Coronavirus-Pandemie und Bundeswehr – Sammler 27. März

Der Sammel-Thread zum Thema Bundeswehr und Coronavirus-Pandemie am 27. März 2020 – und es zeichnet sich noch ein bisschen mehr Ereignisreiches im Bereich der Streitkräfte ab:

• Die Bundeswehr stellt sich bei einer absehbaren Ausweitung der Krise auf eine veränderte Arbeit ein – über die bisher eher örtlichen Hilfeleistungen hinaus auf großräumige Einsätze. Einen ersten öffentlichen Hinweis darauf gab Generalinspekteur Eberhard Zorn am (gestrigen) Donnerstag  via Twitter nach seinem Besuch bei der 10. Panzerdivision in Veitshöchheim:

Zwar bemühte sich die Bundeswehr zunächst, ebenfalls via Twitter, die Aussagen ihres höchsten Soldaten herunterzuspielen. Dabei geht es, das macht Zorns Ankündigung deutlich, um eine grundlegende Änderung der Führungsstruktur der Streitkräfte in der Pandemie – derzeit noch als Eventualfallplanung. Konkreter wird die am (heutigen) Freitag dazu von der Bundeswehr veröffentlichte Meldung zum Besuch des Generalinspekteurs beim Divisionsstab:

Die vier Brigaden der Division, die in Baden-Württemberg, in Bayern, im Elsass, in Rheinland-Pfalz sowie in Thüringen und Sachsen stationiert sind, halten sich derzeit bereit, um bei der Bewältigung der Corona-Pandemie zu unterstützen. Grundlage dafür ist der Artikel 35 des Grundgesetzes, nach dem die Bundeswehr jederzeit mit technisch-logistischer Unterstützung Amtshilfe für Behörden des Bundes und der Länder leisten kann.

Das macht schon klar (neben der Besonderheit, dass die Division auch deutsche Truppen im französischen Elsass führt, die möglicherweise auch dort zur Unterstützung eingesetzt werden könnten), dass damit die Abkehr von der bisher an Landesgrenzen orientierten Amtshilfe vorgesehen wird.

Da die Länder für den Katastrophenschutz zuständig sind, orientiert sich die Führung der Bundeswehr bei ihrer Amtshilfe für die zivilen Behörden auch an diesen Strukturen: In der Regel sind Landeskommandos die Ansprechpartner, übergeordnet das Kommando Territoriale Aufgaben in Berlin, das wiederum dem Inspekteur der Streitkräftebasis (SKB) als Nationalem Territorialen Befehlshaber untersteht.

Unterhalb des Kommandos Territoriale Aufgaben werden künftig neue Organisations- und Führungsstränge eingezogen: So genannte Regionale Führungsstellen sollen großflächig die Arbeit der Bundeswehr auch über die Grenzen von Bundesländern hinaus koordinieren und führen – zum Beispiel eben die 10. Panzerdivision für Süddeutschland. Vier solcher Stäbe sollen nach den bisherigen Planungen eingerichtet werden, je zwei vom Heer und zwei von der Luftwaffe.

Die Eventualfallplanung Hilfeleistung Corona sieht außerdem so genannte Unterstützungskontingente vor, die in definierten Einsatzräumen dann zur Unterstützung vorgesehen werden – zu einem großen Teil für Transportleistungen, vor allem den geschützten Transport und die Verteilung von Sanitätsmaterial wie Masken und Schutzanzüge.

• Was das konkret bedeutet, ist vielleicht nach einer telefonischen Pressekonferenz mit SKB-Inspekteur Martin Schelleis heute klarer.

Update: Aus technischen Gründen bin ich in die Telefonkonferenz des Inspekteurs nicht reingekommen, aber die Kollegen vom Spiegel haben ein paar mehr Einzelheiten, unter anderem: Neben der 10. Panzerdivision sind die 1. Panzerdivision in Oldenburg, das Luftwaffenkommando in Berlin und das Marinekommando in Rostock als regionale Führungsstellen vorgesehen. Sie sollen bei Bedarf rund 15.000 Soldaten im Nothilfeeinsatz führen:
– 5.500 Soldaten für „Absicherung/Schutz“
– 6.000 für „Unterstützung der Bevölkerung“
– 600 Militärpolizisten der Feldjäger für „Ordnungs-/Verkehrsdienst“
– 18 Dekontaminationsgruppen mit etwa 250 Soldaten der ABC-Abwehr für Desinfektionsaufgaben
– 2.500 Logistiksoldaten mit 500 Lastwagen für „Lagerung, Transport, Umschlag“

Update 2: Weil es im Detail doch etwas komplizierter ist, habe ich das in einem gesonderten Beitrag näher erklärt.

• Wie es der Generalinspekteur bereits vor gut einer Woche angekündigt hatte: Die Pandemie wirkt sich auf die Grundausbildung neuer Rekruten aus, deren Dienst am 1. April beginnen sollte. Das Heer hat das jetzt präzisiert:

Um zukünftig bestmöglich die Verbreitung des Virus einzudämmen, werden alle Grundausbildungen im Heer mit dem Diensteintrittstermin April 2020 verändert ablaufen. Zum 01.04.2020 erfolgt zunächst der “administrative“ Diensteintritt quasi im „Postumlaufverfahren“. Damit wird die rechtlich verbindliche Einstellung vollzogen. Die Bewerber wurden oder werden gerade angeschrieben und über den Ablauf informiert.
Zunächst verbleiben die Rekrutinnen und Rekruten für mindestens 14 Tage in häuslicher Quarantäne an ihren Wohnorten, bevor sie sich bei ihrem Ausbildungstruppenteil melden. Dies ist eine strikte Auflage zur Gesunderhaltung und ist zwingend einzuhalten. Soweit keine Symptome von Covid-19 und kein Kontakt mit Infizierten in den letzten 14 Tagen vorliegen, meldet sich der Rekrut in der Kompanie. Einzelheiten werden bis dahin über Mail / Telefon oder Internet ergänzt und abgestimmt.
Anschließend wird die Grundausbildung in sechs Wochen durchgeführt. Dabei wird auch Dienst an Wochenenden geleistet, um die Zeit in der Kompanie bestens zu nutzen und um darüber hinaus Pendelfahrten zu reduzieren. Dadurch werden wiederum mögliche Kontakte mit potenziell Infizierten verhindert. Die Feierlichen Gelöbnisse werden in dieser Situation nicht in der Öffentlichkeit stattfinden.

• Die aktuellen Zahlen der Amtshilfe-Anträge an die Bundeswehr:
200 Anfragen
44 gebilligt, davon werden 25 derzeit durchgeführt
68 werden bearbeitet bzw. geprüft
9 sind abgeschlossen
der Rest entweder zurückgezogen oder abgelehnt.

Eine Anfrage nach Unterstützung der Bundeswehr für polizeiliche Aufgaben, wie sie Baden-Württemberg erwägt, ist weiterhin nicht offiziell eingegangen.

• Die aktuellen Zahlen zur Infektionssituation in der Bundeswehr:

Im Inland unter Soldatinnen und Soldaten 726 begründete Verdachtsfälle
151 bestätigte Infektionen

Im Auslandseinsatz weiterhin nur das eFP-Bataillon in Litauen mit jetzt fünf (nach vier am Vortag) bestätigten Infektionen

• Die aktuellen Zahlen zu freiwilligen Reservistenmeldungen von Sanitätsdienst und Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw):

Beim Sanitätsdienst haben sich bis zum gestrigen Donnerstagabend 3.559 Freiwillige gemeldet, davon sind 1.309 als Reservisten einsetzbar.

Beim BAPersBw haben sich bislang 7.900 Reservisten gemeldet; wo und wie sie eingeplant werden können, wird noch geprüft.

(Weiter nach Entwicklung)

(Foto: Soldaten des Logistikbataillons 171 aus Burg bereiten die Verteilung von Sanitätsmaterial in Sachsen-Anhalt vor – Landeskommando Sachsen-Anhalt)