Fürs Archiv: Lambrecht zu Tornado-Nachfolge

Zu den Entscheidungen, die der neuen Bundesregierung in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in nächster Zeit bevorstehen, gehört die Auswahl eines Nachfolgesystems für den betagten Kampfjet Tornado – einschließlich der damit verbundenen Aussagen zur so genannten nuklearen Teilhabe. Deshalb ist die erste Äußerung der neuen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht dazu interessant, die davor warnt, die seit Januar 2019 von ihrem Ressort untersuchte Entscheidung übers Knie zu brechen und Präferenz für eine europäische Lösung, also den Eurofighter, erkennen ließ.

Lambrecht äußerte sich am (gestrigen) Donnerstag bei ihrem ersten Truppenbesuch bei der Luftwaffe auf dem Fliegerhorst Laage bei Rostock zu diesem Thema:

Lambrecht_Tornado-Nachfolge_16dez2021     

 

Zum zeitlichen Ablauf fürs Archiv:

Im Januar 2019 entschied die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die Tornado-Flotte der Luftwaffe solle durch Kampfjets des europäischen Typs Eurofighter oder des US-Typs F/A-18 sowie deren Variante Growler für die elektronische Kampfführung ersetzt werden.

Im Februar 2019 bestätigte das Verteidigungsministerium das auch öffentlich:

Das Nutzungsdauerende des Kampfflugzeuges Tornado und die damit zusammenhängenden Betrachtungen geeigneter Nachfolgemuster zur Übernahme der Aufgaben und Rollen des Kampfflugzeuges Tornado werden aktuell untersucht.
Wesentliche Kriterien bei der Betrachtung sind die Harmonisierung zum binationalen Zukunftsprojekt Next Generation Weapon System/Future Combat Air System, der mögliche Einführungszeitpunkt eines Nachfolgers sowie der bruchfreie Fähigkeitserhalt einschließlich der Sonderrolle nuklearer Teilhabe. Vor diesem Hintergrund wurde am 31. Januar 2019 entschieden, die beiden Waffensysteme Eurofighter und F/A-18 im Weiteren als Lösungsoptionen zu untersuchen.

Im September 2019 gab von der Leyens Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer das Ziel aus, die Entscheidung möglichst im Jahr 2020 zu fassen.

Im Januar 2020 sagte Kramp-Karrenbauer im Bundestag:

Es ist vollkommen klar, dass der Tornado mit all seinen Rollen in die Jahre gekommen ist und dass er ersetzt werden muss. Die Debatte darüber werden wir in den nächsten Monaten zu führen haben. Deutschland befindet sich unter dem Schutz des amerikanischen Nuklearschirms. Das ist eine der Grundkonstanten unserer Sicherheitspolitik, und an der hält das Verteidigungsministerium auch fest. (…)
Das ist eine Debatte, die wir zuerst innerhalb der Koalition führen. Das wird in den nächsten Wochen und Monaten der Fall sein.

Im April 2020 erörterten Kramp-Karrenbauer und der damalige US-Verteidigungsminister Mark Esper das Thema; eine Entscheidung war aus deutscher Sicht nicht gefallen.

Zuvor hatte das Ministerium eine zunächst geplante öffentliche Information über die Beschaffung der Tornado-Nachfolger kurzfristig abgesagt. Offensichtlich war darüber mit den Sozialdemokraten, damals in einer Koalition mit der Union, kein Konsens erzielt worden.  Vor allem der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hatte sich bislang wiederholt gegen die Beschaffung neuer Kampfjets ausgesprochen, die für den Einsatz als Träger von US-Atomwaffen genutzt werden könnten.

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP hatten die Ampel-Regierungspartner festgelegt:

Wir werden zu Beginn der 20. Legislaturperiode ein Nachfolgesystem für das Kampfflugzeug Tornado beschaffen. Den Beschaffungs- und Zertifizierungsprozess mit Blick auf die nukleare Teilhabe Deutschlands werden wir sachlich und gewissenhaft begleiten.

• Die Aussagen Lambrechts am 16. Dezember 2021:

Wir brauchen jetzt zügig auch eine Entscheidung über die Nachfolge. Ich habe mir vorgenommen, da mich umfassend informieren zu lassen, denn es ist keine Entscheidung, die man mal übers Knie bricht und in der ersten Woche seiner Aufgabe trifft. Ich kann Ihnen aber sagen, dass ich natürliche auch insbesondere eine Präferenz habe, ob wir eine europäische Lösung anstreben können, ob das umsetzbar ist. Das spielt für mich auch eine Rolle. Aber ich lasse mir alle Optionen vorlegen.

(Foto: Lambrecht im Eurofighter-Flugsimulator bei ihrem Truppenbesuch beim Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ in Laage am 16. Dezember 2021 – Jane Schmidt/Bundeswehr)