Schnelle Beschaffung von Loitering Munition: Bundeswehr steigt in den Drohnenkrieg ein (Neufassung)
Die Bundeswehr will nach jahrelanger Verzögerung jetzt möglichst schnell in die Drohnenkriegführung einsteigen. Bereits in den nächsten Tagen sollen Verträge mit zwei deutschen Herstellern von Einweg-Kampfdrohnen, so genannter Loitering Munition, geschlossen werden. Der Umgang mit Drohnen, sowohl beim Einsatz als auch bei der Abwehr, soll Teil der Ausbildung für alle Soldaten und Soldatinnen werden.
In den vergangenen Jahren war das Thema Drohnen, insbesondere unbemannte Flugsysteme, für die deutschen Streitkräfte vor allem von der Debatte über die Bewaffung der flugzeuggroßen Heron TP-Drohnen geprägt, von denen fünf Stück beschafft wurden. Der Krieg in der Ukraine, bei dem von beiden Seiten zehntausende von Drohnen eingesetzt wurden und werden, führte allerdings zu einem Umdenken – nicht zuletzt vor der Erkenntnis, dass die Bundeswehr an Kampfdrohnen im Sinne des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine keine einzige besitzt. Der Einsatz solcher Systeme, so die Ansicht führender deutscher Generale, sei für das Gefechtsfeld eine ähnliche grundlegende Veränderung wie die Einführung des Maschinengewehrs oder des Panzers vor gut 100 Jahren.
Der Einstieg in die Beschaffung der Loitering Munition, hieß es am (heutigen) Donnerstag aus dem Verteidigungsministerium, sei für die nötige Wende im Umgang mit unbemannten Systemen ein wesentlicher erster Schritt. Die Entscheidung dafür sei mit der Absicht verbunden, eben nicht wie sonst bei Waffensystemen größere Mengen zu bestellen und für einen Einsatz im Depot bereitzuhalten. Zunächst solle eine kleinere Zahl beschafft und direkt von der Truppe getestet werden, einschließlich der dafür nötigen Verfahren. Wenn sich die Erwartungen an diese Waffe und die Ankündigungen der Industrie bestätigten, könnten zum Jahresende größere Mengen bestellt werden.
Allerdings sei geplant, immer nach Bedarf modernste Versionen zu ordern und sie innerhalb kurzer Zeit produzieren und von der Bundeswehr abrufen zu lassen. Auf diesem Wege seien ständige schnelle Nachbesserungen bei der Software, aber auch an der Hardware der Systeme möglich. Vorbild dafür sind Innovationszyklen wie in der Ukraine, die bisweilen nur wenige Wochen bis zu einem Update der Software dauern.
Ein wesentlicher Punkt des Vorgehens für diese Einweg-Drohnen, die im Ziel explodieren, ist die Klassifizierung als Munition und eben nicht als Fluggerät. Damit fallen weitgehende Vorgaben für Zertifizierung und Einsatz weg, die bei einer Einstufung als Drohne erforderlich wären.
Nach Angaben aus dem Ministerium wird diese neue Art von Munition auch auf Künstliche Intelligenz für die Zielerfassung angewiesen sein. Dabei gehe es bereits um die Orientierung bei der erwartbaren Störung der Satellitennavigation, vor allem um die Unterstützung menschlicher Bediener bei der Auswahl der Ziele. Der Mensch werde aber immer in die Entscheidung über den Waffeneinsatz eingebunden sein.
Der Neuansatz, den das Verteidigungsministerium jetzt verfolgt, geht weit über die Loitering Munition als Kamikaze-Drohnen hinaus. Generell müssten Drohnen als ein Mengenverbrauchsgut angeschafft werden, heißt es aus dem Ministerium. Das ist auch eine grundlegende mentale Abkehr von einer Bundeswehr, in der das folgenreiche Karfreitagsgefecht in Nordafghanistan vor 15 Jahren durch die Suche nach einer abgestürzten Kleindrohne ausgelöst wurde.
Die Erprobung von unbemannten Systemen geht dabei weit über fliegende Drohnen hinaus. Das Heer erprobte bereits im vergangenen Jahr in seiner Experimentalserie Land verschiedene Typen und setzt auch auf Bodenroboter, also Land-Drohnen, auch mit Bewaffnung:
Grundsätzlich ist der Einsatz von Unmanned Ground Systems (UGS) in allen Domänen und damit auch bewaffnet vorgesehen. Der Einstieg in den Bereich UGS wird zunächst über Transport/Aufklärungs-UGS erreicht, um dann in einem nächsten Schritt diese zu bewaffnenden UGS – sog. Combat-UGS – für den infanteristischen Kampf, anfänglich remote controlled, weiterzuentwickeln. Für die Integration in hoch beweglich und dynamisch geführten Landoperationen ist es zwingende Voraussetzung, dass bewaffnete UGS über vergleichbare Leistungsparameter (z.B. Geschwindigkeit, Geländegängigkeit) wie die jeweiligen bemannten Hauptwaffensysteme (Kampfpanzer, Schützenpanzer Rad/Kette) verfügen. Zur Umsetzung dieser Forderungen ist zukünftig ein hoher Grad an Vernetzung und Automatisierung unter Nutzung KI notwendig.
Eine Überlegung ist dabei – über die Nutzung von Loitering Munition und künftig auch Kleindrohnen hinaus – der Aufbau von, wie es das Heer nennt, Aufklärungs- und Wirkungsverbünden. Die sollen größere Räume überwachen und Ziele bekämpfen. Den Einstieg in solche Einsatzmöglichkeiten plant das Verteidigungsministerium zum Jahresende. Dann wird, wer auch immer dann Minister:in ist, der Bundestag eingebunden werden müssen, weil die dafür anfallenden Kosten deutlich über den 25 Millionen Euro liegen dürften, ab denen der Bundestags-Haushaltsausschuss zustimmen muss.
(Foto: Loitering Munition „One Way Effector Vertical (OWE V)“ von Stark Defense – Foto Stark Defense)
Sehr gut…
perfektes Vorgehen!
weiter so….
das ganze jetzt auch noch auf Drohnenabwehr ausweiten!
High End Skyranger30
darunter Richtung Kinetic Defence Vehicle
oder UGS mit passender Waffenstation
-> Klasse und Masse kombiniert
und Anti-Drohnen Drohnen!!
MicroMissile von Diehl und SADM von MBDA
Nach dem gleichen Prozess wie Loitering Munition beschaffen
Q sagt:
Munition muss andere Anforderungen als Drohnen erfüllen, was sie aber nicht sicherer macht.
Insbesondere wird LM denselben Luftraum wie Drohnen und andere Luftfahrzeuge durchqueren und sich dort aufhalten, dabei aber keinerlei Andorderungen daran erfüllen müssen.
„Eine Überlegung ist dabei – über die Nutzung von Loitering Munition und künftig auch Kleindrohnen hinaus – der Aufbau von, wie es das Heer nennt, Aufklärungs- und Wirkungsverbünden. Die sollen größere Räume überwachen und Ziele bekämpfen. Den Einstieg in solche Einsatzmöglichkeiten plant das Verteidigungsministerium zum Jahresende.“
Genau da wird es interessant, denn erst damit wird aus einer neuen Munition eine neue Fähigkeit.
Das wird hoffentlich ernsthaft und durchdacht betrieben.
„Der Umgang mit Drohnen, sowohl beim Einsatz als auch bei der Abwehr, soll Teil der Ausbildung für alle Soldaten und Soldatinnen werden.“
Genau DAS ist der wichtige Punkt. Alle kampferfahrenen ukrainischen Offiziere berichten, das der Westen so ausbildet, als würde es FPV-, Dropper- (und sogar Aufklärungs-)Drohnen gar nicht geben. Und das bei einem Einsatz gegen Russland westliche Truppen hilflos wären und riesige Verluste durch Drohnen erleiden würden.
Es ist von zentraler Bedeutung, das in der BW die Ausbildung MIT Drohnen geübt wird. Dazu müssen loitering munitions erstmal VORHANDEN sein. Und wenn dass ENDLICH passiert dann ist das ein großer Fortschritt.
Dagegen ist zweitrangig, dass niemand der Bundeswehr ernsthaft zutraut, bei der Beschaffung up to date und kosteneffizient zu sein. Und speziell nicht bei einem so heißen Thema. Natürlich wird es zu Beschaffungen von Goldrandlösungen und Verzögerungen kommen, Koblenz kommt ins Spiel, Bedenkenträger, usw..
ABER: Die Hauptsache ist, dass die Truppe jetzt IRGENDEIN Drohnen-Anschauungs- und Übungsmaterial für die Ausbildung erhalten sollte. Und daher ist das gut!
Dann müßte man quasi 24/7 unter permanentem Feinddruck üben. Wie wäre es mit einem red UAS team, z.B. im GÜZ ?
Grundsätzlich genügen hierfür Aufklärungsdrohnen, denn: aufgeklärt = bekämpft.
@Christian B. 03.04.2025 um 21:18 Uhr
ist unbedingt zuzustimmen. Es darf kein Übungsvorhaben mehr geben, in dem der Drohnenkrieg ausgeblendet ist, oder schlimmer, schlicht ignoriert wird.
Wie kann es sein, dass diese Woche eine NLD NATO Brig „13 Lichte Brigade“ über 350 km in den Raum Letzlingen mit Überquerung der Elbe im Fährbetrieb anmarschiert, ohne dass Drohnen eine Rolle inne haben.
Im Zusammenhang muss die Vernachlässigung von Luftbedrohung, nicht unbedingt durch Jets, sondern Flugkörper genannt werden, denn, natürlich ist ein Flußübergang ein „High Value Target“.
Ich fürchte aber, der Gegenwind im öffentlichen Diskurs wird soeben entfacht. FAZ: „Endlich Drohnen für die Bw“. Weiter „Geld für den notwendigen Drohnenwall aus Aufklärungs-, Abwehr- und Angriffssystemen wäre jetzt auch genug da.“
Björn Müller (Loyal) @Bjoern__M dazu:
‚Bemerkenswert, wie umfassend das Industrie-Märchen von der militärischen Rundumlösung „Drohnenwall“ verfängt‘.
Da hat er einen wichtigen Punkt,
Die FAZ kreiert einen neuen Fantasiebegriff wenn ein Drohnenwall erfunden wird, den es NICHT gibt, nicht geben kann.
Es zeigt sich neuerlich Begriffsinflationismus nicht definierter Schlagworte, oft aus dem politischen und/oder Medienraum stammend, der leider in omnipräsenter Talkshow-Welt sicher begierig aufgenommen und weiter getragen werden wird.
Ein „Drohnenwall“, existiert nicht. Ein Wall suggeriert Undurchdringbarkeit und Sicherheit.
Das ist gefährlich falsch.
Wie im Vorgängerfaden sinngemäß schon angemerkt, umfassende Ausstattung des Heeres und von Verbänden anderer TSK mit ähnlichen Verwendungen darf nicht suggerieren, ein Bodenkrieg mittels Drohnen würde eine vergleichsweise saubere, humane Angelegenheit.
Wenn das Thema Kleinstdrohnen jetzt Fährt aufnimmt, bin ich ja gespannt, wann die Entwicklung des A400M als Drohnenträger startet.
@ Christian
„Koblenz kommt ins Spiel“ ..
Auf sowas habe ich gewartet ….
LufABw in Köln will alles was fliegt mit zivilen Zulassungsnormen vergleichen und freigeben und dazu die Forderungen nach Goldrandlösungen aus dem Planungsamt in Berlin und dem Kommando CIR in Bonn.
Dann kommt Koblenz und soll es lösen mit den ganzen Zielkonflikten, herzlichen Dank.
Hört auf ständig diesem Märchen hinter her zu laufen, dass Beschaffungsamt sei irgendwie das Problem.
Da sitzen die Leute, die trotz überbordender Bürokratie und Goldrand Forderungen die Probleme lösen. Dort versucht man sich auf das zulässigste zu verbiegen um diesem Spagat gerecht zu werden
@Singulativ sagt:
wenn es Knallt, dann flieg kein ziviles Fluggerät mehr im denselben Luftraum
diese Lektion hat man hoffentlich nach MH17 gelernt
@Klaus-Peter Kaikowsky (KPK)
Ein Drohnenwall ist genau das Gegenteil einer statischen Verteidigung,
Setzt die eigene Truppe nicht dem direkten Feindfeuer aus da deren Standort fast überall sein kann, erst Recht wenn KI ( Bilderkennungssoftware ) zum Einsatz kommt.
Drohnenwall (drone wall) ist ein Sprachbild für Nichtmilitärexperten und noch dazu in deutsch und englisch gleich.
Erfunden haben es übrigens die Ukrainer und mal nicht die Schweizer
Wann werden wohl Captchas kommen um die Kampf KI zu trainieren ?
@Singulativ:
Nun ja, an sich werden zumindest die Drohnen die ich kenne in Hinblick auf die Munitionsanteile schon nach Munitionssicherheitsstandards entwickelt und zumindest für die Einführung so behandelt (auch wenn das speziell mit Bezug auf die Zünder einigen Aufwand bedeutet). Allerdings gibt es damit im Sinne einer breiten Einführung keine Blaupause – die wohl jetzt zu schaffen sein wird – da wir ja bisher mehr für Erprobungsbetrieb beschafft haben (nochmal – meine Sichtweise, hab keinen umfassenden Überblick).
Safety Aspekte um die eigenen Leute bzw Blue Forces zu schützen (zum Beispiel vor Fehlfunktionen – soll’s ja geben bei Software-intensivem Gerät….) sind bei Drohnen generell wenig beachtet (zumindest in der Diskussion). Entsprechende Konzepte gibt es zwar, ich befürchte aber eher dass die Sicherheit von Kameraden hier weniger wiegt als Tempo – zumindest nehme ich das so wahr.
Insgesamt passt dazu auch was @Christian B. so schreibt – gedanklich haben wir diesen Typus Systeme noch nicht in unsere Denkweise integriert…
@ Grashüpfer
der Beweis, das Koblenz nicht das Problem sei, der wäre noch zu erbringen…
@ BAAIN Bw
vergesst nicht, reichlich Zieldarstellungsdrohnen (ohne Gefechtskopf und mit abgespeckter Aufklärungshard- und -software sollten die ja wohl bei gleichen Flugeigenschaften auch deutlich günstiger sein) mit zu bestellen, damit die Truppe in Todendorf und Putlos die Bekämpfung im scharfen Schuss üben kann. Mit allen Kalibern.
„Die Entscheidung dafür sei mit der Absicht verbunden, eben nicht wie sonst bei Waffensystemen größere Mengen zu bestellen und für einen Einsatz im Depot bereitzuhalten.“
Direkt vorab, das ist keine Spitze gegen den Hausherren. Aber als ich den Satz las habe ich ob der aktuellen Depotlage und der Beschaffungsvorhaben der letzten 20+ Jahre schallend gelacht ^^
Gibt es eigentlich schon eine Dienstvorschrift, die auf das Thema Kleindrohnen eingeht? Das müsste jetzt ja eigentlich schon in die Ausbildungs-Grundlagen für alle TSK einlaufen.
@KPK
wenn ein „Wall“ schon unüberwindbar wäre, was wäre dann erst eine Mauer?
Ich bin für eine Drohnen Mauer. Stabiler, am besten aus Stahlbeton….
Hört man denn jetzt irgendwann mal was von der KI Software von Helsing in der Ukraine? gut, muss ja nix schlechtes bedeuten, wenn man darüber bewusst nicht spricht…
@Grashüpfer Danke dafür, ich wollte es auch schon sagen. Dieses Rumgehacke auf dem BAAINBW kann ich auch nicht mehr hören. Wir wissen, was die Probleme sind, und jeder, der sich ein bisschen umschaut, kann das verstehen.
Ob es nun die endgültige Lösung ist, alles als Munition zu klassifizieren, was fliegt, sei mal dahin gestellt. Vielleicht muss da auch noch an der Regulatorik gedreht werden.
Welcher Soldat in der BW weiss aktuell wie er durch Drohnen bedroht wird. Was sie leisten, wie gefährlich sie sind und wie er mit der Bedrohung umgeht. Ich würde mal sagen das Gros kennt es nur vom Hörensagen.
Oder irre ich mich?
Also wenn eines der in Frage kommenden Firmen „Stark“ (QuantumSystem Scwester wegen deren Zivilklausel) ist, sollte man Abstand nehmen wegen dem Investor Thiel.
möchte als Bürger nicht wirklich „KI Killerdrohnen“ von einer Thiel Firma haben, genausowenig wie US Überwachungssoftware in unseren Behörden.
Was die 25 Mio- Vorlagen anbelangt: Warum sieht man nicht einfach vor, alle sechs Monate ein Volumen von 20 Mio.€ zu beauftragen? Bei den zitierten schnellen Entwicklungszyklen ergibt es doch gar keinen Sinn grössere Mengen zu bestellen oder einen Rahmenvertrag mit Abrufoptionen zu vereinbaren. Immer mehrere Angebote einholen und zwei Lieferanten in Konkurrenz beauftragen.
Ich bin ein bisschen erstaunt, dass eine weitere Besonderheit dieser Meldung kaum aufgegriffen wurde.
Die Idee, bereits verfügbares Material in kleinen Mengen zu kaufen, dieses zu testen und mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen in größere Bestellungen zu gehen, ist für Otto Normal Bürger verständlich.
Für das BAAIN war dieses Vorgehen jedoch bis dato ein Sakrileg. Der Lehre nach fordert die Truppe eine Fähigkeit (Panzer abschließen) im Umfang x und das BAAIN kümmert sich darum dafür die (gesetzlich Vorgeschrieben) wirtschaftlichste Lösung zu finden (Raketenwerfer y – stark vereinfacht)
Der Ansatz, eine gewisse Menge an Material verschiedener Hersteller einzukaufen, zu probieren und mit dem Wissen daraus in die eigentlichen Beschaffung zu gehen, weicht davon ab.
Bevor jetzt vorschnell auf das BAAIN als Inbegriff der Wehrkraftzersetzung geschimpft wird, gab es für die Vorbehalte aus Koblenz gute Gründe. Die Vorgaben der öffentlichen Ausschreibung sehen ein solches Vorgehen nicht wirklich vor. Hersteller könnten klagen, wenn sie nicht Teil der Testkäufe waren (man kann ja nie alle probieren) oder sich darüber Beschweren, dass die Konkurrenz durch die Truppentestung Vorteile zur Weiterentwicklung erhalten hat.
Nach zahllosen (vermeintlichen) Rüstungsskandalen und regelmäßigen Klagen verschmähter Konkurrenen hat Koblenz eine Maxime (auferlegt bekommen): egal was man tut, es muss juristisch Beschussfest sein.
Was die Kollegen im BAAIM dazu motiviert hat, sich beim Loiterer Kauf etwas weiter aus dem Fenster zu lehnen, wäre eine interessante Frage. Auch, ob es ein einmaliges Vorgehen ist, oder ob man bei der Beschaffung von handelsüblichen Material jetzt häufiger so verfahren will.
Grashüpfer sagt:
Das stimmt so definitiv nicht. Die Sicherheitsziele und Standards sind natürlich an die militärischen Bedürfnisse angepasst. Die Industrie ist leider trotzdem nicht in der Lage die zu erfüllen, weil für das Militär eben nicht das A-Team arbeitet.
Und gerade im Bereich Drohnen versucht das LufABw in Hinsicht auf eine angemessene Kategorisierung zum Einsatzzweck zu beraten und nicht auch Kleinkram über eine enorm zeitaufwändige Musterzulassung zu schleusen.
Frühaufsteher sagt:
Vergessen Sie nicht die militärischen Hubschrauber und Drohnen im gleichen Luftraum?
„eben nicht wie sonst bei Waffensystemen größere Mengen zu bestellen und für einen Einsatz im Depot bereitzuhalten. Zunächst solle eine kleinere Zahl beschafft“
1. Welche größeren Mengen wurden denn in der Vergangenheit (5 Jahre) beschafft? Welche Größenordnung?
2. Hier kommt es bei dem Waffensystem eben hauptsächlich auf die Menge der Waffen (sprich Einweg-Drohnen, Verbrauchsgüter) an! Eine „kleinere Anzahl“ widerspricht der allemeinen Verwendung.
Der Ukrainekrieg wird ja oft als das Beispiel für den Paradigmenwechsel hergenommen, was jedoch m.E. falsch ist. Vermutlich liege auch ich zeitlich zu spät damit, aber in meiner Wahrnehmung haben erstmals die Aserbaidschaner (mit türkischer Unterstützung) im jüngsten Konflikt mit Armenien um Nagorny Karabach klar die Überlegenheit einer im Schwerpunkt drohnenbasierten, flexiblen Angriffsstrategie demonstriert. Die Armenier hatten den von der Türkei an die Azeris gelieferten Bayraktar TB2 quasi nichts entgegenzusetzen.
Die damalige Verteidigungsministerin sprach danach auch vom „ersten echten Drohnenkrieg der Geschichte“.
Wie behält man (Operator oder KI?) bei dem ganzen erwartbaren Drohnengewimmel an der Front eigentlich den Überblick welche UAV Freund oder Feind sind?
Irgendwann wird es ohne Freund-Feind-Erkennungssystem nicht mehr gehen.
@Marc76:
Die Möglichkeiten für eine Beschaffung mit vorgelagerten Kleinbeschaffungen zur Erprobung im Truppenversuch bietet das Vergaberecht durchaus. Man muss nur wollen. Und die Ausschreibung(en) entsprechend gestalten.
Der Nachteil ist, dass man Personal (das man bekanntlich nicht im Überfluss hat) für eine Erprobung auf ein spezifisches Muster schulen und für die Dauer der Erprobung einbinden muss, obwohl am Ende der Erprobung das Gerät vielleicht gar nicht in Masse beschafft wird. Heißt salopp formuliert: Vorn steckt man eine Menge Arbeit rein, die am Ende nicht 1:1 in der Einführung des Systems rentiert.
Das Gegenbeispiel verlagert aber möglichen Aufwand im Prinzip nur nach hinten. Kinderkrankheiten, Lücken zwischen Marketing und Fähigkeiten, Anbindung an vorhandene Systeme… Salopp formuliert: Die Arbeit, die man sich vorn bei der Auswahl vielleicht gespart hat, fällt hintenrum oder in der Entwicklung eines neuen Systems mit der Industrie meist auch an.
Man muss sich aussuchen, welchen Aufwand man wann wo betreiben will. Wenn man natürlich im Truppenversuch Material von der Stange testen kann, ist jedenfalls einigermaßen klar, wie sich bestimmtes Equipment im Alltag schlägt. Das wird ja auch bei Beschaffungen jenseits von Großgerät (Handfeuerwaffen, etc.) durchaus auch praktiziert. Es spricht allerdings einiges dafür, das auch bei Großgerät so zu machen, jedenfalls dann, wenn sowohl dringlicher Bedarf als auch marktverfügbare ausgereifte Optionen vorhanden sind.
Man spart sich dann die „Produkt reift beim Kunden“-Überraschungen.
@Nachhaltig
Was Sie vorschlagen ist ein Umgehungstatbestand zum Beschluss 25 Mio Vorlage. Die in jeder Legislaturperiode bestätigten Beschlüsse zur Notwendigkeit einer 25 Mio Vorlage schließen das „Splitten“, Salamitaktik oder Separieren ausdrücklich aus. Daher wird an der Ausschussbefassung (mitberatend Verteidigungsausschuss, beschließend Haushaltsausschuss) kein Weg vorbei führen.
Die Bw soll eine Prioritätenliste bzgl. Beschaffungsvorhaben erstellt haben – ‚mal sehen was alles drauf steht und an welcher Stelle und in welcher Form sich das Thema „Drohnen“ wiederfindet.
S. auch ZEIT Online,
„Bundeswehr erstellt Prioritätenliste für Beschaffungsprojekte
Bei der Nachrüstung der Bundeswehr sollen unter anderem Drohnen, Flugabwehr und Munition Vorrang haben. Einige neue Waffensysteme will das Militär schon 2025 testen.“
(noch) frei zugänglich
@Max Meister
Ja Splitten geht nicht aber wenn man alle 3-6 Monate andere Drohnenmodelle beschafft dürfte das gehen.
Also permanente Marktbeobachtung und Test was marktverfügbar ist. Problem dürfte dann sein, das es ein Projekt ist und dieses wohl als ganzes finanziert werden muss.
@ Y-998201 sagt: 07.04.2025 um 21:42 Uhr
> Irgendwann wird es ohne Freund-Feind-Erkennungssystem nicht mehr gehen.
Netter Gedanke, der zum weiter Denken einlädt:
a) wann ist voraussichtlich „irgendwann“?
b) welche Fehlerquote ist bei der Erkennung tolerabel?
* bei Freund-Erkennung
* bei Feind-Erkennung
@Metallkopf
„Man spart sich dann die „Produkt reift beim Kunden“-Überraschungen.“
Wenn man solch einen Ansatz wählt sollte man es wohl gleich lassen. Ohne ein Mindestmaß an agiler Denkweise kommt da hinten gar nichts bei rum.
Auch erkennbar an den Stimmen aus der Ukraine, die sagen der Westen trainiert noch so als gäbe es keine FPV-Drohnen …und wie die Ukraine zeigt reden wir nicht über tausende bis zehntausende sondern über Millionen pro Jahr. Teilweise jagen 3 FPV Drohnen gleichzeitig 1 Soldaten.
Was will man da eigentlich wie aufwendig schulen? Typisch deutsch ohne entsprechenden Qualischein darf man sich bald nichtmal mehr den P*** abwischen….
In Zukunft wird wohl JEDER Soldat eine FPV Drohne zumindest etwas fliegen können müssen, pro Zug wohl eher 2-3 auch richtig gut. Bei den in Frage kommenden KI Drohnen dürfte es sogar deutlich einfacher sein diese zu „fliegen“.
Wenn ich die Bundeswehr wäre, hätte ich schon auf einem Truppenübungsplatz einen neuartigen „Hindernissparcour“ aus FPV Drohne bauen, programmieren und durch einen Parcours fliegen….WO wenn nicht wenigstens auf einem Truppenübungsplatz kann man gefahrlos mit den „Spielzeugen“ rumspielen, klar ohne Granate drunter. Als damaliger Wehrpflichtiger hätte ich mich doch um solch eine Beschäftigung gerissen und ich will mich gar nicht beschweren, ich hatte damals schon meist spaßiges zu tun.
Die beiden Verträge wurden letzten Freitag unterschrieben, unter Nutzung des Ausnahmetatbestands des AEUW Art 346. KI und UAS sind nationale Schlüsseltechnologien gemäß Nat. SVI Strategie.
Wie zu Zeiten des EBMat wird die Truppe in einer Art Truppenversuch die Möglichkeit erhalten, vor einer Beschaffung die Systeme selbst zu bewerten. Die endgültige Beschaffung wird dann einen Aufklärungs- und Wirkverbund zum Gegenstand haben. Das wird mehr als nur Aufklärungsdrohnen und LMS mR beinhalten und stellt ein erhebliches Abschreckungspotential dar. Bleibt als letzte Frage, warum ging das jetzt alles so schnell? Wäre für mich interessanter als die nach der 25 Mio Vorlage.
Mehr Hintergrund gibt es bei RUSI Winning the industrial war und für Bw Angehörige im neuen Podcast des GI zu Drohnen ( Auf Augenhöhe mit dem GI)
@Dominik:
Volle Zustimmung. Mein Kommentar war aber auch auf Großgerät bezogen. Bei FPV-Drohnen dürfte die technische Entwicklung so schnelllebig sein, und der Beschaffungsbedarf ständig so groß, dass man gar nicht die Zeit bzw. die Möglichkeit hat, wie bei einem Kampfpanzer oder sonstigem Gerät die Truppeneinführung in der gewohnten Art und Weise aufzusetzen, wie man das früher gewohnt war.
Ich plädiere nur dafür, das auch bei Großgerät konzeptionell so abzubilden. Also: gucken, was verfügbar ist, ggf. einen Erprobungstruppenteil dafür bereitstellen, ausprobieren (und zwar mehrere Typen parallel), auswerten und dann ggf. beschaffen.
Erprobungstruppenteil muss ja nicht gleich das gesamte Panzergrenadierbataillon Hoppeldipopp aus Ederstrabnitz-Hüpensett sein, sondern möglich wäre auch eine Teileinheit. Gibt ja auch bestimmt schon Soldaten, die da privat schon interessiert sind. Die Ukraine hat ihre Drohnenpiloten ja auch häufig aus dem zivilen Bereich rekrutiert.
Die geistige Agilität der Bundeswehr kennend, wird das aber ein dickeres Brett, dass da vor den Köpfen zu bohren wäre. Allein, die Zeitenwende fordert viel, und die Hoffnung stirbt zum Schluss.
Dominik sagt:
04.04.2025 um 16:04 Uhr
„Hört man denn jetzt irgendwann mal was von der KI Software von Helsing in der Ukraine?“
Von der HF-1 habe ich mehrfach gehört, z.B. am 6.4.2025 von Julian Röpke von der Bildzeitung, mit Überwachungsdohnenvideo, entweder hinter der Paywall bei Bild oder ohne Paywall beim Bild-Kanal von Youtube zu finden. Der ukrainische Offizier sagte dort, dass seine Einheit die HF-1 (aus Holz, 1 Stunde Akku/max 100 km). ca. 45 km hinter der Front, also etwa das Doppelte von normalen FPV Drohnen, gegen gepanzerte Fahrzeuge, Luftverteidigung, Lagerhäuser, Logistik, Parkplätze und Bereitstellungen einsetzt, und das die KI ggf. im Endanflug unterstützt, falls die Verbindung verloren geht (Störung durch EloKa oder bei zu geringem Radiohorizont).
Von Einsätzen der leistungsstärkeren HX-2 in der Ukraine habe ich bislang noch nichts gehört.
Zu Übungszwecken sind derzeit erhältliche Drohnen mehr als ausreichend, die Bw wird nicht von 0 auf 100 in einem Monat gehen können und wollen. Dias NOR Heer übt wohl bereits den Drohnenkampf gg. gepanzerte Kräfte (deren Drohnen werfen zwar nur Tennisbälle ab, aber das reicht ja fürs Erste).
Die Truppe muß ja erst einmal an die – für sie neue – Bedrohung herangeführt werden. Der letzte Scheixx in der UKR sind Drohnen, die mit Hilfe von IR Kameras nachtkampffähig sind; Videos zum Einsatz finden sich bei YT. Es wird immer unschöner. Deckung in Gebäuden oder Unterständen hilft auch nicht immer, zumindest wenn ein Zugang durch Fenster- oder Türöffnungen möglich ist – Drohnen fliegen einfach hinein, auch durch geöffnete Luken oder unter Tarnnetze.
Die Gefahr, daß die Truppe beim realistischen Üben desillusioniert wird halte ich für gegeben, denn Abwehrmaßnahmen gibt es z.Zt. eher wenige.
Thomas Melber sagt:
09.04.2025 um 18:12 Uhr
„Abwehrmaßnahmen gibt es z.Zt. eher wenige.“
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