Weitere Aufstockung des Bundeswehrkontingents für Amtshilfe in der Corona-Pandemie beschlossen (m. Ergänzung)
Innerhalb weniger Tage will die Bundeswehr ihr Kontingent für die Unterstützung ziviler Behörden in der Coronavirus-Pandemie erneut aufstocken. Eine bereits absehbare Erhöhung auf 12.000 Soldatinnen und Soldaten wurde zum Dienstag kommender Woche festgelegt.
Die Aufstockung hatte sich bereits Anfang dieser Woche abgezeichnet: Da wurde die Anhebung von zuvor 3.000 auf 8.000 statt der zunächst geplanten 6.000 Soldatinnen und Soldaten angewiesen. Die weitere Erhöhung auf 12.000 und eine mögliche weitere Planung für eine Kontingentgröße von 25.000 war da bereits im Gespräch.
Die Bereitstellung des größeren Kontigents teilte die Streitkräftebasis am (heutigen) Mittwochabend mit:
Die Bundeswehr hat weitere Anpassungen des „Einsatzkontingents Hilfeleistung Corona“ eingeleitet, um in der gegenwärtigen volatilen Lage der „4. Welle“ in den kommenden Wochen schnell und flexibel helfen zu können. Bis zum 7. Dezember wird das Kontingent von derzeit 8.000 Kräften um weitere 4.000 Soldatinnen und Soldaten auf 12.000 Kräfte aufgestockt. Ein Drittel dieses Kontingents (4.000 Kräfte) hat eine Reaktionszeit von 48 bis 72 Stunden. Für 8.000 Kräfte gelten abgestufte Reaktionszeiten von 7 bis 14 Tagen. (…)
Lageabhängig sind im Dezember weitere Anpassungen möglich.
Das im März 2020 aufgestellte Kontingent umfasste zuvor schon zeitweise bis zu 25.000 Soldatinnen und Soldaten, allerdings in unterschiedlichen Bereitschaftsstufen.
Ergänzung: Nach Angaben des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr, das die Amtshilfe-Einsätze koordiniert, sind derzeit knapp 4.600 Soldatinnen und Soldaten direkt zur Unterstützung ziviler Behörden und Einrichtungen tätig:
• rund 2.440 in Gesundheitsämtern zur Kontaktnachverfolgung
• fast 900 in Krankenhäusern
• rund 840 in Impfzentren und Impfteams
• rund 400 in Alten- und Pflegeheimen.
Hinzu kommen fast 1.200 Soldatinnen und Soldaten für die Führungsorganisation und als so genanntes Schichtwechselpersonal. Insgesamt sind damit knapp 5.800 in der Amtshilfe derzeit gebunden.
Na dann kann mein Verband die VJTF Vorbereitung für das nächste Jahr abschreiben:(. Wir haben leider nichts dazugelernt.
@Alf
Da bin ich ganz bei Ihnen.
Die Bundeswehr muss wieder einmal als „Ausputzer“ für die Versäumnisse der Politik herhalten. Ich habe ein deja-vu wenn ich an das letzte Jahr um diese Zeit denke.
Damals hatte als einziger der Inspekteur der SKB auf die Folgen für die Einsatzbereitschaft (aka NRF, VJTF, etc) hingewiesen und war dafür fürchterlich gebasht worden (und wird aufgelöst…), auch weil die anderen Inspekteure ihm nicht beigesprungen sind. Also kann Ihr (und mein) Problem nicht so wichtig sein.
Was mich stört ist nicht der Einsatz der Bundeswehr an sich, wir sind dafür da zu helfen, wenn die zivile Seite nicht mehr weiter kommt. Und in einer solchen Notlage (ach nee, wir haben ja keine Notlage mehr?) muss das der Schwerpunkt für uns alle sein. Und es gibt halt Fähigkeiten (z.B. LuTrans) die nur die Bundeswehr in diesem Umfang kann.
Aber: die 4. Welle kommt jetzt wirklich nicht überraschend und es ist nicht viel getan worden, um die Soldaten zu ersetzen. Das Problem scheint mir zu sein, dass wieder beschlossen wurde, die Kosten nicht in Rechnung zu stellen. Warum soll der Landrat Geld ausgeben und sich mit Einzelpersonen herumärgern, wenn die Bundeswehr das Rundum-Sorglos-Paket inkl Organisation, Transport, Unterbringung, Verpflegung, Ersatz bei Ausfall free of charge anbietet?
Und dann schon wieder das Angebot der Ministerin zum Einsatz in Alten- und Pflegeheimen für einfache Tätigkeiten inkl Schnelltests. Wundert mich, dass es keine gewerblichen Provider gibt, die da auf die Barrikaden gehen. Das gleiche gilt für die jetzt diskutierte Logistik: sind die Speditionen alle ausgelastet?
Again, ich finde den Einsatz der Bundeswehr in einem Katastrophenfall richtig, im Notfall müssen wir auch mehr als 25.000 können und die Folgen später abarbeiten. Aber ist das jetzt so weit?
Die Erhöhung auf 25.000 zum 15.12. ist bereits angewiesen. Der Stab (!) meines Verbandes stellt gut ein Drittel des Personals in die Corona-Unterstützung ab, mehr als vor einem Jahr.
@Sailor 1995, kann Ihnen da nur zustimmen.
Beispiel aus der 3. Welle:
Meine Freundin arbeitet in einem Reisebüro. Wie man sich denken kann, war Sie und Ihre Arbeitgeberin durch Corona und die Maßnahmen direkt betroffen. (Aktuell natürlich immer noch) Wir können noch froh sein, dass Sie „nur“ in Kurzarbeit ist und noch nicht gekündigt wurde.
Während der Hochphase der 3. Welle wurden im Landkreis, in dem das Reisebüro liegt, Kräfte für die Kontaktnachverfolgung im Gesundheitsamt gesucht. Die Arbeitgeberin hat sich darauf auch in Absprache mit den Mitarbeitern beworben.
Wer wurde am Ende dafür „genommen“? Klar, natürlich wir Soldaten und Soldatinnen.
@Sailor 1995 sagt: 02.12.2021 um 7:54 Uhr
„Warum soll der Landrat Geld ausgeben und sich mit Einzelpersonen herumärgern, wenn die Bundeswehr das Rundum-Sorglos-Paket inkl Organisation, Transport, Unterbringung, Verpflegung, Ersatz bei Ausfall free of charge anbietet?“
Ich würde das umformulieren:
Warum soll der Landrat Steuerzahlergelder ausgeben, wenn durch den Steuerzahler bereits bezahlte Ressourcen zur Verfügung stehen?
Und ich würde darauf antworten! Genau, wer käme überhaupt auf die Idee hier Steuern zu verschwenden, obwohl die Bw doch bereit steht?
Wir sind in allererster Linie dafür da Deutschland zu dienen.
Solange darunter nicht unser Primärauftrag langfristig (!) leidet, und dafür gibt es keine Anhaltspunkte, ist es nicht nur möglich, sondern unsere allgemeinstaatliche Pflicht die Kommunen so weit wie irgendwie möglich in dieser Katastrophe zu unterstützen.
@Koffer
„Solange darunter nicht unser Primärauftrag langfristig (!) leidet, und dafür gibt es keine Anhaltspunkte, […]“
Hier muss ich deutlich widersprechen. Meine Einheit hat einen Dauereinsatzauftrag. Von den etwas über 70 dafür vorgesehen Soldaten gibt es in der Realität um die 50 (Rest ZAW, dauerkrank, Stelle nicht besetzt). Wir könnnen unseren Auftrag im Regelfall gerade so erfüllen. Und jetzt haben wir gegen Ende des Jahres in der Einheit einen Berg im 5stelligen Bereich an Mehrarbeits+Gleitzeitstunden und Urlaub (in Stunden umgerechnet), ausgelöst durch komplette Überlastung durch zusätzliche Amtshilfe in Corona+Flutamtshilfe. Und die Anzahl der Leute in Amtshilfe geht nun wieder deutlich nach oben.
Und das ganze liegt nicht daran, dass wir eine für die Amtshilfe spezielle Fähigkeit besitzen würden, wir stellen nur helfende Hände. Denoch muss die Führung regelmäßig auf uns zurückgreifen – der ganze Verband ist so überlastet. Vorbereitung auf NRF. Einsatzvorausbildung und ähnliches ist im Verband zurückgefahren worden, die Einsatzbereitschaft hat spürbar nachgelassen. Und wir müssen unsere Leute trotzdem für diesen Quatsch verheizen, wir haben leisten Mehrarbeit in Gesundheitsämtern, bei denen die Stammbesatzung zT in Teilzeit gegangen ist. Die Überlastung hat dauerhafte Auswirkungen im unterstellten Bereich, von der Einsatzbereitschaft, der Motivation und schlußendlich der Gesundheit: Wir haben mehrere Burn Out-Fälle durch zu starke Überlastung. Der Primärauftrag wird zumindestens in unserem Bereich mindestens 1-2 Jahre deutlich leiden, selbst wenn wir morgen die Amtshilfe komplett einstellen.
@ Koffer sagt: 03.12.2021 um 9:12 Uhr
„Solange darunter nicht unser Primärauftrag langfristig (!) leidet, und dafür gibt es keine Anhaltspunkte, ist es nicht nur möglich, sondern unsere allgemeinstaatliche Pflicht die Kommunen so weit wie irgendwie möglich in dieser Katastrophe zu unterstützen.“
Genau hier liegt das Problem, das die langfristigen Folgen überhaupt nicht wahrgenommen werden. Bei uns heißt es stumpf, wir müssen eine Anzahl X (ca 90% der Tagesstärke) abstellen und das machen wir auch.
Es interessiert keinen, dass der Instler (Tech/Elo) nicht da ist und wir im März die TMP haben, was wiederum zu fehlenden/abgelaufenen Prüfungen und somit zu einen Roten Stempel führt.
Auf den Hinweis kommt die Antwort: wir haben doch Zeit bis März.
Hinzu kommt noch, dass manch einer der Soldaten, wenn sie den gezogen werden, mit 60 Tagen EU ins neue Jahr reingehen. Das in der Amtshilfe noch Stunden aufgebaut werden, interessiert auch keinen. Wann soll den der Soldat alles abbauen? Ab Juni für min 3 Monate zu Hause? Was ist mit Übungen und dem ganzen anderen Dingen die so ein Wald und Wiesen Soldat brauch: CE-Führerschein, IGF, Ladungssicherung, Fahrsicherheitstraining, Einweisung auf neue LKW usw.). Das alles braucht Zeit und somit langfristige Planung!
Wir haben Soldaten denen verfällt der Urlaub aber Befehl ist Befehl.
PS: Wir sind das Spiegelbild der Gesellschaft und haben es auch verlernt langfristig zu planen.
@Koffer sagt: 03.12.2021 um 9:12 Uhr
„Solange darunter nicht unser Primärauftrag langfristig (!) leidet, und dafür gibt es keine Anhaltspunkte, ist es nicht nur möglich, sondern unsere allgemeinstaatliche Pflicht die Kommunen so weit wie irgendwie möglich in dieser Katastrophe zu unterstützen.“
Das ist ja das Problem. Alles was über das Kontingent von 8.000 Soldaten hinaus geht wird aus dem Pool NRF genommen, und nächstes Jahr beginnt die Vorbereitung auf VJTF, also in 4 Wochen. So wird es von Kdo TA kommuniziert mit der Bitte, in den KVKs so zu beraten, das nur dort Soldaten eingesetzt werden, wo sie wirklich notwendig sind. Die Betonung liegt dabei auf Not.
Anders als im Frühjahr werden die Soldaten diesmal nicht mit der Gießkanne verteilt, eben weil die Primäraufträge leiden. Und man massiv Probleme mit der SAZV hatte.
Wir sprechen auch nicht über kurze Einsätze bis zwei Wochen, da geht es fast immer um zwei, drei oder vier Monate für die Einheit und meistens auch für die eingesetzten Soldaten. Und dann gibt es da noch den erworbenen Dienstzeitausgleich, da kann es passieren, das so ein Soldat mal eben sechs Monate weg ist.
Ja, ist alles schlimm. Die Welt ist grausam und ungerecht.
Und auch auch würde mich als Soldat gerne aufs Soldaten sein konzentrieren. Und auch ich würde mir wünschen, dass wir keine Pandemie hätten.
Aber sie ist nun einmal da.
Da hat die Bw ihren Teil beizutragen.
Das bekämpft die Pandemie und spart Steuerzahlergelder (von denen wir derzeit als Staat wahrhaft nicht mehr genug haben).
Alles andere ist theoretisieren ohne Blick auf die reale Welt.
Naja, ist halt die Frage wieviel Steuergeld sich der Staat wirklich spart?
In meinem obigen Beispiel zahlt halt der Staat jetzt Kurzarbeitergeld.
Oder wenn’s noch weng länger geht dann irgendwann Arbeitslosengeld.
Ob das alles in Summe die „Kosten“ für das „eh-da-Personal“ der Bundeswehr unterschreitet oder übertrifft kann ich natürlich nicht sagen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dadurch irgendwo Geld gespart wird, allein die Kosten für monatelange(!) Hotelunterbringung für dutzende Soldaten sind der Wahnsinn.
„Wundert mich, dass es keine gewerblichen Provider gibt, die da auf die Barrikaden gehen. Das gleiche gilt für die jetzt diskutierte Logistik: sind die Speditionen alle ausgelastet?“
Wundert mich auch.
Auch im Hinblick auf die Kosten, wie schon angesprochen Hotel etc., spart der Staat am Ende nichts.
Zumal dann die Überstunden und „Eh-Da-Kosten“ des Soldaten im folgenden Jahr keinen Nutzen bringen, weil er nicht im Dienst ist (Urlaub und Stundenabbau) aber trotzdem Sold bekommt.
Man sollte auch nicht unterschätzen was das für den Staatshaushalt macht, wenn die Verkäuferin aus dem Reisebüro nur 60 % Lohn bekommt und deshalb auch sehr wenig Steurn zahlt und auch sehr wenig Geld ausgibt. Da hängt ja viel dran – der Möbelkauf wird aufgeschoben, das Auto wird erst später ersetzt usw. und der Autohändler verdient nun weniger und gibt wieder weniger aus.
Gleichzeitig steigt aber die Kaufkraft des Soldaten um 0 Euro.
Die „Bazooka“ wie von Scholz angekündigt, hätte man auch sehr gut direkt in die Arbeiter der Branchen pumpen können, die jetzt in der Pandemie sehr viel arbeitslos sind (Veranstaltung, Musik).
Selbstverständlich hätte da das Bundesgesundheitsministerium die Kosten übernehmen müssen, also 25000 Corona-Hilfskräfte regional in Deutschland verteilt für 2 Jahre einstellen und die dann örtlich bei Bedarf in ihrem Umkreis einsetzen. Keine 3 Milliarden hätte das komplett gekostet.
AKK hat ja schon 2020 gesagt, dass die Pandemie ein Marathon wird – hier wurde also der Bedarf erkannt.
Natürlich ist das Spar-Argument, die Soldaten seien billiger, totaler Quatsch. Erstmal hat er andere Aufgaben, die entweder ein anderer, mit zusätzlichem Zeitaufwand, erledigen muss. Oder die einfach liegen bleiben und anders kompensiert werden. Das verursacht Kosten.
Und dann sind da noch die Kosten für Unterbringung, Verpflegung und Transport der eingesetzten Soldaten. Und nach dem Einsatz der erworbene Dienstzeitausgleich, den der Soldat ohne Amtshilfeeinsatz nicht haben würde. Das sind alles Kosten, die der Soldat zusätzlich produziert, die die Bundeswehr belasten, ihr aber nicht zugute kommen.