Bundeswehr in Libyen? Gar nicht nötig.
Heute morgen bekomme ich zwei Dinge nicht so richtig zusammen. Liegt vielleicht an mir?
Der Bundesverteidigungsminister in New York, gegenüber Reuters: Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere rechnet vorerst nicht mit einem humanitären Einsatz der Bundeswehr in Libyen. Derzeit erwarte er keine UN-Anfrage für einen EU-Einsatz, da sowohl die Truppen von Staatschef Muammar Gaddafi als auch die Rebellen Hilfslieferungen passieren ließen, sagte de Maiziere vor einem Treffen mit UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon am Mittwoch in New York. Selbst die umkämpfte Stadt Misrata, wo schreckliche Bedingungen herrschten, könne weiter mit Hilfsgütern beliefert werden.
“The humanitarian situation is growing increasingly urgent,” Secretary-General Ban Ki-moon warned today, adding that the priority is to protect civilians. He told reporters after briefing the Security Council in a closed-door meeting that the Libyan regime has lost both legitimacy and credibility, particularly in terms of protecting its people and addressing their legitimate aspirations for change. Diplomatic efforts aimed at securing a ceasefire and achieving a political solution are continuing, Mr. Ban added, noting that his Special Envoy, Abdel Elah al-Khatib, will travel once again to Benghazi on Friday.
As fighting continues to rage in Misrata, the families recently evacuated by boats to Tobruk describe a “catastrophic” situation with many having lived in fear of indiscriminate shelling, UNHCR spokesperson Andrej Mahecic told a news conference in Geneva.“Many houses and buildings have been destroyed and some families had to move several times. Parts of Misrata have had neither electricity nor water. Sniper fire, street clashes and shelling have prevented people from venturing outside of their homes to get food and medicine,” he said.
Ich sehe da aber keinen Widerspruch…
Naja passt doch eigentlich, denn Bedingung für einen EU Einsatz war ja eigentlich nie die humanitäre Lage an sich, sondern eher ob der Zugang von Hilfe gesichert ist. Und genau dies ist trotz allem Beschuss usw. ja im Grunde der Fall, denn es kommen ständig neue Hilfslieferungen an. Wenn man sich die UN-Meldung durchliest ist dort auch mit keinem Wort von einer Blockade o.ä. die Rede, sondern „nur“ von einer eher allgemein schlechten humanitären Lage auch wenn natürlich die Rede von snipern ect. ist. allerdings dürften solche dinge kaum für einen Einsatz ausreichen. Ich glaube man denkt da eher an Fälle wie eine komplette Blockade des Hafens, welche es aber eben noch nicht gibt.
Dann habe ich schon vor Tagen was falsch verstanden. Ich dachte, die Bundeswehr geht erst, wenn ein friedliches Umfeld da ist.
Letztlich fußt alles auf einer Anfrage der Vereinten Nationen, und diese Anfrage wird zur Zeit nicht für wahrscheinlich gehalten. Die UNO sagt selbst, dass humanitäre Einsätze ein überwiegend friedliches Umfeld brauchen, einen Waffenstillstand oder ein Einvernehmen von beiden Seiten, dass man dort rein kann. Im Moment besteht für das Rote Kreuz und den Roten Halbmond Zugang, auch zur Versorgung. Dessen ungeachtet wird geprüft, ob nach einer Anfrage der Vereinten Nationen die Begleitung oder die Durchführung und gegebenenfalls die Sicherung einer solchen Hilfslieferung in einem überwiegend friedlichen Umfeld erfolgen kann.
Anscheinend ist ein Eingreifen doch dringend nötig, berichtet die BILD doch schon von vergewaltigten Kindern: http://www.bild.de/politik/ausland/libyen-krise/libyen-krieg-hilfsorganisation-klagt-an-gaddafi-soldaten-vergewaltigen-kinder-17585434.bild.html
……
Bald kommt die Geschichte vom Töten der Ungeborenen und/oder Säuglingen.
pi
Entscheidend ist allein, wie friedlich das Umfeld für die humanitäre Hilfe für die nicht kämpfenden Zivilisten ist. Das Gesamtumfeld ist dabei ohne Bedeutung. Die einseitige humanitäre Hilfe nur für die Zivilisten einer Kriegspartei ist höchst unmoralisch und bedeutet letztendlich die indirekte Unterstützung dieser einen Kriegspartei. Denn sie entlastet diese Kriegspartei von ihrer Pflicht für die Zivilisten in ihrem Machtbereich zu sorgen und setzt dort Mittel für den Krieg frei. Die Unterstützung kämpfender Kräfte, egal ob in Uniform oder in Zivil, ist der UNO nach ihren Prinzipien nicht erlaubt. Tut sie dies, dann ist Widerstand dagegen legitim und rechtmäßig. Welche humanitäre Hilfe leistet die UNO, außer Bomben, für die Zivilbevölkerung von z.B. Tripolis? Wo sind die Hilfslieferungen von Medikamenten, Nahrungsmitteln und Unterkünften für die Bombenopfer in Tripolis? Wenn Hilfslieferungen, dann bitte auch für alle von diesem Krieg betroffenen Zivilisten.
Will Ban Ki-moon nochmal gewählt werden? So wird das wohl nichts. Er plappert Propaganda nach und nimmt Partei und will dann gleichzeitig einen Waffenstillstand aushandeln.
Solange die Rebellen wie bisher bedingungslose Rückendeckung vom „Westen“ erwarten können wären die schön blöd einem Waffenstillstand zuzustimmen.
@T. Wiegold
„Ich dachte, die Bundeswehr geht erst, wenn ein friedliches Umfeld da ist.“
Wenn man die Bundeswehr brauchen würde, dann doch allenfalls in unfriedlichen Umfeldern.
Organisationen wie das Rote Kreuz sind allerdings weltweit schon jetzt in z.T. extremen Lagen unterwegs und haben wesentlich mehr Erfahrung im Umgang damit als die diesbezüglich immer noch weitgehend jungfräuliche Bundeswehr. Wenn man jetzt sagt, dass man Soldaten nur in ein „friedliches Umfeld“ schicken will, stellt sich für mich die Frage, was für eine Art von Theater in Berlin gepielt wird.
@Stefan
T.W. zitierte: „Thomas de Maiziere rechnet vorerst nicht mit einem humanitären Einsatz der Bundeswehr in Libyen. Derzeit erwarte er keine UN-Anfrage für einen EU-Einsatz, da sowohl die Truppen von Staatschef Muammar Gaddafi als auch die Rebellen Hilfslieferungen passieren ließen“
Sowie: „A UN inter-agency humanitarian team travelled from the Tunisian border to the Libyan capital, Tripoli, on Sunday with the goal of re-establishing an international presence there and to review humanitarian needs. The team is also discussing humanitarian access in the west with the Libyan authorities.“ (Quelle: http://bit.ly/gHTsSK )
Sie schrieben auch „Die Unterstützung kämpfender Kräfte, egal ob in Uniform oder in Zivil, ist der UNO nach ihren Prinzipien nicht erlaubt. Tut sie dies, dann ist Widerstand dagegen legitim und rechtmäßig.“
Dazu habe ich folgende Fragen: Warum? Welche Norm? Wer sagt sowas?
Chris | 27. April 2011 – 18:08
Die Verfassung der UN.
http://www.un.org/Depts/german/un_charta/charta.pdf
@Stefan: “Die Unterstützung kämpfender Kräfte, egal ob in Uniform oder in Zivil, ist der UNO nach ihren Prinzipien nicht erlaubt. Tut sie dies, dann ist Widerstand dagegen legitim und rechtmäßig.”
Nun habe ich mir Kap VII der UN-Charta noch einmal durchgelesen und dabei bedacht, dass der SR sogar eine Resolution erlassen hat. Was ich da las ist ziemlich klar. Wo bitte sehen Sie denn das Problem? Welche Norm der Charta verbietet die Unterstützung von Kämpfern?
> Organisationen wie das Rote Kreuz sind allerdings weltweit schon jetzt in
> z.T. extremen Lagen unterwegs
„Niemand geht ungesichert in gefährliche Gebiete ausser er ist ein Amateur der mehr Probleme schafft als löst“ – Zitat eines THW-Mitarbeiters.
Auch das rote Kreuz hält sich aus heissen Kampfzonen normalerweise fern.
Ein gefährliches Gebiet sichern kann das rote Kreuz nämlich nicht.
@Crass Spektakel
„Auch das rote Kreuz hält sich aus heissen Kampfzonen normalerweise fern.
Ein gefährliches Gebiet sichern kann das rote Kreuz nämlich nicht.“
Sichern muss nur, wer kontrollieren will. Organisationen wie das Rote Kreuz haben aber andere Ziele, die sie häufig u.a. durch Arrangements mit den Konfliktparteien (sie selbst bezeichnen dies als „Neutralität“) erreichen können. In Afghanistan z.B. ist das Rote Kreuz auch in Räumen unterwegs, in die man die schon jetzt emotional offenbar ja schwer belastete und traumatisierte Bundeswehr nicht zu entsenden wagt.
@Stefan
„Die Unterstützung kämpfender Kräfte, egal ob in Uniform oder in Zivil, ist der UNO nach ihren Prinzipien nicht erlaubt.“
Kap. VII; Art. 42 der von Ihnen zitierten VN-Charta sagt etwas anderes: „Ist der Sicherheitsrat der Auffassung, daß die in Artikel 41 vorgesehenen Maßnahmen unzulänglich sein
würden oder sich als unzulänglich erwiesen haben, so kann er mit Luft-, See- oder Landstreitkräften die zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen durchführen.“
@Delta 0219 | 28. April 2011 – 14:06
Offenkundig geht es aber in Libyen keineswegs um die Sicherung des Weltfriedens. Von Libyen ging nie eine Gefahr für den Weltfrieden aus. Das ist der entscheidende Punkt.
Der zweite Punkt ist, dass die UN-Charta eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedsstaates ( Bürgerkriege sind innere Angelegenheiten) untersagt. Greift ein Staat oder mehrere Staaten einen Mitgliedsstaat an (das ist beim Militäreinsatz der NATO gegen Libyen gegeben), so hat die UNO Gegenmaßnahmen zu treffen. Die UN-Charta (also das Grundgesetz bzw. Die Verfassung der UN) gibt der UN lediglich bei internationalen, also zwischenstaatlichen Konflikten und bei einer Gefährdung des Weltfriedens, Kompetenzen bzw. das Gewaltmonopol.
Zitat: „zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen (zwischenstaatlichen) Sicherheit“
Ein zwischenstaatlicher Konflikt begann erst mit dem Angriff Frankreichs auf Libyen. Dies ist nun einmal eine Tatsache.
Es geht immer nur um Zwischenstaatlichkeit und niemals um Innerstaatlichkeit. Eine Resolution des Sicherheitsrates kann niemals außerhalb des von der UN-Charta vorgegebenen Rahmens ausgelegt werden.
@Stefan
Auch wenn es ihnen schwerfällt. Ihre Argumentationsgrundlage ist sooo 1990.
Bitte lesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Responsibility_to_Protect
Inzwischen bildet die UNO-Charta nicht mehr die ganze Realität ab. Es gibt im Völkergewohnheitsrecht die sich etablierende „Responsibility to Protect“ (R2P). Deren Durchsetzung wird inzwischen als höher eingestuft als die Achtung der Souveränität eines Staates.
Das ist wahrscheinlich auch der Grund warum China und Russland sich enthalten haben.
pi
@politisch inkorrekt | 29. April 2011 – 7:53
Zitat: „Inzwischen bildet die UNO-Charta nicht mehr die ganze Realität ab.“
Richtig, es wird dreist gegen sie verstoßen. Eine Art Verfassungsbruch. Nach dieser Logik werden sich bald auch Bankräuber auf ihr „Gewohnheitsrecht“ berufen können. Was die Frage nach dem Sinn der UNO aufwirft.
Übrigens, mit meiner Argumentation wurde gestern mehrheitlich eine Resolution des UN-Sicherheitsrates gegen Syrien abgelehnt.
1. Keine Gefährdung des Weltfriedens
2. Innere Angelegenheit Syriens
3. Kein zwischenstaatlicher Konflikt
Die Russen, Chinesen, Libanesen, Inder, Brasilianer, … haben ihre Lehren aus der Mandatsüberschreitung gegen Libyen gezogen. Offensichtlich sieht es eine Mehrheit der Staaten anders als Sie.
@politisch inkorrekt | 29. April 2011 – 7:53
Zitat: „Das ist wahrscheinlich auch der Grund warum China und Russland sich enthalten haben.“
Sie haben öffentlich erklärt, dass sie bei ihrer Entscheidung bezüglich Libyen von der Einhaltung der in der UN-Chata vorgegebenen Grenzen ausgegangen sind. Sie haben die westliche Kriegspartei für ihr überzogenes Handeln öffentlich kritisiert. Nach dem Motto, das haben wir alles nicht so gewollt und so war es auch nie gedacht.
@Stefan
Sie schrieben: „Richtig, es wird dreist gegen sie verstoßen. Eine Art Verfassungsbruch. Nach dieser Logik werden sich bald auch Bankräuber auf ihr “Gewohnheitsrecht” berufen können. Was die Frage nach dem Sinn der UNO aufwirft.“
Genau das ist es eben nicht. Das was Sie beinahe abschätzig „Gewohnheitsrecht“ nennen ist ein wichtiger Bestandteil der Rechtskultur. Das R2P-Konzept ist zwar nicht unstrittig, sicher aber eine der wichtigsten Errungenschaften des modernen Völkerrechts. Wenn sich nun, wie im Falle Libyens sogar Russland und China dazu entscheiden, die Souveränität eines Staates zu verletzten um seine Bevölkerung zu schützen dann ist dass ein geradezu revolutionärer Akt und zwar im positiven Sinne.
Die Welt besteht schon längst nicht mehr nur aus Staaten, das erfordert auch ein sich weiter entwickelndes Völkerrecht mit ein. Dies geschieht übrigens schon immer. Eine Interpretation von Gesetzen durch Gerichte oder eben höchste Gremien wie den SR ist zwingend notwendig.
@Chris | 29. April 2011 – 22:21
China und Russland haben sich gerade nicht dazu entschlossen die Souveränität Libiens zu verletzen. Russland und China haben gegen eine Flugverbotszone kein Veto eingelegt. Eine Zustimmung ist dies nicht. Sie haben nicht für diese Resolution gestimmt. Auch Deutschland, Indien und Brasilien nicht. Auch wenn die westlichen Medien dies behaupten, so widersprechen die amtlichen staatlichen Medien dieser Staaten dieser Darstellung entschieden. Im Internet sind ganz gegenteilige Bewertungen, als in unseren Medien, zu lesen. Internationale Organisationen, wie die Afrikanische Union, die SOZ und die BRICS-Staaten wenden sich eindeutig gegen die Kriegshandlungen der NATO. Und Fakt ist, die Mitgliedsstaaten der UN haben eine UN-Charta akzeptiert und kein vom Westen weiterentwickeltes Völkerrecht. Das eindeutige Zeugnis dafür ist die Ablehnung der UN-Resulution bezüglich Syrien, wo wesentlich härter gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen wird als in Libyen jemals geschehen. Wohl eine Folge der sehr freien Auslegung des UN-Mandats gegen Libyen. Was nützt ein „weiterentwickeltes Völkerrecht“, wenn es nicht von einer Mehrheit der UN akzeptiert wird. Nichts. Am westlichen Wesen wird die Welt mit Sicherheit nicht genesen. Wie sieht es den mit der Akzeptanz eines weiterentwickelnden Völkerrechts der nichtwestlichen Staaten aus. Da könnte ja jeder kommen und ein für sich genehmes Völkerrecht definieren. Entscheidend ist allein was in der UN-Charta steht. Die Welt tickt halt mehrheitlich nicht westlich. Das muß man als Demokrat ganz einfach akzeptieren oder man verabschiedet sich von der Demokratie. Es gibt kein Gericht, dass über der UNO steht und dessen Charta uminterpretieren könnte. Die UNO ist eine Vertragsgemeinschaft und dieser Vertrag (UN-Charta) kann nur einstimmig geändert werden.