Kamikaze-Drohnen für die Bundeswehr: Von Helsing, Stark – und Rheinmetall
Die schnelle Beschaffung von Einweg-Kampfdrohnen, so genannte Loitering Munition, für die Bundeswehr nimmt offensichtlich Fahrt auf: Gleich drei Unternehmen habe das Verteidigungsministerium jetzt Bestellungen für diese Kampfdrohnen in Aussicht gestellt, berichtet die Financial Times. Neben den bereits zuvor erwarteten deutschen Drohnen-Startups Helsing und Stark ist danach auch der Rüstungskonzern Rheinmetall als drittes Unternehmen beteiligt.
Den Einstieg in den Drohnenkrieg hatte das Verteidigungsministerium bereits im April bekannt gemacht und dabei von geplanten Verträgen mit zwei deutschen Herstellern gesprochen. Laut dem Bericht der Financial Times vom (heutigen) Mittwoch (hinter Paywall) soll nun zusätzlich der Rüstungsgigant Rheinmetall beteiligt werden – das Düsseldorfer Unternehmen habe überraschend einen Weg gefunden, an diesem Geschäft beteiligt zu sein, zitiert das Blatt einen ungenannten Manager aus der Rüstungsindustrie.
Die Verträge sollen für jedes der drei beteiligten Unternehmen ein Volumen von rund 300 Millionen Euro haben und insgesamt die Produktion von rund 12.000 der Kamikaze-Drohnen vorsehen. Allerdings soll zunächst nur ein Teil dieser Loitering Munition ausgeliefert werden: Um die aus der Ukraine bekannten schnellen Veränderungen vor allem bei der Software vornehmen zu können, wird voraussichtlich der überwiegende Teil der Drohnen bei den Herstellern bleiben und jeweils zur Auslieferung an die Truppe auf den neuesten Stand gebracht.
Bei den Drohnen-Typen soll es sich nach dem Bericht um das System Virtus von Stark, die HX-2 von Helsing sowie die erst vor kurzem vorgestellte FV-104 von Rheinmetall handeln. Als erster Empfänger ist laut Financial Times die neue Panzerbrigade 45 in Litauen vorgesehen, die noch in Aufstellung ist.
Die geplanten Beschaffungen müssen vom Haushaltsausschuss des Bundestages freigegeben werden. Nach Angaben des Blattes wollten weder das Verteidigungsministerium noch die drei Unternehmen die Planung bestätigen (Offenlegung: ich habe diese Meldung erst relativ spät gesehen und deshalb zunächst auch nicht nachgefragt).
(Grafik: HX-2-Einwegdrohnen im Schwarm – Quelle: Helsing)
Hallo,
Ich hoffe nur das die Dinger was taugen.
Ich habe das Gefühl, dass mittlerweile jeder behauptet in diesen Feld Expertise zu haben, meint hier das große Geschäft machen zu können.
Haben die genannten Firmen, die Sachen schon in der Ukraine ausprobiert?
Ich hoffe, dass diese Systeme von den Ukrainern bessere Noten bekommen haben als Switchblade.
@Sven @Felix
‚Bessere Noten als Switchblade‘ ist so eine Sache. Nach den Berichten, die sich finden lassen, konnte die Switchblade 600 durchaus gewinnbringend eingesetzt werden; die Switchblade 300 dagegen eignet sich wohl nicht für den Einsatz in diesem Kriegsfeld. Was nicht heißt, dass sie in einem anderen Kriegsszenar nicht durchaus wirksam sein kann.
Mal abgesehen davon ist die relevante Entscheidung hier, dass die Beschaffung solcher Systeme – nach Jahren von ethisch-rechtlichen Diskussionen über das Für und Wider zu bewaffneten Drohnen – jetzt endlich auf den Weg gebracht wurde, Gelder und Vertragsgrundlagen zur Verfügung gestellt werden. Auf dieser Basis kann die Bundeswehr jetzt Systeme beschaffen, testen, einige für schlecht und andere für gut befinden.
Fazit: Der Weg ist der Richtige, mit Sicherheit wird es Hürden geben, aber der Wille ist da, diese zu nehmen.
Firma Stark… soso. Sind wir jetzt schon im Marvel-Universum? *scnr*
Ansonsten gut, dass wir wenigstens aufwachen. Selbst wenn die Dinger nicht das 100% Gelbe vom Ei sein sollten, machen wir damit wenigstens Erfahrungen, die dabei helfen, die nächste Beschaffung vernünftig anzugehen. Und vor allem: Wir lernen Einsatz und Umgang damit. Vermutlich bald auch mit entsprechenden Experten aus realem Einsatz in der Ukraine. Ist ja nicht so, dass nur Deutsche Ukrainer ausbilden können, wie man die PzH2000 bedient, sondern es können auch Ukrainer Deutsche im Drohnenkampf ausbilden und ggf. auch darin, wie man eine PzH2000 auf die eigenen Bedürfnisse umprogrammiert.
Überhaupt hoffe ich, dass sich an einigen Stellen in den Planungs- und Taktikausbildungsstäben viele Kameraden fleißig Notizen machen.
Zitat:“Gleich drei Unternehmen habe das Verteidigungsministerium jetzt Bestellungen für diese Kampfdrohnen in Aussicht gestellt, “
Ich finde, es ist schon mal gut, dass die Bundeswehr mehr als einen Anbieter ausgewählt hat. Aber natürlich würde es mich auch interessieren, ob diese Drohnen schon in der Praxis getestet wurden.
Der technische Fortschritt entwickelt sich auf diesem Gebiet rasend schnell. Die Erfahrungen in der Ukraine zeigen wie schnell erst hochgelobte Produkte schnell bedeutungslos werden. Die Hersteller werden beweisen müsen, dass sie ihre Produkte in demselben Tempo weiterentwickeln können und das auch bereits beschaffte Drohnen angepasst werden können. Schauen wir mal.
Die Drohnen von Helsing werden ja schon fleißig in der Ukraine eingesetzt und stetig verbessert…
Wettbewerb und Weiterentwicklung ist auf diesem Feld enorm wichtig…
Die Loitering Munition sollte nativ in die Artillerie Bataillone der Bundeswehr integriert werden…
Hier ist ja eh ein Aufwuchs um weitere Bataillone geplant… die zunächst vermutlich erstmal nicht die Masse an neuer Artillerie (PZH2000,RCH155) haben werden… diese Battaillone könnten aber zügig mit LM ausgestattet werden… und so doch schnell aufwachsen…
Ausbildung ist eh erstmal das wichtigste für die neuen Bataillone…
bedeutet erstmal 4-6 Geschütze und LM für Ausbildung…
Ich verstehe den hier in den Kommentaren verbreiteten Pessimismus mal wieder nicht. Erst wird Loitering-Munition und Drohnen vehement gefordert. Kaum entschließt sich die Bundesregierung dazu, diese zu beschaffen, wird auch schon wieder gemotzt.
Man kann das auch nicht anders bezeichnen als „motzen“, einige sind hier nie zufrieden. Das kann man nicht mehr ernst nehmen.
In den Nachrichten kam das die ( zivilen ) bösen Buben jetzt auch Drohnen ( mit Handgranaten ) einsetzen. Bei der Drogenrazzia vor kurzem in den Favelas von Rio ( Brasilien ).
Jetzt muss sich im Grunde auch die normale Polizei, schon aus Selbstschutz, zumindest bei Bandenkriminalitäts-Einsätzen mit dem Thema befassen, nicht nur die Bundeswehr.
Der US-Präsident ist aber schon mehrere Schritte weiter und hat heute Nacht die Wiederaufnahme der Atombombentests angekündigt…
Immerhin sind die bestätigt kleinsten Atombomben mit einer Sprengkraft im Kilotonnen-Bereich zu schwer für die üblichen Drohnen ( über 60 kg ).
Die allerkleinsten aus dem kalten Krieg wogen ca. 23 kg, immerhin ca. 20t Sprengkraft.
Aber schon früher als viel zu gefährlich und teuer eingestuft, kann man bei Drohnen also gottseidank streichen sollte jemand fragen…
[Wir machen jetzt nicht die lustige Äpfel-Birnen-Obstsalat Nummer und verknüpfen die Debatte über (Kampf)Drohnen mit der über Nuklearwaffen. Danke. T.W.]
Switchblade war halt für einen anderen Krieg gedacht. Als ein Schuß Mörser, um halt das Duschka-Nest in Afghanistan in Schußweite auszuschalten, daß eine Gruppe niederhält.
Bezgl Rio, soweit ich gelesen hatte, waren es erstmal Drohnen, die Granaten abgeworfen haben, noch keine FPS-Drohnen, aber es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Narcos die auch haben. Die kolumbianischen Kartelle sollen ja Leute auf FPS-Kurse in die Ukraine geschickt haben.
@Obibiber: Ich finde den Hinweis auf die Integration in die Artillerietruppe sehr spannend. Von der Reichweite der Loitering Munition passt das ja sehr gut. Die Flugdauer ist natürlich eine total andere. Interessant wäre zu erfahren, ob die Sensorik dieser Systeme auch zur Erstellung des Lagebildes in Ergänzung zu den Aufklärungsdrohnen beitragen kann und wird. Da sie sich ja recht lange in der Luft befindet, wäre dies durchaus sinnvoll. Falls dies gelingt, so ließe sich die Feuerleitung für die klassischen Systeme mit kurzer Flugzeit weiter optimieren.
Ich bin mal gespannt, welche Erstbeschaffung mit welcher Auslieferungsrate angegangen wird. Außerdem, wie diese Systeme transportiert und dann in den Einsatz gebracht werden sollen.
Wichtig ist zunächst einmal, dass es losgeht und die Litauenbrigade eine ausreichende Anzahl von Systemen zum Kennenlernen und dann Integrieren in die Manöver ausgehändigt bekommt.
Ohne die von China unabhängige Supply-Chain direkt mitzudenken, besteht hier die Gefahr dem Gegner einen weiteren strategischen Hebel zu bieten.
Die Zeitung mit den vier großen Buchstaben läßt heute kein gutes Bild an dieser Entscheidung
@Teetrinker: Oder man muss sich ein Stück weit von der Just-in-time-Friedenslogistik verabschieden, die davon ausgeht, dass alle vertraglich gebundenen Akteure in anderen Ländern immer pünktlich liefern können.
Das hat man schon bei der Blockade des Suezkanals durch die Ever Given 2021 gesehen. Einziger Wermutstropfen: Lagerhaltung kostet.
@JCR: Die stellt auch intellektuell auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und auf die größte mögliche Auflage ab. Die würde ich nun wirklich nicht als Maßstab für das betrachten, was richtig oder falsch ist.
@Bjoern__M
„Attack drones produced by Berlin-based Stark failed to hit a single target during four attempts at two separate exercises this month with the British army in Kenya and the German army near the town of Munster, in Lower Saxony, according to four people familiar with the trials.“
Dann ist streitkräftetaugliches Drohnen bauen doch nicht nur mal so von x-beliebigem Startup zu stemmen?
https://stark-defence.com/de/
„Wir arbeiten Hand in Hand mit den Streitkräften der NATO-Staaten und deren Partnern, damit unsere Systeme ihre Leistungsfähigkeit unter realen Einsatzbedingungen unter Beweis stellen und kontinuierlich weiterentwickelt werden“. (Aus obigem Link)
Genau wegen der zu klärenden Effizienz und Effektivität ist es ja erstmal gut mehrgleisig zu fahren. Und jedem Hersteller sollte eine entsprechende Lernkurve ermöglicht werden.
Wer bildet denn die Bediener aus und wie werden sie in der Truppe integriert? Bekommt jede Infanterie Einheit, Truppengattung unabhängig, einen Bediener ausgebildet oder wie kann ich mir das vorstellen? Ich hoffe nur, das diese nicht ausschließlich von legitimierten Piloten inkl. dem ganzen drumherum geflogen werden dürfen.
Sinnvoll wäre wahrscheinlich eine Einweisung im Zuge der Grundausbildung quasi als IGF.
Die Drohnen von Stark haben laut „Financial Times“ bei aktuellen Tests der britischen Streitkräfte und der Bundeswehr kein einziges Ziel getroffen. Beobachter würden von einem „disaster“ sprechen. Das Unternehmen habe seine Fähigkeiten deutlich übertrieben dargestellt.
@Benandjerry
Das kommt wohl auf den Einsatzzweck und die taktische Verwendung der Drohne an: Aufklärung, Counter-Drohnen (Abwehr), Bekämpfung, ECM/EW
@Bendandjerry
Im UstgBer tut sich derzeit viel. Im SP erst einmal im Bereich bis Kat II b (ULfz bis 25 kg, fliegen Außerhalb des Sichbereiches usw.). Hier werden APB (Ausbildungs und Prüfbefähigung) generiert, die ähnlich wie Kraftfahrfeldwebel dann als Mutliplikatoren direkt in den Verbänden ausbilden können und dürfen (vereinfacht ausgedrückt).
Und wie durch den Inspekteur schon kommuniziert, soll die Bedinung von ULfz eine „Jedermannbefähigung“ werden, wobei dann im Rahmen der Grundausbildung eine Grundbefähigung vermittelt wird, die dann im Verband vetieft wird.