Entscheidung über künftigen schweren Transporthubschrauber der Bundeswehr: Lambrecht kündigt CH-47 von Boeing an

Die Bundeswehr soll als neuen schweren Transporthubschrauber das Modell CH-47 Chinook erhalten. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht kündigte an, dass – wie bereits erwartet – der Helikopter des US-Herstellers Boeing als Nachfolger des fünf Jahrzehnte alten Transporthubschraubers CH-53G beschafft werden soll.

Wir wollen, dass es der Chinook wird, sagte Lambrecht  am (heutigen) Mittwoch in der Haushaltsdebatte des Bundestages. Die mit Generalinspekteur Eberhard Zorn und Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz abgestimmte Entscheidung stärke die Kooperationsfähigkeit mit anderen europäischen Streitkräften, die ebenfalls diesen Hubschrauber betreiben. Die Entscheidung für den Hubschrauber von Boeing ermögliche auch mehr Flexibilität, da die Flotte größer werde: Da der CH-47F kostengünstiger ist als der CH-53K, können für die gleiche Summe mehr Maschinen beschafft werden.

Mit der Beschaffung, die als direktes Regierungsgeschäft mit den USA abgewickelt werden soll, zieht das Verteidigungsministerium einen Schlussstrich unter den seit Jahren andauernden und zwischenzeitlich auch gescheiterten Versuch, der Bundeswehr neue große Transporthubschrauber zur Verfügung zu stellen. Dass die in den 1970-er Jahren in die Truppe eingeführten Helikopter dringend erneuert werden müssen, war schon vor rund 20 Jahren klar. Seitdem wurden die betagten CH-53-Maschinen jedoch weiterhin in Auslandsmissionen  eingesetzt – und fielen im Inland durch zahlreiche Sicherheitslandungen auf.

Vor knapp fünf Jahren, im Dezember 2017, hatte die Bundeswehr offiziell das Verfahren für die Beschaffung des neuen schweren Transporthubschraubers (STH) begonnen: Der damalige Generalinspekteur Volker Wieker legte in einer Auswahlentscheidung fest, dass zwischen 45 und 60 Hubschrauber eines marktverfügbaren Modells gekauft werden sollten. Damit kamen von vorherein nur zwei Modelle aus den USA infrage: Die neueste Variante des CH-47 Chinook (charakteristisch mit den zwei Rotoren) der Firma Boeing oder die neuere und bislang nur beim U.S. Marine Corps und für Israel vorgesehene  CH-53K (Foto oben) der Firma Sikorsky, die inzwischen zum US-Rüstungsgiganten Lockheed Martin gehört. Der einzige andere Hersteller von Helikoptern in dieser Größe ist Russland, dass schon damals als Lieferant ausgeschlossen wurde.

Das Beschaffungsverfahren stockte jedoch immer wieder und platzte am Ende, aus Kostengründen: Für die Beschaffung der Maschinen waren 5,6 Milliarden Euro vorgesehen, doch die Forderungen aus Bundeswehr und deutscher Industrie nach einer Beteiligung, aber auch dem Parlament führten fast zu einer Verdoppelung. Im September 2020 stoppte das Verteidigungsministerium deshalb das Vergabeverfahren.

Nun war zwar dieser Stopp des Verfahrens, so bestätigte das Bundeskartellamt, rechtswidrig – das Ministerium bzw. das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) durfte aber die Vergabe abbrechen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf bekräftigte diese Entscheidung im Dezember vergangenen Jahres.

Damit war der Weg frei für das neue Verfahren, das jetzt beginnen soll. Dass es auf den Chinook hinausläuft, hatte sich bereits vor einigen Wochen abgezeichnet. Die Debatte über die Vor- und Nachteile der beiden Hubschraubermodelle dürfte aber vermutlich dennoch weitergehen.

Nachtrag: Die Mitteilung des Verteidigungsministeriums dazu:

Am 1. Juni 2022 informierte das Verteidigungsministerium das Parlament über die Entscheidung zur Nachfolgelösung des Waffensystems CH53.
Nach sorgfältiger Betrachtung aller Faktoren hat die Bundesministerin der Verteidigung Christine Lambrecht entschieden, die Beschaffung von 60 CH-47F in der modernen und zukunftsfähigen Konfiguration Block II Standard Range mit Luftbetankungsfähigkeit einzuleiten.
„Wir haben die Vor- und Nachteile und auch Risiken gründlich abgewogen – und uns dann einhellig für dieses Modell ausgesprochen. Der Chinook ist modern und erprobt. Mit diesem Modell stärken wir unsere Kooperationsfähigkeit in Europa. Zudem bekommen wir hier eine größere Flotte und gewinnen an Flexibilität,“ äußerte sich die Ministerin.
Die CH-47F ist ein etabliertes, technisch ausgereiftes, einsatzerprobtes Produkt, von dem mehr als 500 Lfz sowohl bei der US-Army als auch einer Reihe von europäischen Nutzern im Einsatz sind. Zu nennen sind hier insbesondere die Niederlande, mit denen wir bereits eine sehr enge Kooperation pflegen, die mit dieser Entscheidung noch weiter ausgebaut werden kann.
Der geringere Stückpreis der CH-47F ermöglicht zudem die Beschaffung einer höheren Stückzahl, was für die Streitkräfte eine größere operationelle Flexibilität bei gleichzeitiger Erfüllung aller wesentlichen Nutzerforderungen bedeutet.
Mit der Entscheidung für ein marktverfügbares und weltweit genutztes Produkt sinken die technischen, zeitlichen und auch finanziellen Risiken.
Zudem festigen wir mit der Beschaffung der CH-47F sowohl die transatlantische Partnerschaft, als auch die engen Beziehungen zu unseren europäischen Partnern und stärken die Interoperabilität.

(Foto: Werbefoto von Boeing; eine – noch nicht existierende – CH-47 mit Kennzeichnung der Bundeswehr)