Wikileaks: Butter bei die Fische

Im Gegensatz zur öffentlichen Aufregung haben mich die ersten Wikileaks-Berichte mit den internen Depeschen von U.S.-Diplomaten in den vergangenen Tagen eher kühl gelassen. Natürlich liest jeder gern Polit-Klatsch, aber die ersten Meldungen nach dem Muster Botschafter schreibt, Politiker A findet Politiker B dumm brachten aus deutscher Sicht wenig an Erkenntnissen. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass Wikileaks bislang nur einen Bruchteil der Cables veröffentlicht hat: Die liegen alle bei den beteiligten Medien (aus deutscher Sicht in erster Linie die englisch- und deutschsprachigen New York Times, Guardian und Spiegel), die sie Stück für Stück freigeben. Erst dann zieht Wikileaks nach (sofern der Server zugänglich ist…) – es ist also bis auf weiteres eine medien-getriebene Aufmerksamkeitsmaschine.

Nach dieser Vorrede: So langsam kommen jetzt die ersten Depeschen, deren Inhalte sachlich interessant werden. Wie der Botschaftsbericht über die Demarche des früheren deutschen NATO-Botschafters Ulrich Brandenburg bei seinem U.S.-Kollegen Ivo Daalder im Februar dieses Jahres: Die Deutschen, beklagte sich Brandenburg, zahlten zwar in einen Fonds zum Aufbau der afghanischen Armee (Afghan National Army, ANA) ein – aber das Geld komme nicht bei den richtigen Projekten an, und vor allem: Die U.S.-Militärbürokratie kassiere 15 Prozent des Geldes als Verwaltungsgebühr. Der Botschaftsbericht ist seit gestern abend beim Guardian nachzulesen (inzwischen auch beim Spiegel).

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Offiziersanwärter der Afghan National Army beim Training in Kabul (U.S. Air Force Photo by Staff Sgt. Stacey Haga via ISAFmedia/flickr)

Der Streit um Verwaltungsgebühren bei Spenden spielt ja auch bei mancher deutschen Organisation eine Rolle, aber dass die Amis da so zugreifen (wenn die vom Botschafter genannte Zahl korrekt ist, was in den bislang veröffentlichten Depeschen nicht bestätigt wird), stellt schon ein wenig das gemeinsame Ziel des Aufbaus afghanischer Sicherheitskräfte infrage. Für die Bundesregierung ist das auch deswegen pikant, weil das Auswärtige Amt im vergangenen Jahr richtig Druck gemacht hatte, die damals zusätzlichen 50 Millionen Euro schnell auf den Weg zu bringen: Eine weitere Verzögerung sei außenpolitisch nicht vertretbar.

Die Summen für den ANA Trust Fund sind übrigens für dieses und auch fürs kommende Jahr fortgeschrieben worden: Nach den 50 Millionen Euro, die 2009 aus dem Haushalt des Auswärtigen Amtes kamen, waren es 2010 dann 40 Millionen Euro aus dem Verteidigungshaushalt. Für 2011 sind erneut 40 Millionen weiterhin aus dem Verteidigungshaushalt vorgesehen. (Da ist ja ganz gut, dass die entsprechenden Medien diese Depesche erst eine Woche nach der abschließenden Beratung des Haushalts veröffentlicht haben… )