übungsräumen, Einsatzstützpunkten und Führungseinrichtungen. Inwieweit damit die Arbeit der Bundeswehrsoldaten – nach Wiederaufnahme des Ausbildungsbetriebs – in dieser Mission gefährlicher wird, wird von der konkreten Umsetzung dieser Begleitung abhängen.
Die Ausweitung der Ausbildung auf alle G5 Sahel-Staaten führte zu einer Veränderung im Abstimmungsverhalten: Die Grünen, die in den Vorjahren der Mission EUTM Mali jeweils überwiegend zugestimmt hatten, enthielten sich fast geschlossen. Ihre Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger begründete das mit einer damit verbundenen möglichen Unterstützung des autokratischen Regimes im Tschad mit seinen Menschenrechtsverletzungen.
Das ebenfalls beschlossene neue Mandat für den UN-Einsatz (Bundestagsdrucksache 19/19004), für den deutsche Soldaten in Gao im Norden Malis stationiert sind, ändert sich im Vergleich zur derzeitigen Grundlage für die Beteiligung an MINUSMA (Bundestagsdrucksache 19/8972) formal kaum. Weiterhin sollen bis zu 1.100 Bundeswehrsoldaten eingesetzt werden können; derzeit sind es rund 950.
Allerdings zeichnen sich in der praktischen Arbeit Veränderungen ab. So soll die Heron-Aufklärungsdrohnen der Bundeswehr mehr für die Vereinten Nationen fliegen als bisher: Mit einer erhöhten Bereitstellung der bereits vorhandenen Befähigung zur unbemannten luftgestützten Aufklärung hat Deutschland angeboten, die VN-Anstrengungen zur Effektivitätssteigerung wirkungsvoll zu unterstützen, heißt es in der Mandatsbegründung.
Zusätzlich stelle sich Deutschland darauf ein, französische Flugzeuge zur Unterstützung von MINUSMA mit einem Tankflugzeug in der Luft zu betanken. Diese angebotene Fähigkeit zieht sich seit 2013 immwer wieder durch die Mandate – wobei aus deutscher Sicht immer im Mittelpunkt steht, dass die zu betankenden Jets nicht etwa für die französische Anti-Terror-Mission Barkhane, sondern immer für die Vereinten Nationen im Einsatz sind.
(Archivhinweis: Bericht der Bundesregierung zur Lage und zum deutschen Engagement in Mali/Sahel (Bundestagsdrucksache 19/18080)
(Archivbild Dezember 2019: Ein Bundeswehrsoldat im MINUSMA-Einsatz bei einer Übung mit dem rumänischen Unterstützungshubschrauber bei Gao/Mali – Elisabeth Rabe/Bundeswehr)
Ist diesmal bekannt was in welchem zeitrahmen womit erreicht werden soll? Oder endet dass genauso wie in afgh?
Auch wenn ich selbst ein grünes Parteibuch habe: Bei sowas ist die Stimmenthaltung schon grenzwertig. Und leider lockert DEU die Handbremse etwas, aber mir ist die noch zu sehr angezogen. Bei Minusma/Takuba FRA voll unterstützen wäre immer noch das Signal was mir fehlt, und die rechtlichen Bedenken dazu liessennsich aus meiner Sicht wohl mit ein wenig Wollen ausräumen.
„…wobei aus deutscher Sicht immer im Mittelpunkt steht, dass die zu betankenden Jets nicht etwa für die französische Anti-Terror-Mission Barkhane, sondern immer für die Vereinten Nationen im Einsatz sind.“
Ich übersetze das mal: Wenn FRA Kameraden von BARKHANE in Not sind dann tanken wir also die Flugzeuge nicht auf, die denen zu Hilfe kommen könnten.
Wie erbärmlich ist das denn?!
Aber ich hatte es ja bereits heute schon in einem anderen Thread hier festgestellt, dass es bei DEU Einsatzmandaten nicht um militärischen Sinn und Zweck geht.
Bitte beachten: Die Bundeswehr zieht sich komplett von allen ‚gefährlichen‘ Aktionen bei MINUSMA zurück und konzentriert sich nur noch auf die typischen Fähigkeiten, die relativ gefahrlos bereitgestellt werden können (HERON, Luftbetankung).
Als Bundeswehrsoldat kommt man im Multinationalen Umfeld einfach nicht aus dem Schämen raus. Während alle anderen mit ‚boots on the ground‘ Terroristen jagen betätigt sich die Bundeswehr mal wieder nur als bewaffnetes THW. Gendergerecht natürlich.
https://twitter.com/BMVg_Bundeswehr/status/1266317176891494401
Und noch eins: In der BT-Debatte wurde von einem Abgeordneten angeführt, dass die Soldaten seines Wahlkreises mit denen er gesprochen hat den Einsatz für sinnvoll halten. Die absolute Niveaulosigkeit der BT-Debatte ist damit erreicht, wenn das als Grund für eine Mandatierung angeführt wird. Die üppige Zulage für einen relativ bescheidenen Einsatz nimmt man als Bundeswehrsoldat ja gerne mit. DAS hat er seinem Abgeordneten natürlich nicht gesagt.
[Nun gut, wenn Sie erbärmlich finden, dass sich deutsche Streitkräfte an gesetzliche Vorgaben halten, dann ist das Ihre Sache. Aber verallgemeinern würde ich das nicht. T.W.]
Auch nach der 2./3. Lesung des EUTM-Mandates (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw22-de-bundeswehr-mali-eutm-696110) ist mir nicht wirklich klar, ob es beim Mentoring deutsche Caveats gibt, wie die Ausweitung materiell und personell funktionieren soll und wie das Zusammenwirken mit den anderen Missionen nun effektiver wird.
Insgesamt bleibt unklar, warum es nun deutlich besser werden soll, wenn man seinen eigenen Beitrag nur minimal verändert.
Die immer wieder anklingende Kritik an Barkhane (und damit auch an Takuba) bleibt weiterhin etwas merkwürdig – wirkliche rechtliche Probleme sehe ich da weiterhin nicht.
Die 2./3. Lesung zu MINUSMA (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw22-de-bundeswehr-mali-minusma-696112) bleibt auch ziemlich wolkig. Interessant wie sehr die Vertreter der Union nun sehr deutlich bewaffnete Drohnen fordern. derlei war letztes Jahr (bevor es AKK sagte) nicht zu vernehmen. Es wird weiterhin kaum reflektiert, dass MINUSMA ein Testfall für ein „Peacekeeping without peace“ ist (https://www.degruyter.com/view/journals/sirius/3/4/article-p339.xml).
Das würde dann auch für bewaffnete Drohnen bedeuten, dass man sich erstmal grundlegende Gedanken machen müsste (https://augengeradeaus.net/2020/05/dronewatch-zehn-jahre-heron-tp/#comment-344728).
Die Diskussion erscheint weiterhin eher innenpolitisch motiviert als wirklich sachorientiert.
Mit den neuen Mandaten wird jedoch das Risiko für deutsche Soldaten potentiell erheblich erhöht – ohne dass man weitere Vorkehrungen zur Verbesserung des Schutzes vornimmt.
Bemerkenswert wie wenig fundierte Kritik diese Weichenstellung politisch und medial erfährt.
@TW
„So die Heron-Aufklärungsdrohnen der Bundeswehr mehr für die Vereinten Nationen fliegen als bisher: Mit einer erhöhten Bereitstellung der bereits vorhandenen Befähigung zur unbemannten luftgestützten Aufklärung hat Deutschland angeboten, die VN-Anstrengungen zur Effektivitätssteigerung wirkungsvoll zu unterstützen, heißt es in der Mandatsbegründung.“
Da fehlt ein soll hinter dem so oder nicht? :)
Schönes Pfingstwochenende Ihnen und Ihrer Familie!
[Ups, ja, wird korrigiert. Danke, ebenso! T.W.]
Die Ministerin erklärt den deutschen Ansatz so:
„Unsere Strategie ist es, gemeinsam mit den europäischen und internationalen Partnern daran mitzuhelfen, einen Bereich zu schaffen, dass die Menschen vor Ort die zivile Entwicklung des Landes vorantreiben können – von der Landwirtschaft bis zur beruflichen Bildung.“
https://www.bmvg.de/de/aktuelles/bundestag-verlaengert-mandate-mali-261074
Wie dieser Bereich mit den Mitteln geschaffen werden kann, ist mir weiterhin nicht klar.
Die Themen Takuba und Mentoring sind nur besonders prägnante Beispiele für eine wirkliche Strategie.
Die Einsätze sind weiterhin nicht Teil eines wirklich durchdachten Plans.
Es fehlt schon das theoretisch funktionierende Konzept für die Lage in der Sahelzone.
Auch COIN usw sind ja nicht wirklich echte wissenschaftliche Vorstellungen.
Noch weniger ist es aber die andauernd wiederholte Parole von der „vernetzten Sicherheit“.
Meiner Meinung nach geht’s den MdB’s nicht darum mit einer sinnvollen, militärisch durchdachten Operation zusammen mit Verbündeten die deutschen Soldaten bei MINUSMA und anderen Kontinenten einzusetzen.
Man will halt „Flagge zeigen“ und somit verkommt die befohlene Truppe international zum „a dabei“.
Es ist wirklich zum fremdschämen.
@Edelweiß:
Der Einsatz wurde vorallem als Ausgleich zur begrenzten Unterstützung Frankreichs im Kampf gegen den IS intensiviert.
Deswegen sind wir halt wieder „a dabei“.
Die Probleme vor Ort sind auch nicht neu:
https://augengeradeaus.net/2017/11/gefechte-in-mali-blauhelme-getoetet-bundeswehr-hubschrauber-im-einsatz/comment-page-1/#comment-282073
Eine wirkliche Diskussion gibt es dazu jedoch weiterhin nicht. Auch die verschiedenen Angriffe auf belgische und irische Soldaten aus der deutschen Aufklärungskompanie in Gao sind offenbar kein „Augenöffner“.
Das nun beschlossene Mandat macht es eigentlich alles nur noch schlimmer.
Bezeichnenderweise interessiert dies aber selbst hier kaum jemanden.
Erst wenn es knallt – und zu spät ist – kommt wohl wieder das mediale, politische und öffentliche Interesse am Thema.
Bei den Einsätzen der Bundeswehr in Mali – wie auch in Afghanistan und anderswo – stellt sich die Frage nach dem Kosten-Nutzen-Verhätltnis und der Erreichbarkeit der definierten Ziele. „Kosten“ nicht nur in finanziellem und materiellem Sinne, sondern vor allem auch im Sinne von Gesundheit und Leben der Soldaten, die in diese Einsätze gehen (müssen).
Gibt es für die Einsätze in Mali überhaupt klar definierte Ziele, objektiv messbare Indikatoren der Zielerreichung und ein Controlling, welches den Erfolg bzw. Misserfolg des ernormen Aufwands analysiert und bilanziert?
Mein Eindruck ist zumindest, dass die Lage trotz der Einsätze nicht besser, sondern immer schlechter geworden ist.
Wenn das so sein sollte, könnte man sich die Einsätze sparen und die Ressourcen woanders sinnvoller verwenden.
Es stellt sich ferner die Frage, WEM bzw. welchen Staaten und Regierungen die Einsätze der Bundeswehr im Sahel tatsächlich nützen?
Da sie vom deutschen Steuerzahler finanziert werden müssen und das Leben deutscher Soldaten aufs Spiel gesetzt wird, sollten die Einsätze zumindest auch unter anderem deutschen Interessen dienen. Wie sieht es damit aus?
Oder ist z.B. Frankreich als ehem. Kolonialmacht der meisten Länder im Sahel der Hauptnutznießer der UN- und EU-Einsätze? Und um welchen Nutzen geht es konkret – um Ressourcen und wirtschaftlichen Gewinn, um Eindämmung des Terrors, um Bekämpfung von Drogen-, Menschen- und Waffenschmuggel etc.?
Es wäre schön, wenn dies mal transparent dargestellt werden könnte.
Wer sich für Afrika und die militärischen Einsätze auch der Bundeswehr interessiert, dem kann ich das Buch “ Heiliger Krieg, heiliger Profit – Afrika als neues Schlachfeld“ von Marc Engelhardt empfehlen.
Die recherchierten Hintergründe können einen daran zweifeln lassen, ob Leben(szeit) und Gesundheit deutscher Soldaten auf diesem Schlachtfeld weiter geopfert werden sollten.
@SamText:
Berechtigte Einwände und Fragen.
So genau will man es aber offenbar gar nicht wissen. Es geht weiterhin darum irgendwie mitzumachen. Das ist solange ausreichend bis es „knallt“.
Die neuen Mandate zeigen eigentlich die Widersprüche zwischen Zielen, Wegen und Mitteln besonders prägnant auf.
Aber offenbar ist das alles noch zu abstrakt.
Erst wenn es konkret zu Anschlägen und Angriffen kommt steigt das politische und mediale Interesse. Dann ist es aber schon zu spät.
Sehr gute Zusammenfassung der Kernprobleme der deutschen und europäischen Sahelpolitik:
https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A43_Sahel.pdf
Es gibt schon lange kein Erkenntnisproblem mehr, es fehlt nur an Interesse und Mut bei den Entscheidungsträgern.
Mit dem neuen Mandat wird die Bundeswehr noch mehr zum Politikersatz ohne klare und sinnvolle Einordnung in eine Strategie.
Solange die Kernfragen vom Einsatz von Gewalt nicht geklärt sind (siehe auch aktuelle Drohnendebatte), machen solche Einsätze auch wenig Sinn.
Das SWP-Papier zeigt dabei auch auf, dass genau da die Gründe zur Verweigerung bei Takuba liegen.
Deutschland redet halt gern – im belehrenden Ton – von vernetzter Sicherheit.
Aber eine wirkliche Vorstellung wie solche Einsätze wirklich funktionieren können gibt es weder in der Wissenschaft, noch in der Bundesregierung oder im Bundestag.
Resultate liefert das französische Heer. Frankreich redet nicht nur von mehr Verantwortung, sondern handelt auch.
https://amp.zdf.de/nachrichten/politik/franzoesische-armee-toetet-kaida-fuehrer-droukdal-100.html?__twitter_impression=true
Leider verhält es sich wie mit der Hydra, gewechselt vom Peleponnes in die verstörten Köpfe salafistischer Schlächter in Magreb und Maschrik.
EUTM Mali verstärkt um 100 Köpfe (nicht Kämpfer) leistet vielleicht (?) einen Beitrag.
Zumindest waren malische Spezialkräfte am Handstreich gegen Abdelmalek Droukdal, al-Qaida Chef im Maschrik (AQMI), beteiligt.
Da die Aktion in Nord-Mali verlief, MINUSMA war in irgendeiner Form beteiligt, oder nur informiert wenigstens das?
@KPK:
Und es gibt dafür Zustimmung und Applaus aus der SPD:
https://augengeradeaus.net/2020/06/sicherheitshalber-der-podcast-folge-29-die-welt-ist-fertig-endet-die-hegemonie-der-usa-frieden-und-oder-sicherheit/#comment-345186
Wenn ein solcher Gesamteinsatz westlicher Staaten in einer Krisenregion überhaupt nur ansatzweise funktionieren soll, dann bedarf es eines gemeinsamen Verständnisses des Zusammenwirkens von kinetischen und nichtkinetischen Mitteln (siehe u.a. Kilcullen, Accidental Guerilla).
Die aktuelle Debatte zu den Mali-Mandaten und auch die Drohnendebatte zeigt aber erneut deutlich, dass in Deutschland weder die Politik noch die Wissenschaft und schon gar nicht die Bundeswehr ein auch nur rudimentäres Grundverständnis von diesem Thema haben.
Stattdessen wird über die gezielten Tötungen, Fliehende, vernetzte Sicherheit, Einsatzregeln, Targeting, undifferenziert und oftmals widersprüchlich oder gar faktenfrei lamentiert. Insbesondere PSts Tauber in verschiedenen Beiträgen zur Drohnendebatte.
In der Auftaktveranstaltung zur Drohnendebatte sprach Herr Felgentreu ja noch davon, dass ein Einsatz wie Barkhane nicht zu unserer politischen Kultur passen.
All diese Debatten haben einen gemeinsamen Kern:
Den Unwillen und die Unfähigkeit über die Anwendung von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele auch nur ansatzweise sachlich nachzudenken.
Stattdessen lieber Scheindebatten über verfassungsrechtliche Probleme beim Einsatz in einer Koalition der Willigen.
Sowie dann billiger Applaus oder kritische Ratschläge von der Seitenlinie.
@KPK:
Der Personalaufwuchs bei EUTM erfolgt aufgrund der Übernahme der Führung des Einsatzes. Dazu kommt dann noch die Integration der Mission im Niger.
Es wird sich als überhaupt nichts deswegen ändern. Zumal die Effektivität von EUTM ja eh sehr begrenzt ist. Alles lange bekannt.
Mit dem Mentoring in der Kaserne ist – auf deutschen Druck – ein weiterhin unzureichendes Konzept in Brüssel beschlossen worden.
Die Umsetzung selbst dieses Konzeptes ist aus meiner Sicht nicht mal ansatzweise durchdacht. Ein weiterer politischer Kompromiss in Brüssel. Nur wird weitgehend übersehen, dass diese Art von diplomatischen Lösungen im Krieg tödlich sein können.
Der Tod von Droukdal erinnert auch nochmal an die zentrale Rolle Deutschlands beim Aufstieg von GSPC bzw. AQMI durch Lösegeldzahlungen:
https://www.nytimes.com/2020/06/06/world/africa/al-qaeda-abdelmalek-droukdal.html
Wirkliches Interesse an den Zusammenhängen gibt es weiterhin nicht.
Der Bundestag möchte aber diesmal schon nach 6 Monaten einen Bericht der Bundesregierung erhalten, da das Thema wichtig sei.
Na dann…
@ Memoria
Vielen Dank für die beiden sehr guten Artikel der SWP zum Thema „Deutsches und internationales Krisenmanagement im Sahel“ sowie der New York Times zur Tötung des Al-Qaeda-Anführers in Mali!
Die im SWP-Artikel angesprochene Frage des „Good Governance“, also effektiven Regierens und guter Staatsführung, stellt sich nicht nur für die Sahel-Länder, sondern auch für unseren eigenen Staat.
„In der Forschung über die Ursachen für schlechte Regierungsführung dominieren zwei Erklärungsansätze: mangelnder politischer Wille und/oder mangelnde Kapazitäten. …“ Ich würde noch ergänzen: mangelnde Kompetenz.
Wenn ich mir das über lange Zeit oft sehr mangelhafte Risiko- und Krisenmanagement unserer eigenen Regierungen und Parlamente auf Landes- und Bundesebene ansehe (aktuell im Umgang mit Corona, schon länger mit der EU/ dem Euro, der Energiewende, der Einwanderung etc.), muss ich logischerweise bezweifeln, dass dieselben Akteure in jenen Regierungen und Parlamenten, und vor allem im Bundestag, willens oder in der Lage sind, ausgerechnet und ausnahmsweise zu den Auslandseinsätzen unserer Bundeswehr wirklich strategisch durchdachte und verantwortungsbewußte Entscheidungen zu treffen.
Immerhin geht es hier um international hochkomplexe Sachverhalte mit vielen verschiedenen Interessen, Zielen und Akteuren, die kaum ein Bundestagsabgeordneter überblicken dürfte – sofern er sich überhaupt dafür interessiert. M.E. sind die Entscheidungsbefugnisse der meisten MdB und Minister und die diesen verliehene Macht nur sehr selten durch ein Maß an Kompetenz und Qualifikation unterlegt, welches für die Tragweite ihrer Entscheidungen erforderlich wäre. Viele gleichen darin eher ungedeckten Schecks oder unserem inzw. durch nichts mehr als durch das bloße Vertrauen der Menschen gedeckten Euro.
Wenn sie patzen bzw. „platzen“ haftet allerdings der Steuerzahler bzw. im Einsatz bezahlt das im schlimmsten Falle der Soldat mit seinem Leben.
Nach meiner Einschätzung jedenfalls kann die Bundeswehr mit ihren Einsätzen im Sahel kaum etwas erreichen, schon gar nicht „Good Governance“.
Viel wichtiger und strategisch das einzig Sinnvolle wäre es, die Versorgung der Terroristen und korrupten Potentaten der betroffenen Staaten mit Geld, Waffen und immer neuem Terrornachwuchs zu unterbinden und somit der „Hydra“ endgültig Kopf, Arme und Beine abzuschlagen.
Hierfür bedürfte es aber internationaler Einigkeit und Anstrengungen. Ist das ein realistisch erreichbares Ziel bei international divergierenden Interessen?
Mein Fazit daher: Deutschland und die EU (sofern hier Einigkeit zu erzielen wäre – ich bin skeptisch auf der Ebene dieser „Q-Tipp-Verbieter“) sollten ihre militärischen Anstrengungen darauf konzentrieren, sich selber auf eigenem Staatsgebiet zu schützen und verteidigen zu können. Erste Massnahme: konsequente Eigensicherung. Und das heißt zuallererst Grenzsicherung. Denn ohne Grenze kein souveräner Staat. Ein Staat ohne funktionierende Grenze sowie adäquater Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist außerdem erpressbar, wie im Artikel angeprochen: „Allerdings wissen die Eliten vor Ort um Europas Ängste vor Migration und Terrorismus. Sie nehmen Konditionalitäten daher oft nicht sehr ernst. Sie wissen sich am längeren Hebel und machen aus der Not ihrer Außenabhängigkeit eine Tugend, denn Krisen und Konflikte spülen erhebliche materielle und finanzielle Hilfen ins Land“.
Wir werden Afrika nicht retten können, ebensowenig wie den Nahen und Mittleren Osten. Wir können bestenfalls versuchen, Schadensbegrenzung zu betreiben und müssen auf jeden Fall die EIGENSICHERUNG verstärken.
Wenn es dafür den politischen Willen in Bundestag und Bundesregierung nicht gibt, dann gute Nacht Deutschland und Europa!
[Nice try. Ich finde es allerdings einen unfreundlichen Akt, den Spin „Grenzen zu!“ aus einer bestimmten Ecke jetzt hintenrum über das Thema Sahel hier zu verbreiten. Und bitte äußerst dringend darum, so etwas künftig hier nicht mehr zu versuchen. T.W.]
Hier noch der aktuelle Podcast der Bundeswehr zum Thema Auslandseinsätze am Beispiel Afghanistan mit besonderem Focus auf die Faktoren „Wirksamkeit“ und „Anerkennung“ und deren Einfluß auf die Soldaten – auch im Hinblick auf Mali relevant:
https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/meldungen/funkkreis-podcast-bundeswehr
@SamText:
Im Kern geht es um gute Regierungsführung, die aber oftmals nicht erreicht wird. Hier schließt sich der Kreis, da der internationale Einsatz ja zumeist wegen fehlender funktionierender Einsatz entstanden ist.
In Mali wächst der Unmut über die Regierung jedoch weiter:
https://www.aljazeera.com/news/2020/06/thousands-mali-capital-demand-president-keita-step-200605182039449.html
Gleichzeitig gibt es erneut Vorwürfe gegen die malische Armee:
https://www.evangelisch.de/inhalte/171070/07-06-2020/malische-armee-soll-29-zivilisten-getoetet-haben
Kernproblem der Good Governance Diskussion ist oft das unterschiedliche Verständnis von Staatlichkeit.
Ausserhalb von Mittel- und Nordeuropa ist der Staat eben oftmals eher eine Einnahmequelle für eine Gruppe oder Ethnie. Da kommen dann auch unsere Ratschläge nicht wirklich an.
Was also tun?
Entweder sich wirklich breit und mutig engagieren oder Konzentration auf die Verteidigung der eigenen Interessen.
Beides hat erhebliche Risiken.
Deutschland macht jedoch weiterhin keines von beidem, hält sich aber für den Musterschüler.
Der Weg den die GroKo insgesamt verfolgt kann nicht funktionieren. Zu dem Schluss kommt auch die SWP.
Aber selbst das genügt offenbar noch nicht, um mal genauer hinzuschauen.
Und weil in der Ausbildung der malischen Streitkräfte die Übersicht, ob Menschenrechte eingehalten werden, auch ein Punkt ist, das hier als Merkposten:
Mali to investigate after army accused of killing dozens in village attack
@T.W.:
Aber das wird doch dann bald im neuen Ausbildungszentrum im nahen Sévaré genauer besprochen werden können, oder?
Oder vielleicht in der nächsten Kaserne bzw. FOB in der die deutschen (oder auch alle europäischen) Ausbilder auf die „Auszubildenden“ warten?
So ungefähr stellt man sich ja wohl vor, so mein Eindruck mach den obigen Debatten um die Mandate.
Dabei gibt es weiterhin keine Informationen darüber wann das neue Ausbildungszentrum aufgebaut werden soll, wer dort wie aktiv wird, wie das landesweite (und später noch weitere Mentoring funktionieren soll – und wie alldas mit de facto gleichem Personalansatz machbar sein soll.
Die jüngsten Erfolge von Barkhane werden ja auch begrüßt. Wobei Herr Felgentreu erst kürzlich deren Eskalationsstrategie kritisierte.
Mal sehen, wann der ein oder andere aufwacht.
Ein Hinweis: Den Versuch, diesen Thread jetzt zu unterwandern und zur Propaganda gegen eine, wie es dann heißt, „völlig native Einwanderungspolitik“ Deutschlands und zu Vergleichen mit dem Umgang mit Corona zu missbrauchen, habe ich mal gestoppt.