Bundeswehr richtet sich auf langfristige Hilfe in Coronavirus-Pandemie ein, „keine Corona-Parties auflösen“ (Nachtrag)

Die Bundeswehr richtet sich auf die langfristige Unterstützung ziviler Behörden und Hilfsorganisation in der aktuellen Coronavirus-Pandemie ein. Nach den Worten von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer wird es dabei weniger um medizinische Hilfe als um Logistik gehen, auch Unterstützung für die Polizei sei denkbar. Allerdings werde die Truppe nicht Corona-Parties auflösen oder Ausgangssperren überwachen, sagte Generalinspekteur Eberhard Zorn.

Die Bundespressekonferenz mit der Ministerin und dem Generalinspekteur einschließlich der Fragen zum Nachhören:

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(Es gab leider technische Probleme und eine – kenntlich gemachte –  Unterbrechung, ich bitte um Verständnis)

Kernpunkte aus der Pressekonferenz:

• Die Bundeswehr bereitet sich auf Hilfeleistung vor allem dann vor, eingesetzt zu werden, wenn die zivilen Behörden und Organisationen an das Ende ihrer Leistungsfähigkeit gekommen sind, sagt die Verteidigungsministerin: Das ist ein Marathon. Deshalb komme es darauf an, die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte zu erhalten.

• Bisherige Hilfsmaßnahmen konzentrierten sich vor allem auf Beschaffung von medizinischem Material, Bereitstellung von Feldbetten und Lagerkapazitäten für die zivilen Einrichtungen. Aber die Bundeswehr habe auch eigenes Material aus den so genannten Einsatzlazaretten in die fünf Bundeswehrkrankenhäuser verlagert. In diesen Krankenhäusern seien auch ohnehin schon 60 oder mehr Prozent der Patienten Zivilisten, so dass die Streitkräfte bereits zur medizinischen Versorgung beitrügen. Zugleich warnte Kramp-Karrenbauer davor, den möglichen Beitrag des Sanitätsdienstes der Bundeswehr zu überschätzen: Mit rund 3.000 Ärzten sei die Bundeswehr im deutschen Gesundheitssystem ein Juniorpartner.

• Die Heranziehung – freiwilliger – Reservisten soll deutlich ausgeweitet werden. Am vergangenen Wochenende hatte bereits der Sanitätsdienst der Bundeswehr Reservisten mit medizinischer Ausbildung aufgerufen, sich für einen Dienst in den Bundeswehrkrankenhäusern zu melden. Seitdem habe es mehr als 2.300 Meldungen gegebeben, 935 Soldatinnen und Soldaten mit entsprechenden Kenntnissen könnten zeitnah eingesetzt werden, sagte die Ministerin.

Darüber hinaus sind jetzt auch andere Reservisten aufgerufen, sich für einen möglichen Einsatz zu melden. Derzeit gibt es nach Angaben von Kramp-Karrenbauer rund 28.000 so genannte beorderte Reservisten, d.h. Soldatinnen und Soldaten, die nach Ausscheiden aus der Bundeswehr freiwillig ihre Bereitschaft erklärt haben, für einen Dienst zur Verfügung zu stehen. Einige von ihnen mit speziellen Ausbildungen würden von ihren Truppenteilen gezielt angesprochen; die übrigen seien zur freiwilligen Meldung aufgerufen.

Das Bundesamt für das Personalmanagement hat dafür eine E-Mail-Adresse angegeben, unter denen sich diese Reservisten melden können:

reserve.hilft@bundeswehr.org

Nachtrag: Zahlreiche Reservisten berichten, auch hier in den Kommentaren, dass diese Mailadresse derzeit oft nicht erreichbar ist. Das räumt nun auch die Bundeswehr ein, ab Mitternacht soll es funktionieren…

Allerdings: Es sei ja keine Mobilmachung, betonte der Generalinspekteur. Diese Reservisten könnten nur auf freiwilliger Basis Dienst tun – und mit Einverständnis ihres Arbeitgebers.

• Die absehbaren Hilfeleistungen der Bundeswehr in größerem Stil werden sich auf Transportleistungen konzentrieren – über ihre Logistik- und Versorgungsbataillone könnten die Streitkräfte nach den Worten Zorns rund 7.500 Lkw mit einer Transportleistung von 43.000 Tonnen bereitstellen. Das Logistikzentrum der Bundeswehr in Wilhelmshaven sei auf Anfragen nach Amtshilfe vorbereitet und könne Fahrzeuge und ausgebildete Kraftfahrer in Marsch setzen.

• Eine Amtshilfe der Bundeswehr für die Polizei zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung werde es nur unter engen Voraussetzungen geben, betonte die Verteidigungsministerin. Denkbar sei vor allem die Hilfe beim Schutz von kritischen Infrastrukturen wie Wasser- oder Elektrizitätswerke: Wenn dort das zivile Wachpersonal durch Erkrankungen ausfalle, könne die Bundeswehr gegebenenfalls die Bewachung übernehmen.

Allgemeine polizeiliche Aufgaben sind nach den Worten des Generalinspekteurs allerdings für die Soldaten nicht geplant: Es braucht sich keiner Sorgen machen, dass die Bundeswehr Corona-Parties auflöst oder Ausgangssperren überwacht.

Die Ministerin nannte als eine der eingegangenen Anfragen nach Unterstützung eine Bitte aus Thüringen, die Bewachung einer Flüchtlingsunterkunft zu übernehmen. Was sie allerdings in der Pressekonferenz dazu nicht sagte: Die Anforderung aus dem Thüringer Landesverwaltungsamt,  zehn Soldaten schichtfähig zur Bewachung der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl abzustellen, war von den Juristen des Verteidigungsministeriums bereits am Vorabend als rechtlich nicht möglich bewertet worden.

• Die Bundeswehr selbst hat nach Angaben des Generalinspekteurs mit Stand vom Donnerstagmorgen bislang 397 Verdachtsfälle auf eine Infektion erfasst, in 52 Fällen sei das bestätigt worden. 49 der Infizierten seien in häuslicher Quarantäne, derzeit zwei im Bundeswehrkrankenhaus Ulm in Behandlung. In den Auslandseinsätzen gebe es bislang keinen bestätigten Fall.

• Der Antritt neuer Rekruten zum 1. April werde, so Zorn, zwar formal erfolgen, es werde aber noch keinen körperlichen Dienstantritt geben. Das sei nach derzeitigem Stand für die letzte Aprilwoche geplant.

(Foto: Kram-Karrenbauer, Zorn und Ministeriumssprecher Christian Thiels, v.r., vor der Bundespressekonferenz)