Fürs Archiv: EU-Sanktionen gegen Mitglieder der Regierung von Mali

In der derzeit angespannten Situation zwischen der Übergangsregierung in Mali und den westlichen Truppenstellern im Land kommt jetzt eine neue Verschärfung, diesmal von Seiten der Europäischen Union: Alle EU-Außenminister verständigten sich auf Sanktionen gegen fünf führende Mitglieder der Übergangsregierung, die durch einen Putsch an die Macht gekommen war. Die so genannten restriktiven Maßnahmen sehen Reisebeschränkungen sowie das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen vor.

Die entsprechende Verordnung wurde am (heutigen) Freitag im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Auffällig dabei: Der Chef der malischen Junta und Übergangspräsident des Landes, Oberst Assimi Goïta, ist von diesen Sanktionen nicht betroffen. Die Maßnahmen richten sich, so die EU, gegen Personen und Einrichtungen, die für die Bedrohung des Friedens, der Sicherheit oder der Stabilität Malis oder für die Behinderung oder Untergrabung des erfolgreichen Abschlusses des politischen Übergangs in Mali
verantwortlich sind.

Die Sanktionen stützen sich vor allem auf die Verschiebung der vorgeschriebenen Machtübergabe an zivile Behörden nach dem Militärputsch 2020. Die Übergangsregierung hatte die damit verbundenen Präsidentschaftswahlen von diesem Jahr auf Ende 2025 verschoben.

Konkret genannt werden in dem EU-Beschluss

• Choguel Maïga,seit Juni 2021 Premierminister der Übergangsregierung Malis, die nach dem Staatsstreich vom 24. Mai 2021 eingesetzt wurde

• Oberst Malick Diaw, seit Dezember 2020 Präsident des Nationalen Übergangsrats (Conseil national de transition/CNT)

• Oberstmajor (colonel-major) Ismaël Wagué, Minister für Versöhnung in der Übergangsregierung, einer der Akteure des Putsches und ein wichtiges Mitglied des inneren Zirkels von Oberst Assimi Goïta. Er war Sprecher des National Committee for the Salvation of the People (CNSP)

• Ibrahim Ikassa Maïga , Minister für Neugründung, Mitglied des strategischen Komitees der M5-RFP (Bewegung des 5. Juni – Versammlung der patriotischen Kräfte) und Organisator der Nationalen Neugründungskonferenz (ANR)

• Adama Ben Diarra, auch bekannt als „Camarade Ben Le Cerveau“ („Genosse Ben das Gehirn“), eine der jungen Führungsfiguren des Strategieausschusses der M5-RFP (Mouvement du 5 juin – Rassemblement des forces patriotiques, Bewegung des 5. Junis – Verband der patriotischen Kräfte), der eine Schlüsselrolle beim Sturz von Präsident Keita spielte. Adama Ben Diarra ist auch seit dem 3. Dezember 2021 Mitglied des Nationalen Übergangsrats

Konkret betroffen von europäischen Reisebeschränkungen dürften vorerst insbesondere der Premierminister sowie Diarra sein, die nach EU-Angaben über ein Schengen-Visum verfügen.

Die Sanktionen kommen zu einer Zeit, in der die Spannungen vor allem mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, aber auch anderen westlichen Nationen zunehmen. In Deutschland ist deshalb die Debatte darüber entbrannt, ob der Bundeswehreinsatz in dem westafrikanischen Land fortgesetzt werden soll. Die Bundeswehr ist derzeit an der UN-Mission MINUSMA mit rund 1.170 und an der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali mit knapp 330 Soldatinnen und Soldaten beteiligt. Die Mandate für beide deutschen Auslandseinsätze laufen im Mai aus.

In dieser Woche war deshalb die Katja Keul, Grünen-Politikerin und Staatsministerin im Auswärtigen Amt, in Mali zu Besuchen bei der Bundeswehr, aber auch zu politischen Gesprächen mit der Übergangsregierung unterwegs. Zu Ergebnissen konnte Außenamtssprecherin Andrea Sasse am Freitag allerdings noch nichts mitteilen – hier ihre Aussagen sowie die vom stellvertretenden Regierungssprecher Wolfgang Büchner und Oberst Arne Collatz vom Verteidigungsministerium:

Frage: Gibt es Erkenntnisse oder Schlussfolgerungen aus dem Besuch von Staatsministerin Keul in Mali? Wie liefen die Gespräche mit der Übergangsregierung?

Sasse: Ich kann Ihnen an dieser Stelle noch nichts dazu sagen. Herr Burger hatte ja den Besuch von Staatsministerin Keul in Mali angekündigt und sich am Mittwoch in diesem Zusammenhang gemeinsam mit Herrn Collatz ausführlich zur Lage in Mali geäußert. Ziel dieser Reise von Frau Keul – das hatte Herr Burger, glaube ich, auch deutlich gemacht – ist es, mit den Kontingenten der Bundeswehr zusammenzutreffen. Außerdem führt sie vor Ort Gespräche mit der Zivilgesellschaft und natürlich mit Vertretern der Übergangsregierung. Sie hat vor der Abreise auch selber ein Statement veröffentlicht. Ziel der gesamten Reise ist es – das möchte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich machen -, unsere Erwartungen an die malische Regierung zu verdeutlichen, einschließlich der Verbesserung der Beziehungen zu Frankreich.

Frage: Herr Büchner, was ist die Haltung des Kanzlers zu Mali? Die Außenministerin habe ich so verstanden, dass sie durchaus einen Abzug der Bundeswehrtruppen in Erwägung ziehen könnte; die Verteidigungsministerin habe ich so verstanden, dass die Bundeswehr dortbleiben soll. Was ist die Haltung des Kanzlers?

Büchner: Der Kanzler und die Außenministerin haben da keine unterschiedliche Einschätzung. Die Bundesregierung beobachtet die Entwicklung in Mali mit zunehmender Sorge. Dazu hat sich ja auch Frau Baerbock eindeutig geäußert, und dem ist seitens der Bundesregierung nichts hinzuzufügen.

Collatz: Weil Sie es in Ihrer Frage erwähnt haben: Frau Ministerin Lambrecht hat deutlich gemacht, dass sie einen Automatismus für einen Abzug von deutschen Truppen ablehnt. Sie hat aber sehr wohl deutlich gemacht, dass sie in ihrer Haltung und ihrer Bewertung zur Lage des Kontingents in Mali eindeutig die Einschätzung der Außenministerin teilt und da ein gemeinsames Lagebild hat. Nur einen Automatismus, das Kontingent automatisch abzuziehen, wenn russische Kräfte in einem Einsatzland auftauchen, lehnt sie ab.

Frage: Wen von der Übergangsregierung wird Staatsministerin Keul treffen?

Sasse: Dazu kann ich Ihnen im Moment keine Auskunft geben. Die Reise der Staatsministerin läuft ja aktuell noch. Wir werden nach der Reise gerne berichten.

Die Sicherungskopie der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt:
20220204_Amtsblatt_EU_Sanktionen_Mali

(Archivbild November 2021: Hauptmann Manuel H., Leiter des Infanteriekurses, unterhäŠlt sich mit Ausbildern seines Teams wäŠhrend der Ausbildung der malischen 215. motorisierten Infanteriekompanie im Rahmen der EuropŠischen Trainingsmission EUTM Mali in SéŽgou/Mali – Markus Bayer/Bundeswehr)