Mit der ‚Bonn‘ auf Schleuserjagd? Was bis jetzt feststeht – und was nicht

SNMG2 had extensive training with Turkish Navy

Nein, bislang gibt es noch keinen Beschluss der NATO, sich an der Bekämpfung der Schleuser zu beteiligen,  die im Seegebiet zwischen der Türkei und Griechenland Flüchtlinge nach Europa bringen – auch wenn einige Meldungen so klingen, als sei da schon ein Flottenverband mit deutschen Soldaten unterwegs. Zur nötigen Versachlichung eine Übersicht über den Stand vom heutigen Mittwochnachmittag:

• Vorgestern, am Montag (8. Februar), hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu recht überraschend den Vorschlag gemacht, die NATO könnte sich doch an der Bekämpfung des Menschenschmuggels in der Ägäis beteiligen.

• Gestern, am Tag vor Beginn des NATO-Verteidigungsministertreffens in Brüssel, hatte der Generalsekretär der Allianz, Jens Stoltenberg, von informellen Gesprächen mit den Verteidigungsministern der Türkei und Deutschlands über eine solche Initiative berichtet. Allerdings wirkte Stoltenberg davon auch ein wenig überrascht.

• Bei der Pressebegegnung direkt vor dem Zusammenkommen der Ressortchefs sagte der NATO-Generalsekretär heute mittag, jetzt werde über diesen Vorschlag beraten:

German TV: Regarding the Turkish pledge: what can/should NATO do concerning the refugee crisis in the Mediterranean Sea?
NATO Secretary General Jens Stoltenberg: We will discuss that during our meeting today and tomorrow. It is too early to conclude because I think it is important that we have this discussion among defence ministers. We all understand the concern and we all see the human tragedy and all the challenges which are connected to the migrant and the refugee crisis, which we have seen for many years in the Middle East but which has now become a great challenge for Europe. So, of course, when Allied Turkey and also other Allies raise the question of what NATO can do to help them to manage this refugee and migrant crisis, of course we will look very seriously into the request and discuss how we can follow-up and what NATO can do.
Deutsche Welle: Have you been in touch with other NATO Allies concerning the German/Turkish request already? And in case there is a decision, is it more likely to be a reconnaissance mission by air or by sea to fight the people smugglers?
NATO Secretary General Jens Stoltenberg: There have been different kinds of contacts and consultations but we will have a discussion among 28 Allies later on. The questions you ask about maritime capabilities or air surveillance and other kinds of capabilities that NATO possess are very relevant questions but I will not answer to those questions now because that’s exactly those issues which we are going to look into and discuss and find how NATO is going to provide some of these assets or some of these capabilities to help cope with the refugee crisis to fight the smugglers.

• Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sprach vor Beginn des Ministertreffens von einer türkischen Bitte. Und sie kündigte an, dass Deutschland sich an diesen Aktivitäten beteiligen werde:

Es ist deshalb gut, dass die Türkei die NATO gebeten hat, im Rahmen der Reassurance-Maßnahmen die Seeraumüberwachung in der Ägäis zu intensivieren. Ziel muss es sein, das perfide Geschäft der Schmuggler mit der illegalen Migration zu erschweren, wenn nicht unmöglich zu machen. Auch das werden wir bei diesem Treffen besprechen, und Deutschland wird sich auch an diesen Aktivitäten beteiligen.

Das komplette Statement der Ministerin, veröffentlicht vom Verteidigungsministerium:

 

von der Leyen NATO-Verteidigungsminister Doorstep     

 

• Andere NATO-Länder scheinen nicht direkt ablehnend, zum Beispiel Großbritannien:

Pressed for details about what NATO might do, Britain’s Defence Minister Michael Fallon said: „Anything that helps save lives in the eastern Mediterranean and helps disrupt the criminal business model behind this trafficking is extremely welcome.“

• Praktischerweise ist in diesem Seegebiet gerade eine maritime Einsatzgruppe der NATO unterwegs – unter deutschem Kommando. Seit Januar führt der deutsche Flotillenadmiral Jörg Klein von Bord des Einsatzgruppenversorgers Bonn die SNMG2. Zu dem Verband gehören neben der Bonn die türkische Fregatte Barbaros und die kanadische Fregatte Fredericton. Zeitweise stieß auch die italienische Fregatte Libeccio dazu.  Anfang Februar übte der Verband bereits mit weiteren türkischen Kriegsschiffen vor der Küste der Türkei im östlichen Mittelmeer.

• Warum die Bundesregierung eine Beteiligung der NATO für sinnvoll hält, erläuterte Regierungssprecher Steffen Seibert vor der Bundespressekonferenz:


(Direktlink: https://youtu.be/APE564fMtow)

Also: eine Entscheidung gibt es noch nicht. Weiter dann nach Entwicklung.

Nachtrag: Bei seiner Pressekonferenz am Mittwochnachmittag sagte der NATO-Generalsekretär auf entsprechende Fragen, die türkisch-deutsche Initiative werde derzeit noch besprochen. Über Ergebnisse könne er noch nichts sagen – vielleicht am (morgigen) Donnerstag.

(Foto: Die Standing NATO Maritime Group 2 mit dem Flaggschiff, dem Einsatzgruppenversorger Bonn, am 4.2.2016 bei einer Übung mit der türkischen Marine – NATO/HQ Maritime Command)