(Vorläufiges) Ende einer Afrika-Mission: ‚Gazelle‘ in Niger läuft aus

Die Bundeswehr beendet formal einen Einsatz in Afrika: Die Ausbildungsmission Gazelle in Niger, in der seit gut vier Jahren deutsche Spezialkräfte nigrische Soldaten trainieren, wurde mit einem Appell am (heutigen) Donnerstag zum Jahresende außer Dienst gestellt. Allerdings hatte die Bundesregierung bereits ein weiteres militärisches Engagement Deutschlands in dem westafrikanischen Land in Aussicht gestellt.

Die Außerdienststellung nahm der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Bernd Schütt, am Ausbildungsort in Tillia vor, wie die Bundeswehr mitteilte:

Die Ausbildungsmission, zunächst nur von Kampfschwimmern der Marine, war die ersten Jahre in einer zumindest umstrittenen rechtlichen Grauzone angesiedelt: Da es nach Ansicht der damaligen Bundesregierung kein Auslandseinsatz war, wurde Gazelle auch nicht vom Bundestag mandatiert – was damalige Oppositionsabgeordnete wie der heutige Außenamts-Staatsminister Tobias Lindner heftig kritisierten. 2020 wurde diese Mission dann zum Bestandteil der EU-Trainingsmission im benachbarten Mali erklärt und in das Bundestagsmandat für den EU-Einsatz aufgenommen.

Zur Arbeit von Gazelle heißt es auf der Webseite der Bundeswehr:

Der Einsatz der Joint Special Operations Task Force Gazelle verfolgt zwei Handlungslinien: Zum einen wurde der Partnerverband 41. Bataillon Special d’Intervention seit 2018, zunächst im Rahmen der Mission Gazelle, ausgebildet. Auch wurde er unter anderem mit Schutzausstattung, Geländewagen, Funk- und Nachtsichtgeräten materiell ausgestattet sowie die erforderliche Infrastruktur am nigrischen Heimatstandort in Tillia mitfinanziert. Nach einer Ausbildungsphase begleiten die Kampfschwimmer wechselweise je eine der drei Kampfkompanien des 41. Bataillon Special d’Intervention und evaluieren den Ausbildungsstand dieser Einheit während ihrer Operationen.
Zum anderen wurde zusammen mit den nigrischen Partnern mitten in der Dornstrauchsavanne eine Ausbildungseinrichtung für Spezialkräfte aufgebaut – das Centre d’Entrainement des Forces Speciales. Hier werden, derzeit noch mit Hilfe von Mentoren westlicher Partnernationen, alle nigrischen Spezialkräfte ausgebildet, evaluiert und durch mobile Ausbilderteams an den landesweiten Standorten unterstützt. (…)
Am Einsatz der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle waren bisher die Spezialkräfte der Marine, der Luftwaffe und des Heeres sowie über 50 verschiedene Dienststellen und Truppenteile aus nahezu allen Organisationsbereichen der Bundeswehr beteiligt.
Von Anfang war das Kommando Spezialkräfte der Marine der Leitverband für die Mission und später den Einsatz Gazelle und stellt mit seinen Kampfschwimmern den Kern der Ausbilder. Zahlreiche Kampfschwimmer aus Eckernförde waren wiederholt in Niger.
Gemeinsam mit Spezialkräften westlicher Partnernationen wie den USA, Belgien und Italien beraten deutsche Ausbilder die nigrischen Spezialkräfte. Den Schwerpunkt des Einsatzes der Joint Special Operations Task Force Gazelle bildet auch in der letzten Phase des Einsatzes die Ausbildung und Evaluierung nigrischer Spezialkräfte, einschließlich nigrischer Ausbilder.

Für das deutsche Engagement in der Sahel-Zone stellen sich mit dem Ende von Gazelle etliche Fragen: Die EU-Trainingsmission in Mali ist faktisch beendet, die Bundeswehr dort nur noch mit Stabspersonal vertreten. Für die UN-Mission MINUSMA in Mali hat die Bundesregierung bereits das Ende zum Mai 2024 angekündigt.

Zugleich hat jedoch vor allem das Auswärtige Amt immer wieder betont, dass ein weiteres deutsches Engagement, auch militärisch, in der Sahel-Zone durchaus im deutschen Interesse ist. Und Bundeskanzler Olaf Scholz hatte bei seinem Besuch in Niger im Mai dieses Jahres angedeutet, dass eine Fortsetzung der Bundeswehr-Arbeit in dem Land denkbar sei:

Das Projekt „Gazelle“, über das wir schon gesprochen haben, die Aktivität, die Deutschland zusammen mit Niger dort vor Ort entfaltet hat, ist wirklich erfolgreich. Mein Besuch heute hat mir noch einmal gezeigt: Das ist eine enge erfolgreiche Kooperation, die auch längerfristig angelegt ist und in der über viel Zeit hinweg gute Erfolge erzielt worden sind. Gerade hat der Bundestag die notwendige Entscheidung für die weitere Fortführung getroffen.
Gleichzeitig will ich sagen, dass wir uns einig sind, dass wir jetzt darüber sprechen müssen, wie langfristig eine Perspektive unserer guten Zusammenarbeit entwickelt werden kann und wie sie dann im Detail aussehen soll. Das ist auch einer der Punkte, über die wir heute noch vertieft sprechen wollen. Auf alle Fälle sollte das, was wir dort gemeinsam erreicht haben, Ansporn für die Aktivitäten der Zukunft sein.

Eine Möglichkeit dafür dürfte die Ausbildungsmission sein, die die EU Anfang dieser Woche für Niger auf den Weg gebracht hat:

Der Rat hat heute einen Beschluss im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) einen Beschluss zur Einrichtung einer militärischen Partnerschaftsmission angenommen, um Niger bei der Bekämpfung terroristischer bewaffneter Vereinigungen zu unterstützen. Diese Mission wird die Fähigkeit der nigrischen Streitkräfte verbessern, die Bedrohung einzudämmen, die Bevölkerung in Niger zu schützen und für ein sicheres und geschütztes Umfeld zu sorgen, im Einklang mit den Menschenrechtsnormen und dem humanitären Völkerrecht.
EUMPM Niger wird zur Umsetzung eines Plans für den Kapazitätsaufbau in Niger beitragen, indem sie die Einrichtung des Zentrums für die Ausbildung der Techniker der Streitkräfte unterstützt. Sie wird auf Antrag Beratung und Fachausbildung für Spezialisten der nigrischen Streitkräfte bereitstellen und die Schaffung eines neuen Bataillons für Kommunikation und Befehlsunterstützung unterstützen. Dies wird in Verbindung mit der am 18. Juli 2022 angenommenen Unterstützungsmaßnahme im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität durchgeführt werden.
Das Mandat der Mission, das in enger Abstimmung mit den nigrischen Behörden konzipiert wurde, wird sich zunächst auf drei Jahre erstrecken, und der finanzielle Bezugsrahmen für die gemeinsamen Kosten für diesen Zeitraum wird sich auf 27,3 Mio. EUR belaufen.

Mal sehen, ob in diesem Jahr dazu noch etwas von der Bundesregierung kommt.

(Archivbild November 2022: Ein deutscher Ausbilder bei der Einweisung nigrischer Soldaten vor einem Schießen in der Ausbildungsmission Gazelle – Benjamin Bendig/Bundeswehr)