Wehrpflicht, Dienstpflicht, Bundeswehr: Der GI nennt eine Zahl

Die aktuelle Debatte über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht und/oder ein Dienstpflicht für staatliche Dienste wird oft genug auf Basis von (politischen) Vorlieben geführt. Deshalb ein Faktenhinweis: Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zorn hat, wenn ich das richtig sehe erstmals, eine konkrete Zahl genannt, wie sich ein verpflichtendes Dienstjahr für alle jungen Menschen für die Bundeswehr auswirken würde – und es sind vermutlich weniger Soldat*innen als meist erwartet.

Zorn äußerte sich dazu in einem Interview der Welt (Link aus bekannten Gründen nicht; ohnehin hinter Paywall) am (heutigen) Donnerstag. Dabei verwies er darauf, dass für die Bundeswehr Massenstreitkräfte mit einer Wehrpflicht für einen ganzen Jahrgang sowohl aus strukturellen als auch aus finanziellen Gründen nicht (mehr) machbar seien. Aus militärischer Sicht wäre ein Jahr Dienstzeit sowohl für Männer als auch für Frauen sinnvoll – aber:

Wenn also politisch entschieden würde – was ich derzeit nicht sehe – , dass es wieder einen Pflichtdienst geben soll, dann sollte dieser nicht nur für die Bundeswehr gelten, sondern für alle sozialen Dienste in der Zivilgesellschaft. Ich könnte dabei jährlich 10.000 junge Menschen
gewinnbringend in unser System integrieren.

Nun bleibt die genannte Zahl von 10.000 weit hinter dem zurück, was die Streitkräfte an personellem Zuwachs erhoffen. Die bis zum Ende des Jahrzehnts geplante – und schon für die bisherigen Zusagen an die NATO nötige – Zahl von 203.000 Soldatinnen und Soldaten einschließlich der Reservisten wird seit Jahren und auch aktuell bei weitem unterboten.

Und natürlich stellt sich die Frage, ob der ganze für Wehrpflichtige erforderliche – und ja abgeschaffte – Verwaltungsapparat dafür wieder aufgebaut werden sollte. Das rückt die Debatte ein wenig in die nötige Perspektive.

Übrigens hat auch der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius keineswegs, wie es am (heutigen) Donnerstag in manchen Meldungen heißt, eine Initiative für eine allgemeine Dienstpflicht gestartet. Zwar hatte er recht kurz nach seinem Amtsantritt im Januar in einem Interview die Aussetzung der Wehrpflicht vor gut einem Jahrzehnt als Fehler bezeichnet. Aber dass sie schlicht wieder eingeführt werden könnte oder sollte, sieht auch Pistorius nicht – und vor einer neuen Verpflichtung für junge Menschen sei die politische Debatte nötig.

Zur Erinnerung seine Aussage dazu am Rande des NATO-Verteidigungsministertreffens am (gestrigen) Mittwoch in Brüssel:

Pistorius_Dienstpflicht_15feb2023     

 

(Das gesamte Statement hier)

Die andere Position, wenig überraschend, kommt vom Präsidenten des Reservistenverbandes. Patrick Sensburg verfocht in einem Interview der Neuen Osnabrücker Zeitung* eine Wehrpflicht für einen deutlich massiveren Aufwuchs:

Realistisch betrachtet, benötige man, um die Bundesrepublik zu verteidigen, eine aktive Truppe von 350 000 Soldaten und etwa 1,2 Millionen Reservisten. Derzeit habe Deutschland aber nicht einmal 200.000 Soldaten und 30.000 Reservisten, die regelmäßig übten. Der Präsident des Reservistenverbands sagte: „Es wird ohne Wehrpflicht meiner Meinung nach also nicht gehen. Deshalb brauchen wir die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland.“

(Ein Hinweis bzw. eine Bitte: Mir ist schon klar, wie stark dieses Thema auch emotional belegt ist – und deshalb würde ich bei Kommentierung möglichst um Sachlichkeit bitten.)

*Deutsche Verlagswebseiten werden hier i.d.R. nicht verlinkt; in diesem Fall handelt es sich um die Pressemitteilung des Blattes

(Archivbild: Janine Schmitz/photothek.de)