Bundeswehr und Coronavirus-Pandemie: Vorbereiten auf eine lange Krise

Angesichts der Coronavirus-Pandemie bereitet sich die Bundeswehr auf Unterstützung in einer langwierigen Krise vor. Dafür werden vor allem neue Befehlsstrukturen im Inland geschaffen – und Soldaten als langfristige Reserve vorgesehen: Dauerhafte Bereitschaft hat Vorrang vor kurzfristiger Bereitstellung von Personal.

Einen ersten Hinweis auf die Eventualfallplanung hatte Generalinspekteur Eberhard Zorn bereits am Donnerstag bei seinem Besuch bei der 10. Panzerdivision in Veitshöchheim gegeben: Die ist als einer von vier neu eingerichteten regionalen Führungsstäben vorgesehen, die künftig die Hilfen der Streitkräfte im Inland organisieren sollen.

Bislang orientiert sich die Führungsstruktur der Bundeswehr für die Amtshilfe im Katastrophenfall an den Bundesländern, die für den Katastrophenschutz zuständig sind: In der Regel sind bisher die so genannten Landeskommandos die Ansprechpartner, übergeordnet das Kommando Territoriale Aufgaben in Berlin, das wiederum dem Inspekteur der Streitkräftebasis (SKB) als Nationalem Territorialen Befehlshaber untersteht.

Mit der neuen Krisenstruktur werden künftig neue Organisations- und Führungsstränge eingezogen. Damit soll die Truppe schneller auf Bitten um Amtshilfe aus den Bundesländern reagieren können.

Unterhalb des Kommandos Territoriale Aufgaben wird die 10. Panzerdivision als regionaler Führungsstab Süd zuständig für die Länder Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, das Saarland, Thüringen und Sachsen. Die 1. Panzerdivision in Oldenburg organisiert als regionaler Führungsstab West die Hilfe in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt. Im Norden ist das Marinekommando in Rostock für Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg zuständig, im Osten das Luftwaffenkommando in Berlin für Berlin und Brandenburg.

Während der Nationale Territoriale Befehlshaber, in Person von SKB-Inspekteur Martin Schelleis, die direkte Kontrolle über Feldjäger und Einheiten der ABC-Abwehr behält, werden den vier regionalen Führungsstäben Soldaten für die logistische Unterstützung und zur Absicherung unterstellt – letztere sind für Raum- und Objektschutz, Schutz kritischer Infrastrukturen und Sicherung vorgesehen.

Allerdings werden nicht gleichzeitig alle rund 15.000 Soldaten, die zur Bewältigung der Krise im Inland zur Verfügung stehen sollen, in den gleichen Bereitschaftsstand versetzt. In allen Regionen sind Einheiten in Zugstärke vorgesehen, für die aber auch so genannte Folgekräfte bereitstehen: Die ersten Einheiten, zum Beispiel 26 Logistik-Züge mit jeweils etwa 30 Männern und Frauen im Süden, stehen in einer Zwölf-Stunden-Bereitschaft, weitere 57 Züge können innerhalb von 72 Stunden eingesetzt werden.

Die Staffelung ist deshalb bedeutsam, weil die Bundeswehr auch bei ihren Soldaten mit Infektionen und damit Ausfällen rechnen muss. Unter Berücksichtigung der derzeitigen dynamischen Infektionsverläufe und basierend auf der aktuell bekannten Datenlage wird als erste Näherung eine Ausfallrate von ca. 15 Prozent des Personalumfangs angenommen, heißt es in einer Weisung der Streitkräftebasis.

Als rechtliche Grundlage für die Planung und den Einsatz der Bundeswehr in diesem Fall beruft sich die Bundeswehr auf den Grundgesetz-Artikel 35, der Amtshilfe der Streitkräfte im Inland regelt. Normalfall ist dabei überwiegend die technisch/logistische Unterstützung ohne Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, vor allem nicht als Organ der vollziehenden Gewalt.

Allerdings wird für die Soldaten auch die Katastrophenhilfe nach den Absätzen 2 und 3 dieses Grundgesetz-Artikels möglich – wenn ein Bundesland das anfordert oder die Bundesregierung diesen Einsatz beschließt.

Die Soldaten, die zur Unterstützung eingesetzt werden, sind dann zwar als Streitkräfte im Einsatz, aber Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes gebunden. Auch ihre so genannten Eingriffsbefugnisse, also in welchem Umfang sie zum Beispiel Polizeirechte wahrnehmen dürfen, richten sich nach diesen zivilen Regeln – das Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr, das vor allem die Rechte bei der Bewachung von Kasernen regelt, gilt in diesem Fall nicht.

Alle Einsätze zur Absicherung stehen unter polizeilicher Führung und eine solche Führung vor Ort ist möglichst sicher zu stellen, legte die Bundeswehr fest. Der Einsatz spezifisch militärischer Waffen ist nur in besonderen Ausnahmefällen und auf Weisung der Bundesministerin zulässig. Absicherungseinsätze sind durch die jeweils vor Ort eingesetzten militärischen Führerinnen bzw. Führer zu dokumentieren, um eine rechtliche Überprüfung zu gewährleisten.

Entsprechende Anforderungen für Hilfeleistungen, bei denen die Bundeswehr die Polizei unterstützen soll, waren bis zum (heutigen) Freitag noch nicht gestellt – auch wenn Baden-Württemberg eine entsprechende Anfrage erwägt.

Zwei notwendige Ergänzungen (danke für die Leserhinweise): Zum einen bleiben die Landeskommandos auch weiterhin eingebunden – als Ansprechpartner der jeweiligen Landesregierungen für Amtshilfeanträge. Und zum anderen: Diese Regelungen des Nationalen Territorialen Befehlshabers gelten für all das, was nicht vom Sanitätsdienst der Bundeswehr geleistet wird – der weiterhin für die Unterstützung vor allem mit medizinischem Personal und in den Bundeswehrkrankenhäusern zuständig bleibt.

(Archivbild August 2016: Übung der ABC-Abwehrtruppe in Bruchsal – Björn Trotzki/Bundeswehr)