Vom EGV zum Forschungsschiff: Keine Kriegsschiffe mehr für Einsatz in der Ägäis

Vor mehr als acht Jahren, im Frühjahr 2016, richtete die NATO eine neue Mission an der Nahtstelle zweier Mitgliedsländer ein: In der Ägäis, zwischen der Türkei und Griechenland, sollten Kriegsschiffe der Allianz die Flüchtlingsströme übers Mittelmeer überwachen. Die Mission unter deutscher Führung gibt es immer noch – was einstmals mit einem NATO-Einsatzverband und einem Einsatzgruppenversorger als Führungsschiff begann, wird nun von einem Bundeswehr-Forschungsschiff gemanagt, weil die Bundeswehr zu wenig Kriegsschiffe hat.

Im Februar 2016 hatten sich zunächst die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu darauf verständigt, dass das Militärbündnis zusätzlich zur EU-Grenzschutzagentur Frontex diese Seegrenze überwachen und die Schleusung von Flüchtlingen überwachen, wenn nicht sogar stoppen sollte. Die NATO billigte das in Rekordzeit, und wenig später setzte sich der Einsatzgruppenversorger Bonn der Deutschen Marine in die Region in Marsch – damals noch Führungsschiff des NATO-Einsatzverbandes Standing Naval Maritime Group 2 (SNMG2).

Ein Einsatzgruppenversorger, ein Flotillenadmiral als Chef dieser Mission, das ist lange vorbei. Die Prioritäten der Allianz wie auch der Deutschen Marine haben sich spätestens seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine massiv verändert. Und so wird am kommenden Dienstag erstmals nicht ein Kriegsschiff, sondern ein ziviles Forschungsschiff (wenn auch ein Bundeswehr-eigenes) in diese Mission geschickt, wie die Marine am (heutigen) Freitag mitteilte:

Am Dienstag, den 1. Oktober 2024 um 10 Uhr, läuft das zur Wehrtechnischen Dienststelle 71 gehörende Forschungsschiff „Planet“ zur NATO-Unterstützungsmission in die Ägäis aus.
Mit Einnahme der neuen NATO-Kräfteorganisation (NATO Force Model) seit dem 1. Juli 2024 haben sich die Anforderungen an die Deutsche Marine im Rahmen der NATO-Verteidigungskräfte signifikant erhöht. Die bisher mit der Aufgabe betrauten Kampf- und Unterstützungseinheiten sind damit mehr als bisher gefordert. Um den Handlungsspielraum der Deutschen Marine zu erhöhen, wurde in einer Organisationsbereich übergreifenden Abstimmung entschieden, die militärischen Kräfte der Deutschen Marine durch für die Aufgaben geeignete zivile Einheiten zu ersetzen.

Für den eigentlichen Auftrag wird die Planet deshalb auch militärisches Personal einschiffen. Interessant wird natürlich, ob und wie die bisherigen militärischen Aufgaben der Marine in dieser Mission, zuletzt wahrgenommen vom Hohlstablenkboot Pegnitz, eins zu eins auf das Forschungsschiff übertragen werden können:

Der deutsch geführte Anteil der Standing NATO Maritime Group (SNMG) 2 – Task Unit (TU) 01 bildet die NATO-Unterstützung Ägäis ab. Sie nimmt Seeraumüberwachungsaufgaben mit Schwerpunkt in den territorialen Gewässern zwischen dem türkischen Festland und den griechischen Inseln Lesbos und Chios wahr. Hierzu zählen unter anderem das Beobachten und Sammeln von Informationen über Schleuseraktivitäten in der Ägäis. Das Lagebild und der direkte Austausch mit den nationalen Behörden tragen dazu bei, dass die griechischen und türkischen Küstenwachen sowie FRONTEX schneller und effektiver gegen Schlepper und ihre Netzwerke vorgehen können.

Und, auch das gehört dazu: Das in der Ägäis eingesetzte deutsche Kriegsschiff war und ist auch immer Teil der NATO-Überwachungsmission Sea Guardian. Ob die Planet die für eine solche Aufgabe nötigen Sensoren an Bord hat, müsste man mal rausfinden.

(Archivbild April 2016: Einsatzgruppenversorger Bonn in der Ägäis)