Neuer Anlauf für die Tornado-Nachfolge: F-35 wieder in der Debatte?

Als inzwischen dritte Verteidigungsministerin prüft die neue Ressortchefin Christine Lambrecht, wie die betagte Tornado-Flotte der Luftwaffe ersetzt werden soll. Jetzt zeichnet sich eine interessante Wendung ab: Der US-Kampfjet F-35, vor drei Jahren aus der Auswahl ausgeschiedenen, steht wieder zur Debatte – und ein größerer Anteil für den Eurofighter von Airbus.

Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hatte sich bei Amtsantritt im Dezember 2021 dazu bekannt, der Luftwaffe ein Nachfolgemodell für den Tornado zur Verfügung zu stellen: Wir werden zu Beginn der 20. Legislaturperiode ein Nachfolgesystem für das Kampfflugzeug Tornado beschaffen, heißt es im Koalitionsvertrag.

Dabei ist zwar die Rolle des Tornados als Träger für Atombomben, die so genannte nukleare Teilhabe, der politisch schwierigste Punkt für die Nachfolgeentscheidung. Für die Luftwaffe ist allerdings der Ersatz für die anderen Einsatzmöglichkeiten des alten Flugzeugs, vor allem die elektronische Kampfführung, genauso wichtig und zeitlich sogar noch ein bisschen dringender.

Die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte im Januar 2019 entschieden, dass als mögliche Tornado-Nachfolger sowohl der bereits eingeführte Eurofighter als auch das US-Flugzeug F/A-18 in der modernsten Version Super Hornet Block III (KORREKTUR: nicht Block II) und vor allem in der Electronic Warfare-Ausführung Growler betrachtet werden sollten. Das US-Modell F-35 war damit ausdrücklich vom Tisch. Für den Ersatz der Tornado-Flotte wurde ein Mix aus F/A-18 und Growler sowie Eurofightern erwogen.

Eine endgültige Entscheidung trafen allerdings weder von der Leyen noch ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer – nicht zuletzt angesichts des Widerstandes des damals kleineren Koalitionspartners SPD gegen einen neuen Atombomber.

Nun scheinen jedoch, berichtet dpa am (heutigen) Samstag, mit der neuen Regierung auch grundsätzlich neue Überlegungen angestellt zu werden:

Die SPD-Politikerin [Lambrecht] sprach am Donnerstag mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über das Rüstungsprojekt, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen in Berlin erfuhr. (…)
Nach der Unterredung von Scholz mit Lambrecht wurden mehrere Prüfaufträge erteilt. So soll nochmals geklärt werden, ob ein Kauf des moderneren Flugzeugs F-35 eine Alternative sein könnte und ob der Eurofighter für eine zweite Aufgabe der Tornado-Flotte infrage kommt: den elektronischen Kampf.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums wollte dazu auf Nachfrage nicht Stellung nehmen. Allerdings hatte die Ministerin bei ihrem Antrittsbesuch bei der Luftwaffe im Dezember vergangenen Jahres eine Präferenz für eine europäische Lösung erklärt.

Nun kommen die erneuten Prüfaufträge nach drei Jahren der Nicht-Entscheidung, wenn die Aussagen so stimmen, aus mehreren Gründen überraschend. Denn die zuvor getroffene Auswahlentscheidung zwischen Eurofighter und F/A-18 samt Abwandlungen entsprach nicht zuletzt dem Wunsch der Luftwaffe: Die hofft dringend auf eine schnelle Entscheidung und dann auch schnelle Beschaffung einer Maschine für Electronic Attack, die elektronische Kampfführung – und setzt dabei auf die Growler.

Zwar haben Airbus und weitere deutsche Unternehmen wie Hensoldt erklärt, der Eurofighter könne auch diese Rolle übernehmen. Selbst aus Kreisen der beteiligten Firmen wird allerdings eingeräumt, dass Boeing mit der Growler in den notwendigen Fähigkeiten einige Jahre voraus sei.

Hinzu kommt, dass die Entscheidung 2019 gegen eine weitere Betrachtung der F-35 von Lockheed Martin auch einen europapolitischen Grund hatte: Eine Beschaffung von F/A-18 war Frankreich als Zwischenlösung und damit als ungefährlich für das gemeinsame Luftkampfprojekt FCAS zu vermitteln. Ein Kauf von F-35, dem derzeit modernsten Kampfflugzeug, wäre das wohl kaum.

Eine Entscheidung über die Tornado-Nachfolge, bei der der Eurofighter für den elektronischen Kampf gesetzt wird und andere Aufgaben, vor allem die nukleare Teilhabe, von F-35 übernommen würden, wäre damit vor allem ein Sieg deutscher Industriepolitik – mit der Gefahr, sowohl die Zusammenarbeit mit Frankreich zu beeinträchtigen als auch die Einsatzmöglichkeiten der Luftwaffe weiter in die Zukunft zu schieben.

(Archivbild: Capt. Andrew “Dojo” Olson, F-35 Demonstration Team pilot and commander performs a high-speed pass in an F-35A Lightning II during the Arctic Lightning Airshow July 13, 2019, at Eielson Air Force Base, Alaska. During the aerial maneuver, the jet reaches speeds of up to 750 miles per hour – U.S. Air Force photo by Senior Airman Alexander Cook)