Fürs Archiv: Lambrecht zu Tornado-Nachfolge
Zu den Entscheidungen, die der neuen Bundesregierung in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in nächster Zeit bevorstehen, gehört die Auswahl eines Nachfolgesystems für den betagten Kampfjet Tornado – einschließlich der damit verbundenen Aussagen zur so genannten nuklearen Teilhabe. Deshalb ist die erste Äußerung der neuen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht dazu interessant, die davor warnt, die seit Januar 2019 von ihrem Ressort untersuchte Entscheidung übers Knie zu brechen und Präferenz für eine europäische Lösung, also den Eurofighter, erkennen ließ.
Lambrecht äußerte sich am (gestrigen) Donnerstag bei ihrem ersten Truppenbesuch bei der Luftwaffe auf dem Fliegerhorst Laage bei Rostock zu diesem Thema:
Zum zeitlichen Ablauf fürs Archiv:
• Im Januar 2019 entschied die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die Tornado-Flotte der Luftwaffe solle durch Kampfjets des europäischen Typs Eurofighter oder des US-Typs F/A-18 sowie deren Variante Growler für die elektronische Kampfführung ersetzt werden.
• Im Februar 2019 bestätigte das Verteidigungsministerium das auch öffentlich:
Das Nutzungsdauerende des Kampfflugzeuges Tornado und die damit zusammenhängenden Betrachtungen geeigneter Nachfolgemuster zur Übernahme der Aufgaben und Rollen des Kampfflugzeuges Tornado werden aktuell untersucht.
Wesentliche Kriterien bei der Betrachtung sind die Harmonisierung zum binationalen Zukunftsprojekt Next Generation Weapon System/Future Combat Air System, der mögliche Einführungszeitpunkt eines Nachfolgers sowie der bruchfreie Fähigkeitserhalt einschließlich der Sonderrolle nuklearer Teilhabe. Vor diesem Hintergrund wurde am 31. Januar 2019 entschieden, die beiden Waffensysteme Eurofighter und F/A-18 im Weiteren als Lösungsoptionen zu untersuchen.
• Im September 2019 gab von der Leyens Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer das Ziel aus, die Entscheidung möglichst im Jahr 2020 zu fassen.
• Im Januar 2020 sagte Kramp-Karrenbauer im Bundestag:
Es ist vollkommen klar, dass der Tornado mit all seinen Rollen in die Jahre gekommen ist und dass er ersetzt werden muss. Die Debatte darüber werden wir in den nächsten Monaten zu führen haben. Deutschland befindet sich unter dem Schutz des amerikanischen Nuklearschirms. Das ist eine der Grundkonstanten unserer Sicherheitspolitik, und an der hält das Verteidigungsministerium auch fest. (…)
Das ist eine Debatte, die wir zuerst innerhalb der Koalition führen. Das wird in den nächsten Wochen und Monaten der Fall sein.
• Im April 2020 erörterten Kramp-Karrenbauer und der damalige US-Verteidigungsminister Mark Esper das Thema; eine Entscheidung war aus deutscher Sicht nicht gefallen.
Zuvor hatte das Ministerium eine zunächst geplante öffentliche Information über die Beschaffung der Tornado-Nachfolger kurzfristig abgesagt. Offensichtlich war darüber mit den Sozialdemokraten, damals in einer Koalition mit der Union, kein Konsens erzielt worden. Vor allem der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hatte sich bislang wiederholt gegen die Beschaffung neuer Kampfjets ausgesprochen, die für den Einsatz als Träger von US-Atomwaffen genutzt werden könnten.
• Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP hatten die Ampel-Regierungspartner festgelegt:
Wir werden zu Beginn der 20. Legislaturperiode ein Nachfolgesystem für das Kampfflugzeug Tornado beschaffen. Den Beschaffungs- und Zertifizierungsprozess mit Blick auf die nukleare Teilhabe Deutschlands werden wir sachlich und gewissenhaft begleiten.
• Die Aussagen Lambrechts am 16. Dezember 2021:
Wir brauchen jetzt zügig auch eine Entscheidung über die Nachfolge. Ich habe mir vorgenommen, da mich umfassend informieren zu lassen, denn es ist keine Entscheidung, die man mal übers Knie bricht und in der ersten Woche seiner Aufgabe trifft. Ich kann Ihnen aber sagen, dass ich natürliche auch insbesondere eine Präferenz habe, ob wir eine europäische Lösung anstreben können, ob das umsetzbar ist. Das spielt für mich auch eine Rolle. Aber ich lasse mir alle Optionen vorlegen.
(Foto: Lambrecht im Eurofighter-Flugsimulator bei ihrem Truppenbesuch beim Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ in Laage am 16. Dezember 2021 – Jane Schmidt/Bundeswehr)
@ TW:
Ja, habe ich gelesen. Aber die Frage ist m.E. auch, wer die Kosten für diese Zulassung übernimmt. Muß das DEU als dann einziger Nutzer alleine bezahlen, oder ist das sozusagen ein „Service“ der US-Seite? Das scheint mir doch recht unwahrscheinlich zu sein, wenn die USA die F/A-18 E/F selbst gar nicht in der nuklearen Rolle zu nutzen beabsichtigen.
Aber noch wichtiger: Falls die EA-18 G nicht bestellt werden sollte, fällt der Vorteil der Synergieeffekte durch die gemeinsame Plattform F/A-18 F und EA-18 G weg. Da könnte man dann das leistungsfähigere und modernere Flugzeug wählen, ohne von vornherein an die F/A-18 gebunden zu sein.
@PAK
>Ja Frankreich hat kein Mitspracherecht bei deutschen Rüstungsbeschaffungen, aber das Beispiel des Todes des MAWS Programms nach der Beschaffung die P8, zeigt das Gegenteil
Der komplette Zeitplan für MAWS hat sich an französische Notwendigkeiten gerichtet anstatt an dem Land der einen Ersatz nötig hatte. Schockierenderweise für Paris sind NATO Verpflichtungen halt wichtig für Berlin.
@Voodoo:
Nur der Vollständigkeit halber: es gibt sogar Überlegungen, in das GTK Boxer für die Panzergrenadiere den Puma-Turm einzurüsten und für die Jägertruppe den sog. Lance-Turm.
@Derfflinger
Sie Sprechen hier nur von der F-15EX als das leistungsfähigere Flugzeug was sie absolut ist. Etwas schlaueres Konnte Airbus und die Air Force wohl nicht machen.
Aber bei der Frage was wir kaufen geht es ja nicht um das Leistungsfähigere Flugzeug, das ist politisch entschieden der EF.
Wir brauchen ganz bestimmte Fähigkeiten zum kleinen Preis. Also ECR/EW in Hauptfunktion nicht als kleine Nebenfähigkeit oder ein kleiner escort jammer pod, NT und ein Anteil moderner JaBo.
Und auch unabhängig von tollen Listen ist ja klar gesagt worden dass die F18 bei Bedarf qualifiziert wird…
@ Derflinger: Sauber, danke! Das ist doch mal ein Statement. Das wollte ich doch hören.
Die Gründe für das vorzeitige Aus der F-15 wurde ja (zumindest mir nicht bekannt) nie so wirklich kommuniziert.
Sie (und Jean-Pierre) sehen sie also durchaus wieder im Rennen.
Dann übe ich mich wohl auch erst mal in Geduld, und harre der Dinge…
@ Voodoo und Groundabout
Die Entscheidung vor zwei Jahren sähe heute vermutlich anders aus.
Die F-18 und der EF haben seitdem jede Ausschreibung gegen die F-35 verloren. Egal in welchem Land.
Das war damals nicht zu erwarten.
Ich bin gespannt, wohin die Entscheidung geht.
Hoffentlich aber auf jeden Fall nicht zu einer Miniflotte von 15 E/A-18 Growler…
Werte Foristen,
ehrlich gesagt verstehe ich die ganze Aufregung und die damit einhergehenden Spekulationen nicht.
Ich pflichte Herrn Wiegold bei, dass der FAS-Beitrag komplett gelesen und dann bitte auch komplett richtig übersetzt werden sollte.
Der für mich wichtige Kernsatz in diesem Beitrag ist, dass das DOD KEINE Erfordernis sieht.
Fakt ist, dass die/unsere SH momentan nicht platziert ist.
Welche Gründe könnte das haben???
…… bestimmt nicht weil die US Navy keine A-Waffen auf ihren Flugzeugträgern haben möchte.
…… wieso sollte man aus diesem Beitrag herauslesen, dass doch die F-35 A/B/C angeschafft werden muss?
…… F-15EX (Eagle II) macht nur bedingt Sinn und dürfte ca. $25 Millionen pro Stück mehr kosten als eine SH.
Soll das mit unseren Tornados, ähnlich wie in Mad Max I laufen?
…….. der letzte der V8, ………ähhmmm NEIN der letzte der Tornados. ;-)
Könnte es nicht sein, dass nachdem die Schweiz, Finnland und Canada sich gegen die SH entschieden haben, einfach nur etwas vertrieblicher Druck Richtung unserer Regierung erzeugt wird, damit der letzte potenzielle Kunde – das sind wir, endlich in die Gänge kommt?
Boeing braucht den Deal und das Paket SH III/GRII passt.
Was die Zulassung/Zertifizierung der SH für die B61-12 angeht, kann man, mit etwas Geschick, verhandeln. Darauf hatte ich schon vor mehr als zwei Jahren hingewiesen.
In der Zwischenzeit hat Deutschland 5 Poseidons geordert. Also ran an den Tisch und Nägel mit Köpfen machen.
2018 wurden €300 bis €500 Millionen genannt, was eine Zertifizierung des EF für die B61-12 kosten könnte. Bei der SH wäre das Ganze bestimmt günstiger.
Das hier im Faden verlinkte „Gedankenpapier“ zum EF ECR ist auch schon über zwei Jahre alt. Gibt es hierzu einen neuen Sachstand?
Seit Frühling 2021 werden die US Navy Growler nach und nach auf Block II umgerüstet, einschließlich NGJ.
Was meinen die Experten?
Also ich bin einfach nur sprachlos.
Wenn Ministerin Lambrecht eine „Präferenz hat, ob wir eine europäische Lösung anstreben können“, hört sich das für mich schon so an, als ob sie das sinnvolle Maximum an EF bei der Tornado-Nachfolge finden möchte. Ich bin mir sehr sicher, dass da mehr als Null herauskommt. Mindestens ein Drittel in einer wahrscheinlich zweisitzigen Jagdbomber-Konfiguration.
Vielleicht aber auch mehr. Bei der ECR-Entscheidung ist der Zeithorizont entscheidend. Kurzfristig geht nur ein Minimum an Growler. Mittelfristig muss sie sich entscheiden, die ECR-Rolle komplett durch die Growler abzudecken oder das Checkbuch für den EF ECR zu öffnen.
Ergänzend zu meinem vorherigen Kommentar finde ich es schon irgendwie komisch, dass in den hinlänglich bekannten nationalen und internationalen Informationsportalen die Streichung der SH so gut wie gar nicht erwähnt wird.
Bei „Super Hornet B61-12“ oder „Germany Super Hornet B61-12“ zeigt Google mehr oder weniger Gleiches und das ist relativ überschaubar.
Zum Thema EF 18G erscheint nicht klar, in welcher Funktion das Flugzeug letztendlich verwendet werden soll. Als funktioneller Nachfolger des Tornado ECR wäre eine Beschränkung auf die Fähigkeit SEAD denkbar, da die entsprechenden Sensoren AN/ALQ 218 offensichtlich im Rumpf und an den Tragflächenspitzen verbaut sind und man nur noch die ohnehin vorhandenen HARM dranhängen müsste. Oder denkt man daran, den EF 18G mit seiner vollen Funktion als EloKa-Flugzeug mit den Störbehältern AN/ALQ 99 einzusetzen? In diesem Fall stellt sich auch die Frage nach der Instandhaltung etc.; die RAAF ist aufgrund der kleinen Stückzahl von elf Jets in das System der USN voll integriert.
Wer kennt sich da aus?
@moth
Überrascht Sie das denn wirklich?
Es ist halt auch nur eine Liste.
Und natürlich findet man da nicht viel. Sie wurde ja von uns auch bisher nicht bestellt.
Wir fixieren uns hier vielleicht zu sehr auf das Flugzeugmuster.
Die europäische Lösung von ihr kann genauso gut bedeuten, dass man die NT und weitere Rollen des Tornados in Zusammenarbeit mit den Partner-Nationen angehen möchte.
Da außer D in Europa kein NATO-Partner relevante fliegende SEAD-Kapazitäten vorhält, ist das quasi schon der „europäische Ansatz“. Wir stellen in Europa SEAD für die NATO.
Schön für die aktuelle Regierung wäre möglicherweise, wenn wir statt 30 NT-Flugzeugen zusätzliche SEAD-Flugzeuge bereitstellen könnten.
Wird aber wohl nicht stattfinden.
Und SEAD und NT geht ohne große Entwicklungsarbeit- und -Dauer nur mit F-18, wenn man nicht noch ein drittes Kampfflugzeugexemplar im Inventar haben möchte und nicht Eurofighter-Daten gegenüber US offenlegen möchte.
Trennung:
Es werden auch die Kosten bei der Entscheidung eine Rolle spielen, nicht nur was Anschaffung, sondern auch was Unterhalt angeht.
Aktuell ist die F-35 im Unterhalt jedenfalls teurer als die F-18F und F-15EX.
https://www.airforcemag.com/article/can-a-service-contract-save-the-f-35/
@Der Realistt
Zusammenarbeit mit NATO Partnern heisst, die Anderen sollen mal machen und wir halten den Geldbeutel auf?
Das wird der Bedeutung Deutschlands in Europa keinesfalls gerecht.
@Brainstormer:
Man weiß bei Angaben zu Flugstundenkosten nie so genau, welche Faktoren eingerechnet sind. Im Falle der für den EF mit bis zu € 70.000,– kolportierten Flugstundenkosten wäre alles andere gewissermaßen ein Schnäppchen.
Allerdings sind sowohl die Schweiz als auch Finnland zu dem Ergebnis gelangt, dass, bezogen auf die projektierte Betriebsdauer, der F 35A im Vergleich zum FA 18 und anderen das günstigste Modell darstellt, weshalb sie den F 35A ausgewählt haben.
@ Groundabout
Nein.
Jeder übernimmt feste Rollen und macht nicht mehr alles.
@Peter Eberl
Damit „Man weiß bei Angaben zu Flugstundenkosten nie so genau, welche Faktoren eingerechnet sind. “
haben Sie vom Grundsatz her durchaus recht, betrachtet man mehrere „überregionale“ Produkte.
Im Airforcemag-Artikel wird jedoch aus US-Sicht ein Blick auf den derzeit dort bekannten Stand bei F-15,F-18 und F-35 geworfen. Da sollte die Vergleichbarkeit doch gegeben sein und der Betreiber wird es sicherlich genau wissen ;-)
Da ist schon ordentlich Druck auf dem Kessel, wie ist es geschrieben: „Air Force Chief of Staff Gen. Charles Q. Brown Jr. said that if F-35 sustainment costs don’t come down, the Air Force will either have to fly the fighter less often—reserving them just for “high-end missions”—or buy fewer of them.“
oder
https://www.defensenews.com/air/2021/09/02/house-lawmakers-want-to-force-the-pentagon-to-lower-f-35-sustainment-costs-in-order-to-buy-more-aircraft/
„Jeder übernimmt feste Rollen und macht nicht mehr alles“
Träumerei am Kaminfeuer. Das scheitert schon an der fehlenden Interoperabilität und an der einheitlichen Führung der verschiedenen „Rollenspieler“. Und welcher Verbündete möchte sich schon darauf verlassen, dass die DEU zu ihrem Wort stehen und nicht im Zweifelsfall den „Parlamentsvorbehalts-Joker“ ziehen und ihre Assets mal wieder nicht einsetzen.
Was SEAD angeht, das neue Theater Fires Command in Mainz ist unter anderem genau dafür da, extrem weitreichende Rohr- und Raketenartillerie mit den ISR Plattformen von AIR und SPACE so zu kombinieren das die Integrated Air Missile Defense des Russen schnell und konventionell ausgeschaltet werden kann. Billiger und effizienter geht es kaum und Jets sind nun mal in sehr begrenzter Zahl vorhanden…bei jedem.
@ IamGroot
Richtig.
Wenn man allerdings sagen würde, unser Haupteinsatzbereich ist SEAD und NT, wäre die JaBo Rolle für unsere Partner frei. Dort würden wir dann im Einsatz als Escort Jammer fungieren.
Dafür reichen allerdings keine 15 Growler.